AG Charlottenburg – Az.: 72 C 1/19 – Urteil vom 27.05.2019
1. Die Beklagte wird verurteilt, im Badezimmer des Wohnungseigentums Nr. 22 (…) im Bereich der in der Wand zum Treppenhaus verlaufenden Abwasserfallleitung, die zur Instandsetzung der Abwasserfallleitung und der damit verbundenen Maßnahmen von innen geöffneten Wandabschnitte unter Anbringung einer üblichen Schallisolierung des Fallrohrs fachgerecht zu verschließen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, insbesondere die im Zuge des Eingriffs abgeklemmten Wasserleitungen einschließlich der Spülkastenzuleitung wieder funktionstüchtig zu machen, die offenen Stellen im Mauerwerk- und Trockenbaubereich zu verschließen und zu verputzen, die Wandverfliesung – einschließlich einer originalgetreuen Reproduktion der zerstörten antiken Bordürenfliesen – originalgetreu passend wieder herzustellen, den oberen Wandbereich entsprechend den angrenzenden, unversehrten Wandabschnitten zu spachteln und zu streichen, Spiegel, Lampe, Schalter und Steckdosen sowie WC- und Spülkasten wieder anzubringen und deren Funktionalität wieder herzustellen, die an der Waschmaschine zur Mobilisierung abgebauten Teile wieder anzubauen, den Bauschutt zu beseitigen sowie die Baustelle endzureinigen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.160,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2018 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist als Eigentümerin der Wohnung Nr. 22 Mitglied der Beklagten. Der Gemeinschaft liegt die Teilungserklärung des Notars … nebst Ergänzung und Änderung unter anderem durch Urkunde des Notars … zugrunde; insoweit wird insgesamt verwiesen auf Blatt 28 bis 67 der Gerichtsakte).
Die Wohnung verfügt über ein Bad mit einer Grundfläche von 1,65 x 3,75 Meter, in dem unter anderem auch eine Waschmaschine aufgestellt ist. In der Wand zwischen diesem Bad und dem Treppenhaus verläuft eine (gemeinschaftliche) Abwasserleitung, ein Fallrohr. Aufgrund einer Leckage wurde dieses Rohr durch die von der Verwaltung beauftragte … am 14. Januar 2015 ausgetauscht, was über die Öffnung der Wand vom Bad der Klägerin aus erfolgte. Hierzu wurden WC, Spülkasten, Lampe, Spiegel, Steckdosen, Schalter, Fliesen, Teile der Trockenbaukonstruktion und Mauerwerk entfernt sowie die Wasser- und Elektroleitung abgeklemmt. Hinsichtlich des Zustandes wird auf die zur Akte gereichten Lichtbilder Bezug genommen (Blatt 6, 7 der Gerichtsakte).
Am 12. Oktober 2017 fand mit dem Geschäftsführer der Verwaltung eine Ortsbesichtigung statt, in deren Rahmen auch die Wiederherstellung des Bades thematisiert wurde; dies nochmals im Rahmen der Eigentümerversammlung am 7. Februar 2018. Der Beschlussantrag der Klägerin zur Wiederherstellung des Bades wurde unter dem TOP 13 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 14. November 2018 abgelehnt (Blatt 10 bis 12 der Gerichtsakte).
Die Klägerin macht nunmehr neben der Instandsetzung des Bades eine Nutzungsentschädigung seit Januar 2015 von 2.160,- Euro (60,- Euro x 48 Monate, hiervon 75 Prozent) geltend. Sie behauptet, dass nach Austausch des Fallrohrs der ursprüngliche Zustand nicht wieder hergestellt worden sei (Wiederanschluss WC, Spülkasten etc.). Die Klage sei am 31. Dezember 2018 bei Gericht eingegangen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, im Badezimmer des Wohnungseigentums Nr. 22 (…) im Bereich der in der Wand zum Treppenhaus verlaufenden Abwasserfallleitung, die zur Instandsetzung der Abwasserfallleitung und der damit verbundenen Maßnahmen von innen geöffneten Wandabschnitte unter Anbringung einer üblichen Schallisolierung des Fallrohrs fachgerecht zu verschließen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, insbesondere die im Zuge des Eingriffs abgeklemmten Wasserleitungen einschließlich der Spülkastenzuleitung wieder funktionstüchtig zu machen, die offenen Stellen im Mauerwerk- und Trockenbaubereich zu verschließen und zu verputzen, die Wandverfliesung – einschließlich einer originalgetreuen Reproduktion der zerstörten antiken Bordürenfliesen – originalgetreu passend wieder herzustellen, den oberen Wandbereich entsprechend den angrenzenden, unversehrten Wandabschnitten zu spachteln und zu streichen, Spiegel, Lampe, Schalter und Steckdosen sowie WC- und Spülkasten wieder anzubringen und deren Funktionalität wieder herzustellen, die an der Waschmaschine zur Mobilisierung abgebauten Teile wieder anzubauen, den Bauschutt zu beseitigen sowie die Baustelle endzureinigen;
2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie 2.160,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Ansicht, dass der Klageantrag zu 1) unbestimmt sei.
Hinsichtlich des weitergehenden Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlage sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Es handelt sich insoweit um einen Rechtsstreit im Sinne des § 43 Nr. 2 WEG, über den das Amtsgericht Charlottenburg als Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ausschließlich zu entscheiden hat. Das Rechtsschutzinteresse ist der Klägerin nicht abzusprechen – die Gemeinschaft hat sich vor der Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche mit diesen in einer Versammlung befasst; die Klägerin ist nicht auf die Geltendmachung des Anspruchs auf § 21 Abs. 8 WEG zu verweisen (was allerdings ohnehin hilfsweise erfolgte). Der Klageantrag zu 1) ist ausreichend bestimmt; insbesondere vollstreckbar – es ist klargestellt worden, was die Klägerin verlangt. Ein (Klage-) Antrag ist dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret (gegenständlich) bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko des (ggfs. teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und er die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. nur BGH, Urt. v. 14. Dez. 1998 – II ZR 330/97, NJW 1999, 954). Dies ist vorliegend der Fall. Der – im Übrigen auch auslegungsfähige (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juni 1995 – I ZR 137/93, NJW 1995, 3187, 3188) – Antrag ist vollstreckungsfähig: die Beklagte soll – in nicht vorschreibbarer Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1995 – V ZB 5/95, NJW 1995, 2036) den beschriebenen Zustand wiederherstellen. Der ursprüngliche Zustand wurde nachvollziehbar beschrieben.
II.
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Beseitigung des Substanzschadens, Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und auf Zahlung von 2.160,- Euro zu. Der Anspruch folgt jeweils aus § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG.
Dabei folgt aus dem Wortlaut der Norm, dass über diese Norm nur solche Schäden ersetzt werden, die durch das Betreten und die Benutzung des Sondereigentums entstanden sind. Erfasst werden insoweit nach allgemeiner Ansicht auch nur die Einwirkungen auf das Sondereigentum, die zur Instandhaltung und Instandsetzung erfolgten (statt aller Klein in Bärmann; WEG, 11. Aufl. 2010, § 14, Rn. 59). Keinesfalls kann über § 14 Nr. 4 WEG der Schaden ersetzt verlangt werden, der auf Mängel am Gemeinschaftseigentum und nicht auf Instandsetzungsarbeiten zurückzuführen ist (statt aller: OLG Frankfurt, Beschl. v. 4. Sept. 2008 – 20 W 347/05 = BeckRS 2009, 12141; Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl. 2017, § 14, Rn. 51). Dabei kann der Wohnungseigentümer jeden Schaden ersetzt verlangen, der infolge der Gestattung des Betretens und der Benutzung im Vorfeld der Instandhaltung und Instandsetzung und im Zuge ihrer Abwicklung entsteht, ob verschuldet oder nicht (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschl. v. 17. Jan. 2006 – 20 W 362/04 = NJW-RR 2007, 233).
Nach § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG ist mithin der Schaden zu ersetzen, der adäquat kausal durch das Betreten oder die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zur Instandsetzung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums verursacht worden ist. Erfasst wird insbesondere der Schaden, der dadurch entsteht, dass das Sondereigentum bei der Benutzung zur Instandsetzung in einen nachteiligen Zustand versetzt und beim Ende der Arbeiten in diesem Zustand belassen wird (vgl. nur BGH, Urt. v. 25. Sept. 2015 – V ZR 246/14, NJW 2016, 1310 und Urt. v. 10. Juli 2015 – V ZR 194/14, NJW 2015, 2968). Der Anspruchsinhalt richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB, ist demnach auf Naturalrestitution gerichtet; als besondere Form kann hieraus ein Zahlungsanspruch folgen, § 249 Abs. 2 BGB.
Insofern kann die Klägerin zum einen Naturalrestitution (nach § 249 Abs. 1 BGB in Form der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ihres Sondereigentums verlangen. Dies umfasst (nach fachgerechter Schließung der Wandöffnung) die Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der (im Zuge des Eingriffs abgeklemmten) Wasserleitungen einschließlich der Spülkastenzuleitung, das Verputzen der dann geschlossenen Stellen im Mauerwerk- und Trockenbaubereich, die Wiederherstellung der ursprünglich vorhandenen Wandverfliesung – einschließlich einer originalgetreuen Reproduktion der zerstörten antiken Bordürenfliesen, das Spachteln und Streichen des oberen Wandbereichs entsprechend den angrenzenden, unversehrten Wandabschnitten, Anbringung (und Anschluss) von Spiegel, Lampe, Schalter und Steckdosen sowie WC- und Spülkasten, Anbau der an der Waschmaschine zur Mobilisierung abgebauten Teile, Beseitigung des Bauschutts und die Endreinigung. Soweit die Beklagte behauptet, dies sei bereits durch die ausführende Firma geschehen, so ist der Vortrag – nur mit Vorlage eines vorgeblichen Tagelohnzettels – angesichts des substantiierten Vortrags der Klägerin – Vorlage Lichtbilder, E-Mail-Verkehr Verwaltung und Beirat – unerheblich.
Darüber hinaus besteht ein Anspruch wegen der Nichtnutzbarkeit des Bades in Höhe von insgesamt 2.160,- Euro.
Vorliegend sind unstreitig im Januar 2015 Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum (Fallrohr und Wand) vorgenommen worden, zu deren Zweck das Sondereigentum der Klägerin betreten werden musste; in deren Sondereigentum wurde hierzu zielgerichtet eingegriffen. Es ist ein finanzieller Ausgleich für den fehlenden Eigengebrauch (von Teilen) der Eigentumswohnung für nicht unerhebliche Zeit zu leisten (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 6. Febr. 1987 – 2 Z 93/86, ZMR 1987, 227), sofern sich die Entziehung oder Einschränkung des Gebrauchs typischerweise auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt, weil der betroffene Raum für die Lebensführung des jeweiligen Eigentümers von zentraler Bedeutung ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 9. Juli 1986 – GSZ 1/86 BGHZ 98, 212; einschränkend hierzu auch BGH, Urt. v. 5. März 1993 – V ZR 87/91, NJW 1993, 1793).
Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Nichtnutzung des Bades mit einer Größe von etwa 6 Quadratmetern das Wohnen in der Wohnung signifikant eingeschränkt hat. Dies belegen im Übrigen auch die zur Akte gereichten Lichtbilder, auf denen der Zustand des Bades, was den Wohnwert erheblich beeinträchtigt haben dürfte, abgebildet ist. Der Zustand des Bades ist seit Januar 2015 unverändert Unter Berücksichtigung des Berliner Mietspiegels und der vorhandenen Wohnungsnachfrage geht das Gericht von einem zu erzielenden Mietzins von 8,- bis 10,- Euro/qm aus. Vor diesem Hintergrund schätzt das Gericht die Beeinträchtigung der Kläger hinsichtlich des besonders wichtigen Bereiches für 48 Monate auf (zumindest den klageweise geltend gemachten Betrag) von 2.160,- Euro, § 287 ZPO.
Der etwaige Einwand, dass die Klägerin erst die Schäden am Gemeinschaftseigentum verursacht hätte, wäre letztlich unbeachtlich. Dabei kann dahinstehen, ob dies überhaupt entgegengehalten werden kann; jedenfalls trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast; der diesbezügliche Vortrag ist erschöpft sich allerdings in Vermutungen, ist unsubstantiiert. Der § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG greift dann nicht, wenn ein Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum vorgenommen hat, die im Zuge von Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum entfernt werden muss (vgl. LG Köln, Urt. v. 20. Febr. 2001 – 29 T 190/00, ZMR 2001, 924). Die Investitionen des betroffenen Eigentümers sind in diesem Fall verloren, der Eigentümer muss sich selbst um die Wiederherstellung der baulichen Veränderung kümmern, sofern diese überhaupt zulässig ist (vgl. auch Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten a.a.O. Rn. 55). Vorliegend kann nach dem Parteivortrag keine von der Klägerin vorgenommene (relevante) bauliche Veränderung an dem Gemeinschaftseigentum erkannt werden.
Die diesbezügliche Zinsentscheidung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
Auf den Einwand der Verjährung kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Insoweit gelten zunächst die §§ 195, 199 BGB. Die Klageerhebung hat allerdings den Lauf der Verjährung (insgesamt, hier aber auch insbesondere hinsichtlich der im Jahre 2015 entstandenen und damit grundsätzlich Ende des Jahres 2018 verjährenden Ansprüche) gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei geht das Gericht von einer Anhängigkeit noch im Jahr 2018 aus. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Klageerhebung am 31. Dezember 2018 glaubhaft belegt, insbesondere die entsprechende Postsammelservice-Quittung zur Akte gereicht. Dass auf der Klageschrift der Eingangsstempel „2. Januar 2019“ aufgedruckt ist, begründet keine andere Bewertung. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dieser Stempel fehlerhaft ist. Nach Mitteilung der Verwaltung des Gerichts lässt sich bei Eingängen im Zeitraum 29 Dezember 2018 bis 2. Januar 2019 nicht feststellen, an welchem konkreten Tag das Schriftstück eingegangen ist; alle Eingänge in diesem Zeitraum tragen das Datum des 2. Januar 2019. Insofern ist von einer rechtzeitigen Hemmung auszugehen. Die Zustellung der Klage erfolgte unverzüglich, insbesondere wurde der Gerichtskostenvorschuss unverzüglich (hier binnen 3 Tagen) eingezahlt und sodann die Klagezustellung veranlasst.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.
IV.
Der Streitwert wird auf 4.000,- Euro festgesetzt. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) beträgt der Wert unproblematisch 2.160,- Euro. Hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 1) begehrten Ertüchtigungsmaßnahmen schätzt das Gericht den Streitwert mit der Klägerin in Ansehung der Beeinträchtigung und der Kosten auf 1.840,- Euro.