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WEG-Beschlussanfechtung – Umgestaltung von Dachgaubenfenstern

AG Schöneberg – Az.: 772 C 91/15 – Urteil vom 01.12.2016

1. Der in der Wohnungseigentümerversammlung am 07.09.2015 zu TOP 9 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

2. Die Klage der Kläger zu 4. – 9. wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 4. – 9. und die Beklagten zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger zu 4. – 9. können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zu 1. – 3. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger und die Beklagten sind Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft A. Straße in … B..

Auf der Eigentümerversammlung vom 07.09.2015 wurde zu TOP 9 mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:

Die Eigentümer der WEG A. Straße erteilen Herrn K. die Genehmigung auf seine Kosten die Dachgaubenfenster der WE 21 in 3-flügelige Fensterelemente umzugestalten. Die Kosten der Fensterelemente, die Kosten der Installation und künftige Instandhaltungskosten trägt Herr K..

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Kläger.

Die Kläger zu 1. – 3. tragen vor:

WEG-Beschlussanfechtung - Umgestaltung von Dachgaubenfenstern
(Symbolfoto: Peter de Kievith/Shutterstock.com)

In der Sache dürfe es darauf ankommen, ob der angefochtene Beschluss nichtig oder nur anfechtbar sei. Denn ausschließlich sie hätten innerhalb der Anfechtungsfrist Anfechtungsklage erhoben. Die anderen Kläger hätten lediglich Nichtigkeitsfeststellungsklage außerhalb der Anfechtungsfrist erhoben. Nach herrschender Meinung dürfte der vorliegende Beschluss nicht nichtig sein. Der Beschluss sei nicht zu unbestimmt. Denn ein Beschluss sei nur nichtig, wenn dieser eine durchführbare Regelung nicht mehr erkennen lasse. Da der Beschluss nicht nichtig sei, sei die Klage der übrigen Kläger abzuweisen, da die Anfechtungsfrist verstrichen sei. Über die Anfechtungsklage der Kläger zu 1. – 3. müsse das Gericht im Wege des Gestaltungsurteils entscheiden und dürfe die Wohnungseigentümer nicht auf eine erneute Beschlussfassung verweisen. Nach der fehlerhaften Rechtsauffassung der übrigen Kläger könnten sich anderenfalls beklagte Wohnungseigentümer stets der Kostentragungspflicht entziehen, indem diese kurz vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung noch eine unbegründete Nichtigkeitsfeststellungsklage erheben. Dies erhelle, dass es nicht auf den bloßen Umstand der Klageerhebung ankommen könne, sondern auf das Bestehen eines Nichtigkeitsgrundes. Der Beschluss beinhalte eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 WEG. Diese bedürfe wegen der damit einhergehenden optischen Veränderung des Gesamteindruckes nach § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer. Außerdem widerspreche der Beschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da dem Beschluss weder Größe noch Ausführung oder Gestaltung der Fensterelemente zu entnehmen sei. Der ausbauwillige Wohnungseigentümer könne so aufgrund des Beschlusses nach Belieben Maße, Art und Gestaltung der 3-flügeligen Fensterelemente wählen. Der Beschluss zu TOP 9 sei damit für ungültig zu erklären.

Die Kläger zu 4. – 9. tragen vor:

Die Gerichtskosten seien allen Klägern anteilig aufzuerlegen und die außergerichtlichen Kosten müssten alle Kläger selber tragen. Die Nichtigkeitsklage sei begründet. Der angegriffene Beschluss sei gemäß § 16 Abs. 4 WEG nichtig, weil zu TOP 9 unter anderem beschlossen worden sei, dass der Eigentümer K. die Kosten der Installation und künftige Instandhaltungskosten selber tragen müsse. Alle Kläger seien notwendige Streitgenossen. Dies führe dazu, dass die Kosten des Rechtsstreits von allen Klägern zu tragen seien. Da im letzten Satz des Beschlusses geregelt sei, dass künftige Instandhaltungskosten von Herrn K. getragen werden, dürfte der Beschluss in diesem Punkt gemäß der Vorschrift des § 16 Abs. 4 WEG nichtig sein.

Die Kläger zu 1. – 3. beantragen, den in der Wohnungseigentümerversammlung der WEG A. Straße in … B. am 07.09.2015 gefassten Beschluss zu TOP 9 („Die Eigentümer der WEG A. Straße erteilen Herrn K. die Genehmigung auf seine Kosten die Dachgaubenfenster der WE 21 in 3-flügelige Fensterelemente umzugestalten. Die Kosten der Fensterelemente, die Kosten der Installation und künftige Instandhaltungskosten trägt Herr K..“) für ungültig zu erklären.

Die Kläger zu 4. – 9 beantragen, festzustellen, dass der in der Wohnungseigentümerversammlung der WEG A. Straße in … B. am 7. September 2015 gefasste Beschluss zu TOP 9 („Die Eigentümer der WEG A. Straße erteilen Herrn K. die Genehmigung auf seine Kosten die Dachgaubenfenster der WE 21 in 3-flügelige Fensterelemente umzugestalten. Die Kosten der Fensterelemente, die Kosten der Installation und künftige Instandhaltungskosten trägt Herr K..“) nichtig ist.

Die Beklagten sind zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht erschienen und haben sich nicht gegen die Klage gewendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Sowohl die Klage der Kläger zu 1. – 3. als auch die Klage der übrigen Kläger ist zulässig. Insbesondere sind die Klagen vor dem gemäß § 43 Nr. 4 WEG zuständigen Gericht erhoben worden. Auch sind die Gegner der Anfechtungsklage hinreichend konkret bezeichnet, die Einreichung der Eigentümerliste war insoweit ausreichend.

II.

1. Anfechtungsklage der Kläger zu 1. – 3.

Die Klage der Kläger zu 1. – 3. ist begründet. Die Klage wahrt die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG. Denn die Klageschrift wurde am 7. Oktober 2015 bei Gericht eingereicht und die Zustellung am 29. Oktober 2015 erfolgte „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO, nachdem die Kläger gleich bei Klageeinreichung den Gerichtskostenvorschuss per Scheck eingezahlt haben.

Die Klage ist auch im Übrigen begründet. Denn der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07.09.2015 zu TOP 9 widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und war für ungültig zu erklären. Der Beschluss zu TOP 9 über die Umgestaltung des Fensters der Gaube der Wohnung Nr. 21 in ein 3-flügeliges Element mit Unterlicht und einem integrierten Schutzelement stellt eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 WEG dar. Gemäß § 22 Abs.1 WEG können bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, beschlossen werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die beschlossene Umgestaltung des Fensters der Gaube bewirkt eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindruckes, sodass die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls die Kläger zu 1. – 3. haben nicht zugestimmt und sind durch die optische Veränderung des Gesamteindruckes über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Dass eine optische Beeinträchtigung vorliegt, wurde nicht bestritten.

Darüber hinaus wäre der Beschluss auch deshalb für ungültig zu erklären, weil er nicht bestimmt genug ist. Denn im Beschluss sind weder Größe noch Ausführung oder Gestaltung der 3-flügeligen Fensterelemente festgelegt.

2. Klage der Kläger zu 4. – 9.

Die Klage der Kläger zu 4. – 9. hingegen war als unbegründet zurückzuweisen. Denn die Klage der Kläger zu 4. – 9. wurde nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 46 WEG erhoben, sodass von ihnen auch nur die Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses verlangt wurde. Der Beschluss zu TOP 9 vom 07.09.2015 ist jedoch nicht nichtig. Wie oben dargestellt, widerspricht der Beschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Beschlüsse, die ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, sind nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, denn die Ordnungsmäßigkeit ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht kompetenzbegründend (BGH, NJW 2000, 3500). Der angefochtene Beschluss ist weder wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig noch wegen Verstoßes gegen § 16 Abs. 4 WEG.

Nichtig ist ein Beschluss, der wegen inhaltlicher Unbestimmtheit oder Widersprüchlichkeit keine durchführbare Regelung enthält (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Auflage, § 23 Rn. 81 mwN). Lässt der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen, ist er wirksam, aufgrund seines zweifelhaften Inhalts aber anfechtbar. Vorliegend wurde schon die Umgestaltung des Fensters in 3-flügelige Elemente mit Unterlicht und einem integrierten Schutzelement beschlossen. Eine durchführbare Regelung ist also durchaus erkennbar. Eine Nichtigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit war also nicht gegeben. Der Beschluss ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 16 Abs. 4 WEG nichtig. Der Beschluss ist nicht insoweit nichtig, als der Eigentümer K. die Kosten der Installation trägt. Denn dieser hat die Kostentragungspflicht freiwillig anerkannt, um eine Genehmigung der baulichen Veränderung zu erlangen. Die Freistellung der übrigen Wohnungseigentümer von den Kosten der baulichen Veränderung umfasst in der Regel auch die Folgekosten.

Aber auch insoweit wie die Folgekosten, nämlich die Instandhaltungskosten des umgebauten Fensters dem Eigentümer K. auferlegt worden sind, ist der Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Denn gemäß § 16 Abs. 4 WEG können die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Der Beschluss zur Regelung der Kostenverteilung nach Satz 1 des § 16 Abs. 4 WEG bedarf einer Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer. Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen hier vor, denn es handelt sich hier um eine Einzelfallregelung bezüglich des umgestalteten Fensters. Lediglich die erforderliche qualifizierte Mehrheit des § 16 Abs. 4 WEG liegt nicht vor. Aber auch ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss ist nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar (vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, 11. Aufl., WEG, § 16 Rn. 105). Auch insoweit konnte eine Nichtigkeit des Beschlusses nicht festgestellt werden.

Andere Nichtigkeitsgründe sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Denn hat bei einer subjektiven Klagehäufung von mehreren Klägern nur einer Erfolg, so fallen die Kosten des Rechtsstreits nach Maßgabe des § 92 ZPO den unterlegenen Klägern und den Beklagten zur Last (Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 46 Rn. 88; Jennißen, WEG, 4. Aufl., Rn. 170). Wird eine Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage von mehreren Klägern betrieben, ist der angefochtene Beschluss jedoch nur für ungültig zu erklären und konnte keine Feststellung der Nichtigkeit erfolgen, so ist der Klageantrag hinsichtlich der Nichtigkeitsfeststellungsklage als unbegründet abzuweisen. Die unterlegenen Kläger sind sodann gemeinsam mit den ebenfalls unterlegenen Beklagten an den Kosten des Rechtsstreits nach Maßgabe des § 92 Abs. 1 ZPO zu beteiligen. Denn nur ein solches Ergebnis ist sachgerecht. Denn ansonsten könnten sich die Beklagten einer Anfechtungsklage jederzeit noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist der Kostentragungspflicht entziehen, indem sie eine Nichtigkeitsfeststellungsklage erheben.

IV.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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