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WEG – Beschlusskompetenz für erstmalige Kostenlast

Berliner Gericht stärkt Eigentümer: Keine Kostenbeteiligung per Mehrheitsbeschluss

Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass die Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung, die eine erstmalige Kostenbeteiligung von zuvor von der Kostenlast befreiten Eigentümern für Vorschusszahlungen und eine Sonderumlage festlegen, ungültig sind, da sie gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen und eine solche erstmalige Kostenbeteiligung nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine Vereinbarung aller Eigentümer legitimiert werden kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 56 S 52/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das LG Berlin hat die Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung für ungültig erklärt, die bestimmte Eigentümer erstmalig zu Vorschusszahlungen und einer Sonderumlage heranziehen wollten.
  • Eine erstmalige Beteiligung an Kosten kann nicht durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern muss durch eine Vereinbarung aller Eigentümer erfolgen.
  • Das Urteil basiert auf der Argumentation, dass eine solche Kostenbeteiligung den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung verletzt und gegen bestehende Vereinbarungen verstößt.
  • Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer Vereinbarung für die erstmalige Kostenbelastung und stellt klar, dass Beschlüsse, die diesem Prinzip widersprechen, keine rechtliche Wirkung haben.
  • Das Gericht hat auch die Revision zugelassen, da die Frage der Kompetenz für eine erstmalige Kostenbeteiligung durch Mehrheitsbeschluss rechtlich umstritten ist und eine höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht.
  • Die unterliegende Partei wurde zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung von Vereinbarungen und die Grenzen der Beschlussfassung in Wohnungseigentümergemeinschaften hinsichtlich der Kostenverteilung.

Kostenlast im Wohnungseigentum

Die Kostenlast im Wohnungseigentum ist ein wichtiges Thema für alle Wohnungseigentümer. Es regelt, wer welche Kosten für die gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen zu tragen hat. Grundsätzlich wird diese Kostenverteilung in der Gemeinschaftsordnung oder Teilungserklärung festgelegt.

Eine zentrale Frage ist, ob die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung eine erstmalige Kostenbeteiligung für bislang von der Last befreite Eigentümer beschließen können. Dies ist von großer praktischer Bedeutung, da es die finanzielle Belastung der Eigentümer maßgeblich beeinflusst.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Kostenbeteiligung in der WEG

Im Zentrum dieses Falles steht eine Auseinandersetzung zwischen Wohnungseigentümern und einer Eigentümergemeinschaft in Berlin. Die Kläger, Mitglieder der Eigentümergemeinschaft, wehrten sich gegen Beschlüsse zu Vorschusszahlungen und einer Sonderumlage, zu denen sie auf einer Versammlung am 05. Juli 2022 herangezogen wurden. Ihr Hauptargument: Laut Teilungserklärung seien sie von der Kostentragung ausgeschlossen, solange ihre Einheiten nicht an die Versorgungsleitungen angeschlossen sind. Das Amtsgericht Schöneberg wies ihre Klage zunächst ab, da es die Neuregelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG als Rechtfertigung für die erstmalige Kostenbeteiligung sah. Doch die Kläger ließen nicht locker und zogen vor das Landgericht Berlin.

Das Urteil des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin gab den Klägern recht und erklärte die umstrittenen Beschlüsse für ungültig. Die Richter stellten fest, dass eine erstmalige Heranziehung zu Kosten ohne eine Vereinbarung aller Eigentümer nicht mit dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung vereinbar ist. Sie betonten, dass laut Bundesgerichtshof die Beteiligung an Kosten, von denen jemand laut Teilungserklärung befreit ist, nicht einfach durch einen Beschluss eingeführt werden kann. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Beschlüsse den Klägern unrechtmäßig Kosten auferlegten, obwohl diese nach einem Notarvertrag davon befreit waren.

Die rechtliche Auseinandersetzung

Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich vor allem um die Interpretation des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG, der im Zuge der WEG-Reform 2020 eingeführt wurde. Die Beklagte argumentierte, dass diese Neuregelung die Möglichkeit eröffne, abweichend von früheren Vereinbarungen Kosten auf die Eigentümer umzulegen. Die Kläger hingegen sahen in dem Beschluss eine unrechtmäßige Abweichung von der Teilungserklärung und eine Verletzung des Grundsatzes ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin unterstreicht die Grenzen der Beschlussfassung in Wohnungseigentümergemeinschaften. Sie macht deutlich, dass die Heranziehung zu Kosten, von denen Eigentümer nach der Teilungserklärung befreit sind, nicht ohne weiteres durch einen Mehrheitsbeschluss erfolgen kann. Dies dient dem Schutz der Eigentümer und der Rechtssicherheit innerhalb der Gemeinschaft. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, da die Rechtsfrage der erstmaligen Kostenbeteiligung durch Beschluss von grundsätzlicher Bedeutung ist und unterschiedliche Auffassungen existieren.

Die zukünftige Rechtspraxis

Das Urteil hat potenziell weitreichende Folgen für die Praxis der Wohnungseigentümergemeinschaften. Es signalisiert, dass Änderungen in der Kostenverteilung, die von der Teilungserklärung abweichen, sorgfältig geprüft und durch Vereinbarungen aller Eigentümer legitimiert werden müssen. Die zukünftige Rechtsprechung und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs werden zeigen, inwieweit die Grundsätze dieses Urteils Anwendung finden und wie die Regelungen des WEG im Kontext der Kostenverteilung zu interpretieren sind.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter Beschlusskompetenz in der WEG?

Unter der Beschlusskompetenz in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) versteht man die Befugnis der Eigentümerversammlung, durch Mehrheitsbeschlüsse für alle Wohnungseigentümer verbindliche Entscheidungen zu treffen.

Umfang der Beschlusskompetenz

Die Beschlusskompetenz der WEG erstreckt sich grundsätzlich auf alle Angelegenheiten ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dazu gehören insbesondere:

  • Die Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum
  • Die Aufstellung von Hausordnungen und Regelungen zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums
  • Die Bestellung und Abberufung des Verwalters sowie die Regelung seiner Aufgaben und Befugnisse
  • Die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung

Durch Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung kann die Beschlusskompetenz erweitert oder eingeschränkt werden. Auch durch Öffnungsklauseln im Gesetz, z.B. zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 WEG, wird die Beschlusskompetenz ausgedehnt.

Grenzen der Beschlusskompetenz

Es gibt jedoch auch Grenzen für die Beschlusskompetenz der WEG:

  • Beschlüsse dürfen nicht gegen zwingendes Recht verstoßen, z.B. das Verbot der Aufhebung der Gemeinschaft nach § 11 WEG.
  • In Angelegenheiten des Sondereigentums oder Sondernutzungsrechten einzelner Eigentümer hat die WEG keine Beschlusskompetenz.
  • Für bestimmte Maßnahmen wie den Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen benötigt der Verwalter eine gesonderte Ermächtigung per Beschluss.

Die Beschlusskompetenz gibt der WEG die Möglichkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und mehrheitlich Entscheidungen zu treffen. Sie ist ein zentrales Element der Selbstverwaltung im Wohnungseigentum. Gleichzeitig sichern die gesetzlichen Grenzen die Rechte der einzelnen Eigentümer.

Wie wirkt sich eine Teilungserklärung auf die Kostentragungspflicht aus?

Eine Teilungserklärung hat einen erheblichen Einfluss auf die Kostentragungspflicht der Wohnungseigentümer:

Vorrang der Teilungserklärung

Die in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen zur Kostenverteilung haben grundsätzlich Vorrang vor dem Gesetz. Selbst wenn das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) eine bestimmte Kostenverteilung vorsieht, z.B. nach Miteigentumsanteilen, gilt vorrangig die abweichende Regelung in der Teilungserklärung. Die Teilungserklärung stellt quasi die „Verfassung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft dar. Sie regelt die Rechte und Pflichten der Eigentümer umfassend und verbindlich. Daher müssen sich die Eigentümer bei der Kostentragung primär an den dort getroffenen Vereinbarungen orientieren.

Bindungswirkung für alle Eigentümer

Die Teilungserklärung entfaltet Bindungswirkung für alle Wohnungseigentümer, auch für später hinzukommende. Käufer einer Eigentumswohnung müssen also die bestehende Kostenregelung akzeptieren. Sie können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die Teilungserklärung unbekannt war. Aus diesem Grund ist es für Kaufinteressenten enorm wichtig, die Teilungserklärung sorgfältig zu prüfen und auf nachteilige Kostenregelungen zu achten. Denn sie legen die finanziellen Pflichten langfristig fest.

Änderung nur einstimmig möglich

Von der gesetzlichen Kostentragung abweichende Vereinbarungen in der Teilungserklärung lassen sich später nur sehr schwer ändern. Hierzu ist stets die Zustimmung sämtlicher Eigentümer erforderlich. Ein Beschluss der Eigentümerversammlung reicht nicht aus, um die Teilungserklärung in diesem Punkt zu ändern. Solche Beschlüsse wären nichtig, wenn sie von der Kostenregelung der Teilungserklärung abweichen.

Die Teilungserklärung gibt den Rahmen für die Kostentragungspflicht der Wohnungseigentümer verbindlich vor. Ihre Regelungen gehen den gesetzlichen Bestimmungen vor und können nur einstimmig geändert werden. Daher ist es essentiell, die Kostenregelungen in der Teilungserklärung genau zu prüfen, bevor man eine Eigentumswohnung erwirbt.

Welche Rolle spielt der § 16 Abs. 2 S. 2 WEG für die Kostenverteilung?

Der § 16 Abs. 2 S. 2 WEG spielt seit der WEG-Reform 2020 eine zentrale Rolle für die Kostenverteilung in Wohnungseigentümergemeinschaften. Er ermöglicht den Eigentümern, die Verteilung der Kosten flexibler und praxisnäher zu regeln als bisher.

Inhalt des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG

Die Vorschrift lautet: „Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.“ Damit können die Eigentümer per Mehrheitsbeschluss von der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 2 S. 1 WEG abweichen, wonach die Kosten grundsätzlich nach Miteigentumsanteilen zu verteilen sind. Auch von einer abweichenden Vereinbarung in der Teilungserklärung kann so abgewichen werden.

Erleichterung gegenüber altem Recht

§ 16 Abs. 2 S. 2 WEG ersetzt die früheren Regelungen in § 16 Abs. 2-4 WEG a.F., die sich als wenig praktikabel erwiesen hatten. Diese differenzierten nach verschiedenen Kostenarten und stellten je nach Kostenart unterschiedliche Anforderungen an den Beschluss. Dieses unübersichtliche System hat der Gesetzgeber aufgegeben und es den Eigentümern erleichtert, eine angemessene Kostenverteilung zu beschließen, ohne dass besondere Mehrheiten verlangt werden.

Anwendungsbereich

Die Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG gilt für sämtliche Kosten der Gemeinschaft mit Ausnahme der Kosten baulicher Veränderungen nach § 21 WEG. Erfasst sind insbesondere:

  • Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums
  • Verwaltungskosten
  • Betriebskosten wie Hausmeister, Versicherungen, Müllabfuhr etc.

Die Eigentümer können sowohl für einzelne, konkret anfallende Kosten als auch für bestimmte Kostenarten auf Dauer einen neuen Verteilungsschlüssel festlegen. Möglich sind z.B. Verteilungen nach Wohnfläche, Anzahl der Einheiten, Verbrauch oder Verursachung.

Grenzen

Die Kostenverteilung muss sich aber im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung halten und darf nicht zu unbilligen Ergebnissen führen. Willkürliche Änderungen sind anfechtbar. Auch dürfen einzelne Eigentümer nicht nachträglich erstmals an Kosten beteiligt werden, von denen sie bisher vertraglich befreit waren.

§ 16 Abs. 2 S. 2 WEG gibt den Eigentümern seit der WEG-Reform 2020 mehr Flexibilität, die Kostenverteilung an die Gegebenheiten der Gemeinschaft anzupassen. Die Vorschrift erleichtert sachgerechte Lösungen, ohne dass starre Vorgaben zu beachten wären. Sie stellt damit eine der praxisrelevantesten Änderungen der WEG-Reform dar.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 16 Abs. 2 S. 2 WEG: Dieser Paragraph ermöglicht unter bestimmten Bedingungen eine abweichende Kostenverteilung innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Im vorliegenden Fall steht die Frage im Mittelpunkt, ob diese Regelung es erlaubt, Eigentümer erstmals an Kosten zu beteiligen, von denen sie zuvor befreit waren.
  • § 10 Abs. 1 S. 2 WEG: Er besagt, dass eine Änderung der im Teilungserklärung festgelegten Kostentragungspflicht nur durch eine Vereinbarung aller Eigentümer erfolgen kann. Im Kontext dieses Falles ist dies relevant, da argumentiert wird, dass eine erstmalige Kostenbelastung nicht durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine einstimmige Vereinbarung eingeführt werden kann.
  • § 23 Abs. 4 WEG: Dieser Abschnitt behandelt die Nichtigkeit von Beschlüssen in der WEG, insbesondere wenn diese gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoßen. Die Gültigkeit der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse wird hier in Frage gestellt.
  • § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 WEG: Er definiert den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung in der WEG. Das Landgericht Berlin fand, dass die angefochtenen Beschlüsse gegen diesen Grundsatz verstoßen, da sie die Kläger entgegen einer bestehenden Vereinbarung zu Kosten heranziehen.
  • § 28 Abs. 1 S. 1 WEG: Dieser Paragraph gibt den Rahmen für die Beschlussfassung über die Vorschüsse für den Wirtschaftsplan und Sonderumlagen. Im Fall wurde diskutiert, inwiefern die gefassten Beschlüsse innerhalb dieser Befugnisse liegen.
  • § 45 WEG: Er bezieht sich auf die Anfechtungsfrist von WEG-Beschlüssen. Die Einhaltung dieser Fristen war für die Zulässigkeit der Klage der Wohnungseigentümer gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung von Bedeutung.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 56 S 52/23 – Urteil vom 27.10.2023

1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 16.02.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg, Az. xxxxx, wie folgt abgeändert:

Die zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 gefassten Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 05.07.2022 werden für ungültig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen auf der Eigentümerversammlung am 05.07.2022 gefasste Beschlüsse über Vorschusszahlungen und eine Sonderumlage mit der Begründung, dass sie zu den Kosten nicht hätten herangezogen werden dürfen, da sie nach der Teilungserklärung von der Kostentragungspflicht befreit sind, solange ihre Einheit nicht an die Ver- und Entsorgungsleitungen angeschlossen ist.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass weder die angefochtenen Beschlüsse vom 05.07.2022 noch der Beschluss vom 23.06.2021 zu Tagesordnungspunkt 11.1. nichtig seien. Die Neuregelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ermögliche die erstmalige Einbeziehung bislang von der Kostentragungspflicht befreiter Wohnungseigentümer. Der Beschluss vom 05.07.2022 über die Sonderumlage widerspreche auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Kläger machen mit der Berufung geltend, der am 23.06.2021 gefasste Beschluss über die Änderung der Kostenverteilung sei mangels Beschlusskompetenz nichtig. Denn eine in der Teilungserklärung ausgenommene Kostentragungspflicht könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht durch Beschluss der Wohnungseigentümer erstmals begründet werden. Hierfür bedürfe es einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG. Diese Rechtslage habe sich durch § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. nicht geändert.

Die Nichtigkeit des Beschlusses vom 23.06.2021 führe auch zur Nichtigkeit des Beschlusses vom 05.07.2022 über die Vorschüsse zum Wirtschaftsplan. Denn die Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft, Vorschüsse festzusetzen, sei nur ein Annex zur jeweiligen Sachkompetenz. Nichtig sei auch der am 05.07.2022 zu Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage.

Hilfsweise berufen sich die Kläger auf eine Willkürlichkeit der Beschlüsse. Denn der Grund für die Privilegierung – die fehlende Nutzbarkeit als Wohnung – sei nicht entfallen.

Die Kläger beantragen, das am 16.02.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg mit dem Az.: xxxx abzuändern und die Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Berufungsbeklagten vom 05.07.2022 zu Tagesordnungspunkt 3 und 4 für ungültig zu erklären, hilfsweise, das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts Schöneberg aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. eröffne aufgrund seines Wortlauts die Befugnis, Kosten abweichend von einer vereinbarten Kostenbefreiung auf Wohnungseigentümer umzulegen. Soweit die Kläger den Beschluss über den Sondervorschuss für willkürlich erachten, rügt die Beklagte eine Verspätung des Vorbringens und macht geltend, der Beschluss entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung.

Den Wohnungseigentümern stehe bei der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ein weites Ermessen zu. Durch das selbständige Beweisverfahren seien erhebliche Kosten aufgelaufen. Vom Ergebnis des Beweisverfahrens und der Zuführung zur Erhaltungsrücklage würden auch die Kläger profitieren.

II.

1. Die Berufung gegen das am 16.02.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft; die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind gewahrt.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die auf der Wohnungseigentümerversammlung am 05.07.2022 zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 gefassten Beschlüsse sind für ungültig zu erklären.

a) Die Anfechtungs- und Anfechtungsbegründungsfristen gemäß § 45 WEG sind gewahrt. Auf die hierzu erfolgten Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung, die mit der Berufung nicht angegriffen werden, wird Bezug genommen.

b) Zwar sind die angefochtenen Beschlüsse nicht bereits nichtig. Denn ein auf einer Wohnungseigentümerversammlung gefasster Beschluss ist gemäß § 23 Abs. 4 WEG grundsätzlich gültig und ist nur dann nichtig, wenn er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Nach der gesetzlichen Regelung stellt die Nichtigkeit eines Beschlusses somit die Ausnahme dar und ist nur anzunehmen, wenn der Schutzzweck der verletzten Vorschrift dies erfordert (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2018 – V ZR 193/17). Damit soll das Vertrauen der Wohnungseigentümer in die Verbindlichkeit von Beschlüssen geschützt und erreicht werden, dass unter den Wohnungseigentümern alsbald Klarheit über die Rechtslage besteht (vgl. BGH, a. a. O.). So wird ein Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften etwa angenommen, wenn es für den Beschluss an jeglicher Kompetenz der Wohnungseigentümer mangelt (vgl. Grüneberg/ Wicke, BGB, 81. Aufl., § 23 WEG, Rn. 14; Erman/Grziwotz, BGB, 17. Aufl., § 23 WEG, Rn. 9). Ein Fall mangelnder Beschlusskompetenz liegt bezüglich der am 05.07.2022 gefassten Beschlüsse aber nicht vor.

Die Wohnungseigentümer waren gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 WEG befugt, über die Vorschüsse für den Wirtschaftsplan 2022 zu beschließen. Diese Beschlusskompetenz erstreckt sich auch auf Beschlüsse über Sonderumlagen, bei denen es sich um Nachträge zum laufenden Wirtschaftsplan handelt und die damit dessen Rechtscharakter teilen (vgl. BeckOK WEG/Bartholome, 54. Ed. 2.10.2023, WEG § 28 Rn. 41; Reichel-Scherer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger). Die bloße Anwendung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels in einem Beschluss über eine Vorschusspflicht bzw. über eine Sonderumlage berührt die Beschlusskompetenz grundsätzlich nicht (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14. August 2012 – 14 S 4162/12 WEG; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. März 2004 – 2Z BR 35/04). Sie führt auch nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, solange keine über den einzelnen Wirtschaftsplan hinausgehende Regelung getroffen wird, die Grundlage mehrerer Entscheidungen oder Legitimation mehrfachen Handelns sein kann (vgl. BGH, a. a. O.; Schultzky in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Auflage 2022, § 23 WEG, a) Nichtigkeitsgründe, Rn. 185; Münchener Kommentar zum BGB/ Hogenschurz, 9. Aufl. 2023, WEG § 23 Rn. 68). Eine solche über den Einzelfall hinausgehende Regelung ist durch die am 05.07.2022 gefassten Beschlüsse nicht getroffen worden.

c) Die auf der Eigentümerversammlung am 05.07.2022 zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 gefassten Beschlüsse verstoßen jedoch gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 WEG, da den Klägern Kosten entgegen der Vereinbarung im 1. Nachtrag zur Teilungserklärung, Urkunde des Notars Alf Poetzsch-Heffter vom 31.03.2014 zur UR-Nr. 154/2014, auferlegt wurden. Denn nach der Vereinbarung in § 2a Ziff. 3 dieser Urkunde schulden die Kläger als Sondereigentümer eines Teils der früheren Teileigentumseinheit TE 85 solange kein Hausgeld, bis sie nicht an die jeweiligen Ver- und Entsorgungsleitungen angeschlossen sind, was unstreitig noch nicht der Fall ist.

Die Wohnungseigentümer haben zwar am 23.06.2021 zu Tagesordnungspunkt 11.1. beschlossen, ab dem Wirtschaftsplan 2021 bestimmte Kosten auf alle Sondereigentümer, und zwar auch auf die Eigentümer der früheren Teileigentumseinheit TE 85, der jetzigen WE 86 – 101, umzulegen.

Dieser Beschluss ist nach Überzeugung der Kammer jedoch mangels Beschlusskompetenz nichtig im Sinne von § 23 Abs. 4 S. 1 WEG und entfaltet keine Wirkung.

aa) Zur Frage, ob ein Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss an Kosten beteiligt werden kann, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die frühere Regelung in § 16 Abs. 3 WEG a. F. nur die Kompetenz beinhaltet, einen anderen Kostenverteilungsmaßstab zu wählen, aber nicht die Befugnis begründet, einen Wohnungseigentümer, der nach einer Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit ist, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 225/11; BGH, Versäumnisurteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 152/15).

Dies hat der Bundesgerichtshof aus dem Wortlaut der Norm gefolgert, der durch die Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 WEG a. F. an eine dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht anknüpfe und deshalb lediglich die Möglichkeit zur Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels begründe. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass § 16 Abs. 3 WEG a. F. nur eine Beschlusskompetenz für die Verteilung der dort genannten Kosten nach Verbrauch, Verursachung oder einem sonst geeigneten Maßstab normieren sollte (vgl. BT-Drucksache 16/887, S.11; BGH, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 225/11).

bb) Ob die seit dem 01.12.2020 geltende Fassung des § 16 WEG die Kompetenz beinhaltet, einen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss erstmals an Kosten zu beteiligen, wird sehr kontrovers diskutiert.

(1) Nach einer Ansicht umfasse der Zweck des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F., eine von einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung durch Beschluss zu ermöglichen, auch die Kompetenz, Wohnungseigentümer durch Beschluss erstmalig an Kosten zu beteiligen (vgl. Staudinger/ Lehmann-Richter (2023) WEG § 16, Rn. 115; BeckOGK/Falkner, 1.5.2023, WEG § 16 Rn. 184; Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, BGB Sachenrecht, WEG § 16 Rn. 53, beck-online). Die Vertreter dieser Auffassung argumentieren, für eine einschränkende Auslegung gebe es weder einen Anhaltspunkt im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien (vgl. Jennißen in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Auflage 2022, § 16, c) Schaffung oder Beseitigung von Privilegien, Rn. 85). Der Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. sehe vor, dass der neue Verteilungsschlüssel nicht nur von der gesetzlichen Regelung der Miteigentumsanteile, sondern auch von einer Vereinbarung abweichen könne (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 693; Münchener Kommentar zum BGB/ Scheller, 9. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 52).

Das Amtsgericht argumentiert in der angefochtenen Entscheidung, für eine Ausweitung der Beschlusskompetenz spreche auch der Vergleich mit § 21 Abs. 5 S. 2 WEG, der es verbiete, einem Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss Kosten aufzuerlegen. Auch dürfte aus § 47 WEG folgen, dass die in der Gemeinschaftsordnung geregelte Privilegierung einzelner Wohnungseigentümer nicht mehr beschlussfest ist (so auch Jennißen, a. a. O.). Dieser Auffassung hat sich auch das Amtsgericht Hannover in einem Urteil vom 20.09.2022 angeschlossen (AG Hannover, Az.: 482 C 5657/21).

(2) Die Gegenansicht nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und argumentiert, es sei nicht erkennbar, dass die Neufassung § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG hieran etwas ändern soll (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 16 Rn. 47; BeckOK BGB/Hügel, 67. Ed. 1.8.2023, WEG § 16 Rn. 16; Grüneberg/ Wicke, 81. Aufl., § 16 WEG, Rn. 5). Die gesetzliche Beschlusskompetenz betreffe nach wie vor nur das „Wie“ der Kostenverteilung und nicht das „Ob“ einer Kostentragungspflicht der einzelnen Wohnungseigentümer (vgl. Bärmann/ Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 120). Auch widerspreche eine erstmalige Beteiligung an Kosten entgegen einer Vereinbarung dem Vertrauensschutzprinzip; eine Änderung sei nur über eine Vereinbarung möglich, auf die gemäß § 10 Abs. 2 WEG ein Anspruch bestehen könne (vgl. Grziwotz in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 16 WoEigG, Rn. 14). Das Amtsgericht Erfurt hat sich in einem Urteil vom 22.06.2022 dieser Auffassung angeschlossen und meint, § 16 Abs. 2 S. 2 WEG räume vom Wortlaut und der gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG grundsätzlich als bestehend vorausgesetzten Kostentragungspflicht keine Möglichkeit ein, die erstmalige Kostentragungspflicht zu begründen (vgl. AG Erfurt, Urteil vom 22. Juni 2022 – 5 C 1260/21; Drasdo, NJW-Spezial 2023, 3, beck-online).

cc) Die Kammer schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

Dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. lässt sich aus Sicht der Kammer nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass auch eine Kompetenz begründet werden soll, Wohnungseigentümer entgegen einer bestehenden Vereinbarung erstmals Kosten aufzuerlegen. Denn die Neuregelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG verwendet – ebenso wie die bis zum 30.11.2020 geltende Regelung des § 16 Abs. 3 WEG – den Begriff der „Verteilung“ der Kosten.

Bei der Auslegung der Norm ist nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer – wie die Regelung in § 10 Abs. 3 S. 1 WEG voraussetzt – im Grundsatz nur durch eine weitere Vereinbarung der Wohnungseigentümer geändert oder aufgehoben werden kann. Durch einen einzelnen Wohnungseigentümer kann die Anpassung einer Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 WEG nur verlangt werden, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Soweit von diesen Grundsätzen abgewichen werden soll, müssen Art und Umfang der Abweichung aus der jeweiligen Regelung hinreichend klar und deutlich hervorgehen.

Ein derart klarer Regelungsinhalt lässt sich der Vorschrift des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. zur Frage, ob Wohnungseigentümer befugt sind, abweichend von einer Vereinbarung auch eine erstmalige Kostentragungspflicht zu begründen, jedoch nicht entnehmen. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F. ist – auch im Kontext der Neuregelungen der §§ 21 Abs. 5, 47 WEG – nicht zwingend so zu verstehen, dass von der Beschlusskompetenz auch die Neubegründung einer Kostentragungspflicht umfasst werden soll. Die Überleitungsvorschrift des § 47 WEG ist hier nicht einschlägig. Sie stellt zwar eine Ausnahme zu dem vorgenannten Grundsatz der Gültigkeit getroffener Vereinbarungen dar; sie enthält ihrerseits jedoch genau definierte Voraussetzungen, in denen von dem Grundsatz abgewichen wird. Die Neuregelung des § 21 Abs. 5 S. 2 WEG befasst sich zwar damit, ob einem Eigentümer Kosten neu auferlegt werden können. Sie betrifft hingegen nicht die Frage, inwieweit von einer Vereinbarung abweichende Regelungen getroffen werden können.

Im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage, ob nach § 16 Abs. 3 WEG a. F. durch Mehrheitsbeschluss eine Kostentragungspflicht neu begründet werden kann, hätte aus Sicht der Kammer Anlass bestanden, eine eindeutige Beschlusskompetenz für eine solche Neubegründung von Kostentragungspflichten zu regeln, wenn dies vom Gesetzgeber gewollt gewesen wäre.

Den Materialien zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 lässt sich aber nicht entnehmen, dass die geänderte Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG auch die Befugnis begründen soll, einen von der Kostentragungspflicht befreiten Wohnungseigentümer durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen. Im Gesetzentwurf findet sich in der ausführlichen Begründung zu § 16 Abs. 2 WEG hierzu kein Anhaltspunkt (vgl. BT-Drucksache 19/18791, S. 56). Soweit die Gesetzesbegründung auf den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von August 2019 verweist, findet sich auch in jenem Bericht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Wohnungseigentümer befugt werden sollen, entgegen einer Vereinbarung durch Beschluss erstmals eine Kostentragungspflicht eines Wohnungseigentümers zu begründen. In dem Abschlussbericht wird vielmehr klargestellt, dass eine Gemeinschaftsordnung im Grundsatz nur durch eine erneute Vereinbarung aller Wohnungseigentümer geändert werden kann und dass ausnahmsweise ein Beschluss genügt, soweit sich eine Beschlusskompetenz unmittelbar aus dem Gesetz, zum Beispiel aus § 16 Abs. 3 WEG, ergibt (vgl. ZWE 2019, 430, 432, beck-online). Zur Kostenverteilung wird in dem Abschlussbericht festgehalten, dass die Möglichkeiten der Kostenverteilung durch Beschluss zu liberalisieren seien. Dies betreffe zum einen die aus dem Merkmal „im Einzelfall“ entwickelte Schranke der Maßstabskontinuität und zum anderen das Verbot der Verteilung von Folgekosten (vgl. ZWE 2019, 430, 447 ff., beck-online). Keine Erwähnung findet in dem Bericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 16 Abs. 3 WEG a. F. nicht die Befugnis begründet, einen Wohnungseigentümer, der nach einer Vereinbarung von der Kostentragungspflicht befreit ist, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen (vgl. BGH, a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass die Neuregelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG die Befugnis begründen soll, bislang von der Kostentragungspflicht durch Vereinbarung befreite Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss erstmals an Kosten zu beteiligten. Den Wohnungseigentümern fehlte bei der Beschlussfassung am 23.06.2021 mithin die Befugnis, für die Zukunft eine solche Kostentragungspflicht zu begründen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens sind der unterliegenden Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO auferlegt worden.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen worden, da zu der Frage, ob die Neufassung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG die Kompetenz beinhaltet, einen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss erstmals an Kosten zu beteiligen, divergierende Rechtsansichten vertreten werden und eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt.

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