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WEG – Gerichtszuständigkeit bei Auslandswohnsitz eines Wohnungseigentümers

LG Frankfurt – Az.: 2/9 S 63/12

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Königstein im Taunus vom 10.08.2012, Az.: 21 C 1674/11 (19) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht Königstein im Taunus zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung rückständiger Hausgeldforderungen.

Mit Schreiben vom 14.09.2011 erstellte der jetzige Hausverwalter die Hausgeldabrechnungen für die Jahre 2006 bis 2009 über insgesamt 10.502,00 € und forderte den Beklagten zur Zahlung bis zum 07.10.2011 auf (Anlage K 2). Im Einzelnen macht die Hausverwaltung folgenden Rückstände geltend:

Jahr 2006 (Anlage K 10, 11, 12, 13) 4.977,00 €

Jahr 2008 (Anlage K 7, 8, 9) 3.976,00 €

Jahr 2009 (Anlage K 4, 5, 6) 1.550,00 €

Eine Zahlung hierauf erfolgte nicht.

Der Beklagte verfügt bereits seit 1997 über keinen Wohnsitz in Deutschland mehr. Derzeit hat er seinen ständigen Wohnsitz in London. Er war bis zum 20.08.2010 Miteigentümer der WEG, bevor er seinen Anteil (Apotheke, Praxis und beide Wohnungen im Obergeschoss) an die weiteren Miteigentümer veräußerte. Eigentümer aller Wohnungen der Liegenschaft sind seitdem die Eheleute … zu jeweils 1/2.

Das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage mit Urteil vom 10.08.2012 abgewiesen, nachdem es bereits mit Verfügung vom 06.06.2012 darauf hingewiesen hat, dass es sich örtlich für unzuständig erachtet. Zur Entscheidung führte es aus, dass das Amtsgericht Königstein für die Klage international unzuständig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Amtsgerichts vom 10.08.2012 (Blatt 149 ff. der Akte) verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Aufrechterhaltung der Anträge und unter Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 10.08.2012 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Königstein, Az. 21 C 1674/11 (19) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.502,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2011 zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Königstein zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vortrages. Insbesondere hält er seine Rüge bezüglich der internationalen Zuständigkeit aufrecht. Weder Art. 22 EuGVVO noch Art. 5 Abs. 1 a) EuGVVO seien anwendbar. Der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 a) EuGVVO stehe insbesondere entgegen, dass es sich nicht um ein vertragliches Schuldverhältnis, sondern aufgrund der Regelung in § 16 Abs. 2 WEG um ein gesetzliches Schuldverhältnis handele. Des Weiteren fehle schon die Aktivlegitimation der Klägerin, da nach dem Erwerb der Wohnung des Beklagten durch die Eheleute …, nunmehr alle Bruchteile in einer Hand vereinigt seien.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (vgl. §§ 511, 517, 519 f. ZPO).

Die Berufung ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Königstein im Taunus zurückzuverweisen.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist das Amtsgericht Königstein für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig, da für Klagen gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung rückständigen Hausgeldes gem. Art. 5 Nr. 1 a und c EuGVVO der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben ist.

Zwar ist grundsätzlich – wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat – gem. Art. 2 Abs. 1 EuGVVO eine Person vor den Gerichten des Mitgliedstaates zu verklagen, in dem sie ihren Wohnsitz hat. Ausnahmen hiervon sind jedoch gem. Art. 3 Abs. 1 EuGVVO gegeben.

Ob vorliegend – wie das Amtsgericht ausgeführt hat – eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, der lediglich dingliche Ansprüche und Ansprüche auf Miete und Pacht erfasst, nicht gegeben ist, kann letztlich dahingestellt bleiben.

Denn nach Auffassung der Kammer ist vorliegend gem. Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO der besondere Gerichtsstand in Königstein gegeben. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre, verklagt werden.

Der vorliegende Rechtsstreit fällt in den Anwendungsbereich dieser Norm, da es sich bei dem Anspruch auf Zahlung von Hausgeld um einen vertraglichen Anspruch im Sinne von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 EuGVVO autonom auszulegen, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten, wobei die Systematik und die Zielsetzungen des Übereinkommens berücksichtigt werden müssen; dieser Begriff lässt sich deshalb nicht als Verweisung auf die Qualifizierung des dem nationalen Gericht unterbreiteten Rechtsverhältnisses nach dem anwendbaren nationalen Recht verstehen (EuGH NJW-RR 2004,1291 – Frahuil SA). Voraussetzung für eine vertragliche Bindung, die in der Rechtsprechung des EuGH weit ausgelegt wird, ist eine freiwillig eingegangene Verpflichtung (EuGH BeckRS 2004, 75771 Rn. 15 – Handte). Demzufolge sind nach der Rechtsprechung des EuGH auch Ansprüche, die ihre Grundlage in dem zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis haben, als vertraglich zu qualifizieren (EuGH 1983, 987 – Peters; für Vereinsbeiträge). Dabei stützt sich der EuGH maßgeblich darauf, dass der Beitritt zu einem Verein zwischen den Vereinsmitgliedern enge Bindungen gleicher Art schaffe, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen, zudem habe diese Lösung den Vorteil, dass das Gericht am Sitz des Vereins – welches nach dem innerstaatlichen Recht in der Regel zuständig sei – in der Regel die Vereinssatzung -bestimmungen und -beschlüsse sowie die Umstände, die mit der Entstehung des Rechtsstreits zusammenhängen, am besten verstehen (EuGH aaO Rn. 13 f.).

Nach Auffassung der Kammer gilt Gleiches auch für das Rechtsverhältnis zwischen Wohnungseigentümern (siehe auch: OLG Stuttgart NZM 2005, 430). Denn auch diese haben eine zu den Vereinsmitgliedern vergleichbare Verbundenheit, die der von Vertragspartnern entspricht. Zudem besteht auch hier ein – von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO anerkanntes Bedürfnis (EuGH aaO Rn. 12) – sämtliche Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis vor ein einheitliches Gericht zu bringen.

Der von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO geforderte Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre, ist vorliegend in Königstein. Denn Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO für die eingeklagten Hausgeldforderungen ist der Ort der Wohnungseigentumsanlage (OLG Stuttgart NZM 2005, 430; Klein in: Bärmann, WEG Kommentar, 11. Auflage 2010, § 43 Rn. 9, Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Auflage, § 43 Rn. 6).

Nach der Rechtsprechung des EuGH bestimmt sich der Erfüllungsort nach dem Recht, welches nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (vgl. Urteil des EuGH vom 06.10.1976, NJW 1977, 491 ff.). Dabei ist insbesondere zu beachten, dass es keinen einheitlichen Gerichtsstand für alle Klagen aus einem Vertragsverhältnis gibt, es gibt keine Konzentration an einem Gerichtsstand (EuGH NJW 1987, 1131 Rn. 17).

Da das maßgebliche Recht für die Streitentscheidung hier das deutsche Wohnungseigentumsrecht ist, bestimmt sich die Bestimmung des Erfüllungsortes nach deutschem Recht.

Insoweit sind Hausgeldforderungen am Ort der Wohnungseigentumsanlage zu erfüllen. Zwar ist insoweit grundsätzlich § 269 BGB heranzuziehen, so dass Erfüllungsort grundsätzlich der Wohnort des Schuldners ist, sofern sich nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses etwas anderes ergibt. Vorliegend ergibt sich jedoch aus der Natur des Wohnungseigentumsrechts für die hier geltend gemachten Hausgeldansprüche etwas anderes. Diese von den Miteigentümern der Gemeinschaft geschuldeten – zweckgebundenen – Beträge sind eng grundstücksbezogen, da sie für eine gesicherte Verwaltung von grundlegender Bedeutung sind und den Betrieb und die Erhaltung des gemeinsamen Eigentums ermöglichen sollen. Diese starke Ortsbezogenheit rechtfertigt es im vorliegenden Fall, als Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung der Wohnungseigentümer den Ort der Wohnanlage anzusehen (OLG Stuttgart NZM 2005, 430; so auch: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 29 Rn. 25 „Zahlungsanspruch“).

Damit ist im vorliegenden Fall das Amtsgericht Königstein im Taunus international und örtlich zuständig.

Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

Insbesondere ist die hier klagende WEG partei- und prozessfähig. Zwar ist dem Beklagten insoweit zuzustimmen, dass hier durch den Erwerb der Miteigentumsanteile des Beklagten durch die Eheleute … ein und dieselbe Person alle Wohnungseigentumsrechte innehat. Hierdurch tritt jedoch keine materielle Änderung ein. Es handelt sich nicht um einen Fall der Konfusion. Vielmehr vereinigen sich mehrere Rechte in einer Hand, die selbständig bleiben, sofern nicht ein Verfahren nach § 9 Nr. 3 WEG betrieben wird. Da letzteres nicht der Fall ist, sind die Wohnungseigentumsrechte auch weiter bestehen geblieben und die hier klagende WEG ist nicht erloschen (vgl. Armbrüster in: Bärmann, WEG Kommentar, 11. Auflage 2010, § 9 Rn. 20 f., Vandenhouten in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Auflage, § 9 Rn. 6).

Nach alledem hat sich die Kammer dazu entschieden, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs war das Berufungsgericht daran gehindert gemäß § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Aufgrund des seitens des Amtsgerichts erteilten Hinweises zur Zuständigkeit, haben die Parteien ihren Vortrag im Wesentlichen auf die Fragen der internationalen und örtlichen Zuständigkeit beschränkt und darauf verwiesen, dass sie sich weiteren Vortrag für den Fall der abweichenden Auffassung des Amtsgerichts vorbehalten. Aufgrund des Hinweises des Amtsgerichts durften sie auch darauf vertrauen, dass Ausführungen zur Begründetheit derzeit nicht erforderlich sind. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil, das eine gewisse Verzögerung und Verteuerung des Prozesses eintritt, muss daher vorliegend hingenommen werden, wenn es – wie hier – darum geht, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und dass den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge voll erhalten bleiben; eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch die Kammer ist im Übrigen angesichts ihrer Geschäftsbelastung nicht zu erwarten.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (vgl. OLG München, 10 U 2231/13).

Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da der Frage, der internationalen Zuständigkeit für Wohngeldforderungen Grundsatzbedeutung zukommt.

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