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WEG – Überschreiten der Nutzungsbefugnis an einer Gartenfläche

LG Hamburg – Az.: 318 S 31/12 – Urteil vom 12.12.2012

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 23. November 2012 – 880 C 5/10 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, den im Bereich ihres Sondernutzungsrechts im Hintergarten des Grundstücks A L straße …, 2.. H, errichteten, aus weißen Kieselsteinen bestehenden, mit dunklen Steinen abgegrenzten Weg nebst den an und auf ihm sowie um ihn herum errichteten Skulpturen zu entfernen und den Garten wieder vollständig mit Rasen zu bepflanzen.

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger € 213,31 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/10 und die Beklagten zu 7/10.

Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe

I.

Die Parteien sind Mitglieder der WEG A L straße .. 2.. H (P) und sie streiten um den Rückbau des zur Ausstellung von Kunstgegenständen umgebauten Gartens.

Wegen des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), die keiner Ergänzung bedürfen.

WEG - Überschreiten der Nutzungsbefugnis an einer Gartenfläche
Symbolfoto: Von Jaruwan Jaiyangyuen /Shutterstock.com

Mit seinem Urteil vom 23. November 2011 (Bl. 174 d. A.) in der Fassung des Beschlusses zur Tatbestandsberichtigung vom 23. Februar 2012 (Bl. 191 d. A.) hat das Amtsgericht die Beklagten verurteilt, „den im Bereich des Sondernutzungsrechts der Beklagten im Hintergarten des Grundstücks A L straße .., 2.. H, errichteten, aus weißen Kieselsteinen bestehenden Weg nebst den dort errichteten Skulpturen zu entfernen und den Garten wieder vollständig mit Rasen zu bepflanzen“ sowie an den Kläger € 213,31 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2010 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Beseitigung des „Skulpturengartens“ und des Weges sowie auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nach den §§ 1004 Abs. 1 BGB, 22, 14 Ziff. 1 WEG zustehe. Die Anlage des „Skulpturengartens“ überschreite im vorliegenden Umfang und Ausmaß das, was die Teilungserklärung für die Nutzung der „Gartenfläche“ durch die Beklagten hergebe. Grundsätzlich sei der Sondernutzungsberechtigte berechtigt, die ihm zugewiesene Fläche nach eigenen Vorstellungen zu bepflanzen und gärtnerisch zu nutzen. Diese Gestaltungsfreiheit finde ihre Grenze aber in den Rechten Dritter, insbesondere auch denjenigen, die in § 14 Ziff. 1 WEG enthalten seien. Demgemäß gewähre ein Sondernutzungsrecht zwar das Recht zur lediglich gärtnerischen Gestaltung, nicht aber zur Vornahme von baulichen Veränderungen, wenngleich dem Berechtigten auch ein gewisser Gestaltungsspielraum ohne Mitspracherecht der übrigen Miteigentümer zugebilligt werde. Eine bauliche Veränderung sei dann gegeben, wenn es zu einer grundlegenden Umgestaltung des Gartens nach Charakter, Erscheinungsbild und Funktion komme. Maßgebend sei dafür eine objektivierte Betrachtungsweise. Die Bestimmung in der Teilungserklärung, wonach die Sondernutzungsfläche als Gartenfläche genutzt werden könne, sei, so das Amtsgericht weiter, im Hinblick auf die parkähnliche Gartenanlage so ausgelegt werden, dass es den Beklagten erlaubt sei, „Maßnahmen“ zu ergreifen, die der Fläche grundsätzlich den Charakter eines Erholungs- und Nutzgartens verleihe, wozu auch entsprechende Einrichtungen wie Wege, Ziermauern, Pflanzkübel, sonstige Dekorationsgegenstände und durchaus auch Skulpturen gehörten. Nach den zur Akte gereichten Lichtbildern und dem Eindruck, den sich das Gericht im Rahmen der Ortsbesichtigung verschafft habe, gehe von dem hiesigen „Skulpturengarten“ jedoch eine nicht unerheblich optische Beeinträchtigung im Sinne einer Veränderung des architektonischen Gesamteindrucks der Anlage einher. Die aufgestellten Skulpturen und der angelegte Weg würden vollkommen den Blick des Betrachters einnehmen; der Blick entziehe sich diesen nicht mehr. Einige Skulpturen seien deutlich größer als Menschen und die Anlage wirke durch die Vielzahl der Skulpturen auch den Garten erheblich einnehmend. Dazu trage auch der „schnee“-weiße Kieselsteinweg bei, an dem die große Mehrzahl der Skulpturen aufgestellt worden sei. Dies ziehe den Blick des Betrachters sofort an, weil es auch im Kontrast zur übrigen Gartenanlage stehe. Die Skulpturenanlage wirke als Fremdkörper, der sich in seiner konkreten Gestaltung nicht harmonisch in seine unmittelbare Umgebung einfüge; er dominiere vielmehr seine natürliche Umgebung ganz eindeutig, die dahinter kaum mehr wirken könne. Dadurch werde der Kläger beeinträchtigt. Aus nahezu allen wesentlich zu nutzenden, zum Garten hin belegenen Räumen in seiner Wohnung sei ein uneingeschränkter Blick in den parkähnlichen Garten möglich, und zwar auch vom terrassenartigen Balkon aus. Der Blick aus den Fenstern der Wohnung des Klägers in den Garten hinein werde stets angezogen durch den angelegten, sich in den Vordergrund drängenden „Skulpturengarten“; das müsse der Kläger nicht hinnehmen.

Gegen dieses Urteil, den Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt am 27. Januar 2012 (Bl. 181 d. A.), haben diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tag – Eingang bei Gericht per Telefax (Bl. 184 d. A.) – Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist vom 21. März 2012 bis zum 27. April 2012 (Bl. 205 d. A.) mit weiterem Schriftsatz vom 25. April 2012 – Eingang bei Gericht am Folgetag (Bl. 207 d. A.) – begründet.

Die Beklagten tragen vor, dass das Amtsgericht seiner Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen sei, dass es rechtsirrig in der Aufstellung von Kunstskulpturen im Garten eine wesentliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums gesehen habe, es nicht gewürdigt habe, dass dem Kläger aus dem Kunstgarten kein Nachteil erwachse und es außerdem verkannt habe, dass das Aufstellen der Skulpturen durch die Kunstfreiheit geschützt sei.

Das Amtsgericht habe, so die Beklagten, ihren Vortrag zur Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG vollständig unberücksichtigt gelassen; damit hätte es sich jedoch auseinander setzen müssen. Hätte es dies getan, hätte es die rein ästhetischen Interessen des Klägers mit ihrer grundrechtlich geschützten Position abwägen müssen, wobei der Kunstfreiheit hier der Vorzug gebühre.

Ferner fehle es an einer wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Ziff. 1 WEG. Der parkähnliche Charakter der Gartenfläche sei durch die Anlage des Skulpturengartens nicht beeinträchtigt worden; der Grundcharakter sei vielmehr gleich geblieben. Die streitbehaftete Veränderung sei etwa nicht vergleichbar mit der Errichtung eines japanischen Steingartens. Das Amtsgericht habe eine Gesamtbetrachtung der Umstände nicht vorgenommen, sondern lediglich auf die Eigenart und Wirkung der aufgestellten Kunstwerke abgestellt. Dabei habe es außer Acht gelassen, dass Kunst in Garten- und Parkanlagen Mitteleuropas ein typisches Gestaltungsmerkmal sei, ebenso wie Baumschnitt, Beeteinfassungen, Spalierobst etc. Die Veränderungen, die vorgenommen worden seien, hielten sich im Gestaltungsspielraum.

Ein objektiver Nachteil sei damit ohnehin nicht verbunden. Die Fläche, die von den Kunstgegenständen im Gartenbereich eingenommen werde, betrage gerade einmal 1 % der Gesamtgartenfläche. Dieser habe dadurch auch seinen Charakter als gartenartiger Park nicht verloren. So könne sich zwar auch das Aufstellen eines Gartenzwergs nachteilig auswirken, aber diese Betrachtung begründe sich insbesondere in der überkommenen Funktion einer „spießigen“ Gartennutzung. Vorliegend gehe es jedoch nicht um eine „gebrauchsfigürliche Gartenzwergromantik“.

Jedenfalls stünde einem Beseitigungsanspruch des Klägers die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG entgegen. Dieses Grundrecht wirke nicht unmittelbar im Verhältnis der Parteien, wirke aber über einfachgesetzliche Regelungen auf Privatrechtsverhältnisse ein. Eine solche Wirkung finde auch statt, wenn es – wie hier – um die Bewertung eines Nachteils nach § 14 Ziff. 1 WEG gehe. Ihre Rechte, so die Beklagten, würden wesentlich schwerer wiegen als die des Klägers. Bei der Ehefrau des Beklagten zu 1), der dieser das Sondernutzungsrecht im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Verfügung stelle, handele es sich um eine erfolgreiche und anerkannte Bildhauerin, deren Skulpturen im öffentlichen Raum ausgestellt werden. Die Beklagte zu 2), sei eine Stiftung, die nach ihrer Satzung (Anlage BK 2, Bl. 240 d. A.) die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere die Ausstellung des Werkes der Ehefrau des Beklagten zu 1) zum Zweck habe; diese sei auch Vorstand der Beklagten zu 2). Die Künstlerin benötige zur Ausstellung ihrer Kunst eine hinreichend große Gartenfläche. Ein Beseitigungsanspruch zugunsten des Klägers würde deren künstlerisches Schaffen einschränken bzw. verhindern. In der Abwägung der Grundrechtspositionen trete diejenige des Klägers erkennbar zurück; jener könne sich lediglich auf sein Recht nach Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Mit der Errichtung der Skulpturen sei weder eine Minderung der Nutzungsmöglichkeit noch des Wertes der Wohnung des Klägers verbunden. Auch eine „unerträgliche Verunstaltung“ des Gemeinschaftseigentums habe der Kläger zudem nicht vor Augen, wenn er aus den Fenstern seiner Eigentumseinheit blicke. Die bloßen ästhetischen Vorbehalte des Klägers seien nicht geeignet, den Werk- und Wirkbereich der Kunstfreiheit, die ihnen, den Beklagten, zu Gute komme, einzuschränken.

Ferner sei, so die Beklagten weiter, das Beseitigungsverlangen auch rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe sich einen eigenen Treueverstoß gegen die Interessen der Gemeinschaft zuzuschreiben, indem er im Jahr 2001/2002 einen Anbau vorgenommen und damit das Gemeinschaftseigentum, an dem ihm kein Sondernutzungsrecht zustehe, überbaut habe. Dieser Anbau betreffe eine Fläche von 20 m² und betreffe auch den Bauwich zum Nachbargrundstück.

Die Beklagten beantragen, die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Zulassung der Revision.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht ergänzend geltend, dass eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht gegeben sei. Es handele sich bei der Errichtung des Skulpturengartens auch um eine wesentliche Veränderung, die den Gesamteindruck der Gartenfläche nachteilig beeinträchtige. Die Masse und die Größe der Skulpturen, die vorliegend aufgestellt worden seien, seien mit bloßen Gartenzwergen nicht zu vergleichen. Es sei auch, so der Kläger, nicht nur 1 % der Gartenfläche davon betroffen; allein der angelegte Weg aus Kieselsteinen bedecke schon einen Anteil von 35 % des insgesamt 2.000 m² großen Areals. Die Skulpturen seien zwischen 10 m und 60 m von seiner Einheit entfernt, so dass sie ihm, so der Kläger weiter, jederzeit ins Auge fallen würden. Lediglich vier der Miteigentümer tolerierten den Anblick der Skulpturen, vier weitere seien dagegen. Im Übrigen habe er sich auch keinen Rechtsmissbrauch entgegen zu halten, weil die Umbauarbeiten seinerzeit abgestimmt gewesen seien.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Verfahrens wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat die Örtlichkeiten durch den Berichterstatter in Augenschein genommen, nach dem ihm die Sache zur Vorbereitung übertragen worden war (Bl. 260 d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll vom 20. August 2012 (Bl. 274 d. A.).

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg, ist aber überwiegend unbegründet.

1. Die Voraussetzungen zur Zulässigkeit der Berufung sind erfüllt. Die Beklagten haben ihre statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO. Auch der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendige Wert der Beschwer ist überschritten.

2. Die Berufung ist nur teilweise begründet, im Übrigen bleibt ihr der Erfolg indes versagt.

Das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht verurteilt, den im Bereich ihres Sondernutzungsrechts im Hintergarten errichteten, aus weißen Kieselsteinen bestehenden Weg zu entfernen und den Garten wieder vollständig mit Rasen zu bepflanzen. Soweit der Kläger – wie er in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer noch hat klarstellen lassen – auch sämtliche im Garten errichteten Skulpturen entfernt wissen will, steht ihm ein darauf gerichteter Anspruch in diesem Umfang aber nicht zu. Er kann vielmehr nur die Entfernung derjenigen Skulpturen nebst ihrer jeweiligen Aufbauten (u. a. Stelen) verlangen, die direkt an bzw. auf dem zu entfernenden Kieselsteinweg errichtet worden sind. Daher hat die Kammer – teilweise aus Klarstellungsgründen – den Tenor der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts entsprechend abgeändert. Dazu näher wie folgt:

a) Ein auf Beseitigung gerichteter Anspruch des Klägers folgt aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Ziff. 1 WEG und § 823 Abs. 1 BGB. Die Anspruchsvoraussetzungen sind hier in Bezug auf den von den Beklagten am Wegesrand angelegten „Skulpturengarten“ nebst dem Weg als solchen erfüllt. Mit diesen baulichen Veränderungen haben die Beklagten die ihnen eingeräumte Befugnis zur ausschließlichen Nutzung des hinteren Gartenbereichs überschritten, wodurch der Kläger über das in § 14 Ziff. 1 WEG bestimmte Maß hinaus – nachteilig – beeinträchtigt wird. Neben der Beseitigung kann der Kläger auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, also die Bepflanzung mit Rasen an den Stellen, an denen ein Rückbau erfolgt ist, verlangen.

Dabei handelt es sich nicht – wie der Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer formuliert hat – um einen „Angriff auf die Kunst“, sondern lediglich um die Durchsetzung einer in formaler wie in materieller Hinsicht bestehenden Rechtsposition. Im Übrigen hatte der Kläger bereits in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass er und andere Wohnungseigentümer den Beklagten zu 1) vor der Errichtung des Weges und der Skulpturen erfolglos gebeten gehabt hatten, die Ausführungen der Arbeiten zu unterbrechen, bis darüber Einigkeit erzielt sei.

b) Zutreffend und von den Beklagten nicht angegriffen ist das Amtsgericht im Ausgangspunkt davon ausgegangen, dass ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche den Rechtsinhaber zu einer „gärtnerischen Nutzung“ – in den Grenzen von § 14 Ziff. 1 WEG – berechtigt (vgl. dazu nur OLG Köln, NJW-RR 1997, 14; BayObLG, NJW-RR 1999, 957, 958; Kammer, ZMR 2011, 226).

Die streitbehaftete Gestaltung der den Beklagten zur Sondernutzung zugewiesen Gartenfläche geht als prägende Veränderung des Bestandes aber über diesen Gestaltungsspielraum weitgehend hinaus. Das trifft lediglich auf die auf der Rasenfläche einzeln verteilten Objekte nicht zu.

aa) Nach Maßgabe von § 14 Ziff. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum – wozu auch das ihm zur Sondernutzung zugewiesene zählt – nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Unter einem Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen; nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen gelten als ein solcher Nachteil, wobei entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (std. Rspr.; siehe etwa nur BGH, NZM 2011, 512 m. w. N.). Bei der Bewertung, ob eine Beeinträchtigung tatsächlich erheblich ist, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, und zwar auch der grundrechtlich geschützten Positionen, wobei die Schwelle für das Vorliegen eines Nachteils im Lichte von Art. 14 GG insgesamt eher niedrig anzusetzen ist (vgl. BVerfG, NZM 2005, 182, 183). Es bedarf dazu jeweils der Bewertung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. dazu nur OLG München, NZM 2005, 509, 510).

Bei widerstreitenden Grundrechtspositionen hat sich die Auslegung der Regelung in § 14 Ziff. 1 WEG an dem Grundsatz der sog. praktischen Konkordanz fallbezogen zu orientieren, wonach nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG, NZM 2010, 44, 45, Tz. 19). Danach untersagt sind daher weitergehende Eingriffe als zur Herstellung einer ungestörten Nutzung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer notwendig ist (BVerfG, a. a. O., Tz. 25).

bb) Die Kammer ist nach der von ihr selbst durchgeführten Beweisaufnahme – zum Teil wie schon das Amtsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung – zu der Überzeugung gelangt, dass sich ein verständiger Wohnungseigentümer in der Lage des Klägers verständlicherweise durch den Skulpturengarten, wie er sich durch den Kieselsteinweg und die an seinem Rand errichten Skulpturen darstellt (vgl. Lichtbild gemäß Anlage K4, Bl. 21 d. A.), beeinträchtigt fühlen kann. Nach den Eindrücken, die sich die Kammer insbesondere im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten verschafft hat, geht die Anlage dieses „Skulpturengartens“ nebst dem Kiesweg weit über eine bloße gärtnerische Nutzung des den Beklagten zugewiesenen Gartenbereichs hinaus. Dieser ist nicht durch Kunstgegenstände gärtnerisch (um-)gestaltet worden, sondern wird nunmehr gerade als „Wirkbereich“ für jene genutzt, wodurch die Skulpturen durch ihre Anordnung an dem zur hinteren Grundstücksgrenze verlaufenden, sich farblich erheblich von der Umgebung absetzenden Kiesweges eine derart prägende Kraft für die Anmutung des Gartens übernehmen, dass sich die Anwesenheit der Kunstgegenstände nicht mehr nur in der Funktion als gärtnerisches Stilmittel erschöpft. Vielmehr ist der Gartenbereich, wie es auch die Beklagten verstehen, dazu gedacht und bestimmt, die Kunstgegenstände, die die Ehefrau des Beklagten zu 1) hervorbringt, zu präsentieren. Die streitbehafteten Maßnahmen sind als bauliche Veränderungen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG anzusehen; sie haben das Gemeinschaftseigentum grundlegend umgestaltet. Ob daher – wie die in zweiter Instanz eingereichten Lichtbilder gemäß Anlage Bk 1, Bl. 224 d. A.) zeigen sollen – die Verknüpfung von „Skulpturen und Gartenbau ein typisches Stilmittel der Gartenarchitektur“ darstellt, kann dahinstehen, weil die Maßnahme der Beklagten, die der Kläger beanstandet, den Rahmen weithin üblicher gärtnerischer Gestaltung und Nutzung verlassen hat.

Im Übrigen geht das Amtsgericht auch überwiegend Recht in der Annahme, dass sich der Kläger bei einem Blick in den hinteren Gartenbereich, der ohne die Skulpturen und den Weg parkähnlich ist, dem dort nunmehr vorhandenen „Kunstforum“ nicht entziehen kann, er – wie auch ein verständiger Eigentümer in seiner Lage – vielmehr gezwungen wird, sich das Ensemble anzusehen. Unabhängig davon, ob einzelne oder mehrere Skulpturen ästhetisch unansehnlich sind oder nicht, sorgt diese Sachlage für die Begründung eines objektiven Nachteils. Aus Sicht der Kammer ist ein Wohnungseigentümer frei in der Entscheidung, ob er sich künstlerischen Gegenständen zuwendet oder nicht. Und dann, wenn die gesamte Anlage aufgrund ihrer Lage, Beschaffenheit und Bebauung – wie vorliegend – erkennbar im Wesentlichen für eine Wohnnutzung ausgelegt ist, muss ein einzelner Eigentümer nicht hinnehmen, dass in seiner Wohnumgebung eine für öffentliche Ausstellungszwecke bestimmte Kunstansammlung derart bereit gehalten wird, dass es seiner Entschließungsfreiheit faktisch entzogen ist, ob er sich dieser annimmt oder nicht.

cc) Die Kammer hat bei der vorgenannten Würdigung die Ausführungen der Beklagten zur Kunstfreiheit, wie sie in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgt ist, nicht unberücksichtigt gelassen. Allerdings überwiegt diese jedenfalls im Ergebnis den (Grund-)Rechten des Klägers hier nicht derart wesentlich, dass jene gegenüber den Rechtspositionen der Beklagten zurückzutreten hat. Vielmehr bringt die Kammer die jeweils widerstreitenden (Grundrechts-)Positionen derart in Einklang, dass der auf Entfernung aller Skulpturen im Gartenbereich gerichtete Antrag des Klägers zu weitgehend ist.

Soweit die Beklagten bemängeln, dass Amtsgericht habe sich in seiner Entscheidung nicht mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen auseinander gesetzt, so trifft dies jedenfalls auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu. Allerdings wäre ein damit etwaig verbundener Verfahrensmangel jedenfalls in zweiter Instanz dadurch geheilt worden, dass die Beklagten ihre entsprechenden Einwendungen nicht nur (erneut) vorgebracht haben, sondern die Kammer jene auch bei ihrer hiesigen Entscheidung berücksichtigt hat; diesen kommt teilweise ein Vorrang zu.

Im Übrigen: Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten zwar das Recht, sich zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen; das Gericht ist auch verpflichtet dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen oder gar sich hiermit in einer bestimmten Weise auseinanderzusetzen habe. Das Fehlen einer Auseinandersetzung in den Entscheidungsgründen erlaubt deshalb für sich genommen noch nicht den Schluss, das Gericht habe das Parteivorbringen nicht hinreichend berücksichtigt. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen hat. Es muss deshalb besondere Umstände geben, die deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung des Gerichts überhaupt nicht erwogen worden ist (vgl. zum Ganzen nur BGH, NJW-RR 2000, 573 f.). Solche Umstände sind aber weder dargetan worden noch sonst nicht ersichtlich.

dd) Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hatte die Kammer insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beklagten selbst nicht um Künstler, also um unmittelbar Kunstschaffende handelt, welche ohne Zweifel in den persönlichen Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG fallen. Anerkannt ist in diesem Zusammenhang zwar, dass auch diejenigen, die eine „unentbehrliche Mittlerfunktion“ einnehmen, in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fallen (BVerfG, NJW 2008, 39, 40, Tz. 60 m. w. N.). Dies wird vorrangig in Bezug auf solche Kommunikationsmittler angenommen, die dem Bereich der Medien (im weiteren Sinne) zuzuordnen sind, also etwa der Rundfunk, aber auch Verleger, Agenten oder Produzenten. Es kommt auf eine Tätigkeit an, die für die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks für die Begegnung mit ihm als einem kunstspezifischen Vorgang sachnotwendig ist (BVerfG, NJW 2006, 596, 597). Selbst wenn danach der Beklagte zu 1) als Ehemann der Künstlerin und die Beklagte zu 2) als Trägerin der von dem Beklagten zu 1) und seiner Ehefrau gegründeten unselbständigen Stiftung als Grundrechtsträger im vorgenannten Sinne anzuerkennen wären, wäre damit gleichwohl kein vollständiger Vorrang ihrer grundrechtlich geschützten Interessen, dem „Wirkbereich“ künstlerischen Schaffens (BVerfG, NJW 2008, 39, 40, Tz. 63) einen Boden zu bereiten, verbunden. Insoweit müssen die Beklagten – wie sie auch selbst sehen – ihrerseits hinnehmen, dass ein Eingriff in den Schutzbereich ihres Grundrechtes wiederum durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerfG, NJW 1988, 325, 326). Letzteres ist hier jedenfalls weit überwiegend der Fall.

Für den Kläger streitet seine in Art. 14 Abs. 1 GG niederlegte Eigentumsfreiheit, welche ihrerseits über die Anwendung und Auslegung der einfachgesetzlichen Regelung in § 14 Ziff. 1 WEG Geltung beanspruchen kann. Im Hinblick darauf, dass die Schwelle für das Vorliegen eines danach zu beurteilenden Nachteils insgesamt eher niedrig anzusetzen ist (BVerfG, NZM 2005, 182, 183), vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass es die Interessenlage der Beklagten, sämtliche streitbehafteten Skulpturen – entsprechend dem Zweck der Stiftung (§ 2) – der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erforderlich macht, dass jener „Wirkbereich“ gerade auf der hinteren Gartenfläche in der Anlage zur Entfaltung gebracht werden soll. Nach den im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten gewonnenen Eindruck passt sich das „Skulpturenforum“ am Kiesweg zwar als solches in die Grundstückssituation ein und nutzt die parkähnliche, von Bäumen am Rand gesäumte und mit einer größeren mittigen Rasenfläche versehenen Gartenanlage nebst dem terrassenartigen Versatz von der vorderen zur hinteren Grundstückshälfte im Hinblick auf interessierte Betrachter als Grundlage des Wirkbereichs aus. Eine denknotwendig untrennbare Verbindung des Grundstücks der Parteien mit den Kunstgegenständen, die die Beklagten der Allgemeinheit zugänglich machen wollen, besteht nach Auffassung der Kammer indes nicht, weil jedes andere Grundstück, das dem hiesigen weitgehend ähnlich ist, den Interessen der Beklagten, die auch über eine bloße Wohnnutzung ihrer Einheit hinausgehen, ebenso Rechnung trüge wie das gemeinschaftliche Eigentum, was die Parteien hier verbindet. Dies gilt indes nicht für die Skulpturen, die die Beklagten fern ab vom Kiesweg auf der Rasenfläche errichtet haben. Diese begründen für sich genommen – auch in ihrer Gesamtheit – keinen Nachteil im Sinne des § 14 Ziff. 1 WEG, insbesondere auch deswegen, weil sie den Eindruck der gedrungenen Geschlossenheit des „Kunstforums“ am bzw. auf dem Kiesweg nicht teilen, sondern die großzügige Rasenfläche in einer dem Normalmaß entsprechenden Gartennutzung nicht übersteigenden Weise ausfüllen.

Ob der Kläger selbst unberechtigte Eingriffe in das gemeinschaftliche Eigentum durch eine bauliche Veränderung vorgenommen hat, bedarf vorliegend indes keiner weiteren Vertiefung, weil sich die Beklagten darauf zur Abwehr des Beseitigungsanspruchs nicht berufen dürfen; auch im Wohnungseigentumsrecht gilt: keine Gleichheit im Unrecht (vgl. OLG München, ZMR 2006, 797).

c) Gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB kann der Kläger ferner – unter Berücksichtigung von § 308 ZPO – von den Beklagten die Zahlung von € 213,31 nebst Zinsen verlangen. Wenngleich er die Höhe dieser von ihm aufgewendeten außergerichtlichen Kosten lediglich an einem Streitwert von € 4.000,– orientiert, die Kammer jenen aber auf € 20.000,– festgesetzt hat, folgt eine lediglich anteilige Berechnung ohnehin schon daraus, dass der Kläger teilweise unterlegen ist. Im Übrigen kann die Kammer aber über den gestellten Antrag des Klägers nicht hinausgehen (s. o.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision nicht zulässt und die Nichtzulassungsbeschwerde von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist, vgl. dazu nur § 62 Abs. 2 WEG.

4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Frage, ob eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Nachteil im Sinne von § 14 Ziff. 1 WEG einhergeht, ist höchstrichterlich geklärt, und zwar auch im Fall kollidierender Grundrechte. Demgemäß obliegt den Tatsacheninstanzen – wie vorliegend – die einzelfallorientierte Anwendung dieser Rechtsprechung nebst Würdigung aller Umstände.

 

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