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WEG – uneinheitliche Balkongestaltung – Zulässigkeit

AG Lübeck –  Az.: 35 C 45/13 WEG – Urteil vom 24.01.2014

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 11.7.2013 zu TOP 7 (Balkone – Windschutzerrichtung) wird für ungültig erklärt.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger fechten einen Beschluss betreffend die Errichtung von Windschutz auf den Balkonen an.

Die Parteien sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft G.-G.-Ring in S.. Die Firma B. oHG ist die Verwalterin des Objektes.

Zum streitigen Sachverhalte der Parteien wird auf den Inhalt der Akte des Amtsgerichtes Lübeck zum Aktenzeichen 35 C 7/13, insbesondere auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des dortigen erstinstanzlichen Urteils vom 14.5.2013 Bezug genommen. Die Akte ist in diesem Rechtsstreit beigezogen und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden. Im dortigen Rechtsstreit nahmen die Kläger die beklagte Wohnungseigentümerin C. W. in erster Instanz erfolgreich auf Rückbau von Glaselementen auf dem Balkon der Miteigentümerin W. in Anspruch. Der Rechtsstreit ist nicht abgeschlossen. Das Berufungsverfahren läuft.

WEG - uneinheitliche Balkongestaltung - Zulässigkeit
Symbolfoto: Von Alex Gorins /Shutterstock.com

Die Kläger sind Eigentümer der Wohnung Nummer 4, die beklagte Miteigentümerin C. W. ist Alleineigentümerin der Wohnung Nummer 3. Es handelt sich jeweils um Eckwohnungen. Die Wohnung der Beklagten liegt im Hochparterre, die Wohnung der Kläger im ersten Stock und auf der anderen Seite des Gebäudes. Bei beiden Eckwohnungen ist ein Balkon als Eckbalkon vorhanden.

Auf der Versammlung der Eigentümergemeinschaft am 6.5.2002 wurde unter TOP 7 beschlossen, dass der Anbau von Windschutz generell zugelassen wird, wenn auch hier eine gleiche Bauart eingehalten wird. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf das in Kopie zur Beiakte gereichte Protokoll vom 6.5.2002 (Anlage K 4, Bl. 11 d.BA. 35 C 7/13) ergänzend Bezug genommen. Es war zwischen den Parteien des dortigen Rechtsstreits streitig, ob im Zusammenhang mit dem Beschluss Gegenstand der Erörterung war, ob eine Beschränkung auf ein oder zwei Windrahmen vorgenommen werden sollte.

In einer weiteren Eigentümerversammlung am 2.9.2002 wurde unter TOP 4 beschlossen, einem Miteigentümer die Errichtung eines zusätzlichen Windschutzes zu genehmigen. Ferner wurden abändernde Regelungen zur Gestaltung des Windschutzes beschlossen. In der Eigentümerversammlung am 30.6.2003 wurden unter TOP 6 weitere gestalterische Grundsätze bei Anbringung eines Windschutzes beschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschlüsse wird auf die in Kopie zur Beiakte gereichten Protokolle vom 2.9.2002 und 30.6.2003 (Anlagen K 7 und 8; Bl. 18 ff. d.BA.) ergänzend Bezug genommen.

Die beklagte Wohnungseigentümerin W. errichtete zunächst 2002 an den kurzen Seiten des Balkons, die jeweils an die Hausmauer heranreichen jeweils zwei Glaselemente, die vom Boden des Balkons der Beklagten bis zum unteren Teil der Decke des darüber liegenden Balkons reichten. Die Rahmen sind in blauer Farbe gehalten und die Scheiben in Klarglas. Hierzu nimmt das Gericht Bezug auf das im Rechtsstreit 35 C 7/13 zur Akte gereichte Lichtbild gemäß(Anlage K 1, Bl. 9 d.BA.).

Mit Rundschreiben vom 27.09.2012 beantragte die Wohnungseigentümerin W. über die Hausverwaltung die Erweiterung Ihres Windschutzes auf dem Balkon. Mit Schreiben vom 15.10.2012 teilte die Hausverwaltung mit, dass ein Eigentümer – die hiesigen Kläger – -mit „“nein““votierte und der Antrag abgelehnt sei. Gleichzeitig teilte die Hausverwaltung mit, dass sie bei Durchsicht der Protokolle festgestellt habe, dass im Jahr 2002 bereits über die Installation eines Windschutzes beschlossen wurde und dieser Beschluss auch die vorgesehene bauliche Veränderung der Beklagten mit umfasst.

Im Anschluss daran stattete die beklagte Wohnungseigentümerin W. ihren Balkon komplett mit Windschutzelementen aus, die vom Boden des eigenen Balkons bis zum unteren Teil des oberen Balkons reichten. Der Balkon ist nunmehr komplett geschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Rechtsstreit 35 C 7/13 eingereichten Lichtbilder (Anlage K 9 Bl. 24 ff. d. BA.; Anlage B 1, Bl. 48 d.BA.) ergänzend Bezug genommen.

Die beklagte Miteigentümerin W. wurde von den Klägern mit Schreiben vom 19.12.2012 unter Fristsetzung bis zum 18.1.2013 erfolglos aufgefordert, einen Rückbau vorzunehmen. Im Anschluss daran begehrten die Kläger klagweise von der Wohnungseigentümerin W. mit Ausnahme von jeweils zwei Glaselementen an den Seiten des Balkons die übrigen auf dem Balkon angebrachten Glaselemente zu entfernen. In erster Instanz war sie vor dem Amtsgericht Lübeck (Aktenzeichen 35 C 7/13) erfolgreich. Hierzu nimmt das Gericht auch ausdrücklich Bezug auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 14.05.2014 zum Aktenzeichen 35 C 7/13.

In der Wohnungseigentümerversammlung am 11.7.2013 wurde unter TOP 7 mehrheitlich der Beschluss gefasst, dass die Errichtung von Windschutz auf den Balkonen auch vollständig umlaufend ausgeführt werden darf. In der Vorlage, die Bestandteil des Beschlusses ist und die dem Protokoll beigefügt ist, wird unter anderem ausgeführt, dass jeder Wohnungseigentümer zur Modernisierung und Gebrauchswerterhöhung seiner Wohnung befugt ist, einen Windschutz durch eine Balkonverglasung vorzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das mit der Klagschrift vom 1.8.2013 in Kopie zur Akte gereichte Beschlussprotokoll vom 11.7.2013 einschließlich der Vorlage (Anlage K 1, Bl. 3 f. d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Diesen Beschluss fechten die Kläger im hiesigen Rechtsstreit an.

Die Kläger sind der Auffassung, die umlaufende Verglasung eines Balkons Stelle eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar, so dass ein Beschluss einstimmig gefasst werden müsse. Die Kläger wären durch diesen Beschluss über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt. Hierzu behaupten sie, dass die Ausführung eines derartigen Beschlusses mit einer umlaufenden Verglasung des Balkons eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Fassade zur Folge habe. Zudem sind die Kläger der Auffassung es liege auch keine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG im Sinne einer Modernisierung vor. Die Verglasung von offenen Balkonen oder Loggien Stelle keine Modernisierung im Sinne des Mietrechts dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht ergänzend Bezug auf den klägerischen Schriftsatz vom 3.9.2013 auf dortiger Seite 2 und 3 (Bl. 12 f. d.A.) und vom 7.11.2013 (Bl. 22 f. d.A.).

Die Kläger beantragen, den in der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.07.2013 gefassten Beschluss zu TOP 7, nämlich Balkone – Windschutzerrichtung für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, bei dem streitgegenständlichen Beschluss handele es sich um eine Maßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Seite 2 und 3 der Klagerwiderung vom 8.10.2013 (Bl. 20 f. d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Antragsgemäß ist der Beschluss zu TOP 7 aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.7.2013 (Balkone – Windschutzerrichtung) für ungültig zu erklären.

Der gefasste Beschluss widerspricht § 22 Abs. 1 WEG. Vorliegend durfte der oben genannte Beschluss nicht gefasst werden, da die Kläger ihre Zustimmung zur Errichtung von vollständig umlaufendem Windschutz berechtigterweise Weise nicht erteilt haben. Nach diesem Beschluss, der mehrheitlich mit einer Gegenstimme beschlossen wurde, darf die Errichtung von Windschutz auf den Balkonen auch vollständig umlaufend ausgeführt werden. Die Errichtung von Windschutz auf den Balkonen – hier bisher in der Wohnungseigentümergemeinschaft teilweise geschehen durch Aufstellen von Glaselementen mit Rahmen – stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar. Eine bauliche Veränderung ist immer bei einer gegenständlichen Umgestaltung oder Änderung des Erscheinungsbildes des gemeinschaftlichen Eigentums gegeben (Palandt/ Bassenge, 73. Auflage 2014, § 22 WEG Rn. 1). Das ist hier unproblematisch der Fall.

Um Maßnahmen der ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums geht es ersichtlich nicht.

Eine Zustimmung der Kläger zur Errichtung von vollständig umlaufendem Windschutz liegt nicht vor. Die Zustimmung war aber nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich. Die Kläger werden durch die im Beschluss eröffnete Möglichkeit für die Wohnungseigentümer, vollständig umlaufenden Windschutz auf den Balkonen zu errichten, über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Nach dieser Norm ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

Ein Nachteil im Sinne des § 22Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG ist dabei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, die nicht bloß völlig belanglosen oder bagatellartigen Charakter hat. Sie muss konkret und objektiv sein (BVerfG, NVwZ 2005, 801, 802; BGH NJW 1992, 978, 979; BGH, ZWE 2013, 172; LG Hamburg, ZWE 2013, 133, 134; AG Lübeck, Urteil vom 28.11.2008, Az. 35 C 22/08 in Beck RS 2009, 22121; AG Lübeck, Urteil vom 11.1.2012 – Az. 35 C 55/11). Bei der Bewertung, ob eine Beeinträchtigung tatsächlich mehr als unerheblich ist, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, und zwar auch der grundrechtlich geschützten Positionen, wobei die Schwelle für das Vorliegen eines Nachteils im Lichte von Art. 14 GG insgesamt eher niedrig anzusetzen ist. Es bedarf dazu jeweils der Bewertung aller Umstände des Einzelfalles (LG Hamburg, a.a.O.). Für einen Nachteil ist entscheidend, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen darf (BGH a.a.O.; LG Hamburg, a.a.O.; AG Lübeck, Urteil vom 11.1.2012 – Az. 35 C 55/11). Ein Nachteil im obigen Sinne, der die Zustimmungspflicht des dadurch beeinträchtigten Wohnungseigentümers auslöst, kann auch bei einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks gegeben sein (BGH, ZWE 2013, 172; SchlHOLG, SchlHA 2005, 307 f.; OLG Zweibrücken, ZMR 2004, 465 f.; LG Hamburg, a.a.O., AG Lübeck, a.a.O.).

Vorliegend ist bei den mit dem Beschluss eröffneten Möglichkeiten von einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks in zweierlei Hinsicht auszugehen.

Der Beschluss vom 11.7.2013 zu TOP 7 legitimiert einerseits die Ausstattung des Balkons der beklagten Wohnungseigentümerin W. mit Windschutzelementen. Diese hatte ihren Balkon komplett mit Windschutzelementen ausgestattet, die vom Boden ihres Balkons bis zum unteren Teil des oberen Balkons reichen, so dass der Balkon komplett geschlossen ist.

Das Gericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Augenscheinseinnahme im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Lübeck zum Aktenzeichen 35 C 7/13 zu seiner Überzeugung festgestellt, dass hier die komplette Verglasung des Balkons mit den Rahmeneinfassungen zu einer störenden optischen Beeinträchtigung des Gesamteindrucks der Wohnanlage geführt hat. Von außen betrachtet vermittelt nach dem Ergebnis der dortigen Beweisaufnahme diese eingerahmte Komplettverglasung einen deutlich wuchtigeren Eindruck als nur die bisher vorhandenen einzelnen Windschutzelemente. Die Auflockerung in der Bebauung durch die davor platzierten Balkone mit ihren etwa hüfthoch angebrachten Geländern verschwindet. Es entsteht außerhalb des eigentlichen Baukörpers ein weiterer massiver Baukörper auf dem Balkon der Beklagten. Dies hat eine ganz andere Qualität als einzelne oder mehrere Windschutzelemente, wie sie auch auf anderen Balkonen in der Wohnanlage vorzufinden sind. In optischer Hinsicht wirkt sich die komplette Verkleidung des Balkons deutlich negativ auf den Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage aus. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Interessen von Wohnungseigentümern, an einer sehr windträchtigen Stelle vor starken Winden geschützt zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 14.05.2013 (Aktenzeichen 35 C 7/13) vollumfänglich Bezug und macht sich diese zu Eigen. Die Beschlüsse aus den Eigentümerversammlungen vom 6.5.2002 zu TOP 7, vom 2.9.2002 zu TOP 4 und vom 30.06.2003 zu TOP 6 decken die mit Rahmen versehene Vollverglasung des Balkons nicht. Auch hierzu wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.

Von einer nachteiligen optischen Veränderung ist andererseits auch deshalb zu sprechen, da der Beschluss vom11.7.2013 zu TOP 7 im Ergebnis das Entstehen eines völlig uneinheitlichen Gesamteindrucks der Wohnanlage ermöglicht. Abgesehen von der Vollverglasung mit Rahmen auf dem Balkon der beklagten Wohnungseigentümerin W. sind die anderen Balkone entweder gar nicht oder nur mit wenigen Windschutzelementen ausgestattet. Durch die mit dem Beschluss eröffnete Möglichkeit, hier nicht nur einzelne Windschutzelemente sondern eine „Vollausstattung“ des Balkons mit Windschutzelementen vorzunehmen, besteht die konkrete Gefahr, dass die Balkone zukünftig von den Wohnungseigentümern in völlig unterschiedlichem Maße mit Windschutzelementen ausgestattet werden. Das Spektrum reicht dann von einem „nackten“ Balkon über einzelne Windschutzelemente in einem kleinen Teilbereich der umrandeten Fläche des Balkons bis hin zu einer Ausstattung zwischen ¼ bis zu einer vollen Verkleidung des Balkons.

Nicht beschäftigen muss sich das Gericht an dieser Stelle mit der Frage, ob der Beschluss vom 11.7.2013 zu TOP 7 die vollständige Ausstattung des Balkons der Wohnungseigentümerin W. überhaupt legitimiert. Wie bereits in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 14.5.2013 (35 C 7/13) zu früheren Beschlüssen ausgeführt – hierauf wird Bezug genommen – , versteht das Gericht unter Windschutz die Anbringung von einem oder gegebenenfalls auch mehreren Elementen an bestimmten Stellen eines Balkons, die Wind abhalten sollen. Die von der Wohnungseigentümerin W. vorgenommene Balkonverglasung mit Rahmung übersteigt die Qualität eines Windschutzes. Das Gericht konnte sich bei Augenscheinseinnahme davon überzeugen, dass dieser Balkon komplett vom Balkonfußboden bis zur Balkonunterseite des darüber liegenden Balkons geschlossen ist. Dies hat die Qualität eines eigenen selbstständigen Bauwerkes im Sinne eines Wintergartens. Unter einem Balkon wird ein offener Austritt an einem Obergeschoss, der aus der Wand hervorragt, verstanden. Durch die neuen baulichen Maßnahmen der Beklagten liegt aber kein offener Austritt in dem Sinne mehr vor. Es ist vielmehr eine Fortsetzung eines geschlossenen Baus, nunmehr in Form einer Glasumrahmung mit Metallrahmen, gegeben. Ein Windschutz hingegen lässt die Offenheit eines Balkons – sei es seitlich oder nach oben zum oberen Balkons hin gesehen – weiterbestehen. Bei einem Windschutz gibt es weiterhin Stellen auf dem Balkon, die der Witterung in Form von Wind oder Regen ausgesetzt sind.

Eine Privilegierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG im Zusammenhang mit dem Beschluss vom11.7.2013 zu TOP 7 liegt nicht vor. Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht gegeben. Nach dieser Norm können bauliche Maßnahmen, die der Modernisierung entsprechend § 555 b Nummer 1 bis 5 BGB oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnung nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, abweichend von § 22 Abs. 1 WEG mit der in zweifacher Hinsicht qualifizierten Mehrheit beschlossen werden.

Die Alternative, dass es bei den baulichen Maßnahmen um die Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik geht, kommt ersichtlich nicht in Betracht. Darunter wird das Niveau einer anerkannten und in der Praxis bewährten, fortschrittlichen technischen Entwicklung verstanden, welches das Erreichen der dauerhaften Erhaltung des Wertes des langlebigen Wirtschaftsgutes Wohnhaus gesichert erscheinen lässt (Palandt, a.a.O., Rn. 16).

Die Alternative der Modernisierung, durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden sollen (entsprechend § 555 b Nr. 5 BGB), ist ebenfalls nicht einschlägig. Diese Alternative bezieht sich nur auf das Gemeinschaftseigentum, d.h. entweder auf das Gebäude insgesamt oder auf die im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile bzw. Anlagen und Freiflächen des Grundstückes (Palandt, a.a.O., Rn. 15). Zwar ist ein Balkon zwingend zum großen Teil Gemeinschaftseigentum. Sondereigentum an einem Balkon kann sich nur auf den Luftraum, den Innenanstrich und den Bodenbelag erstrecken, während die übrigen Teile Gemeinschaftseigentum sind (BGH, ZWE 2010, 174, 177). Auch durch eine Teilungserklärung könnte Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes im Sinne der §§ 93, 94 BGB nicht begründet werden (BGH, NZM 2014, 40). Jedoch ist davon auszugehen, dass der Balkon zumindest auch im obigen Rahmen teilweise Sondereigentum ist. Zumindest hätte daran der jeweilige Wohnungseigentümer ein faktisches Sondernutzungsrecht, so dass es nicht um die Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse geht.

Ob der streitgegenständliche Beschluss im Lichte einer großzügigen Handhabung des Modernisierungsbegriffes (vgl. BGH, NJW 2011,1220, 1221) Modernisierungsmaßnahmen, die den Gebrauchswert der Sache nachhaltig erhöhen (entsprechend § 555 b Nr. 4 BGB), zum Inhalt hat (wohl dafür bei Einhausung von Balkonen zum Zwecke des Schallschutzes AG Hamburg-Wandsbek, BeckRS 2012, 06115), lässt das Gericht dahingestellt bleiben.

Denn es fehlt an dem Umstand, dass aufgrund der durch den Beschluss möglichen Modernisierungsmaßnahmen die Eigenart der Wohnanlage nicht geändert wird. Nach der Gesetzesbegründung zu § 22 WEG (BT-Drs. 16/887, 30) erfasst die Mehrheitsmacht in dessen Abs. 2 keine Umgestaltung der Wohnanlage, die deren bisherige Eigenart ändert, insbesondere durch einen Anbau, eine Aufstockung oder ein Abriss von Gebäudeteilen oder durch vergleichbare Veränderungen des inneren oder äußeren Bestandes. Entsprechendes gilt nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) ausdrücklich, wenn der optische Gesamteindruck nachteilig verändert wird, auch, wenn ein uneinheitlicher Gesamteindruck entsteht, so wenn nur einzelne Balkone an der Front eines Hauses, nicht aber alle verglast werden (so ausdrücklich BT-Drs. 16/887, 30; sich anschließend Palandt, a.a.O., Rn. 18; Hügel in Beckscher Online Kommentar zum BGB, Stand 1.2.2014, Rn. 19), oder wenn beim Bau von Dachgauben in einer vorhandenen Dachgeschosswohnung die Symmetrie des Hauses nicht eingehalten wird. Das Vertrauen des Erwerbers auf den wesentlichen inneren und äußeren Bestand der Eigentumsanlage, dass in der Regel Grundlage seiner Entscheidung für den Erwerb der Wohnung war, ist nämlich ebenso schützenswert wie das auf den Fortbestand der Gemeinschaftsordnung. Für solche Maßnahmen bleibt es bei der nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmung aller Beeinträchtigten (BT-Drs. 16/887, 30).

Wie bereits oben in den Entscheidungsgründen an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang zum Aspekt des uneinheitlichen Gesamteindrucks dargelegt, besteht aufgrund der mit dem Beschluss eröffneten Möglichkeiten die konkrete Gefahr, dass die Balkone zukünftig von den Wohnungseigentümern in völlig unterschiedlichem Maße mit Windschutzelementen – die aufgrund von Beschlüssen in früheren Jahren als Glaselemente mit Rahmeneinfassung auszugestalten sind – ausgestattet werden. Bei Bestandskraft des angefochtenen Beschlusses wäre ein sich immer weiter verstärkender uneinheitlicher Gesamteindruck, der bisher insbesondere auf die nicht legitimierte Gestaltung des Balkons der beklagten Miteigentümerin W. zurückzuführen ist, der Wohnanlage die Folge.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91Abs. 1, 709 ZPO.

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