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Wie wird die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt?

Mieterin scheitert in Berufungsverfahren wegen unzureichender Beweisführung

In einem aktuellen Mietstreitfall in Berlin wurde eine Mieterin in ihrem Berufungsverfahren vom Landgericht (LG) Berlin zurückgewiesen. Es handelt sich um den Fall mit dem Aktenzeichen 67 S 87/23. Die Mieterin hatte gegen ein zuvor vom Amtsgericht Mitte am 23. Februar 2023 verkündetes Urteil Berufung eingelegt. Kernpunkt der Auseinandersetzung war die strittige Vergleichsmiete und wie sie ermittelt werden sollte.

Direkt zum Urteil Az: 67 S 87/23 springen.

Scheitern der Berufung aufgrund unzureichender Beweisführung

Das LG Berlin wies die Berufung als offensichtlich unbegründet zurück. Entscheidend war dabei, dass die Mieterin im vorangegangenen Verfahren am Amtsgericht Mitte keine ausreichenden Beweise für ihre Ansprüche vorgelegt hatte. Trotz Hinweisen des Gerichts auf notwendige Beweisantritte hatte sie sich ausdrücklich dagegen entschieden. Dieses Verhalten wird juristisch als „Beweismittelflucht“ bezeichnet. Durch ihr Handeln übernahm die Klägerin das prozessuale Risiko der Beweislast und scheiterte letztlich daran.

Verweis auf die Vorinstanz

Das LG Berlin stützte sich bei seiner Entscheidung auf das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts. Es befand die dort getroffenen Feststellungen für korrekt und verwies auf das korrekte Vorgehen des Amtsgerichts, ein gerichtliches Sachverständigengutachten für die Ermittlung der Vergleichsmiete heranzuziehen. Dies wurde von der Klägerin missverstanden und führte letztlich zu ihrem Scheitern in der Berufung.

Rolle des Berliner Mietspiegels

Das Gericht betonte auch, dass eine Nutzung des Berliner Mietspiegels für die Festsetzung der Miete in diesem speziellen Fall nicht unbedingt zu genauen Ergebnissen führen würde. Vor allem aufgrund erheblicher zeitlicher Abstände zwischen der Erhebung des Mietspiegels und dem Vertragsbeginn sowie zwischen dem Vertragsbeginn und dem Stichtag des Mietspiegels würde der Beweiswert des Mietspiegels nachteilig beeinflusst.

Ausblick und Lehren aus dem Fall

Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig es für Parteien in einem Rechtsstreit ist, das prozessuale Risiko richtig einzuschätzen und adäquate Beweismittel vorzulegen. Das Urteil macht auch deutlich, dass Gerichte die Ermittlung der Vergleichsmiete nicht ausschließlich auf der Grundlage des Mietspiegels vornehmen müssen, sondern auch andere Beweismittel wie ein Sachverständigengutachten in Betracht ziehen können.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 67 S 87/23 – Beschluss vom 23.05.2023

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Februar 2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 3 C 60/22 – wird auf deren Kosten nach einem Wert von bis 1.500,00 EUR zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

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Eine Mieterin verliert in Berlin einen Berufungsprozess, da sie unzureichende Beweise für ihre Mietansprüche vorlegte. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung adäquater Beweismittel und sachgerechter Beweisführung im Mietrecht. (Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus den Gründen des Hinweisbeschlusses als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Dagegen vermag auch die Stellungnahme der Klägerin vom 15. Mai 2023 nichts zu erinnern. Sie beruht auf einem Fehlverständnis der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Befugnis der Tatsacheninstanzen, die zwischen den Parteien streitige Vergleichsmiete nicht nur durch Heranziehung eines Mietspiegels im Wege einer mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behafteten bloßen richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, sondern sie zusätzlich oder ausschließlich vom Ergebnis der Heranziehung eines Strengbeweismittels, namentlich der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, abhängig zu machen. Genauso ist das Amtsgericht verfahren und genauso zutreffend hat es die Klägerin mangels Beweisantritts als beweisfällig angesehen. Dass sie es ist, die die Beweislast für die von ihr behauptete Höhe der preisrechtlich zulässigen Miete trägt, räumt die Klägerin selbst ein. Damit aber trägt sie auch das prozessuale Risiko einer „Beweismittelflucht“ in die zweite Instanz, das ihr daraus erwächst, im ersten Rechtszug von richterlich für geboten erachteten Beweisantritten ausdrücklich abzusehen.

An die tatsächlichen Feststellungen der verfahrensfehlerfrei getroffenen Entscheidung des Amtsgerichts ist die Kammer aus den Gründen des Hinweisbeschlusses schon gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Die Kammer hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine ihr günstigere Beurteilung allenfalls dann in Betracht zu ziehen gewesen wäre, wenn die Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete über einen Mietspiegel zu richtigeren Ergebnissen führen würde als über die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Davon kann nach der von der Kammer insoweit geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits grundsätzlich nicht ausgegangen werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 – VIII ZR 223/21, WuM 2023, 381, beckonline Tz. 7, 21 ff.). Das gilt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung erst recht für den Berliner Mietspiegel 2019, bei dem es sich lediglich um eine Fortschreibung des Mietspiegels 2017 handelt. Hier kommt noch hinzu, dass nicht nur zwischen dem Erhebungszeitraum des Mietspiegels 2019 und dem streitgegenständlichen Vertragsbeginn, sondern auch zwischen dem für die Anwendung der §§ 556d ff. BGB maßgeblichen Vertragsbeginn und dem Stichtag des Mietspiegels erhebliche Zeiträume liegen, die den Beweiswert des Mietspiegels nochmals nachteilig beeinflussen. Auch das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt. Auf die darauf beruhende und von einer prozessualen Bindung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unabhängige Erforderlichkeit zur zweitinstanzlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens hat die Kammer die Klägerin ebenfalls hingewiesen. Ein zweitinstanzlicher Beweisantritt ist unterblieben. Er wäre gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ohnehin der Präklusion unterfallen.

Die von der Klägerin behaupteten Widersprüche zur bisherigen Rechtsprechung der Kammer bestehen nicht. Soweit die Klägerin darauf abhebt, die Kammer habe den Mietspiegel selbst schon als taugliches Instrument zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete erachtet, ist das für den Mietspiegel 2019 nur grundsätzlich richtig (vgl. etwa Kammer, Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union v. 2. Juni 2022 – 67 S 259/21, BeckRS 2022, 12182 Tz. 32), nicht aber ausnahmslos. Denn die Tauglichkeit des Mietspiegels 2019 zur verfahrensfehlerfreien Schätzung der Vergleichsmiete hängt wie bei jedem Mietspiegel neben seiner Qualität von den Umständen des Einzelfalls und den Einwendungen des Prozessgegners ab (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022, a.a.O., m.w.N.). Diese Erwägung hat das Amtsgericht zu der zutreffenden Erkenntnis geführt, sich eine hinreichende richterliche Überzeugung von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für die hier streitgegenständliche Wohnung nicht unter bloßer Heranziehung des Mietspiegels 2019 bilden zu können. Im davon getrennt zu betrachtenden Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es ohnehin nicht auf die Frage der Tauglichkeit des Mietspiegels 2019 zur Bestimmung der Vergleichsmiete an, sondern allein darauf, ob die Ermittlung der Vergleichsmiete über den Mietspiegel zu richtigeren Ergebnissen führt als durch Einholung des vom Amtsgericht als erforderlich angesehenen Sachverständigengutachtens. Davon ist, wie bereits dargelegt, schon grundsätzlich und erst recht nicht bei dem hier zu beurteilenden Mietverhältnis auszugehen.

Davon ausgehend ist der Klägerin auch die Bezugnahme auf eine unveröffentlichte und anscheinend zu ihren Gunsten ergangene Instanzentscheidung unbehelflich. Darin hat es das Berufungsgericht als Rechtsfehler des erstinstanzlichen Gerichts angesehen, die ortsübliche Vergleichsmiete im ersten Rechtszug nicht unter ausschließlicher Heranziehung eines Mietspiegels, sondern durch ein Sachverständigengutachten zu bestimmen. Die Entscheidung weicht jedoch von der einschlägigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ab (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022, a.a.O.). Letztere wird, worauf die Klägerin bereits ebenfalls hingewiesen worden ist, von der Kammer einschränkungslos geteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

 

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