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Mietvertrag – Unwirksamkeit einer Befristungsvereinbarung

LG Fulda, Az.: 1 S 106/15, Urteil vom 20.11.2015

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Fulda vom 23.07.2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mietvertrag - Unwirksamkeit einer Befristungsvereinbarung
Symbolfoto: Von Lena Wurm /Shutterstock.com

Die Kläger begehren vom Beklagten die Räumung einer Mietwohnung in x. x. , nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf eine Befristung des Mietvertrages bis zum 01.04.2017, jedenfalls sei die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr.1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.07.2015 abgewiesen. Die ordentliche Kündigung sei nicht wirksam. Das Mietverhältnis der Parteien sei gem. § 3 des Mietvertrages auf 5 Jahre befristet und ende daher erst zum 01.04.2017. Es könne dahinstehen, ob § 3 des Mietvertrages mangels Substantiierung des Begriffs „Eigenbedarf“ dem § 575 BGB widerspreche oder nicht. Den Klägern sei es nach Treu und Glauben verboten, sich auf einen Verstoß gegen § 575 BGB zu berufen und die Unwirksamkeit der Mietzeitvereinbarung einzuwenden. Aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens folge, dass die Kläger sich nicht auf die Unwirksamkeit der in ihrem eigenen Interesse in den Vertrag aufgenommene Mietzeitklausel berufen dürften. Dies gelte umso mehr, weil die Norm des § 575 Abs. 1 Nr.1 BGB ausschließlich mieterschützenden Charakter habe.

Gegen dieses der Klägervertreterin am 07.08.2015 zugestellte Urteil haben die Kläger mit am 27.08.2015 beim Landgericht eingegangenem anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 01.10.2015 mit Anwaltsschriftsatz begründet. Die Kläger wenden sich gegen die rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil. Ihnen stehe das Recht zur ordentlichen Kündigung zu, da in dem Gebäude lediglich zwei Wohnungen vorhanden seien, die von den Klägern bewohnte Wohnung im Erdgeschoss und die vom Beklagten bewohnte Wohnung im ersten Obergeschoss. Das vom Sohn der Kläger genutzte Dachgeschoss verfüge über keine eigene Küche, so dass hierin keine eigene Wohnung zu sehen sei. Der ausgesprochenen Kündigung stehe die Befristung im Mietvertrag nicht entgegen. Diese Befristung sei wegen fehlender Konkretisierung unwirksam. Die Klausel könne auch nicht in einen Kündigungsausschluss umgedeutet werden. Bei der Vereinbarung eines Zeitmietvertrages nach § 575 BGB könne ein Kündigungsausschluss nur dann zugrunde gelegt werden, wenn die Bewertung der Interessen der Parteien ergebe, dass sich die Parteien für eine bestimmte Zeit an den Vertrag hätten binden wollen. Haben sie aber aufgrund konkreter Interessen des Vermieters einen Zeitmietvertrag nach § 575 Abs. 1 S. 1 BGB schließen wollen, scheide eine Umdeutung aus. Das Amtsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass mit der Befristung automatische eine Umdeutung der Klausel in einen Kündigungsausschluss einhergehe. Es gehe auch unzutreffend davon aus, dass die Norm des § 575 Abs. 1 Nr.1 BGB ausschließlich mieterschützenden Charakter habe, was schon dem Wortlaut widerspreche. Es handele sich um eine ausschließlich dem Interesse des Vermieters dienende Norm. Bei Berücksichtigung der Parteiinteressen hätte das Amtsgericht zu dem Schluss kommen müssen, dass die einseitig durch den Vermieter eingebrachte Befristung gerade nicht dahingehend umgedeutet werden könne, dass hiermit von den Parteien ein Kündigungsausschluss während der Zeit der Befristung gewollt gewesen sei. Es sei allein darum gegangen, dass die Vermieter sicherstellen wollten, nach 5 Jahren das Mietobjekt zu eigenen Zwecken nutzen zu können.

Die Kläger und Berufungskläger beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung x. x., x. x., 1. OG, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Bad, WC und Garage zu räumen und geräumt herauszugeben, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kündigung stehe die Vorschrift des § 242 BGB entgegen. Es könne nicht sein, dass, wenn Vermieter auf einer Befristung des Mietvertrages bestehen, da sie die Wohnung zwecks Eigenbedarfs nach Ablauf der Mietzeit benötigten, sie dann die ihnen wohl zu lange Mietzeit umgehen könnten, indem sie noch das Sonderkündigungsrecht nach § 573 a BGB ausübten. Dies sei ein unzulässiger Rechtsmissbrauch.

II.

Die Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 511 Abs.1, Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519 und 520 ZPO). In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung der Kläger vom 25.08.2014 das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis nicht beendet hat. Dies gilt, auch wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine erleichterte ordentliche Kündigung des Mieters gem. § 573 a Abs. 1 BGB vorliegen würden, da es sich um ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen handelt. Diese zwischen den Parteien streitige tatsächliche Frage bedarf keiner Klärung und ist nicht entscheidungserheblich.

Dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung steht zwar nicht eine wirksam vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses entgegen. Die in § 3 des Mietvertrages vorgesehene Befristung auf 5 Jahre ist nämlich unwirksam. Der sogenannte einfache Zeitmietvertrag ist mit den Neuregelungen des Mietrechts entfallen. Nach neuer Rechtslage können nur qualifizierte Zeitmietverträge geschlossen werden. Ein Zeitmietvertrag ist gem. § 575 Abs.1 S. 1 Nr. 1 BGB zulässig, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts nutzen will. Zwar kommt vorliegend in § 3 des Mietvertrages ein Eigenbedarfswunsch der Kläger zum Ausdruck, dieser ist aber nicht ausreichend konkret formuliert worden. Der Vermieter muss für eine wirksame Befristung einen konkreten Lebenssachverhalt darlegen, der eine Unterscheidung von anderen Interessen und dem Mieter die Prüfung ermöglicht, ob eine Befristung gerechtfertigt ist (Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 575, Rdnr. 9, m. w. N.; BGH in NJW 2007, 2177 [BGH 18.04.2007 – VIII ZR 182/06] ). Diesem Erfordernis genügt die alleinige Angabe anschließenden Eigenbedarfs nicht, da nicht konkretisiert ist, für wen Eigenbedarf geltend gemacht werden soll. Von daher handelt es sich nicht um einen wirksamen Zeitmietvertrag, der die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung ausschließen würde.

Gleichwohl hat die von den Klägern erklärte Kündigung das Mietverhältnis nicht zu beenden vermocht.

Durch die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung des Mietvertrages ist nämlich eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Vertrag entstanden. Diese Lücke ist in derartigen Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung dessen zu schließen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre (BGH in NJW-RR 2014, 397 [BGH 11.12.2013 – VIII ZR 235/12]  f und NJW 2013, 2820 [BGH 10.07.2013 – VIII ZR 388/12] f).

Dies bedeutet für den Streitfall:

Schon aus der Aufnahme der zeitlichen Befristung von 5 Jahren in den Mietvertrag wird der bei Vertragsschluss beiderseits bestehende Wille der Vertragsschließenden deutlich, dass das Mietverhältnis jedenfalls für diese Zeit Bestand haben sollte. Diesem Parteiwillen wird die an sich infolge der Unzulässigkeit der Befristung eintretende gesetzliche Rechtsfolge des § 575 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gerecht; denn die Parteien wollten ersichtlich, dass das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der Befristung durch Kündigung nach § 573 BGB beendet werden kann. Hätten die Parteien die Unwirksamkeit der von ihnen gewollten Befristung erkannt, hätten sie die dadurch entstandene Vertragslücke daher redlicherweise dahin geschlossen, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit möglich ist. Auf diese Weise wird das von beiden Vertragsparteien erstrebte Ziel einer Bindung für die im Vertrag bestimmte Zeit erreicht.

Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, dass eine solche ergänzende Vertragsauslegung (oder Umdeutung) dann nicht statthaft sei, wenn die Parteien aufgrund konkreter Interessen des Vermieters einen Zeitvertrag nach § 575 Abs.1 S. 1 BGB schließen wollten und dies nicht gelungen ist (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 575 BGB, Rdnr. 29), kann dem jedenfalls nicht für den Streitfall gefolgt werden. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass die Befristungsabrede allein im Interesse der Kläger wegen anschließenden Eigenbedarfs erfolgt wäre. Die Anhörung beider Parteien im Kammertermin hat nämlich ergeben, dass seinerzeit ein beiderseitiges Interesse an einer längerfristigen Bindung vorgelegen hat. Der Beklagte hat ausgeführt, dass er sogar an einem auf 6 Jahre befristeten Mietvertrag interessiert gewesen sei und dass man sich dann auf einen Vertrag auf 5 Jahre geeinigt habe. Diese Angaben hat die Klägerin ausdrücklich als richtig bestätigt. Danach hat man sich auf einen auf 5 Jahre befristeten Mietvertrag geeinigt. Auf Klägerseite bestand das Interesse, danach einen möglichen Eigenbedarf für Enkel geltend machen zu können. Aber auch der Beklagte war an einer langfristigen Bindung interessiert. Die beabsichtigte Befristung auf 5 Jahre geschah daher nicht allein aufgrund konkreter Interessen der Kläger. Nach den Bekundungen beider Parteien im Rahmen der Parteianhörung kommt vielmehr in der vereinbarten Vertragsbestimmung der seinerzeit beiderseits bestehende Wille der Vertragsschließenden zum Ausdruck, dass das Mietverhältnis jedenfalls für die Zeit der gewollten Befristung Bestand haben sollte. Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, die durch die Unwirksamkeit der von ihnen gewollten Befristung entstandene Vertragslücke dahin zu schließen, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit möglich ist.

Nach alledem ist das Mietverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht wirksam beendet worden, ohne dass es noch eines Eingehens darauf bedarf, ob das Berufen der Kläger auf die Unwirksamkeit der Befristungsabrede den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerspricht und rechtsmissbräuchlich ist (vgl. hierzu auch Urteil des LG Freiburg vom 21.03.2013, Az. 3 S 368/12, zitiert nach juris).

Die Berufung der Kläger war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung, auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision.

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