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WEG-Mehrheitseigentümer darf bei Abstimmung nicht ignoriert werden

WEG-Mehrheitseigentümer setzt klare Zeichen bei Abstimmung

Das Amtsgericht München hat in einem Urteil entschieden, dass die Stimmen eines WEG-Mehrheitseigentümers nicht ignoriert werden dürfen. Das Gericht erklärte den Beschluss einer Eigentümerversammlung für ungültig, weil die Stimmen der klagenden Mehrheitseigentümerin bei der Abstimmung zur Verwalterbestellung unrechtmäßig ausgeschlossen wurden. Das Urteil betont, dass eine Majorisierung nicht vorliegt und die Stimmrechte entsprechend der Gemeinschaftsordnung zu berücksichtigen sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1295 C 16480/22 WEG >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ungültigkeit des Beschlusses: Der Beschluss zur Weiterbestellung der B. GmbH als Verwalterin wurde für ungültig erklärt.
  2. Stimmrechte des Mehrheitseigentümers: Die Stimmen der Mehrheitseigentümerin wurden zu Unrecht nicht berücksichtigt.
  3. Keine Majorisierung: Das Gericht stellte fest, dass keine rechtsmissbräuchliche Majorisierung durch den Mehrheitseigentümer vorlag.
  4. Gültigkeit der Gemeinschaftsordnung: Die Regelungen der Gemeinschaftsordnung zur Stimmvergabe wurden bestätigt.
  5. Schutz der Wohnungseigentümer: Das Gericht betont den Schutz der Wohnungseigentümer vor rechtsmissbräuchlichem Abstimmungsverhalten.
  6. Anfechtung und Gestaltungsklage: Die Klägerin nutzte erfolgreich die Möglichkeit der Anfechtung und Gestaltungsklage.
  7. Feststellung des „wahren“ Beschlussergebnisses: Das Gericht ordnete an, das tatsächliche Abstimmungsergebnis unter Berücksichtigung aller Stimmen festzustellen.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Die Beklagte wurde zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.

Stimmrechte in Wohnungseigentümergemeinschaften: Ein juristisches Spannungsfeld

Im Kontext der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) eröffnet sich ein facettenreiches juristisches Feld, das von Abstimmungsprozessen und der Verteilung von Stimmrechten geprägt ist. Kernpunkt ist oft die Frage, wie die Stimmrechte von Mehrheitseigentümern in Eigentümerversammlungen zu handhaben sind, insbesondere im Zusammenhang mit der Bestellung oder Abberufung von Verwaltern. Dieses Thema berührt grundlegende Aspekte des WEG-Rechts, wie die faire und gerechte Behandlung aller Eigentümer, die Rolle des Verwalters und die Bedeutung eines ordnungsgemäßen Beschlusses in Eigentümerversammlungen. Die Klärung dieser Fragen ist von erheblicher Bedeutung, da sie die Rechte und Pflichten aller Beteiligten in einer WEG direkt beeinflussen.

Die nachfolgenden Ausführungen widmen sich einem konkreten Fall, der diese Thematik beleuchtet. Dabei wird untersucht, wie das Gericht die Rolle und das Gewicht der Stimmen eines Mehrheitseigentümers in der Abstimmung einer Eigentümerversammlung beurteilt. Es wird ein Licht auf die juristischen Feinheiten geworfen, die solche Entscheidungen prägen, und es wird dargelegt, wie diese Prinzipien in der Praxis angewandt werden. Tauchen Sie ein in die Welt der WEG-Rechtsprechung und entdecken Sie, wie rechtliche Grundsätze in konkreten Fällen Anwendung finden.

Der Streit um Stimmrechte eines WEG-Mehrheitseigentümers

In einem bemerkenswerten Rechtsstreit hat das Amtsgericht München eine Entscheidung getroffen, die weitreichende Folgen für die Stimmrechte von Mehrheitseigentümern in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) haben könnte. Kern des Streits war die Frage, ob die Stimmen eines Mehrheitseigentümers bei einer Eigentümerversammlung ignoriert werden dürfen. Die Klägerin, eine Mehrheitseigentümerin mehrerer Einheiten in der WEG, hatte ihre Stimmen entsprechend der geltenden Gemeinschaftsordnung, die jedem Wohnungseigentümer und jedem Gewerbe-Teileigentum zehn Stimmen und jedem Teileigentum Kfz-Abstellplatz eine Stimme zusprach, in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung abgegeben. Dort wurde über die Weiterbestellung der B. GmbH als Verwalterin abgestimmt.

Ungültigkeitserklärung eines Beschlusses

Das Gericht stellte fest, dass der in der Versammlung gefasste Beschluss, die B. GmbH weiterhin als Verwalterin zu bestellen, ungültig war. Dieser Entscheidung ging voraus, dass die Stimmen der Klägerin nicht berücksichtigt wurden, da der Verwalter annahm, sie würde aufgrund ihrer Stimmrechtsmajorität Sonderinteressen verfolgen. Dies führte dazu, dass der Beschluss, wie er verkündet wurde, nicht die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse widerspiegelte. Das Gericht sah hierin eine unrechtmäßige Ignorierung der Stimmen der Klägerin und eine Verletzung ihrer Rechte als Mehrheitseigentümerin.

Abgrenzung von Majorisierung und gerechter Stimmverteilung

Ein zentraler Aspekt des Urteils war die Abgrenzung zwischen einer zulässigen Ausübung der Stimmrechte und der unrechtmäßigen Majorisierung. Majorisierung, das heißt die rechtsmissbräuchliche Ausübung der Stimmrechte durch einen Mehrheitseigentümer, wurde vom Gericht verneint. Es betonte, dass die bloße tatsächliche Stimmenmehrheit nicht automatisch eine Majorisierungbedeutet. Entscheidend war hierbei, dass die Klägerin kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zeigte, sondern lediglich ihre Rechte im Rahmen der geltenden Gemeinschaftsordnung ausübte.

Folgen des Urteils für WEG-Verwaltungsentscheidungen

Das Urteil hat wichtige Implikationen für die Verwaltung von Wohnungseigentümergemeinschaften. Es stellt klar, dass die Stimmen von Mehrheitseigentümern nicht ohne triftigen Grund ignoriert werden dürfen und dass bei der Beschlussfassung die rechtlichen Rahmenbedingungen der Gemeinschaftsordnung einzuhalten sind. Dies bedeutet, dass in künftigen Eigentümerversammlungen die Stimmverteilung und -ausübung sorgfältig zu prüfen ist, um die Rechte aller Eigentümer, einschließlich derer mit Mehrheitsanteilen, zu wahren.

Das Amtsgericht München legt mit diesem Urteil einen wichtigen Grundstein für die Praxis der Eigentümerversammlungen und den Umgang mit den Stimmrechten von Mehrheitseigentümern. Es verdeutlicht, dass eine gerechte und gesetzeskonforme Handhabung der Stimmrechte essentiell für das Funktionieren einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet der Status als WEG-Mehrheitseigentümer?

Der Status als WEG-Mehrheitseigentümer bezieht sich auf eine Person oder eine Gruppe von Personen, die mehr als 50% der Eigentumsanteile an einer Immobilie besitzen, die unter das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) fällt. Dieser Status hat erhebliche Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), da die Mehrheit der Eigentumsanteile in der Regel auch die Mehrheit der Stimmrechte in der Eigentümerversammlung bedeutet.

Die Eigentümerversammlung ist das Hauptorgan der WEG und trifft Entscheidungen über wichtige Angelegenheiten, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen. Dazu gehören beispielsweise die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums, die Einhaltung der Hausordnung, die Aufstellung des Wirtschaftsplans und die Erstellung der Jahresabrechnungen.

Als Mehrheitseigentümer hat man einen erheblichen Einfluss auf diese Entscheidungen. Beispielsweise kann die Eigentümergemeinschaft seit der WEG-Reform 2020 die Entziehung des Wohnungseigentums mit qualifizierter Mehrheit beschließen, also mit mehr als 50% der Eigentümer im gesamten Objekt.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Status als Mehrheitseigentümer auch mit zusätzlichen Verantwortlichkeiten verbunden ist. Dazu gehören die Pflicht zur Zahlung der monatlichen Nebenkosten und des Instandhaltungsanteils, die sorgfältige Behandlung des Gemeinschaftseigentums und die Gewährung des Zutritts zum Sondereigentum bei nötigen Sanierungen.

Darüber hinaus kann ein Mehrheitseigentümer auch in bestimmten Situationen von der Stimmabgabe ausgeschlossen sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft betrifft, das auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mit dem betreffenden Wohnungseigentümer bezogen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Status als WEG-Mehrheitseigentümer sowohl erhebliche Vorteile in Bezug auf die Entscheidungsfindung innerhalb der WEG als auch zusätzliche Verantwortlichkeiten mit sich bringt.

Wie funktioniert die Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung?

Die Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung erfolgt nach bestimmten Prinzipien, die im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) festgelegt sind. Es gibt drei verschiedene Stimmprinzipien: das Kopfprinzip, das Objektprinzip und das Wertprinzip.

Beim Kopfprinzip hat jeder Wohnungseigentümer unabhängig von der Größe seines Miteigentumsanteils und der Anzahl der Eigentumseinheiten, deren Eigentümer er ist, eine Stimme. Dies gilt auch, wenn das Wohnungseigentum mehreren Personen gemeinschaftlich zusteht. In diesem Fall kann das Stimmrecht nur einheitlich ausgeübt werden.

Beim Objektprinzip bestimmt sich das Stimmrecht nach der Anzahl der Wohnungen, die ein Eigentümer besitzt. Jede Wohnung zählt dabei als eine Stimme.

Beim Wertprinzip richtet sich das Stimmrecht nach dem Miteigentumsanteil, der in der Regel im Verhältnis zur Wohnfläche steht. Je größer der Miteigentumsanteil, desto mehr Stimmen hat der Eigentümer.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen ein Eigentümer sein Stimmrecht verlieren kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft betrifft, das auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mit dem betreffenden Wohnungseigentümer bezogen ist.

Eine Stimmenthaltung wird in der Regel nicht als Nein-Stimme gewertet. Bei Mehrheitsbeschlüssen sind die Stimmrechte der einzelnen Wohnungseigentümer ausschlaggebend. Diese werden in der Teilungserklärung innerhalb der Gemeinschaftsordnung festgelegt. Sind diese dort nicht geregelt, greift das Wohnungseigentumsgesetz.


Das vorliegende Urteil

AG München – Az.: 1295 C 16480/22 WEG – Urteil vom 15.11.2023

In dem Rechtsstreit erlässt das Amtsgericht München folgendes Endurteil:

1. Der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG Str. X, Stadt Y vom 28.10.2022 zu TOP 01.1 „Weiterbestellung der B. GmbH“ gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG Str. X, Stadt Y vom 28.10.2022 zu TOP 01.1 „Weiterbestellung der B. GmbH“ als mehrheitlich angenommen verkündete Beschluss nicht angenommen wurde und als abgelehnt zu verkünden ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 248.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist als Eigentümerin mehrerer Einheiten Mitglied der beklagten WEG. Nach der Berechnung in der Teilungserklärung stehen ihr für die in ihrem Eigentum stehenden Einheiten 2.752 der insgesamt 3.317 Stimmen zu.

Die geltende Gemeinschaftsordnung enthält u.a. folgende Regelung:

㤠11 Gemeinschaftsordnung:

1. […] „Es stehen zu:

a. 10 Stimmen jedem Wohnungseigentümer und jedem Gewerbe-Teileigentum,

b. 1 Stimme jedem Teileigentum Kfz-Abstellplatz“ […]“

Vor der Eigentümerversammlung am 28.10.2022 erteilte die Klägerin der Hausverwaltung eine gebundene Vollmacht u.a. dahingehend, dass zu TOP 01.1. mit „Nein“ abgestimmt werden sollte, ferner zu den vorgeschlagenen TOP 01.2.3 und 01.2.4 mit „Ja“. Laut Protokoll der Eigentümerversammlung vom 28.10.2022 wurde unter TOP 01.1. folgender Beschluss gefasst:

„Die Eigentümergemeinschaft bestellt die B. GmbH für die Zeit vom 01.01.2023 – 31.12.2025 zur Verwalterin gemäß § 26 WEG.

Der derzeit vereinbarte Verwaltervertrag wird inhaltsgleich über den 01.01.2023 hinaus bis zum 31.12.2025 fortgesetzt, wobei folgende Änderungen vereinbart werden: […]

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: einstimmig Enthaltungen: 1 Nein-Stimmen: 0

Darüber hinaus liegt eine Nein-Stimme des Mehrheitseigentümers K. vor. Laut weisungsgebundener Vollmacht soll die S. GmbH zum Verwalter bestellt werden. Diese Stimmabgabe ist jedoch bereits wegen einer Stimmrechtsmajorisierung unwirksam, da der Mehrheitseigentümer insoweit Sonderinteressen verfolgt und sich mit seinem Stimmenübergewicht über den mehrheitlichen Willen aller anderen Eigentümer „nach Köpfen“ hinwegsetzen möchte. Ferner liegen für eine Neubestellung eines Verwalters anstelle der erforderlichen 3 Vergleichsangebote nur 2 Angebote vor. Hinzu kommt, dass die vom Mehrheitseigentümer vorgeschlagene S. GmbH zur heutigen Versammlung nicht erschienen ist, sich nicht vorgestellt hat und gegenüber der WEG kein Angebot zur Bestellung und Abschluss eines Verwaltervertrags abgegeben hat; vielmehr liegt insoweit nur ein Vorschlag des Mehrheitseigentümers vor, die S. zu bestellen.

Somit ist die B. gemäß Beschlussantrag zu TOP 1.1 einstimmig zur Verwalterin für drei Jahre (01.01.2023-31.12.2025) bestellt worden.“

Zu TOP 01.2 enthält das Protokoll folgende Angaben:

„TOP 01.2 Neuwahl der Fa. S. zur Verwalterin die Mehrheitseigentümerin K. schlägt als neue Verwalterin die Fa. S. vor. Vertragslaufzeit 01.01.2023 bis 31.12.2025.

Basisvergütung monatlich:

[…]

Der Vertragsentwurf nebst Anlagen kann jederzeit im Eigentümerportal eingesehen werden. Bei Bedarf kann er gerne auch bei der Verwaltung angefragt werden. Die Mehrheitseigentümerin K. bittet hierzu um folgende 5 Beschlüsse:

siehe hierzu nachfolgende Unter-TOPs 1.2.1 bis 1.2.5 (sind wortgleich hier aufgenommen). Keine Beschlussfassung (siehe hierzu TOP 01.1).“

Die Klägerin führt aus, dass der Verwalter den Beschluss zu TOP 01.1. in rechtswidriger Weise als angenommen verkündet habe, weil er zu Unrecht die Stimmen der Klägerin wegen angeblicher Majorisierung nicht gezählt habe. Die bloße tatsächliche Stimmenmehrheit der Klägerin reiche für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Majorisierung nicht aus, es lägen keine besonderen Umstände vor, die dies begründen würden. Die anderen Eigentümer hätten keinen Anspruch auf die Weiterbestellung gerade dieser Verwalterin.

Die Klägerin beantragt:

Der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG vom 28.10.2022 zu TOP 01.1 „Weiterbestellung der B. GmbH“ gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

Es wird festgestellt, dass der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG vom 28.10.2022 zu TOP 01.1 „Weiterbestellung der B. GmbH“ als mehrheitlich angenommen verkündete Beschluss nicht angenommen wurde und als abgelehnt zu verkünden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führt aus, die Klägerin habe aus reinem Eigeninteresse und daher rechtsmissbräuchlich und majorisierend ihre Stimmenmehrheit ausgenutzt. Sie wolle die bisherige Verwalterin, mit der seitens der übrigen Eigentümer ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe, loswerden, um eine andere Verwalterin gegen den Willen der anderen Eigentümer „durchzudrücken“.

Die S. habe sich in der Versammlung nicht einmal vorgestellt. Bei Anwendung des Kopfprinzips hätte die Klägerin nur 2% der Stimmen. Die Stimmen der Klägerin könnten auch nicht einfach rückwirkend gezählt werden.

Im Übrigen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Insbesondere ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 lit. c) GVG. Die Anfechtungsfrist des § 45 WEG ist eingehalten.

2. Die Klägerin hat zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels zulässigerweise zunächst den aus ihrer Sicht rechtswidrig zustande gekommenen Beschluss angefochten und gleichzeitig Im Wege der Gestaltungsklage die Feststellung des aus ihrer Sicht richtigen Beschlusses beantragt (vgl. hierzu BeckOGK, WEG § 44 Rn. 26.1).

II.

Die Klage ist begründet.

Die Stimmen der Klägerin wurden zu Unrecht bei der Beschlussfassung und -feststellung nicht berücksichtigt. Ein Fall der Majorisierung liegt nicht vor.

1. In Abweichung von § 25 Abs. 2 S. 1 WEG können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung hinsichtlich der für die Mehrheitsberechnung maßgeblichen Stimmkraft anstelle des gesetzlich vorgesehenen Kopfprinzips auch z.B. das Objektprinzip anordnen (vgl. etwa BeckOGK, WEG § 25 Rn. 149).

Vorliegend ist dies in § 11 der Gemeinschaftsordnung so geschehen. Es gibt dabei keine Regelung, dass für die Stimmenzahl pro Einheit etwas Anderes gelten soll, wenn sich mehrere Einheiten im Eigentum desselben Eigentümers befinden.

Die bloße Gefahr der Majorisierung führt nicht zur Unzulässigkeit des Objektprinzips, weil die betroffenen Wohnungseigentümer durch die Möglichkeit der Anfechtung der im Einzelfall gefassten Beschlüsse vor rechtsmissbräuchlichem Abstimmungsverhalten des Mehrheitseigentümers geschützt werden (vgl. BeckOGK aaO, RN 130).

2. Ein Fall der Majorisierung, d.h. ein rechtsmissbräuchliches Abstimmungsverhalten des Mehrheitseigentümers, liegt nicht vor:

a) Grundsätzlich sind die Mehrheitsverhältnisse in einer WEG von den anderen Wohnungseigentümern hinzunehmen. Die Gemeinschaftsordnung ist bei Erwerb des Wohneigentums bekannt, über die Nachteile und Gefahren des Objektprinzips kann man sich informieren. Dass die eigene Meinung ggf. überstimmt wird, ist dabei auch bei anderen Regelungen der Entscheidungsfindung in einer Gemeinschaft immanent. Eine Kontrolle solcher Beschlüsse kann ggf. durch das Instrument der Anfechtungsklage oder einer anderen Beschlussklage erfolgen.

b) Die übrigen Wohnungseigentümer sind jedoch unabhängig von dieser Rechtsschutzmöglichkeit dann vor der Mehrheitsentscheidung eines einzelnen Mehrheitseigentümers zu schützen, wenn dieser seine Mehrheitsmacht rechtsmissbräuchlich ausübt.

Für die Annahme einer Majorisierung reicht es nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht oder dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmenübergewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss zu fassen. Vielmehr muss die Art und Weise der Stimmrechtsausübung die übrigen Wohnungseigentümer so offenkundig und ohne jeden Zweifel in treuwidriger Weise benachteiligen, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden kann (vgl. Bärmann WEG § 25 RN 201). Majorisierende Beschlüsse können dabei insbesondere unter dem Blickwinkel der Willkür, des Rechtsmissbrauchs oder einer unbilligen Benachteiligung Einzelner ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Ausreichende Anhaltspunkte hierfür hat die Beklagte vorliegend weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich:

Der Wunsch der Klägerin nach einer Veränderung bei der Hausverwaltung stellt weder eine offenkundig treuwidrige Benachteiligung der übrigen Eigentümer dar noch gibt es Anhaltspunkte für eine Rechtsmissbräuchlichkeit. Dass die übrigen Eigentümer „kopfmäßig“ mit überwältigender Mehrheit eine andere Entscheidung wollen, und trotzdem bei der Abstimmung in der Minderheit sind, ist eine Ausprägung des Objektprinzips und kein Grund, per se eine Majorisierung anzunehmen.

Vorliegend hatte die Klägerin selbst einen Verwalter vorgeschlagen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser objektiv ungeeignet oder von vornherein „parteiisch“ wäre. Die Klägerin wollte also die Gesellschaft nicht „in einen verwalterlosten Zustand“ laufen lassen, vielmehr wollte sie die Wahl eines neuen Verwalters erreichen. Ob dieser Beschluss – etwa mangels Vergleichsangeboten – ggf. anfechtbar gewesen wäre, ist im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden.

Im Übrigen geht die h.M. sogar davon aus, dass die Stimmabgabe eines Mehrheitseigentümers auch dann nicht unwirksam ist, wenn er trotz drohender Verwalterlosigkeit die Verwalterbestellung blockiert; der von der Minderheit gewünschte Verwalter ist daher nicht bestellt (vgl. Bärmann aaO, RN 103 m.w.N.).

3. Der Beschluss ist weiterhin festzustellen wie beantragt:

Es ist anerkannt, dass die erfolgreiche Anfechtung des „negativen“ Beschlusses allein in einer Konstellation wie vorliegend nicht zu einem positiven Beschluss im Sinne des wahren Beschlussergebnisses bei Berücksichtigung der zu Unrecht ausgeschlossenen Stimmen des Klägers führt. Die Klage auf Ungültigerklärung des zu Unrecht festgestellten negativen Beschlusses ist daher mit der Klage auf „Feststellung“ eines positiven Beschlusses zu verbinden (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 23 Rn. 85).Um eine diesbezügliche Feststellungklage nicht ins Leere laufen zu lassen, ist folgerichtig die Abstimmung so nachzuvollziehen, als ob die zu Unrecht ausgeschlossenen Stimmen gewertet worden wären. Vorliegend lag eine gebundene Vollmacht der Klägerin zur Abstimmung vor, so dass dies unproblematisch möglich ist.

III.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 709 ZPO.Die Berechnung des Streitwerts erfolgt in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG nach § 49 GKG.Nach § 49 GKG wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht überschreiten.

Das Gesamtinteresse der Parteien bestimmt sich im Fall einer Streitigkeit um die Bestellung des Verwalters nach dem in der restlichen Vertragslaufzeit anfallenden Verwalterhonorar (vgl. MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 3 Rn. 144 m.w.N.). Dies beträgt nach unstreitigem Vortrag der Klagepartei 248.000,00 EUR. Nachdem der siebeneinhalbfache Wert des Interesses der Kläger darüber liegt, wird der Streitwert auf 248.000,00 Euro festgesetzt. Eine Erhöhung auf Grund des Beschlussergebnisfeststellungsantrags ist nicht veranlasst, da der Antrag denselben Gegenstand betrifft.

 

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