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Anfechtung eines Wohnungseigentümer­beschlusses

LG Stuttgart – Az.: 9 S 30/17 – Beschluss vom 25.08.2017

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 23.05.2017, Az. 23 C 2274/16 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus nachfolgend aufgeführten Gründen zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 23.05.2017 gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

I.

1.

Das Amtsgericht hat der Anfechtungsklage betreffend TOP 2 (Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen 2014) und TOP 3 (Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen 2015) der Wohnungseigentümerversammlung vom 27.10.2016 teilweise stattgegeben. Für ungültig erklärt wurden die Genehmigung der Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2014 hinsichtlich der Positionen „Müllabfuhr Allgemein“, „Kabelfernsehgebühren“, „Kontoführungsgebühren“, „Verwaltungsgebühren“ und „Sonstige Ausgaben Whg.“ sowie der Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2015 hinsichtlich der Positionen „Gemeinschaftsstrom“, „Müllabfuhr Allgemein“, „Kabelfernsehgebühren“, „Verwaltungsgebühren“ und „Sonstige Ausgaben Whg.“. Auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils wird verwiesen.

2.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter und beantragt unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 der Wohnungseigentümerversammlung vom 27.10.2016 insgesamt für ungültig zu erklären.

Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, die Beschlüsse seien nicht ausreichend bestimmt, da es an einer konkreten Bezugnahme auf die jeweiligen Abrechnungen fehle. Insbesondere für das Jahr 2015 hätten zwei verschiedene Abrechnungen Vorgelegen, so dass für einen Sonderrechtsnachfolger bei Einsicht in das Protokoll nicht sicher feststellbar sei, auf welche konkrete Abrechnung sich der genehmigende Beschluss beziehe. Dies habe das Amtsgericht verkannt.

Des Weiteren habe das Amtsgericht verkannt, dass der Vortrag zur Fehlerhaftigkeit der Heizkostenabrechnung rechtzeitig erfolgt sei. Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung wird verwiesen.

3.

Die Berufung des Klägers hat nach übereinstimmender Auffassung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg.

a)

Das Berufungsgericht geht zunächst davon aus, dass der Kläger lediglich im Hinblick auf den klagabweisenden Teil des amtsgerichtlichen Urteils Berufung einlegen wollte, auch wenn dies aus den Anträgen nicht ausdrücklich hervorgeht.

b)

Die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 27.10.2016 sind nicht unbestimmt.

aa)

Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Eigentümerbeschlüsse sind daher „aus sich heraus“ auszulegen und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Beschluss vom 10. September 1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292, 295). Dies bedeutet aber nicht, dass sich der Text eines Eigentümerbeschlusses zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen dürfte. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf, wie dies beispielsweise bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch bei Sanierungsbeschlüssen nach Kostenvoranschlag oder auf der Grundlage eines Gutachtens geschieht (BGH Urteil vom 08. April 2016 -V ZR 104/15, zitiert nach juris m.w.N.). Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann.

Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument Bezug, das weder Teil des Beschlusstextes noch des Protokolls ist, erfordert das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist (vgl. BGH Urteil vom 08. April 2016 -V 2R 104/15, zitiert nach juris; BayOblG, ZMR 2005, 639, 640; LG München I, Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris Rn. 32; KG, ZMR 2009, 790, 793; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 56a;Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 85). Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter, insbesondere ein Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt er hat. Die Publizität der auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirkenden Beschlüsse wird dadurch gewährleistet, dass das in Bezug genommene Schriftstück auch in die Beschluss-Sammlung oder eine Anlage zu dieser aufzunehmen ist, wenngleich dies keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen des Beschlusses hat (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13, Aufl., § 24 Rn. 144, 165; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 176, vgl. auch Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 24 Rn. 85; Jennißen/Schultzky, aaO § 23 Rn. 166).

bb)

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Beschlüsse zur TOP 2 und 3 der Eigentümerversammlung vom 27.10.2016 sind ausreichend bestimmt.

Sowohl die jeweilige Bezeichnung des Tagesordnungspunktes als auch der jeweilige Antrag benennen die zu genehmigenden Abrechnungen ausreichend konkret. Es werden jeweils die Gesamt- und Einzelabrechnung 2014 bzw. 2015 benannt. Diese Benennung genügt als Inbezugnahme. Für einen Sonderrechtsnachfolger ist mit der Formulierung „Die Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Geschäftsjahr 2014 (bzw. 2015) sollen genehmigt werden“ ohne weiteres erkennbar, dass es sich um eine Bezugnahme auf außerhalb des Protokolls vorhandene Abrechnungen handeln muss. Für die Bestimmtheit bedarf es weder der ausdrücklichen Formulierung, dass „die dem Protokoll beigefügten“ Abrechnungen genehmigt werden, noch bedarf es zwingend einer datumsmäßigen Benennung.

Für das Wirtschaftsjahr 2014 wurde den Eigentümern bereits am 10.09.2015 eine Abrechnung übersandt. Eine geänderte Abrechnung gibt es nicht. Somit ist offensichtlich, dass über diese -einzig vorhandene- Abrechnung abgestimmt wurde. Ein Sonderrechtsnachfolger wäre ohne Weiteres in der Lage, nach Einsicht in die Beschlusssammlung und sodann in die vom Verwalter aufzubewahrenden Unterlagen, die einzig vorhandene Abrechnung für das Jahr 2014 einzusehen.

Für das Wirtschaftsjahr 2015 wurde den Eigentümern zunächst eine auf den 23.06.2016 datierte Gesamt- und Einzelabrechnung übersandt. Anschließend erhielten die Eigentümer eine geänderte Gesamt- und Einzelabrechnung, datiert auf den 01.07.2016 als Anlage zu einem erläuternden Schreiben. In der Eigentümerversammlung vom 04.07.2016 wurde die Entscheidung über die auf den 01.07.2016 datierte Abrechnung vertagt. Es folgte ein Erläuterungsschreiben der Verwalterin vom 07.07.2016, in welchem den Eigentümern nochmals die Änderungen im Vergleich zur ursprünglichen Abrechnung vom 23.06.2016 dargestellt wurden.

Zutreffend führt das Amtsgericht insoweit aus, dass es einzig naheliegend ist, dass die Eigentümer am 27.10.2016 sodann über die aktuellsten Abrechnungen für 2015, nämlich die vom 01.07.2016 abgestimmt haben. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass beide Abrechnungen zur Disposition standen. Die Abrechnung vom 01.07.2016 sollte -insoweit war das Anschreiben der Verwaltung vom 01.07.2016 eindeutig- die erste Abrechnung ersetzen.

Diese Umstände sind für einen Sonderrechtsnachfolger in den Unterlagen ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Verwalter ist ohnehin gehalten, die entsprechende Abrechnung dem Protokoll beizufügen und diese Unterlagen aufzubewahren. Die Situation wäre nicht anders, wenn im Beschluss zusätzlich vermerkt wäre, dass die Abrechnung dem Protokoll beiliegt.

Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.04.2016 ergibt sich nichts anderes. Dort ist nicht die Rede davon, dass im Protokoll mehr enthalten gewesen wäre als die „Abrechnung 2007“. Damit ist ausreichend klar gestellt, auf welche Abrechnung sich der Beschluss bezieht, wenn es nicht zwei verschiedene zur Disposition gestellte Alternativ-Abrechnungen gibt. Letzteres war vorliegend gerade nicht der Fall.

c)

Zu Recht hat das Amtsgericht die Beschlüsse auch nicht in der Position Heizung/Wasser für ungültig erklärt.

aa)

Der vom Kläger in der Begründung der Anfechtungsklage innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gehaltene Vortrag lautete, dass der Verbrauch für die Einheit Gaststätte überhaupt nicht ermittelt worden sei.

Dieser Vortrag wurde von der Beklagten durch Vorlage der Wärme- und Wasserkostenabrechnung für die Gaststätte mit der Klageerwiderung vom 01.02.2017 in Anlage B2 für 2015 und mit Schriftsatz vom 05.04.2017 in Anlage B5 für 2014 entkräftet und vom Kläger fortan nicht aufrecht erhalten.

bb)

Den sodann gehaltenen Vortrag des Klägers, aus diesen Abrechnungen ergebe sich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 HeizkostenVO, da in der Anlage offensichtlich verschiedene Ausstattungen zur Erfassung vorhanden seien, hat das Amtsgericht zu Recht nicht mehr berücksichtigt.

Zum einen erfolgte dieser Vortrag nicht innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen. Zum anderen erfolgte dieser Vortrag mit Schriftsatz vom 21.04.2017 nach Schluss der mündlichen Verhandlung, § 296a ZPO. Das dem Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung gewährte Schriftsatzrecht bezog sich allein auf die rechtlichen Ausführungen des Gerichts im Termin. Der Kläger hat hingegen neuen Vortrag zu Umständen gehalten, die bereits mit der Klageerwiderung am 01.02.2017, mithin weit vor der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht wurden. Der Kläger hatte ausreichend Zeit, hierzu noch rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorzutragen.

cc)

Im Übrigen greift die Berufung die Feststellungen und die Begründung des Amtsgerichts zu dieser Position nicht an.

d)

Der Beschluss zu TOP 2 ist auch nicht im Hinblick auf den sog. „…-Kostenanteil“ für ungültig zu erklären.

Auch diese Rüge wurde vom Kläger nicht innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhoben. Der Inhalt der Anlage K6, auf welchen der Kläger diese Rüge stützt, war bereits seit dem 07.07.2016 bekannt.

II.

Eine Entscheidung der Kammer ist gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO nicht erforderlich, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern.

III.

Dem Kläger wird aus den vorstehend ausgeführten Gründen anheimgestellt, seine Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten innerhalb der gesetzten Frist zurückzunehmen.

IV.

Die Kammer weist daraufhin, dass sich nach einem neueren Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 09.02.2017 (AZ V ZB 188/16 -zitiert nach juris) das Gesamtinteresse der Parteien, wenn sich die Beschlussanfechtungsklage -wie hier- gegen die Jahresabrechnung insgesamt richtet, nach dem vollen Nennbetrag richtet und der Streitwert -abgesehen von den Unter- und Obergrenzen des § 49a GKG- mit 50% des vollen Nennwerts zu bestimmen ist.

Vorliegend ergibt sich daraus für die erste Instanz ein Streitwert in Höhe von insgesamt 58.611,83 € (60.261,64€ für 2014 und 56.962,01 € für 2015; hiervon 50%).

Für die Berufungsinstanz sind die vom Amtsgericht für ungültig erklärten Positionen herauszurechnen. Daraus ergibt sich dann ein Streitwert in Höhe von 52.874,65 €.

Diese Werte überschreiten das fünffache Klägerinteresse jeweils nicht.

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