AG Hamburg – Az.: 10 C 24/14 – Urteil vom 25.07.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Berufung wird zugelassen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird bis zum 27.08.2013 auf 531,87 € festgesetzt. Seit Eingang der Erledigungserklärung am 28.08.2013 beträgt er 272,08 €. Bei der einseitigen Erledigungserklärung reduziert sich der Streitwert mit Eingang der Erklärung auf die bis dahin angefallenen Gerichts- und erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten (Lackmann, in: Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, § 91a Rn. 47 m.w.N.). Nach den Übergangsvorschriften § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG und § 71 GKG findet bei der Berechnung das „alte“ Kosten- und Gebührenrecht Anwendung.
Tatbestand
Die Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft.
Das betreffende Grundstück ist mit einem Vorder- und einem Hinterhaus bebaut und wurde im Jahr 1993 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Eigentumseinheiten blieben jedoch zunächst sämtlichst in der Hand der damaligen teilenden Eigentümerin, bevor sie – wiederum sämtlichst – an Herrn … veräußert wurden. Dieser nahm in den Jahren 2009/2010 zahlreiche Umbauarbeiten an den Gebäuden vor und veräußerte parallel dazu die Wohnungen des Vorderhauses an verschiedene Personen, unter anderem an die Beklagten. Eigentümer des Hinterhauses blieb er selbst. Zugleich wurden am 20.10.2009 (zum wiederholten Mal) zahlreiche Änderungen an der Teilungserklärung vorgenommen. Die erste Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerber erfolgte am 26.03.2010.
Bereits in der ersten Teilungserklärung aus dem Jahr 1993 wurde ein Verwalter eingesetzt. In den Folgejahren wurde der Verwalter mehrfach ausgewechselt, bevor schließlich in der Änderung der Teilungserklärung vom 20.10.2009 die Immobilienverwaltung … im Folgende …), deren Geschäftsführer Herr… ist, für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 als Verwalterin eingesetzt wurde.
Nach § 21 Abs. 3 lit. b der aktuellen Teilungserklärung ist der Verwalter der WEG berechtigt, rückständige Hausgeldzahlungen außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.
Nach den Kaufverträgen haben sich alle Erwerber verpflichtet, auf erstes Anfordern einen Verwaltervertrag mit der …) abzuschließen und sind anstelle des Verkäufers in die Verpflichtungen aus dem Verwaltervertrag eingetreten. Der Verwaltervertrag enthält eine umfassende Vertretungsermächtigung der Verwaltung zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der WEG.
Nach den entsprechenden unangefochtenen Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Beklagte unstreitig in den Monaten Januar bis März 2013 einen Hausgeldvorschuss i.H.v. jeweils 177,29 EURO zu zahlen. Diesen Verpflichtungen kam sie jedoch zunächst nicht nach.
Nachdem die Beklagte auch auf entsprechende Zahlungsaufforderungen der … keinen Ausgleich leistete, beauftragte diese die jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Forderungsdurchsetzung. Diese forderten die Beklagten unter dem 29.01.2013 zur Zahlung von 177,29 EURO auf und stellten hierfür 46,41 EURO in Rechnung.
Als gleichwohl keine Zahlung erfolgte, hat die … in Vertretung der Klägerin mit Eingang bei Gericht am 22.03.2013 Klage über 531,87 EURO nebst Zinsen sowie auf Freihaltung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten erhoben. Am 26.03.2013 hat die Beklagte einen Teilbetrag von 193,75 EURO an die Klägerin zu Händen der … gezahlt. Am 03.04.2013 hat die Beklagte einen weiteren Teilbetrag von 112,78 EURO an die Klägerin zu Händen der … gezahlt. Am 29.04.2014 wurde die Klage den Beklagten zugestellt. Am 07.05.2013 und 31.05.2014 gingen weitere Teilbeträge i.H.v. jeweils 112,78 EURO bei der … zugunsten der Klägerin ein.
Die Klägerin hat daraufhin die Klage noch vor dem ersten Termin im Zahlungsantrag für erledigt erklärt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin vom 11.09.2013 und nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass einige Zahlungen vor Klageerhebung lagen, hat die Klägerin nach dem Termin die Klage in Höhe von 306,53 EURO unter Protest gegen die Kostenlast zurückgenommen und in Höhe von 225,34 EURO für erledigt erklärt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Vertretungsmacht der … ergebe sich sowohl aus der (noch) wirksamen Bestellung als auch aus dem zwischen ihr und der … geschlossenen Verwaltervertrags. Die Führung des Kontos als offenes Treuhandkonto entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung und erlaube nicht die Zurückbehaltung der Wohngeldzahlungen. Ferner habe sie, allerdings nach den Zahlungen, ein Konto im Namen der WEG eröffnet.
Nachdem die Beklagten sowohl der Klagerücknahme als auch der Erledigungserklärung widersprochen haben, beantragt die Klägerin (ausdrücklich) nunmehr noch,
1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit i.H.v. 225,34 EURO erledigt hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte … für die Durchsetzung der Wohngeldansprüche aus Dezember 2012 und Januar 2013 in Höhe von 46,41 EURO freizuhalten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, die Klage sei bereits nicht ordnungsgemäß erhoben worden, da die … nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt gewesen sei. Die Bestellung in der Neufassung der Teilungserklärung sei als Scheinbeschluss nicht wirksam gewesen. Jedenfalls habe es sich bei der Bestellung mit der Teilungserklärung vom 20.10.2009 wegen der Neufassung der Teilungserklärung, den umfassenden Bauarbeiten und der vorherigen Vereinigung aller Eigentumsanteile in einer Hand um eine Erstbestellung i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WEG gehandelt mit der Folge, dass diese mit Ablauf von drei Jahren und deshalb mit dem 31.12.2012 geendet habe. Ferner seien sämtliche Wohnungseigentümer des Vorderhauses mit der Klageerhebung nicht einverstanden gewesen. Die Eigentümer der Vorderhauswohnungen haben unstreitig mehrere Kündigungen des Verwaltervertrags erklären lassen und im Oktober 2013 eine Versammlung abgehalten, in der sie einen Beschluss zur Abberufung gefasst haben. Ferner bringt die Beklagte vor, die Erwerber hätten keine Verwalterverträge mit der … abgeschlossen. Schließlich habe die … die Zahlung auf ein eigenes Konto verlangt, was nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe.
Entscheidungsgründe
I. Da die Teilklagerücknahme i.H.v. 306,53 EURO nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und auch nach einer inhaltlichen Einlassung des Beklagtenvertreters im Termin vom 11.09.2013 erfolgte, wäre zu ihrer Wirksamkeit nach § 269 Abs. 1 ZPO die Zustimmung der Beklagten erforderlich gewesen, die diese jedoch ausdrücklich verweigert hat. Da die Klage bereits vor der Antragstellung im Hinblick auf den Zahlungsantrag einseitig für erledigt erklärt war, ist die Klage jedoch in Höhe des erfolglos zurückgenommenen Betrags als Feststellungsklage über die Kostentragungspflicht der Beklagten umzudeuten (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer solchen Klage als Alternative zu einem Vorgehen nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO: Foerste, in: Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, § 269 Rn. 13c).
II. Die Klage ist sowohl in den Feststellungsanträgen als auch im Freihalteantrag zulässig. Insbesondere wird die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit wirksam vertreten.
Unzweifelhaft konnte grundsätzlich auch bei personeller Verflechtung eine Erstbestellung eines Verwalters in der Teilungserklärung erfolgen (im Parallelfall und m.w.N.: AG Hamburg, Urteil vom 28.04.2014, Az: 102c C 64/13).
Weiter kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Bestellung der … als Verwalterin i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2 WEG als Erstverwalterbestellung oder als wiederholte Verwalterbestellung anzusehen ist. Auch wenn man von einer Erstverwalterbestellung und damit einem auf drei Jahre begrenzten Bestellungszeitraum ausgeht, war dieser in dem wegen §§ 86, 246 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt der Bevollmächtigung, der notwendigerweise vor Klageeinreichung am 22.03.2013 lag, jedenfalls nicht abgelaufen.
Der Beginn der Fristen nach § 26 Abs. 1 Satz 2 WEG ist gesetzlich nicht geregelt. Nach zutreffender Ansicht beginnt die Frist jedoch zumindest nicht vor dem Entstehen zumindest einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft (Staudinger/Bub, 13. Bearbeitung 2005, § 26 WEG Rn. 28; Palandt/Bassenge, 72. Auflage 2013, § 26 WEG Rn. 4), da andernfalls keine „Verwaltung“ i.S.d. Wohnungseigentumsgesetzes erfolgen kann. Das Entstehen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft setzt wiederum voraus, dass ein wirksamer, auf die Übereignung gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist (grundlegend: BGH, Beschluss vom 05.06.2008, Az: V ZB 85/07, juris-Rn. 14). Dies war hier erst mit Eintragung der ersten Vormerkung und damit erst am 26.03.2010 erfüllt, weshalb die Verwalterstellung auch jedenfalls bis zum 25.03.2013 und damit über die Klageeinreichung hinaus bestanden hat.
Einer wirksamen Vertretung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte und auch die übrigen Eigentümer des Vorderhauses die gegen sie gerichtete Klage nicht wollten. Gläubiger des Wohngeldanspruchs sind nicht die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern ist die Wohnungseigentümergemeinschaft, auf deren Willen es mithin ankäme. Die Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt wiederum durch Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ein der Klage gegenläufiger Versammlungsbeschluss getroffen worden wäre. Selbst wenn die Versammlung vom 29.10.2013 eine Eigentümerversammlung i.S.d. § 24 WEG gewesen sein sollte, waren die konkreten Klageverfahren dort jedenfalls nicht Beschlussgegenstand. Eine wirksame Abberufung des Verwalters im laufenden Verfahrens wäre ebenfalls nach §§ 86, 246 Abs. 1 ZPO unbeachtlich. Darüber hinaus wären selbst etwaige dort über die Klage selbst getroffene Beschlüsse für das vorliegende Verfahren unbeachtlich, da sie nicht – z.B. durch eine Klagerücknahme – in den Prozess eingeführt wurden. Die Beklagten können sich insoweit auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass sich letztlich sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft im Vorderhaus über die Nichtzahlung einig waren. Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang überhaupt getrennte Wirtschaftspläne und Hausgeldansprüche möglich wären (zum Problem: Dötsch, in: BeckOK-WEG, 20. Edition 2014, § 10 Rn. 36), hatte hier die Gesamteigentümergemeinschaft den der Klage zugrundeliegenden Wirtschaftsplan beschlossen. Damit kann aber keinesfalls eine Untereigentümergemeinschaft – zudem noch konkludent durch Nichtzahlung – diesen Beschluss außer Kraft setzen.
Schließlich stünde einer Vertretung auch nicht entgegen, wenn die Erwerber nie in eigener Person Verwalterverträge mit der … abgeschlossen hätten, da die organschaftliche Vertretungsmacht des Verwalters durch die Bestellung erfolgt und unabhängig ist vom Bestehen eines Verwaltervertrags.
III. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte war berechtigt, den Zahlungsaufforderungen der Verwalterin keine Folge zu leisten, weshalb weder die ursprüngliche Zahlungsklage begründet war noch ein zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verpflichtender Verzug der Beklagten eingetreten ist.
Unstreitig hat die … für die Klägerin weder vorgerichtlich noch gerichtlich die Zahlung auf ein eigenes Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt. Vielmehr streiten die Parteien lediglich darum, ob das Konto der …, auf das die Zahlungen erfolgen sollten, als offenes Treuhandkonto zugunsten der Klägerin geführt wird. Wegen der Pflicht zur Vermögenssonderung und infolge der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Wohnungseigentümer aber jedenfalls dann nicht (mehr) verpflichtet, eine Zahlung auf ein nicht unmittelbar der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehendes Konto zu erbringen, wenn – wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen – die Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch das Ausbleiben der Zahlungen nicht gefährdet ist (LG Hamburg, Beschluss vom 28.11.2013, Az: 318 T 30/13).
Ob die Klägerin nach den Zahlungen ein eigenes Konto eröffnet hat und damit in diesem Zeitpunkt ein Zurückbehaltungsrecht wegfallen würde, spielt für die Entscheidung keine Rolle, da auf den Zeitpunkt des möglicherweise erledigenden Ereignisses abzustellen ist.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Von einer Auferlegung der Kosten auf die … nach § 49 Abs. 2 WEG sieht das Gericht ab. Im Hinblick auf die fehlerhafte Führung des Kontos nicht als eigenes Konto der WEG und die hierdurch verursachte erfolglose Klageerhebung sieht das Gericht jedenfalls ein grobes Verschulden der Verwalterin nicht als gegeben an. Das Amtsgericht Hamburg hatte als Vorinstanz der o.g. Entscheidung 318 T 30/13 noch der Klage stattgegeben und dabei die Aufforderung zur Zahlung auf ein Konto der … als berechtigt angesehen.
V. Die Berufung ist nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Die Frage, ob Wohnungseigentümer die Zahlung auf ein zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter eingerichtetes offenes Treuhandkonto verweigern dürfen, ist in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Die Entscheidung der Berufungskammer im Parallelverfahren 318 T 30/13, der das erkennende Gericht in der Sache folgt, erging ausdrücklich nach lediglich nach „summarischer Prüfung“ und in Abkehr von der früheren Rechtsprechung des HansOLG unter Hinweis auf die Änderung der Rechtslage infolge der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft. Demgegenüber wurde in der Kommentarliteratur auch nach Änderung der Rechtslage unter Hinweis auf die Entscheidung des HansOLG weiter vertreten, dass ein Wohnungseigentümer seine Beiträge auch dann auf das vom Verwalter angegebene Konto zu überweisen hat, wenn dieses ein offenes Treuhandkonto ist (Abramenko, in: Fachanwaltskommentar WEG-Recht, 3. Auflage 2010, § 27 Rn. 27).
VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.