AG Schöneberg, Az.: 106 C 117/15, Urteil vom 13.08.2015
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin als Mieterin des Hauses T. Straße. 21a, B. die teilweise Untervermietung eines Zimmers samt Mitbenutzung von Bad und Küche an Herrn T. R., bisher wohnhaft T. Str. 35b, B. zu gestatten.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 23.10.2010 vermietete der Beklagte an die Klägerin ab dem 1.1.2011 eine 4 Zimmer-Wohnung zu Wohnzwecken im Reihenhaus T. Straße. 21a, B. mit einer Wohnfläche von ca. 80 qm. Die ursprüngliche monatliche Nettomiete betrug 385,- € nebst Betriebskostenvorschüssen in Höhe von 60,- €, und Heizkostenvorschüssen von 95,- €. Derzeit beträgt die monatliche Nettomiete 462,- € nebst Betriebskostenvorschüssen in Höhe von 169,- € und Heizkostenvorschüssen in Höhe von 95,- €.
Die Klägerin lebt in der Wohnung mit ihren beiden Kindern; sie ist allein erziehende Mutter. Bereits zu Beginn des Mietverhältnisses erhielt sie für die Kinder Leistungen vom Jobcenter, da der Vater keinen Unterhalt zahlt; die Miete wurde von dem Sozialamt getragen. Mit Wirkung zum Juni 2015 wurde die Leistung des Sozialamts derart gekürzt, dass die Bruttomiete in Höhe von 100,- € monatlich nicht mehr von dem Sozialamt getragen wird.
Mit Schreiben vom 20.1.2015 erbat die Klägerin von dem Beklagten die Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers an Herrn T. R. nebst Mitbenutzung des Bades und der Küche und begründete dieses mit ihrer finanziellen Situation ab Juni 2015. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 f d. A. verwiesen.
Die Klägerin erwartet Untermieteinkünfte von 200,- € monatlich. Sie ist bereit, einen angemessenen Untervermietungszuschlag an den Kläger zu entrichten.
Die Klägerin behauptet, sie sei Mieterin der Wohnung im Erdgeschoss und 1. OG sowie des Dachbodens; ihre Mutter, die in dem gleichen Haus im Souterrain wohne, habe eine abgeschlossene Wohnung mit eigenem Eingang. Nach einem Leerstand von einem Jahr sei der Beklagte an sie und ihre Mutter herangetreten und habe ihnen die Anmietung mittels zwei getrennter Mietverträge angetragen. Sie selber würde 32 Stunden pro Woche arbeiten und eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen. Herr T. R. sei 57 Jahre alt, ein ehemaliger Arbeitskollege, der als Frührentner über ein geregeltes Einkommen verfüge.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr als Mieterin des Hauses T. Straße. 21a in B. die teilweise Untervermietung eines Zimmers samt Mitbenutzung von Küche und Bad in der T. Straße 21a an den Rentner T. R., bisher wohnhaft T. Str. 35b in B. zu gestatten.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin als Transferleistungsempfängerin sich bei der Anmietung der Wohnung hätte bewusst sein müssen, dass sie sich die Wohnung angesichts der Ausstattung und Lage auf Dauer nicht würde leisten könne; sie sich hätte bewusst sein müssen, dass der Mietzins bei der Anmietung weit unter dem ortsüblichen Niveau gelegen habe und erhöht werden würde. Eine zu erzielende Nettomiete würde weit über 10,- €/qm liegen. Die Klägerin habe die Immobilie ca. drei Monate nach seinem Erwerb bezogen. Das Dachgeschoss sei nicht mitvermietet und es würde sich bei dem Reihenhaus nicht um zwei abgeschlossene Wohnungen handeln. Für die Kinder der Beklagten sei die Aufnahme eines fremden Mannes in den Haushalt unzumutbar und angesichts des Alters von Herrn T. R. sei fraglich, ob die Treppe für ihn nicht zu steil sei. Ferner sei ihm Herrn T. R. als Untermieter unzumutbar, da er eine Zwangsräumung infolge des Alters von Herrn T. R. schwieriger erreichen könne.
Der Schriftsatz vom 13.7.2015 ist der Klägerin am 17.7.2015 zugestellt worden. Vorsorglich hat sie eine Erklärungsfrist beantragt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist i. S. d. § 300 ZPO entscheidungsreif. Die vorsorglich von der Klägerin gemäß § 283 ZPO beantragte Erklärungsfrist auf den Schriftsatz vom 13.7.2015 war nicht zu bewilligen. Denn dieser enthält keinen neuen Tatsachenvortrag, der entscheidungserheblich wäre.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht gemäß § 29a ZPO örtlich und gemäß § 23 Nr.2a GVG sachlich zuständig.
Die Klage ist auch begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Gestattung der Untervermietung gemäß § 553 I BGB zu.
Gemäß § 553 I BGB steht einem Mieter ein Anspruch auf die Gestattung zur Untervermietung zu, wenn nach Abschluss des Mietvertrages für ihn ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung entsteht und dem hinsichtlich der Person des Untermieters seitens des Vermieters kein wichtiger Grund entgegensteht, keine Überbelegung des Wohnraumes entsteht oder keine sonstigen Gründe bestehen, die eine Untervermietung für den Vermieter unzumutbar werden lässt, wobei bei der Interessenabwägung die Mieterinteressen grundsätzlich vorrangig sind (vgl. Staudinger-Emmerich, Mietrecht 2012, zu § 553 BGB Rn. 11).
Hierbei ist ein berechtigtes Interesse des Mieters jeder nachvollziehbare Grund (vgl. Schmidt/Futterer-Blank, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, zu § 553 BGB Rn. 4). Ein solcher ist jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05 – zit. nach NJW 2006, 1200); hierzu zählt insbesondere auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Mieters (vgl. Erman-Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl. 2014 zu § 554 Rn. 5), durch die er auf Erzielung von Untermieteinnahmen angewiesen ist, um sein Wohnkostenanteil zu reduzieren (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05 – zit. nach NJW 2006, 1200; AG Tempelhof-Kreuzberg Urt. v. 1.9.2011 – 14 C 212/11 – zit. nach GE 2012, 66).
Dieses ist der Fall. Denn seit Juni 2015 wird die Miete für die Klägerin nicht mehr im vollen Umfang durch das Sozialamt getragen und sie selber muss mit 100,- € monatlich die Differenz zu dem künftig vom Sozialamt übernommenen Mietanteil tragen.
Diese Verschlechterung ist erst nach dem Abschluss des Mietvertrages eingetreten. Denn zur Zeit des Abschluss des Mietvertrages betrug die Bruttomiete lediglich 540,- € monatlich und wurde in Gänze von dem Sozialamt getragen. Unerheblich ist, dass die Miete seinerzeit sich weit unter dem ortsüblichen Preisniveau für eine Wohnung in einem Reihenhaus in bester Lage bewegt haben mag und sie als Empfängerin von Transferleistungen nicht damit rechnen konnte, dass sie sich den Wohnraum bei einer künftigen Erhöhung der Miete auf das ortsübliche Niveau künftig würde leisten können. Denn entscheidend sind alleine die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages. Ein Mieter muss sich keine Gedanken darüber machen, wie die ortsübliche Vergleichsmiete zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages ist und ob er die Wohnung ggf. zu einem geringeren Mietzins anmietet. Schon gar nicht muss er – sofern nicht eine Staffelmiete vereinbart worden ist – darüber spekulieren, ob und wie der Vermieter künftig versuchen wird, eine höhere Miete zu realisieren, als sie ursprünglich vereinbart wurde. Noch muss er darüber spekulieren, wie sich die ortsübliche Vergleichsmiete entwickeln wird und wie sich die Praxis hinsichtlich der Gewährung von Transferleistungen hinsichtlich der kompletten oder teilweisen Übernahme von Wohnkosten durch öffentliche Träger entwickeln wird. Ist der Beklagte der Ansicht, dass die Kläger sich die Anmietung seiner Immobilie in bester Lage als Empfängerin von Transferleistungen nicht hätte leisten sollen, so hätte es ihm obliegen, der Beklagten die Anmietung nicht zu einem Mietzins anzubieten, der ggf. erheblich unter dem ortsüblichen Vergleichsmietzins lag. In diesem Zusammenhang ist die Frage, wer an wen herangetreten ist, um die andere Seite zum Abschluss des Mietvertrages zu bewegen sowie der Umstand, ob die Immobilie vor dem Bezug seitens der Klägern leer stand, ohne jede erkennbare Relevanz.
Der teilweisen Überlassung der Wohnung an T. R. stehen auch keine wichtigen Gründe i. S d. § 553 I 2 BGB entgegen.
In der Person von T. R. sind keine derartigen nachvollziehbaren Gründe begründet.
Sofern der Beklagte der Ansicht ist, dass infolge des Alters von 57 Jahren Herr T. R. nicht in der Lage sein wird, die Treppe zu benutzen, genügt dieser Vortrag nicht den Anforderungen des § 138 ZPO. Ferner ist es alleine Sache des Herrn T. R. einzuschätzen, ob er mit seinem jetzigen körperlichen Zustand die Treppe problemlos nutzen kann. Sofern der Beklagte der Ansicht ist, dass er infolge des Alters von Herrn T. R. ggf. nur erschwert einen Räumungstitel wird vollstrecken können, ist diese entgegen § 138 ZPO nicht näher begründete Befürchtung bereits aus Rechtsgründen unbeachtlich. Denn diese Argumentation des Beklagten würde entgegen § 1 AGG zu einer Altersdiskriminierung führen. Ohne jeden Belang sind ferner die Spekulationen des Beklagten, dass die Aufnahme von Herrn T. R. als Untermieter in den Haushalt der Klägerin als eine fremde männliche Person zu einer Gefährdung des Wohles der Kinder der Klägerin führen könnte. Denn gemäß Art. 6 II GG sind zur diesbezüglichen Fürsorge primär die Eltern berufen über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft und nicht der Beklagte zu wachen hat.
Bei der Untervermietung eines Zimmers nebst Mitbenutzung der Nebengelasse an Herrn T. R. ist angesichts der Größe der Wohnung und der jetzigen Nutzung durch die Klägerin nebst ihrer beiden Kinder eine Überbelegung des Wohnraums nicht zu befürchten. Diesbezüglich hat der Beklagte gemessen an § 138 ZPO auch nichts Weiteres vorgetragen.
Auch sonstige Gründe, die einer Erteilung der Untermieterlaubnis an Herrn T. R. entgegenstehen könnten sind nicht gegeben.
Sofern der Beklagte anführt, dass er im Rahmen einer zwangsweisen Räumung auch einen Titel gegen den Untermieter Erstreiten und vollstrecken müsste, stellt dieses aus Rechtsgründen keinen beachtlichen Grund zur Verweigerung der Untermieterlaubnis dar. Denn dieses Argument würde für jede Untermieterlaubnis gelten und würde die gemäß § 553 III BGB zum Nachteil des Mieters unabdingbare Norm des § 553 BGB in Gänze unterlaufen.
Sollte es dem Beklagten alleine darum gehen, die Genehmigung zur Untervermietung zu verweigern, um die Klägerin zum Auszug zu bewegen oder infolge ihrer finanziellen Situation ein Kündigungsgrund infolge Zahlungsverzuges zu provozieren, widerspricht dieses dem Zweck des § 553 BGB, dem Mieter die Wohnung zu erhalten (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 4/05 – zit. nach NJW 2006, 1200).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.