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Bevor Zahlungsklage erhoben wird muss Mietkaution verwertet werden

Kautionsverrechnung vor Zahlungsklage

Bevor eine Zahlungsklage erhoben wird, muss zuerst die Mietkaution zur Deckung etwaiger Ansprüche verwertet werden, wie das Urteil des Amtsgerichts Mitte in Berlin (Az.: 8 C 218/23) zeigt, bei dem die Klage abgewiesen wurde, da die Kläger bereits auf die Kaution für ihre Forderungen zugreifen konnten. Das Gericht entschied ferner auf die Widerklage hin, dass die Klägerinnen den Beklagten einen Teil der Kaution zurückzahlen müssen, da nur ein Teil der Forderungen durch die Kaution gedeckt war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 C 218/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Vor Erhebung einer Zahlungsklage muss eine Mietkaution zur Deckung etwaiger Ansprüche genutzt werden.
  • Das Amtsgericht Berlin-Mitte entschied, dass die Klage unzulässig ist, da bereits eine Verwertung der Kaution stattfand.
  • Die Widerklage wurde teilweise begründet, die Beklagten erhielten einen Teil der Kaution zurück.
  • Substanzschäden an Holzfensterrahmen, verursacht durch die Beklagten, wurden als nicht vom üblichen Mietgebrauch umfasst angesehen.
  • Eine Vereinbarung zwischen den Parteien limitierte den Betrag für Schönheitsreparaturen, was zur teilweisen Berechtigung der Aufrechnung führte.
  • Die Kläger konnten den geforderten Schadensersatz nicht geltend machen, da sie diesen bereits durch die Kautionseinbehaltung gedeckt hatten.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Kautionsvereinbarung und die richtige Anwendung der Aufrechnung bei der Kautionsabrechnung.

Mietkaution: Mehr als nur eine Sicherheitsleistung

Eine Mietkaution wird von den meisten Vermietern bei Abschluss eines Mietvertrags verlangt. Sie dient als Sicherheit für mögliche Forderungen des Vermieters gegenüber dem Mieter. Doch die Mietkaution ist mehr als nur eine Sicherheitsleistung. Sie hat auch rechtliche Implikationen, die für beide Seiten von großer Bedeutung sind.

Die Handhabung der Kautionsabrechnung und die mögliche Verwertung der Kaution sind wichtige Aspekte, die im Mietrecht klar geregelt sind. Besonders bei der Beendigung eines Mietverhältnisses spielen die gesetzlichen Bestimmungen eine entscheidende Rolle. Sowohl Mieter als auch Vermieter müssen die rechtlichen Vorgaben beachten, um Konflikte zu vermeiden.

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➜ Der Fall im Detail


Mietkaution vor Zahlungsklage verwerten

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte, Az.: 8 C 218/23, stand eine strittige Auseinandersetzung zwischen Mietern und Vermietern im Zentrum, die sich um die Verwendung der Mietkaution drehte.

Mietkaution
(Symbolfoto: Inside Creative House /Shutterstock.com)

Ausgangspunkt war die Beendigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung in Berlin, die den Beklagten am 20. Dezember 2013 mangelfrei übergeben wurde. Während der Mietzeit wurden von den Beklagten keine Schönheitsreparaturen durchgeführt. Nach einer Eigenbedarfskündigung durch die Kläger und einem darauffolgenden Räumungsprozess wurde das Mietverhältnis zum 31. Januar 2023 beendet. Bei der Rückgabe der Wohnung wurden Beschädigungen festgestellt, woraufhin die Parteien vereinbarten, dass die Klägerinnen einen Teil der Kaution für Schönheitsreparaturen einbehalten dürfen. Nach Verrechnung der Kaution erhoben die Klägerinnen zusätzlich eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz für weitere Substanzschäden, was die zentrale rechtliche Auseinandersetzung dieses Falls darstellt.

Kern der gerichtlichen Entscheidung

Das Gericht wies die Klage der Vermieter ab und gab der Widerklage der Mieter teilweise statt. Die Entscheidung beruhte auf der Auffassung, dass eine Zahlungsklage unzulässig ist, wenn die Kläger durch Verwertung der Mietkaution einfacher ihren Anspruch realisieren können. Die Kläger hatten bereits eine Kautionsabrechnung erstellt und mit ihrer Forderung aufgerechnet, was das Gericht als ausreichende Verwertung der Kaution ansah. Somit mangelte es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Interessanterweise wurde diese Argumentation durch die Tatsache verstärkt, dass die Klägerinnen den Betrag bereits vereinnahmt hatten, indem sie ihn von der Kaution einbehalten hatten.

Widerklage teilweise begründet

Die Beklagten hatten Anspruch auf die Auszahlung eines weiteren Teils der Kaution. Das Gericht stellte fest, dass die Aufrechnung der Klägerinnen mit einem Schadensersatzanspruch nur teilweise durchgriff. Zudem wurde anerkannt, dass das Anbohren von Holzfensterrahmen durch die Beklagten eine Substanzverletzung darstellt, die den vertragsgemäßen Gebrauch überschreitet. Allerdings wurde der geltend gemachte Betrag durch eine vorherige Vereinbarung zwischen den Parteien beschränkt, was die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes beeinflusste.

Bedeutung der Kautionsvereinbarung

Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der Kautionsvereinbarung und der korrekten Anwendung der Aufrechnung bei der Kautionsabrechnung. Die Entscheidung betont, dass Vermieter zunächst die Kaution zur Deckung von Ansprüchen heranziehen müssen, bevor sie eine Zahlungsklage erheben. Dies stellt eine wesentliche Erkenntnis für die Praxis dar, insbesondere in Anbetracht der häufigen Konflikte um Mietkautionen am Ende von Mietverhältnissen.

Rechtsprechung und Praxisrelevanz

Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für Vermieter, die Mietkaution sorgfältig und im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zu verwalten. Die richtige Handhabung der Kaution kann nicht nur rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden helfen, sondern auch dazu beitragen, dass beide Parteien ihre Rechte und Pflichten korrekt wahrnehmen. Für Mieter wiederum betont das Urteil die Bedeutung, bei Unstimmigkeiten über die Kautionsabrechnung rechtlichen Rat einzuholen und gegebenenfalls gerichtlich gegen unberechtigte Forderungen vorzugehen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wann muss eine Mietkaution vor einer Zahlungsklage verwertet werden?

Der Vermieter muss eine hinterlegte Mietkaution vor Erhebung einer Zahlungsklage gegen den Mieter zunächst verwerten, d.h. mit seinen offenen Forderungen verrechnen. Dies ergibt sich aus dem Treuhandcharakter der Kaution. Der Vermieter ist nicht berechtigt, die Kaution während des laufenden Mietverhältnisses in Anspruch zu nehmen, solange die Forderungen streitig sind.

Nach Beendigung des Mietverhältnisses muss der Vermieter dem Mieter über die Kaution abrechnen. In der Abrechnung sind die Forderungen aufzuführen, mit denen der Vermieter aufrechnen möchte. Die Abrechnung kann auch konkludent durch Erhebung einer Klage erfolgen, mit der sich der Vermieter auf sein Verwertungsinteresse beschränkt.

Für die Abrechnung und Verwertung der Kaution steht dem Vermieter eine angemessene Prüfungsfrist von in der Regel 6 Monaten zu. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf sich der Vermieter mehr Zeit lassen, längstens jedoch 12 Monate. Innerhalb dieser Frist muss er dem Mieter mitteilen, ob und in welcher Höhe er die Kaution einbehalten möchte.

Macht der Vermieter nach der Abrechnung von seinem Verwertungsrecht keinen Gebrauch, kann der Mieter die Auszahlung der Kaution verlangen. Verweigert der Vermieter die Rückzahlung ohne berechtigten Grund, muss der Mieter auf Herausgabe der Kaution klagen. Die Verjährungsfrist für den Kautionsrückzahlungsanspruch beträgt 3 Jahre ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit.

Was geschieht, wenn bei der Wohnungsübergabe Schäden festgestellt werden?

Wenn bei der Wohnungsübergabe Schäden an der Mietsache festgestellt werden, muss der Vermieter zunächst prüfen, ob der Mieter diese Schäden zu verantworten hat. Ist dies der Fall, kann der Vermieter vom Mieter Schadensersatz verlangen.

Der Vermieter hat dann folgende Möglichkeiten:

  1. Er kann den Mieter auffordern, die Schäden innerhalb einer angemessenen Frist selbst zu beheben. Dies sollte im Übergabeprotokoll festgehalten werden.
  2. Alternativ kann der Vermieter die Schäden selbst reparieren lassen und die Kosten dafür mit der Mietkaution verrechnen. Dazu muss er dem Mieter eine Abrechnung über die einbehaltene Kaution zukommen lassen.
  3. Reicht die Mietkaution nicht aus, um die Reparaturkosten zu decken, bleibt der Mieter in der Pflicht, für den übersteigenden Betrag aufzukommen. Der Vermieter kann die Differenz dann gesondert vom Mieter einfordern.

Wichtig ist: Greift der Vermieter auf die Kaution zu, um Schäden zu beheben, erlischt damit sein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Mieter in Höhe des einbehaltenen Betrags. Er muss den Mieter dann so stellen, als habe dieser den Schaden nicht verursacht und ggf. die Mietsache in einen vertragsgemäßen Zustand versetzen.

Bei der Berechnung der Schadenshöhe ist zu unterscheiden:

  • Lässt sich der Schaden reparieren, sind die üblichen Reparaturkosten anzusetzen, ohne Abzug „neu für alt“.
  • Muss die beschädigte Sache komplett ersetzt werden, ist der Zeitwert zu ermitteln, d.h. es erfolgt ein Abzug „neu für alt“.

Fazit: Das Übergabeprotokoll spielt eine zentrale Rolle. Es hält fest, welche Schäden der Mieter zu verantworten hat. Anhand dessen kann der Vermieter entscheiden, ob er die Mietkaution ganz oder teilweise einbehält, um die Schäden zu beheben. Reicht die Kaution nicht, haftet der Mieter für die Mehrkosten.

Wie wird die Mietkaution abgerechnet?

Der Vermieter muss dem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über die Kaution abrechnen. In der Abrechnung sind die Forderungen aufzuführen, mit denen der Vermieter aufrechnen möchte. Dazu zählen insbesondere:

  • Mietrückstände
  • Nachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen
  • Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen der Mietsache

Die Abrechnung kann ausdrücklich durch eine detaillierte Aufstellung der Forderungen erfolgen. Sie kann aber auch konkludent durch Erhebung einer Klage geschehen, mit der sich der Vermieter auf sein Verwertungsinteresse beschränkt.

Für die Abrechnung und Verwertung der Kaution steht dem Vermieter eine angemessene Prüfungsfrist zu. Diese beträgt in der Regel 3-6 Monate. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf sich der Vermieter mehr Zeit lassen, längstens jedoch 12 Monate. Innerhalb dieser Frist muss er dem Mieter mitteilen, ob und in welcher Höhe er die Kaution einbehalten möchte.

Macht der Vermieter nach der Abrechnung von seinem Verwertungsrecht keinen Gebrauch, kann der Mieter die Auszahlung der Kaution verlangen. Verweigert der Vermieter die Rückzahlung ohne berechtigten Grund, muss der Mieter auf Herausgabe der Kaution klagen.

Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution verjährt 3 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter spätestens über die Kaution hätte abrechnen müssen. Die Verjährungsfrist beginnt also mit Ablauf der dem Vermieter zustehenden Abrechnungs- und Prüfungsfrist.

Welche Rechte haben Mieter bei Unstimmigkeiten über die Kautionsabrechnung?

Ist der Mieter mit der Kautionsabrechnung des Vermieters nicht einverstanden, hat er folgende Rechte und Möglichkeiten:

  1. Einspruch gegen die Abrechnung: Der Mieter kann der Abrechnung widersprechen und den Vermieter auffordern, eine korrigierte Abrechnung vorzulegen. Dabei sollte er konkret benennen, welche Positionen er beanstandet und warum. Der Einspruch sollte schriftlich und nachweisbar erfolgen, z.B. per Einschreiben mit Rückschein.
  2. Einsicht in Belege verlangen: Der Mieter hat das Recht, Einsicht in die Belege zu verlangen, die der Vermieter seiner Abrechnung zugrunde gelegt hat. Dazu zählen z.B. Rechnungen von Handwerkern oder Kaufbelege für Ersatzteile. Der Vermieter muss dem Mieter die Belege auf Verlangen vorlegen.
  3. Auszahlung der unstreitigen Summe fordern: Ist nur ein Teil der Kaution zwischen den Parteien strittig, kann der Mieter die Auszahlung des unstreitigen Betrags verlangen. Den streitigen Teil darf der Vermieter bis zur Klärung einbehalten.
  4. Klage auf Rückzahlung erheben: Kommt keine Einigung zustande, kann der Mieter seinen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gerichtlich durchsetzen. Dazu muss er Klage beim zuständigen Amtsgericht erheben. Im Prozess muss dann der Vermieter darlegen und beweisen, dass seine Forderungen berechtigt sind.
  5. Mietkaution von der Steuererklärung absetzen: Behält der Vermieter die Kaution ganz oder teilweise ein, um damit Schäden an der Wohnung zu beheben, kann der Mieter diese Aufwendungen in seiner Einkommensteuererklärung als haushaltsnahe Handwerkerleistungen geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Vermieter eine entsprechende Rechnung vorlegt.

Wichtig ist, dass der Mieter seine Ansprüche rechtzeitig geltend macht. Der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution verjährt 3 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter über die Kaution hätte abrechnen müssen. Innerhalb dieser Frist muss der Mieter tätig werden, um eine Verjährung zu verhindern.

Kann für denselben Schaden sowohl die Kaution verwendet als auch eine separate Zahlungsklage erhoben werden?

Nein, der Vermieter kann nicht für denselben Schaden sowohl die Mietkaution verwerten als auch zusätzlich Schadensersatz vom Mieter fordern. Greift der Vermieter auf die Kaution zu, um einen bestimmten Schaden zu beheben, erlischt damit sein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Mieter in Höhe des einbehaltenen Betrags.

Der Vermieter muss den Mieter dann so stellen, als habe dieser den Schaden nicht verursacht. Er ist verpflichtet, die Mietsache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, soweit dies durch die Verwendung der Kaution möglich ist.

Reicht die Kaution nicht aus, um den gesamten Schaden zu decken, kann der Vermieter den übersteigenden Betrag gesondert als Schadensersatz vom Mieter einfordern. Für diesen Teil des Schadens bleibt der Mieter in der Pflicht aufzukommen.

Der Vermieter hat somit die Wahl, ob er die Mietkaution verwertet oder Schadensersatz verlangt. Er kann aber nicht beides kumulativ geltend machen. Das würde zu einer ungerechtfertigten Doppelbelastung des Mieters führen.

Entscheidet sich der Vermieter dafür, die Kaution zu verwerten, muss er dies dem Mieter im Rahmen der Kautionsabrechnung mitteilen. Darin sind die Forderungen aufzuführen, mit denen der Vermieter aufrechnen möchte. Eine solche Abrechnung kann auch konkludent durch Erhebung einer Klage erfolgen, mit der sich der Vermieter auf sein Verwertungsinteresse beschränkt.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung: Dieser Paragraph ist relevant, da er die Grundlage für Schadensersatzansprüche darstellt, die aufgrund von Pflichtverletzungen im Mietverhältnis, wie zum Beispiel die Beschädigung von Wohnungseigentum, geltend gemacht werden können.
  • § 538 BGB Keine Haftung des Mieters bei vertragsgemäßem Gebrauch: Hier wird geregelt, dass Mieter für Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind, nicht haften. Dieser Paragraph spielt eine Rolle bei der Beurteilung, ob das Anbohren von Fensterrahmen eine zulässige Nutzung darstellt.
  • § 551 BGB Begrenzung und Anlage der Mietkaution: Dieser Gesetzestext ist zentral für die Verwaltung der Mietkaution, einschließlich der Höchstgrenze, die Vermieter fordern dürfen, und der Pflicht zur Anlage der Kaution zu den Bedingungen für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist.
  • § 812 BGB Herausgabeanspruch: Dieser Paragraph betrifft die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen und ist relevant für die Rückforderung der Mietkaution oder Teilen davon, wenn diese zum Beispiel zu Unrecht für Reparaturen verwendet wurde.
  • § 287 ZPO Schadensermittlung: Im Kontext der Schadensermittlung und -schätzung durch das Gericht, besonders bei nicht eindeutig quantifizierbaren Schäden, bietet dieser Paragraph die rechtliche Grundlage für eine gerichtliche Schätzung.
  • §§ 280, 286 BGB Verzugsschaden: Diese Paragraphen sind relevant für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund von Verzugszinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die entstehen, wenn der Schuldner mit der Erfüllung seiner Verpflichtung in Verzug gerät.


Das vorliegende Urteil

AG Berlin-Mitte – Az.: 8 C 218/23 – Urteil vom 20.02.2024

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Mitte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2024 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage werden die Klägerinnen gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Beklagten 706,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2023 sowie 107,58 Euro außergerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.6.2023 zu zahlen. lm Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen 5/6 und die Beklagten gesamtschuldnerisch 1/6 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über die Wohnung C###, ### Berlin. Die Wohnung wurde den Beklagten am 20.12.2013 mangelfrei übergeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 20.12.2013, Blatt 56/57 der Akte, Bezug genommen.

Die Beklagten führten während der Mietzeit zu keiner Zeit Schönheitsreparaturen durch.

Die Kläger sprachen zum 30.11.2021 eine Eigenbedarfskündigung aus. Im Rahmen eines darauf folgenden Räumungsprozesses wurde die Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.1.2023 festgestellt. Am 15.1.2023 erfolgte die Rückgabe der Räumlichkeiten. In diesem Zusammenhang wurde ein Übergabeprotokoll erstellt, wegen der Einzelheiten der Feststellungen wird auf das Protokoll, Blatt 58-61 der Akte, Bezug genommen. Die im Protokoll erwähnten Beschädigungen der Fenster sind zudem auf den Lichtbildern Blatt 82-90 der Akte zu sehen. Die Parteien vereinbarten in dem Zusammenhang, dass die Klägerinnen einen Betrag von maximal 2000 Euro für auszuführende Schönheitsreparaturen von der Kaution einbehalten dürfen. Ferner vereinbarten die Parteien, dass im Falle größerer Mängel bzw. Schäden, die nicht durch Schönheitsreparaturen und Malerarbeiten zu beheben sind, die Kosten für die Beseitigung dieser Mängel ebenfalls von der Kaution einzubehalten sind.

Unter dem 7.5.2023 erteilten die Klägerinnen die Kautionsabrechnung und kehrten das sich daraus ergebende Guthaben in Höhe von 1115,16 Euro an die Beklagten aus. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 62 der Akte Bezug genommen. Dem Schreiben war die Rechnung der Firma „###“ sowie die Rechnung der Firma ####, Blatt 63/64 der Akte, beigefügt. Den Arbeiten lagen die Angebote Blatt 152/153 der Akte bzw. 156 der Akte zugrunde. Mit E-Mail vom 9. Mai 2023 widersprach der Beklagte zu 2) der Kautionsabrechnung und forderte die Auszahlung eines Kautionsbetrages in Höhe von insgesamt 2174,26 Euro.

Die Beklagten widersprachen der Verrechnung erneut mit anwaltlichen Schreiben vom 7.6.2023 und verlangten eine konkrete Aufstellung der Kosten der durchgeführten Arbeiten.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, sie hätten einen erstattungsfähigen Anspruch auf Ersatz der Substanzschäden an den Holzfensterrahmen in Höhe von 1059,10 Euro. Das Anbohren der Holzfensterrahmen sei nicht vom üblichen Mietgebrauch umfasst. Für die Zahlungsklage bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis, denn der Anspruch gelte durch Geltendmachung im Rahmen der Abrechnung nicht als festgestellt.

Die Klägerinnen behaupten, sie hätten den durch die Beklagten verursachten Schimmelbefall an den Dichtungsgummis aller Holzfenster eigenhändig mit Spezialmitteln entfernt, was sehr aufwendig gewesen sei und mehrere Tage in Anspruch genommen hätte. Die Mietkaution sei bis zur Klärung der Angelegenheit auf einem getrennten Konto verwahrt.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 12.02.2024 führen die Klägerinnen weiter zur Zulässigkeit der Klage und dem Erfordernis einer Beweisaufnahme zur Anspruchsklärung aus.

Die Klägerinnen beantragen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerinnen 1059,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.6.2023 zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass den Klägerinnen ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe der Restkaution in Höhe von 1059,10 Euro zusteht.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragen Sie,

1. die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagten 1059,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2023 zu zahlen;

2. die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagten 144,70 Euro vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.6.2023 zu zahlen. Die Klägerinnen beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, für eine Zahlungsklage gebe es nach Kautionsabrechnung kein Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus stünde der Klägerinnen kein Schadensersatzanspruch zu, da das Streichen zu den Schönheitsreparaturen gehöre. Das Anbringen eines Innenrollos gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, die Widerklage dagegen teilweise begründet.

1) Die Zahlungsklage ist unzulässig, denn insoweit mangelt es am Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist ausnahmsweise dann zu verneinen, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen. Dies ist hier der Fall, denn den Klägerinnen steht insoweit ein einfacherer Weg zur Realisierung ihres Anspruchs zur Verfügung, und zwar durch Verwertung der nun genau zu diesem Zwecke geleisteten Mietkaution. Die der Kautionsvereinbarung immanente Sicherungsabrede ermöglicht es dem Vermieter zur Befriedigung seiner Ansprüche auf die Kaution zuzugreifen. Dies haben die Klägerinnen letztlich auch getan, in dem sie eine Abrechnung erteilt haben und hierin mit ihrer bezifferten Gegenforderung in Höhe von 1059,10 Euro aufgerechnet haben. Die unbewiesene Behauptung, wonach der Kautionsbetrag separat angelegt sei, ändert vor dem Hintergrund des Abrechnungsschreibens daran nichts. Ebenso wenig der Widerspruch der Beklagten gegen die Abrechnung, denn insoweit ist der Mieter auf einen Rückforderungsprozess verwiesen. Auch aus der Entscheidung des BGH, zitiert in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerinnen vom 12.2.2024 folgt letztlich nichts anderes. Der BGH führt darin aus, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch mit Zugang des Abrechnungsschreibens beim Mieter fällig wird, da der Vermieter sich nunmehr mit seinen bezifferten Ansprüchen aus der Kaution befriedigen kann. Dies gilt nach den Ausführungen des BGH ausdrücklich auch für bestrittene Forderungen.

Der Mieter ist – auch nach Ansicht des BGH – vielmehr auf den Rückforderungsprozess zu verweisen. Auch soweit die Klägerin meinen, mit der Kautionsabrechnung keine Aufrechnung erklärt zu haben, hilft dies letztlich nicht weiter, denn die Aufrechnungsmöglichkeit und damit ein einfacher Weg zur Realisierung der Forderung besteht. Allein dies lässt das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.

Die Zahlungsklage ist aber auch unbegründet, da die Klägerinnen den Betrag bereits vereinnahmt haben.

Es liegt auf der Hand, dass der Vermieter nicht Zahlung des Schadensersatzbetrages verlangen kann, wenn er den gleichen Betrag bereits einbehalten hat.

Die Klage ist aber auch im Hilfsantrag unzulässig. Für die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts gibt es kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Klägerinnen im Rahmen der Abrechnung mit ihren Ansprüchen aufgerechnet und den Betrag einbehalten haben. Die Frage des Behaltendürfens ist letztlich im Rahmen der Widerklage zu klären, wobei die dort erhobene Leistungsklage vorrangig ist und der Feststellungsklage das Feststellungsinteresse nimmt.

2) Die Widerklage ist teilweise begründet.

Die Beklagten haben gegen die Klägerinnen einen Anspruch auf Zahlung von 706,07 Euro aus §§ 812, 551 BGB.

Die Beklagten haben Anspruch auf Auszahlung eines weiteren Kautionsbetrages in Höhe von, denn die seitens der Klägerinnen im Rahmen der Kautionsabrechnung erklärte Aufrechnung mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch greift nur teilweise durch und hat den Kautionsrückzahlungsanspruch daher nur teilweise gemäß § 389 BGB zum Erlöschen gebracht.

Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB im Hinblick auf die beschädigten Rahmen der Holzfenster.

Unstreitig haben die Beklagten die Fensterrahmen angebohrt, um Innenrollos bzw. Plissees anzubringen.

Das Anbohren stellt eine Substanzverletzung dar. Dies überschreitet nach Auffassung des Gerichts auch den vertragsgemäßen Gebrauch gemäß § 538 BGB, denn das Anbohren von Holzfenstern führt nicht lediglich zu einem leicht verfüllbaren Loch, sondern wie auch aus den Fotos ersichtlich zu weitergehenden Abplatzungen der Farbe und Absplitterungen des Holzes. Die zur Behebung erforderlichen Arbeiten und Kosten haben die Klägerinnen dabei durch das Angebot vom 6.4.2023 und die zugehörige Rechnung hinreichend nachgewiesen. Die Geltendmachung des gesamten Betrages ist jedoch durch die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung anlässlich der Rückgabe der Räumlichkeiten zumindest teilweise ausgeschlossen. Hier haben die Parteien einen Betrag von maximal 2000 Euro für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen, die im Hinblick auf die Dauer des Mietverhältnisses unzweifelhaft fällig waren, vereinbart. Ausweislich des Angebotes bestanden die Schadensbeseitigungsarbeiten aber überwiegend in Malerarbeiten, was klassische Schönheitsreparaturen sind. Soweit die Schadensbeseitigungsarbeiten daher durch Maßnahmen erfolgen, die begrifflich unter Schönheitsreparaturen fallen können diese entsprechend der Vereinbarung der Parteien nicht zusätzlich zu den bereits im Rahmen der Kautionsabrechnung berücksichtigten 2000 Euro für Malerarbeiten in Ansatz gebracht werden. Ein echter darüber hinausgehender Schaden sind lediglich die zusätzlich zu den Malerarbeiten erforderlich gewordenen Arbeitsgänge für das Anschleifen und Verschließen der Löcher. Das Gericht schätzt den hierfür erforderlichen Zusatzaufwand gemäß § 287 ZPO auf 1/3 der beanspruchten Kosten, d.h. 353,03 Euro. Maßgeblich hierfür war, dass unstreitig alle Fenster betroffen waren und insoweit jeweils zwei Löcher an den oberen und unteren Scheibenleisten vorhanden waren. Ferner war zu berücksichtigten, dass wegen der auf den Fotos erkennbaren Absplitterungen/Abplatzungen zwar nur ein kleiner Teil der Leisten zusätzlich zu bearbeiten war, der Arbeitsaufwand mit Schleifen und Verfüllen allerdings intensiver ist, als bei reinem Überstreichen.

Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ist es auch nicht erforderlich, zur Ermittlung des Betrages eine Beweisaufnahme durchzuführen, denn dies steht gem. § 287 ZPO im Ermessen des Gerichts. Im Übrigen beruht die Anspruchskürzung letztlich auch auf rechtlichen Erwägungen, die ohnehin durch das Gericht zu entscheiden sind.

Der Anspruch ist auch nicht durch die weitere Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach nur größere Schäden und Mängel gesondert zu ersetzen sind, ausgeschlossen.

Die Bewertung eines Schadens kann dabei zum einen sich auf den erforderlichen Beseitigungsaufwand beziehen, sich zum anderen aber auch aus dem Ausmaß/Umfang ergeben. Letzteres ist nach Auffassung des Gerichts bereits deshalb anzunehmen, weil ausnahmslos alle Fenster sowie die Balkontür beschädigt waren.

Soweit die Klägerinnen noch zusätzliche Arbeiten in Eigenleistung wegen verschimmelt dicht Gummi [sic!] eingewandt haben, haben sie keinen bezifferten Gegenanspruch zur Aufrechnung gestellt. Dies konnte folglich nicht berücksichtigt werden. Soweit die Klägerinnen im nicht nachgelassenen Schriftsatz noch auf eine ausstehende Nebenkostenabrechnung 2023 verweisen, haben Sie dies im Rahmen ihrer Kautionsabrechnung selbst nicht berücksichtigt und damit zu erkennen gegeben, dass sie mit Nachzahlungsansprüchen nicht rechnen. Dementsprechend kann auch dies keinen weiteren Einbehalt mehr rechtfertigen.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Beklagten haben ferner einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von gemäß §§ 280,286 Abs. 1 BGB.

Aufgrund der Mahnung des Beklagten zu 2) befanden sich die Klägerinnen mit der Auszahlung des weiteren Kautionsbetrages in Verzug und haben den Beklagten die aus dem Verzug resultierenden Schäden, wozu auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zählen, zu ersetzen. Diese belaufen sich unter Berücksichtigung des als begründet erkannten Betrages auf 107,58 Euro (0,8 x 88 Euro + 20 Euro + MwSt).

Der Zinsanspruch insoweit beruht auf den §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 Abs. 1,708 Nummer 11, 711 ZPO.

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