AG München – Az.: 1537 M 31562/21 – Beschluss vom 09.02.2021
1. Der Antrag der Schuldner vom 21.01.2021, gerichtet auf die Gewährung von Räumungsschutz nach § 765a ZPO betreffend die durch das Gericht … zu … für den 11.02.2021 angekündigte Räumung, wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Schuldner.
3. Der Gegenstandswert wird auf 13.388,16 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Räumung findet aufgrund des Endurteils des Landgerichts München I vom 21.12.2020 (Aktenzeichen …) statt. Gegenstand der Räumung ist ausschließlich Gewerberaum. Im Endurteil des Landgerichts wird den Räumungsschuldnern keine Räumungsfrist eingeräumt.
Der gestellte Antrag ist fristgerecht, jedoch unbegründet.
Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstellen. Die Anwendung des § 765a ZPO setzt aber voraus, dass die Vollstreckungsmaßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubigerpartei wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren wäre. § 765a ZPO ist eine absolute Ausnahmevorschrift und als solche trotz des scheinbaren Ermessensspielraums des Gerichts eng auszulegen. Für die Anwendung genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte. Mit Härten, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, müssen sich die Schuldner grundsätzlich abfinden.
Im Rahmen des § 765a ZPO ist das Schutzbedürfnis der Gläubigerpartei, die aufgrund ihres Titels ein erhebliches Vollstreckungsinteresse hat, in vollem Umfang zu würdigen. Demgegenüber dürfen die Schwierigkeiten und geschäftlichen Nöte der Schuldner nicht einseitig berücksichtigt werden.
Im Wesentlichen wird der Räumungsschutzantrag mit zu wenig Zeit begründet, um die Räumung selbst vorzunehmen. Das Endurteil des Landgerichts München I weist unter Ziffer 4) eine Sicherheitsleistung aus, welche nach Rücksprache mit der zuständigen Gerichts … erbracht ist. Eine Räumungsschutzfrist wurde vom Landgericht München I nicht gewährt.
Zwischen dem Erlass des erstinstanzlichen Räumungstitels am 28.08.2018 und dem nun anberaumten Termin liegt ein erheblicher Zeitraum. Das Gericht geht davon aus, dass die Schuldner längst Ersatzgewerberaum gefunden hätten, hätten sie den zu erwartenden guten Willen und die gebotene Energie für die entsprechende Suche aufgewendet. Die Schuldner mussten spätestens mit Zugang der ersten Kündigung damit rechnen, die Gewerberäume in absehbarer Zeit nicht mehr nutzen zu können. Der Gläubigerpartei kann die Möglichkeit der Durchsetzung ihres titulierten Räumungsanspruches nicht länger verwehrt werden; der Antrag der Schuldner war daher zurückzuweisen.
Auch das Alter und der altersbedingte Gesundheitszustand der Räumungsschuldner zu 1) und 2) ist nicht geeignet Räumungsschutz für Gewerberaum gemäß § 765 a ZPO zu begründen. Es fehlen Diagnosen in beiden Attesten, Formulierungen wie „aufgrund internistischer Diagnosen“ und „ihrer Vorerkrankungen“ sind als Begründung völlig ungeeignet. Zumal es sich nicht um Wohnsondern um Gewerberaum handelt.
Ebenso kann die Corona-Pandemie die Gewährung von Räumungsschutz nicht begründen. Weder gibt es eine Allgemeinverfügung, wonach es den Gerichtsvollziehern untersagt ist, Zwangsräumungen durchzuführen, noch stellt die Zwangsräumung einer Gewerbeeinheit
Die Gläubigerseite wurde gehört. Sie beantragt die Zurückweisung des Räumungsschutzantrags.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 788 ZPO.
Der Gegenstandswert bestimmt sich in Räumungsschutzsachen regelmäßig nach der Nettomiete, die für die Zeit, für die Räumungsschutz beantragt wurde, fällig wird, § 41 Abs. 2, Abs. 1 GKG. Vorliegend wurde Räumungsaufschub für unbestimmte Zeit beantragt, so dass der Jahreswert der Miete den Streitwert bildet, welcher aus dem Endurteil des Landgerichts übernommen wurde.