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Eigenbedarfskündigung bei nur ausnahmsweiser Nutzung als Zweitwohnung

Eigenbedarfskündigung: Gericht zweifelt an Ernsthaftigkeit der Nutzung

In einer aktuellen Gerichtsentscheidung ging es um eine Eigenbedarfskündigung einer Einzimmerwohnung. Die Klägerin wollte die Wohnung für ihre Gesellschafterin als Zweitwohnung nutzen, um den Arbeitsweg zu verkürzen. Das Amtsgericht hat die Kündigung als unwirksam angesehen, da es an einer hinreichenden Begründung mangelte.

Direkt zum Urteil: Az.: 64 S 340/21 springen.

Der Fall im Detail

In dem Fall mietete der Beklagte seit dem 1. September 2019 eine Einzimmerwohnung. Die Klägerin erhob Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung wegen Eigenbedarfs. Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil es die Eigenbedarfskündigung als unwirksam erachtete. Die Klägerin legte Berufung ein.

Probleme bei der Begründung der Kündigung

Obwohl der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass das Interesse an der Einrichtung einer Zweitwohnung als Eigenbedarf gelten kann, fehlte es der Kündigung an einer ausreichenden Begründung. Die Klägerin konnte nicht eindeutig darlegen, warum das Mietverhältnis beendet werden sollte.

Entscheidung des Gerichts

Das Berufungsgericht hielt die Kündigung zwar für hinreichend begründet, konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass der behauptete Eigenbedarf, nämlich das ernsthafte Vorhaben der Gesellschafterin, in die Wohnung einzuziehen und dort regelmäßig zu übernachten, tatsächlich vorliegt. Die Klage wurde daher abgewiesen.

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Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 64 S 340/21 – Urteil vom 22.06.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. November 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 237 C 162/21 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für die Berufungsinstanz auf 6.660,00 Euro (12 x 555,00 Euro, Jahresnettokaltmiete) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Eigenbedarfs auf Räumung und Herausgabe einer seit 1. September 2019 angemieteten Einzimmerwohnung in Anspruch; wegen der Einzelheiten sowie des Sach- und Streitstandes einschließlich der zur Entscheidung gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils verwiesen, welches der Klägerin am 23. November 2021 zugestellt worden ist.

Das Amtsgericht hat die Eigenbedarfskündigung für unwirksam gehalten und die Klage ohne vorherige Beweisaufnahme abgewiesen. Zwar sei ein Eigenbedarf der Klägerin für ihre Gesellschafter in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützt und habe der Bundesgerichtshof zum Geschäftszeichen VIII ZR 19/17 entschieden, dass als Eigenbedarf auch das Interesse an der Einrichtung einer Zweitwohnung in Betracht komme. Doch habe die Klägerin in den Kündigungsschreiben ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht hinreichend dargelegt; sämtlichen Kündigungen mangele es an einer hinreichenden Begründung im Sinne von § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der am 21. Dezember 2021 eingegangenen und am 12. Januar 2022 begründeten Berufung.

Sie macht geltend, sie habe den geltend gemachten Eigenbedarf in den Kündigungsschreiben so präzise beschrieben, dass er eindeutig bezeichnet sei und sich von anderen denkbaren Kündigungsgründen abhebe; Details, die nicht zu den Kerntatsachen gehörten, habe sie im Rahmen des Rechtsstreits ergänzen dürfen. Das Amtsgericht hätte daher den angebotenen Beweis erheben müssen. Ein Härtegrund zu Gunsten des Beklagten liege nicht vor, insbesondere habe der Beklagte nicht schlüssig dargetan, dass er sich erstens überhaupt und zweitens auch außerhalb des von ihm favorisierten Bezirks Charlottenburg ausreichend um die Anmietung einer anderen Wohnung bemüht hätte.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, die Wohnung … in … Berlin, Vorderhaus, …. OG Mitte, mit einer Wohnfläche von ca. 4• m², bestehend aus einem Zimmer nebst einer Küche, Toilette, Dusche, Bad und einem Balkon zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, dem Beklagten eine großzügig bemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 16. März 2022 gemäß § 526 ZPO auf den Einzelrichter übertragen und die Parteien darauf hingewiesen, dass die Klage mit der vom Amtsgericht gegebenen Begründung nicht zurückgewiesen werden könne, insbesondere die Kündigungserklärung vom 19. Juli 2021 nicht schon mangels ausreichenden Begründung unwirksam sei. Im Termin vom 11. Mai 2022 hat die Kammer die Gesellschafterin … der Klägerin persönlich angehört und ihren Ehemann zeugenschaftlich vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

2. Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kündigungserklärung vom 19. Juli 2021 stellt den nach Maßgabe des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend gemachten Eigenbedarf zwar aus den Gründen des Beschlusses vom 16. März 2022 im Sinne des § 573 Abs. 3 BGB hinreichend dar. Die Kammer hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme aber nicht mit einer für die Räumungsverurteilung des Beklagten hinreichenden Sicherheit davon überzeugen können, dass der behauptete Eigenbedarf, nämlich das ernsthafte Vorhaben der Gesellschafterin … der Klägerin, in die Wohnung einzuziehen und dort regelmäßig zu übernachten, tatsächlich vorliegt. Die verbleibenden Zweifel der Kammer wirken sich zu Lasten der Klägerin aus; diese ist nach Ausschöpfung der von ihr benannten Beweismittel für den von dem Beklagten bestrittenen Eigenbedarf beweisfällig geblieben, sodass die Klage abzuweisen ist.

Nach der persönlichen Anhörung der Gesellschafterin … steht zunächst jedenfalls fest, dass diese die Wohnung nicht annähernd in dem Umfang nutzen will, wie die Klägerin dies in den Kündigungsschreiben und im Rahmen des Rechtsstreits darstellen ließ. So heißt es im Kündigungsschreiben vom 11. Juni 2021, Frau … werde wegen ihrer Vollzeittätigkeit in Berlin zukünftig „unter der Woche in Berlin bleiben“ und „die Wohnung als Schlafmöglichkeit unter der Woche“ nutzen; dies wäre auf eine werktägliche Inanspruchnahme der Wohnung hinausgelaufen. Auch in der Klageschrift und der mit ihr verbundenen weiteren Kündigungserklärung ist von einer täglichen Anwesenheit der Bedarfsperson in Berlin während der üblichen Arbeitszeiten die Rede; die Wohnung werde zum Übernachten benötigt, damit Frau … nicht mehr pendeln müsse. Obgleich auf der Hand liegt und sowohl das Amtsgericht als auch die Kammer im Beschluss vom 16. März 2022 darauf hingewiesen haben, dass es für die Beurteilung des Eigenbedarfs entscheidend darauf ankommt, in welchem Umfang die Bedarfsperson die als Zweitwohnung benötigte Wohnung zu nutzen beabsichtigt, ist die Klägerin auch nachfolgend nicht davon abgewichen, dass ihre Gesellschafterin die Wohnung zukünftig werktäglich zum Übernachten benutzen wolle. Dem gegenüber hat Frau … im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben, sie wolle lediglich an zwei oder drei Tagen je Woche in Berlin bleiben und die Wohnung zum Übernachten nutzen; noch mehr Auswärtsübernachtungen könne sie ihrer Familie nicht zumuten.

Lässt diese Einschränkung des beabsichtigten Nutzungsumfangs einen Eigenbedarf der Gesellschafterin … der Klägerin auf den ersten Blick überhaupt erst plausibel erscheinen, so nähren die Tatsache der Fehldarstellung des Umfangs der Eigennutzungsabsicht in Kündigungsbegründung sowie Klagevorbringen ebenso Zweifel an Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Eigennutzungspläne wie auf den zweiten Blick festzustellende Diskrepanzen zwischen abstrakt dargestellter Motivation für eine Eigennutzung und konkret geschilderten Arbeitsbedingungen. So wirkt es auf der einen Seite ohne weiteres schlüssig, nachvollziehbar und verständlich, wenn Frau … unter Hinweis auf lange Arbeitstage und abendliche Termine schildert, sie sei teils erst „sehr spät zu Hause“ gewesen und wolle zukünftig zwei- bis dreimal pro Woche in der Berliner Wohnung übernachten, „um nicht nachts nach Hause fahren zu müssen“. Diese Darstellung hat mit ähnlichen Worten auch der als Zeuge gehörte Ehemann der Bedarfsperson bestätigt. Die Kammer hat dem entsprechend auch keine Zweifel daran, dass die Gesellschafterin … der Klägerin seit Mitte 2021 wieder in Vollzeit arbeitet und gelegentlich so lange in Berlin im Einsatz war, dass sie erst spät abends oder Nachts nach Hause kam und lieber in Berlin übernachtet hätte.

Zweifel an der Häufigkeit solcher Termine und der Belastbarkeit der Angabe, die Wohnung solle zukünftig zweimal oder dreimal pro Woche zum Übernachten benutzt werden, ergeben sich aber an Hand konkret geschilderter Arbeits- und Uhrzeiten. So hat Frau … angegeben, sie plane an den drei „langen Tagen“ einer zukünftigen Arbeitswoche jeweils bis etwa 18:00 Uhr zu arbeiten und dann in Berlin zu bleiben und in der Wohnung zu übernachten. Ausgehend von einer Fahrzeit in der Größenordnung von bis zu 120 Minuten könnte sie mithin selbst an „langen Tagen“ regelmäßig sehr deutlich vor 21:00 Uhr das Familienheim erreichen und einen guten Teil des Abends mit ihrem Ehemann verbringen; auch das Ziel einer Vermeidung nächtlicher Fahrten gäbe keinen Anlass, in Berlin zu verbleiben. Ähnlich zwiespältig stellen sich die Angaben des Zeugen … dar, wonach seine Ehefrau „sehr viel“ arbeite und „erst sehr spät nach Hause“ komme, konkret aber selbst in „langen Wochen“ zwar „oft erst nach 21:00 Uhr“ – aber in aller Regel wohl vor 22:00 Uhr – und allenfalls nach einer WEG-Versammlung sogar erst gegen 22:00 Uhr nach Hause komme. Die Kammer vermag zwar nicht auszuschließen, dass die Gesellschafterin … der Klägerin und ihr Ehemann eine abendliche Heimkehr nach 20:00 Uhr schon als „sehr spät“ empfinden mögen und dass die Bedarfsperson dann lieber auf einen gemeinsamen Feierabend verzichten und in Berlin bleiben würde. Sie vermag sich davon aber auch nicht zu überzeugen. Sie nimmt der Gesellschafterin … der Klägerin zwar ohne weiteres ab, dass sie gelegentlich auf eine Heimfahrt verzichten und in Berlin in der Wohnung bleiben würde, wäre diese für sie verfügbar. Die Kammer bezweifelt aber, dass die Bedarfsperson regelmäßig und nicht nur vereinzelt von dieser Option Gebrauch machen würde.

Nun hat der BGH zwar entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal des „Benötigens“ bei einer Zweitwohnung nicht zeitlich ausgefüllt werden kann, indem etwa eine konkrete „Mindestnutzungsdauer“ der Zweitwohnung festgelegt oder vorausgesetzt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2017- VIIIZR19/17). Doch steht fest, dass der tatsächliche Eigennutzungswunsch jedenfalls nicht einmal annähernd der im Kündigungsschreiben dargestellten Nutzungsintensität der Zweitwohnung entspricht und verbleiben nach dem Vorgesagten Zweifel, ob die Gesellschafterin … der Klägerin die Wohnung tatsächlich „benötigt“, nämlich gleichwohl noch „ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 3) in Form einer beabsichtigten auch dem Umfang nach nachhaltigen Nutzung der Wohnung als Zweitwohnung vorliegen, die die angestrebte Beendung des Mietverhältnisses und die Inbesitznahme der Wohnung rechtfertigen können.

Soweit die Klägerin mit dem nachgelassenen Schriftsatz zu Vorkommnissen vorträgt, die sich erst nach der mündlichen Verhandlung ereignet haben sollen, können solche im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits gemäß § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Grundsätzliche, ihrer Bedeutung nach über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen sind nicht betroffen. Eine Revisionszulassung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47, 41 Abs. 2 GKG.

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