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Eigenbedarfskündigung nach gescheiterten Mieterhöhungsverhandlungen

Mieterhöhungsforderung führt zu Kündigung

Das Gericht wies die Klage einer Vermieterin auf Räumung einer Wohnung wegen Eigenbedarfs ab, da sie nicht überzeugend nachweisen konnte, dass der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich bestand. Der Verdacht lag nahe, dass die Kündigung eher ein Mittel war, um eine nicht durchsetzbare Mieterhöhung zu erreichen. Die Verhandlungen über eine Mieterhöhung, die auch nach der Kündigung fortgesetzt wurden, schwächten die Glaubwürdigkeit des behaupteten Eigenbedarfs.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:98 C 1780/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Das Gericht lehnte die Forderung der Vermieterin nach Räumung der Wohnung ab.
  2. Eigenbedarf nicht überzeugend: Die Vermieterin konnte ihren behaupteten Eigenbedarf für die Wohnung nicht glaubhaft beweisen.
  3. Verdacht auf Mieterhöhungsabsicht: Es bestand der Verdacht, dass die Kündigung eher dazu diente, eine Mieterhöhung durchzusetzen.
  4. Fortgesetzte Mietverhandlungen: Die Vermieterin führte auch nach Ausspruch der Kündigung weiterhin Verhandlungen über eine Mieterhöhung.
  5. Keine Notlage der Vermieterin: Das Gericht stellte fest, dass keine Notlage bei der Vermieterin vorlag, die einen dringenden Eigenbedarf rechtfertigen würde.
  6. Beweislast beim Vermieter: Es lag in der Verantwortung der Vermieterin, den Eigenbedarf nachzuweisen.
  7. Zweifel an der Glaubwürdigkeit: Die Umstände und das Verhalten der Vermieterin riefen Zweifel an der Echtheit ihres Eigenbedarfs hervor.
  8. Kostenentscheidung: Die Vermieterin wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.

Eigenbedarfskündigung: Ein juristischer Blickpunkt

Die Frage der Eigenbedarfskündigung stellt einen zentralen Aspekt im Mietrecht dar. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form der Kündigung eines Mietvertrages, die dann zum Tragen kommt, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst oder nahe Angehörige benötigt. Dieses Thema ist nicht nur für Mieter und Vermieter von hoher Relevanz, sondern auch ein häufiger Diskussionspunkt in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Die Herausforderung besteht darin, die Interessen beider Parteien gerecht zu wägen: einerseits das Bedürfnis des Vermieters nach persönlicher Nutzung des Eigentums und andererseits den Schutz des Mieters vor willkürlicher Kündigung.

Im Kontext der Eigenbedarfskündigung spielen oft auch Mieterhöhungsverhandlungen eine Rolle. Diese können, wie im anstehenden Fall, zu juristischen Streitigkeiten führen, die letztlich vor Gericht enden. Die Spannung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Vermieters und den Wohnrechten des Mieters bildet den Kern dieses juristischen Diskurses. Der nachfolgend dargestellte Fall bietet einen tiefen Einblick in diese Problematik und zeigt auf, wie Gerichte mit der Komplexität und Sensibilität von Eigenbedarfskündigungen umgehen. Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Details eines solchen Falles werfen, der zeigt, wie rechtliche Argumente und Beweislasten in der Praxis gehandhabt werden.

Der Streit um Eigenbedarfskündigung und Mieterhöhung

Im Jahr 2004 zogen die Klägerin und die Beklagte gemeinsam in eine etwa 72 qm große Wohnung in Münster, die im Eigentum der Klägerin steht. Eine gemeinsame Lebensphase der beiden Parteien endete 2012, als sich die Klägerin räumlich trennte und in eine andere Wohnung desselben Hauses zog. Ein schriftlicher Mietvertrag für die ursprüngliche Wohnung wurde 2016 abgeschlossen, mit einer monatlichen Miete von 500 Euro, inklusive eines Betriebskostenvorschusses. Ab 2020 lebte die Klägerin zusätzlich in Stuttgart und forderte ab November 2021 wiederholt eine Mieterhöhung für die Münsteraner Wohnung. Trotz Verhandlungen und gegenseitigen Angeboten konnte keine Einigung erzielt werden.

Kündigung wegen Eigenbedarfs: Die Hintergründe

Ende Januar 2022 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31. Juli 2022 aufgrund von Eigenbedarf. Sie begründete dies mit dem Wunsch, die Wohnung während eines Aufbaustudiums als Zweitwohnsitz zu nutzen und auch später, vor allem wegen ihrer pflegebedürftigen Mutter in Münster, weiterhin zu bewohnen. Die Beklagte wies jedoch diesen Eigenbedarf zurück und argumentierte, dass es der Klägerin primär um eine Durchsetzung der Mieterhöhung gehe.

Die juristische Auseinandersetzung und ihre Komplexität

Die Klägerin musste ihren Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB beweisen, was sie nicht überzeugend gelang. Ihre Argumente, die Wohnung sei kleiner und nicht im Dachgeschoss, reichten nicht aus, insbesondere da sie bereits in Münster wohnte. Die fortgesetzten Verhandlungen über eine Mieterhöhung nach der Kündigung untergruben zusätzlich die Glaubwürdigkeit ihres Eigenbedarfs. Das Gericht sah hierin den Verdacht, dass die Kündigung lediglich ein Mittel zur Durchsetzung einer höheren Miete war.

Urteil des Amtsgerichts Münster und dessen Folgen

Das Gericht entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung hat, da das Mietverhältnis nicht durch einen berechtigten Kündigungsgrund beendet wurde. Es wurde festgestellt, dass ein ernsthafter Entschluss zur Eigennutzung der Wohnung durch die Klägerin nicht bestand. Dementsprechend wurde die Klage abgewiesen und die Klägerin musste die Kosten des Rechtsstreits tragen. Dieses Urteil beleuchtet die Bedeutung einer gründlichen Prüfung von Eigenbedarfskündigungen und setzt damit Maßstäbe für ähnliche Fälle in der Zukunft.

Das detaillierte Urteil des Amtsgerichts Münster liefert wichtige Einsichten in die rechtlichen Feinheiten von Mietverhältnissen und unterstreicht die Notwendigkeit, bei Eigenbedarfskündigungen sowohl die Rechte des Mieters als auch die legitimen Interessen des Vermieters zu berücksichtigen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Welche Voraussetzungen müssen für eine rechtmäßige Eigenbedarfskündigung erfüllt sein?

Eine rechtmäßige Eigenbedarfskündigung in Deutschland erfordert die Erfüllung mehrerer Voraussetzungen.

Zunächst muss der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben. Dieses Interesse besteht, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst, für Familienangehörige oder für Haushaltsmitglieder benötigt. Zu den Familienangehörigen zählen nahe Verwandte wie Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel und Geschwister.

Der Vermieter muss den Eigenbedarf ausführlich und nachvollziehbar begründen können. Er muss belegen, wer die Wohnung künftig nutzen soll und warum er genau diese Wohnung und zu diesem Zeitpunkt benötigt. Eine ungenaue oder fehlende Begründung kann die Kündigung unwirksam machen.

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und darf nicht per E-Mail oder Fax versandt werden.

Es gibt auch bestimmte Fristen und Sperrfristen, die beachtet werden müssen. Wenn eine vermietete Eigentumswohnung gekauft wird, muss der neue Eigentümer aufgrund einer Kündigungssperrfrist mindestens drei Jahre warten, bevor er eine Eigenbedarfskündigung einreichen kann. Diese Sperrfrist kann je nach Bundesland sogar bis zu zehn Jahre betragen.

Es gibt auch bestimmte Ausnahmen und Einschränkungen. So kann eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein, wenn vor Ausspruch der Kündigung eine vergleichbare Wohnung frei geworden ist und zu diesem Zeitpunkt bereits der endgültige Nutzungswunsch gefasst wurde. Außerdem kann eine Eigenbedarfskündigung für einen bestimmten Zeitraum oder grundsätzlich im Mietvertrag ausgeschlossen werden.

Bitte beachten Sie, dass dies eine allgemeine Erklärung ist und spezifische Fälle von den genannten Bedingungen abweichen können. Bei rechtlichen Fragen oder Unsicherheiten sollten Sie immer einen Rechtsberater konsultieren.

Inwiefern beeinflussen Mieterhöhungsverhandlungen die Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung?

Mieterhöhungsverhandlungen können die Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung insofern beeinflussen, als dass sie den Verdacht eines vorgeschobenen Eigenbedarfs begründen können. Wenn ein Vermieter nach einem gescheiterten Versuch, die Miete zu erhöhen, dem Mieter wegen Eigenbedarfs kündigt, könnten Gerichte dies als Indiz dafür werten, dass der Eigenbedarf nicht der wahre Kündigungsgrund ist. In solchen Fällen werden besonders strenge Anforderungen an den Nachweis des Eigenbedarfs durch den Vermieter gestellt.

Gerichte könnten verlangen, dass der Vermieter detailliert darlegt, dass der Eigenbedarf erst nach dem Versuch der Mieterhöhung entstanden ist. Gelingt es dem Vermieter nicht, dies überzeugend zu begründen, könnte die Eigenbedarfskündigung vor Gericht scheitern. Ein älteres Urteil des Landgerichts Limburg legt nahe, dass eine Kündigung innerhalb eines Jahres nach einer erfolglosen Mieterhöhung den Verdacht einer vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung nahelegt. Obwohl sich die Rechtsprechung seitdem tendenziell vermieterfreundlich entwickelt hat, bleibt der zeitliche Zusammenhang zwischen einer gescheiterten Mieterhöhung und einer Eigenbedarfskündigung ein relevanter Faktor für die Beurteilung der Kündigung.

Das Amtsgericht Münster hat in einem Urteil festgestellt, dass eine Eigenbedarfskündigung nicht als Druckmittel zur Durchsetzung einer Mieterhöhung dienen darf. Wird eine solche Absicht des Vermieters vermutet, kann die Kündigung als unwirksam angesehen werden.

Demnach ist es für Vermieter ratsam, bei einer Eigenbedarfskündigung nach einer gescheiterten Mieterhöhung besonders sorgfältig vorzugehen und den Eigenbedarf umfassend und nachvollziehbar zu begründen, um den Verdacht eines vorgeschobenen Eigenbedarfs zu entkräften.


Das vorliegende Urteil

AG Münster – Az.: 98 C 1780/22 – Urteil vom 28.11.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 4.200,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs auf die Räumung einer vermieteten Wohnung in Anspruch.

Die Parteien bezogen im Jahr 2004 (zunächst gemeinsam mit einer dritten Person) eine etwa 72 qm große Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses M-straße … in Münster, das im Eigentum der Klägerin steht. Zu diesem Zeitpunkt führten die Parteien eine Beziehung. Im Jahr 2012 trennten sich die Parteien. Die Klägerin zog aus und bezog eine im Dachgeschoss des Hauses gelegene Wohnung mit etwa 97 qm. Am 01.06.2016 schlossen die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über die Wohnung und vereinbarten eine monatliche Miete von 500,00 EUR. Darin ist ein Betriebskostenvorschuss in Höhe von 350,00 EUR enthalten, wobei zwischen den Parteien jedoch im Streit ist, in welchem Umfang Betriebskosten umzulegen sind. Seit 2020 bis zumindest 2022 unterhielt die Klägerin einen weiteren Wohnsitz in Stuttgart. Seit November 2021 forderte die Klägerin die Beklagte wiederholt auf, einer Erhöhung der Miete für die Wohnung zuzustimmen. Mit Email vom 27.01.2022 (Bl. 43 GA) unterbreitete der die Beklagte vertretende Mieterverein der Klägerin ein entsprechendes Angebot. Die Klägerin übersandte der Beklagten am 31.01.2022 ein Schreiben, in dem sie das Mietverhältnis zum 31.07.2022 kündigte. Die Kündigung begründete sie mit Eigenbedarf, da sie die Wohnung während eines Aufbaustudiums an der W… Münster als Zweitwohnsitz nutzen wolle. Auch nach der Kündigungserklärung setzten die Parteien ihre Verhandlungen über eine Mieterhöhung fort, ohne dass es jedoch zu einer Einigung kam.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Räumung der Wohnung. Sie behauptet, dass sie Wohnung in Zukunft selbst nutzen wolle. Sie habe ihren Erstwohnsitz in Stuttgart, das solle auch so bleiben. Bei der Wohnung im Dachgeschoss handele es sich lediglich um ihren Zweitwohnsitz. Hierfür sei die Dachgeschosswohnung jedoch zu groß, weshalb sie in die kleinere Wohnung im ersten Obergeschoss ziehen wolle. Sie wolle die Wohnung auch nach Beendigung des Aufbaustudienganges weiter nutzen, insbesondere weil ihre pflegebedürftige Mutter in Münster wohne.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Haus M.-straße… in … Münster, 1. OG links, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 Balkon und 1 Keller, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet einen Eigenbedarf der Klägerin. Der Klägerin sei es bei der Kündigung vielmehr allein darum gegangen, eine Mieterhöhung durchzusetzen. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz in Stuttgart zwischenzeitlich auch aufgegeben und wohne nun ausschließlich in Münster.

Das Gericht hat die Klägerin zu ihrem behaupteten Eigenbedarf angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2022 (Bl. 68 ff. GA) Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Räumung der Wohnung gegen die Beklagte. Insbesondere besteht kein Anspruch aus § 546 BGB, da das Mietverhältnis nicht beendet ist. Das Kündigungsschreiben vom 31.01.2022 hat das Mietverhältnis nicht beendet, da kein Kündigungsgrund bestand:

a.

Die Klägerin konnte das Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 1 BGB nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses kündigen. Ein solches berechtigtes Interesse liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dann vor, wenn der Vermieter die Wohnung selbst benötigt. Einen solchen Eigenbedarf hat die Klägerin mit der behaupteten Absicht, die an die Beklagte vermiete Wohnung in Zukunft als münsteraner Zweitwohnsitz zu nutzen, schlüssig dargelegt.

Dabei ist es zunächst unbeachtlich, ob die Klägerin die Wohnung der Beklagten als Erst- oder Zweitwohnsitz nutzen möchte. Ein Eigenbedarf setzt nicht voraus, dass der Vermieter in der Wohnung zukünftig seinen Lebensmittelpunkt begründen will. Auch die gelegentliche Nutzung einer Wohnung kann – zumindest wenn diese gelegentliche Nutzung auf unbestimmte Zeit angelegt ist – einen Eigenbedarf begründen (vgl. hierzu Milger, NZM 2014, S. 769 ff. mit weiteren Nachweisen).

Auch ist es unbeachtlich, dass die Kläger derzeit bereits über eine Wohnung in Münster verfügt, so dass ihr Wohnbedarf gedeckt ist. Das Tatbestandsmerkmal als Wohnung benötigt“ setzt nicht voraus, dass auf Seiten des Vermieters eine Art „Notsituation“ vorliegt, dem Vermieter also quasi die Situation droht, selbst „auf der Straße zu liegen“ oder zumindest derzeit unzureichend untergebracht zu sein (vgl. Milger, a.a.O.). Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Vermieter „vernünftige, nachvollziehbare Gründe“ für seinen Wunsch hat, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988, Az. VIII ARZ 4/87). Solche nachvollziehbaren Gründe für ihren Nutzungswunsch hat die Klägerin vorgetragen: Die an die Beklagte vermietete Wohnung ist kleiner als die von ihr derzeit innegehaltene Wohnung, zudem liegt sie nicht im Dachgeschoss.

b.

Da die Beklagte den von der Klägerin behaupteten Eigenbedarf jedoch bestritten hat, musste diese ihn beweisen. Hierzu ist es nicht ausreichend, dass ein Vermieter die „vernünftigen, nachvollziehbaren Gründe“ lediglich vorträgt. Er muss das Vorliegen seines Eigennutzungswunsches und der angegebenen Gründe vielmehr unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der mündlichen Verhandlung – einschließlich der Anhörung der Parteien – beweisen. Maßgeblich ist dabei das Beweismaß des § 286 ZPO: Vernünftigen Zweifeln an den Angaben des Vermieters muss Einhalt geboten sein.

c.

Diesen Beweis hat die Klägerin hier nicht erbringen können:

Das Gericht konnte zur Ermittlung des Eigennutzungswunsches der Klägerin fast ausschließlich ihre Angaben in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung heranziehen. Außerhalb ihren Angaben liegende Umstände, die den Eigennutzungswunsch belegen, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat zwar eine Studienbescheinigung vorgelegt, die ihre Anmeldung zu einem Aufbaustudiengang in Münster belegt. Dies hat jedoch in Anbetracht des Umstandes, dass sie bereits einen Wohnsitz in Münster unterhält, keine wirkliche Aussagekraft.

Die Angaben der Klägerin in Anhörung konnten Zweifel an ihrem Eigennutzungswunsch nicht vollständig ausräumen. Diese Zweifel werden insbesondere dadurch begründet, dass zwischen den Parteien bereits vor der Kündigung Streit um die Höhe der Miete und die darin enthaltenen Betriebskosten bestanden haben. Die Klägerin hat selbst angegeben, dass sie die zu einem Zeitpunkt, als sie sich mit der Beklagten noch freundschaftlich verbunden fühlte, vereinbarte Miete inzwischen als unwirtschaftlich und ungerecht erachtet. Hier liegt der Verdacht nahe, dass eine ansonsten nicht durchsetzbare Mieterhöhung und Vereinbarung einer weitergehenden Umlage von Betriebskosten über das Druckmittel einer Eigenbedarfskündigung erreicht werden soll.

Hierbei soll nicht verkannt werden, dass entsprechende Streitigkeiten mit einem Mieter den Vermieter im Einzelfall dazu bewegen können, einen tatsächlich vorhandenen Eigenbedarf auch umzusetzen oder sich bei der Auswahl unter verschiedenen Mietern gegen den unbequemen streitbaren Mieter zu entscheiden. Ebenso mag es gerade einen der „vernünftigen, nachvollziehbaren Gründe“ darstellen, dass der gekündigte Mieter nur eine geringe Miete zahlen musste, so dass die Nutzung gerade dieser Wohnung für den Vermieter wirtschaftlich attraktiv ist. Voraussetzung einer wirksamen Eigenbedarfskündigung ist jedoch auch in diesen Fällen, dass die Überlegungen des Vermieters zu dem feststehenden Entschluss geführt haben, dass Mietverhältnis zu beenden und die Wohnung in Zukunft selbst zu nutzen. Besteht dieser Nutzungswunsch hingegen nur für den Fall, dass mit dem Mieter keine Einigung erzielt werden kann, stellt dies gerade keinen ernsthaften Eigennutzungswunsch dar (vgl. zu einer nur vage verfolgten Nutzungsabsicht BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az. VIII ZR 297/14).

Hier liegt nahe, dass die Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Beklagten zu besseren Konditionen gerade nicht ausgeschlossen hat. Hierfür spricht insbesondere, dass sie die Verhandlungen über eine Erhöhung der Miete auch nach dem Ausspruch der Kündigung noch fortgesetzt hat (vgl. hier insbesondere die als Anlage 09 zur Klageerwiderung überreichte Textnachricht der Klägerin oder die als Anlage 11 überreichte email der Klägerin vom 06.04.2022). Die Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, diese Verhandlungen hätten sich lediglich auf den Zeitraum bis zur Beendigung des Mietverhältnisses bezogen; an der Kündigung habe sie hingegen festhalten wollen. Dies überzeugt nicht: Zunächst spricht bereits der Zeitablauf dagegen. Die Klägerin hatte die Kündigung zum 31.07.2022 erklärt. Weitere Verhandlungen im April 2022 hätten daher nur noch einzelne Monate betroffen. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, wieso sich die Beklagte auf eine solche Mieterhöhung ohne wirkliche Gegenleistung einlassen sollte. Insofern hat der die Beklagte vertretende Mieterverein in seine Angebote auch jeweils aufgenommen, dass die Klägerin auf eine zukünftige Kündigung wegen Eigenbedarf verzichtet und nach der erklärten Kündigung verlangt, dass diese zurückgenommen wird. Hierzu hat die Klägerin in ihrer email vom 06.04.2022 erklärt, dass sie auf das „Eigenbedarfsrecht“ nicht verzichten wolle, aber einen neuen Mietvertrag anbieten wolle. Dies kann nur so verstanden werden, dass sie das Mietverhältnis fortsetzen bzw. ein neues Mietverhältnis über die Wohnung zu begründen beabsichtigt, was einem ernsthaften Entschluss zur eigenen Nutzung der Wohnung entgegen steht.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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