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Eintrittsrecht bei Tod des Mieters – Ausschlussfrist

AG Hamburg-Wandsbek – Az.: 713 C 38/21 – Urteil vom 15.11.2021

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, die von ihr innegehaltene Wohnung in der […] Straße , Erdgeschoss rechts, […] Hamburg, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Duschbad, Flur, Terrasse, Wohnung Nummer […], zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von […] € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen wird der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin schloss mit dem verstorbenen Mieter K. F. (im folgenden: Mieter) am 7. September 2010 einen Nutzungsvertrag über die Überlassung einer Genossenschaftswohnung zum Gebrauch. Am selben Tag schloss sie mit ihm einen „Betreuungsvertrag für die betreute Altenwohnanlage“, welcher die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen und die Vereinbarung eines Betreuungszuschlags regelte. Wegen der Einzelheiten wird auf beide Verträge (Anlage K1) Bezug genommen.

Der Mieter verstarb am 5. März 2019 im Alter von 77 Jahren. Nach Kenntniserlangung ließ die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2020 die jetzt 49 Jahre alte Beklagte, welche mit dem Mieter durch Heirat im Jahre 2006 verbunden war, zur Räumung der Wohnung auffordern und sprach hilfsweise die außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist aus, welche sie im wesentlichen darauf stützte, die Beklagte erfülle in ihrer Person schon wegen ihres Alters unter 60 Jahren nicht die Voraussetzungen für die Nutzung einer Service-Wohnung für Senioren. Nachdem die Beklagte die Abschrift einer Urkunde des Nutzungsvertrages vorgelegt hatte, auf welcher sich ihre Unterschrift in dem für Ehegatten vorgesehenen Feld befindet, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 17. November 2020 die Klägerin die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Manipulation der Vertragsurkunde.

Die Klägerin macht geltend, es sei nicht nachgewiesen, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Todes des Mieters mit ihm noch verheiratet gewesen sei, zudem habe der Mieter immer wieder beteuert, die Beklagte sei in der Wohnung nur gemeldet, bis sie eine eigene Wohnung gefunden habe und lebe mit ihm überhaupt nicht in der Wohnung zusammen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die im Tenor benannte Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben und an die Klägerin […] € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, sie sei durch Unterzeichnung des Nutzungsvertrags Mitmieterin geworden. Die Ehe habe bis zum Tode des Mieters bestanden. Sie habe stets die Wohnung bewohnt.

Für die Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Das Gericht hat Urkundenbeweis hinsichtlich der von beiden Parteien eingereichten Urkunden des Mietvertrags erhoben. Für das Ergebnis wird auf das Sitzungsprotokoll vom 4. Oktober 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Hauptanspruch aus § 546 I BGB begründet.

Die Kündigung der Klägerin vom 2. Oktober 2020 ist gemäß § 563 IV BGB wirksam gewesen und hat das Mietverhältnis spätestens mit Ablauf des 31. Januar 2021 beendigt.

Selbst zugunsten der Beklagten unterstellt, sie sei gemäß § 563 I BGB in das Mietverhältnis eingetreten, sei also im Zeitpunkt des Todes des Mieters noch mit ihm verheiratet gewesen und habe einen gemeinsamen Haushalt in der streitbefangenen Wohnung mit ihm geführt, hat sie die Wohnung herauszugeben. Denn die Klägerin konnte das Mietverhältnis außerordentlich mit gesetzlicher Frist kündigen, weil in der Person der Beklagten ein wichtiger Grund vorlag.

Einen originären Anspruch auf Gebrauchsüberlassung aus Mietvertrag hat die Beklagte nicht, weil sie bei Abschluss des Mietvertrages nicht neben dem Mieter Franck zugleich auch Mieterin geworden ist. Im Rubrum des Nutzungsvertrags vom 7. September 2010 ist allein der Mieter Franck bezeichnet. Auf dem Mietvertragsexemplar der Klägerin findet sich auf Seite 13 unterhalb der Unterschrift des Mieters Franck als Mitglied auch nicht eine Unterschrift der Beklagten als Ehegatten in dem Feld, das für solches vorgesehen ist. Die Unterschrift auf dem Exemplar der Beklagten hat keinen Beweiswert, weil die Beklagte ihre Unterschrift auch nachträglich auf dem dem Mieter ausgehändigten Exemplar geleistet haben kann. Daher lässt die sich in ihren Händen befindliche Urkunde keinen hinreichend sicheren Rückschluss auf einen rechtsgeschäftlichen Willen der Klägerin zu, den Vertrag auch mit ihr zu schließen. Der Inhalt der Räumungsklage vom 20. Januar 2011 deutet in keine andere Richtung; dort ist die Beklagte nur als Mitnutzerin in Anspruch genommen worden, was gemäß § 750 I 1 ZPO Voraussetzung für eine auch gegen sie gerichtete Räumungsvollstreckung war.

Da die Beklagte hiernach allenfalls gemäß § 563 I BGB in das Mietverhältnis eingetreten sein kann, ist der Anwendungsbereich des § 563 IV BGB eröffnet. Die Kündigung scheitert auch nicht an der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist von einem Monat. Diese beginnt erst, nachdem der Vermieter Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die Voraussetzung des Eintrittsrechts sind. Dazu zählt nicht allein der Tod des Mieters, sondern auch der Bestand der Ehe und die Führung des gemeinsamen Haushalts im Todeszeitpunkt des Mieters (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 Rn. 73). In Anbetracht dessen, dass der Mieter selbst in Schreiben an die Klägerin beteuert hatte, er bewohne die Wohnung alleine, kann von einer sicheren Kenntnis der Klägerin von der Führung eines gemeinsamen Haushalts nicht vor Ausspruch der Kündigung ausgegangen werden. Zudem trägt die Beklagte selbst nicht substantiiert dazu vor, wann sie die Klägerin von dem Eintritt des Todes des Mieters unterrichtet haben will. Dass eine bei der Klägerin angestellte Seniorenbetreuerin bei der Trauerfeier in dem Objekt angewiesen sei, ist ohne Belang. Eine Wissenszurechnung hinsichtlich der Klägerin erfolgt zunächst über das Organwissen des Vorstandes, ferner über Wissen, das die für Abschluss und Kündigung von Verträgen zuständigen Angestellten der Klägerin Kenntnis erlangen. Hierfür ist nichts ersichtlich.

Der wichtige Grund, den § 563 IV BGB fordert, muss nicht die Stärke außerordentlicher Kündigungsgründe im Sinne der §§ 543, 569 BGB erreichen, anderenfalls wäre die Vorschrift des § 563 IV BGB ohne Anwendungsbereich. Es ist anerkannt, dass die Auslegung der Vorschrift sich an dem gesetzgeberischen Zweck zu orientieren hat, der verhindern will, dass dem Vermieter ein unzumutbarer Mieter aufgezwungen wird (Schmidt-Futterer/Streyl, § 563 Rn. 68).

Ein wichtiger Grund in diesem Sinne ist darin zu erblicken, dass die Beklagte als Ehegattin zwar in den Mietvertrag, nicht aber in den Betreuungsvertrag eintreten konnte. Nach § 1 des Betreuungsvertrags vom 7. September 2010 wird dieser in Verbindung mit dem Nutzungsvertrag geschlossen. Nach § 6 des Betreuungsvertrages kann dieser nur in Zusammenhang mit einer Aufhebung des Nutzungsvertrages gekündigt werden. Der Betreuungszuschlag für eine Person ist über die Verweisung in § 3 und § 16 Nr. 4 des Nutzungsvertrages in die Miete einbezogen. Das lässt die Richtigkeit des klägerischen Vortrags erkennen, dass es sich bei dieser Wohnung um eine solche innerhalb einer Servicewohnanlage für Senioren handelt. Die Klägerin kann in Anbetracht des Bedarfs an solchen Wohnungen in einer alternden Gesellschaft kein Interesse daran haben, Mietverträge mit deutlich jüngeren und nicht pflegebedürftigen Ehegatten verstorbener Nutzer fortzusetzen. Dies begründet umgekehrt zugleich ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages im Sinne von §§ 573 I, 573d I BGB.

Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin nicht. Vertragliche Ansprüche kommen nicht in Betracht, weil allein die Geltendmachung eines Eintrittsrechts keine Verletzung von Vertragspflichten oder vertragsähnlichen Pflichten darstellt. Die behaupteten Pflichtverletzungen, auf welche die später ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung gestützt worden, sind für die Begründung des Mandatsverhältnisses und den damit entstandenen Vergütungsanspruch nicht ursächlich geworden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 II Nr. 1, 708 Nr. 7 u. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert beträgt […] €.

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