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Einwand Wohnraummietvertrag begründet Zuständigkeit des Amtsgerichts

LG Berlin – Az.: 67 O 78/19 – Beschluss vom 13.02.2020

Das Landgericht Berlin erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin und nach Anhörung des Beklagten an das Amtsgericht Lichtenberg.

Gründe:

Die Kammer hatte den Rechtsstreit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO antragsgemäß an das Amtsgericht Lichtenberg zu verweisen, da dieses für die Entscheidung gemäß § 23 Nr. 2a GVG ausschließlich zuständig ist.

§ 23 Nr. 2a GVG begründet eine streitwertunabhängige und ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses. Die Parteien dieses Rechtsstreits streiten über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses.

Zwar hat die Klägerin nicht den Abschluss eines Wohn-, sondern den eines Gewerberaummietverhältnisses unter Vorlage einer mit „Mietvertrag über Gewerberäume“ geschlossenen Vertragsurkunde schlüssig behauptet und die Räumung des Vertragsobjektes verlangt. Das hätte eine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts jedoch nur dann gehindert, wenn sich der Beklagte auf die Klage nicht eingelassen oder den Abschluss eines Gewerberaummietverhältnisses nicht unter gleichzeitiger Behauptung eines Wohnraummietverhältnisses bestritten hätte. Spätestens aber mit der Klageerwiderung ist zwischen den Parteien ein Streit über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses entstanden, da der Beklagte hinreichend substantiiert und unter Beweisantritt eingewandt hat, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag der fehlerhaften Vertragsüberschrift zuwider aufgrund der von ihm behaupteten Begleitumstände tatsächlich um ein Wohnraummietverhältnis handeln würde („falsa demonstratio non nocet“).

Dieser Vortrag des Beklagten reichte für den Wegfall der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts und die Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts aus. § 23 Nr. 2a GVG stellt allein darauf ab, ob die Parteien über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses streiten, unabhängig davon, ob der Mieter den Bestand als (Feststellungs-)Kläger behauptet oder ihn wie hier als Beklagter einer Feststellungs- oder Leistungsklage gegen die vom Vermieter behaupteten Ansprüche einwendet. Der ausschließliche Gerichtsstand hängt nicht davon ab, wer zuerst klagt (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 29a Rz. 13 (zu § 29a ZPO)). Der damit nicht zu vereinbaren gegenteiligen Auffassung des VIII. Zivilsenates des BGH, der zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit ausschließlich auf die Schlüssigkeit des Klägervortrags abstellt (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 2014 – VIII ZR 376/13, NJW 2014, 2864, beckonline Tz. 23), folgt die Kammer deshalb nicht.

Die Frage einer womöglichen „Doppelrelevanz“ des Bestandes eines Wohnraummietverhältnisses für die Zulässigkeit und Begründetheit der von der Klägerin erhobenen Räumungsklage stellt sich für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit nicht, da § 23 Nr. 2a GVG für die ausschließliche sachliche Zuständigkeit nicht auf den tatsächlichen Bestand eines Wohnraummietverhältnisses abstellt, sondern den bloßen „Streit“ darüber genügen lässt, um eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts zu begründen. Das unterscheidet § 23 Nr. 2a GVG wesentlich von anderen Zuständigkeitsnormen, bei denen es – wie etwa bei § 32 ZPO – bereits nach deren gesetzlichem Tatbestand darauf ankommt, dass eine für die Begründetheit der Klage maßgebliche Tatsache auch für die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit gegeben sein muss, nicht hingegen, ob lediglich ein Streit der Parteien über ihr Vorliegen besteht. Allein dieser Umstand rechtfertigt es bei diesen von § 23 Nr. 2a GVG wesensverschiedenen Zuständigkeitsvorschriften, im Rahmen der Beurteilung der gerichtlichen Zuständigkeit ausschließlich auf den schlüssigen Klägervortrag abzustellen. Denn nur so kann bei streitigem Vortrag der Parteien zu „doppelrelevanten Tatsachen“ durch eine verfahrensrechtliche Vereinfachung eine beschleunigte und endgültige Erledigung des Rechtsstreits durch ein Sachurteil erreicht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873, beckonline Tz. 14 (zur Rechtswegzuständigkeit)). Dieses Bedürfnis indes besteht bei § 23 Nr. 2a GVG nicht, da der tatsächliche Bestand eines Wohnraummietverhältnis für die Anwendbarkeit der Vorschrift schon nicht relevant ist; damit kann sie auch nicht „doppelrelevant“ sein.

Eine im Ergebnis davon abweichende Beurteilung ist hier auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass es sich bei dem beklagten Mieter um einen Verein handelt. Zwar dient ein Mietvertrag, den der Vermieter ausschließlich mit einer juristischen Person als Mieter schließt, grundsätzlich gewerblichen Zwecken (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juli 2008 – VIII ZR 282/07, NJW 2008, 3361). Hier indes ist der Vertrag ausweislich des Vertragskopfes und der Unterschriftenzeile auch mit vier natürlichen Personen geschlossen. Jedenfalls in einer solchen Vertragslage kommt dem Umstand, dass es sich bei einem der Mieter um eine juristische Person handelt, keine wesentliche Bedeutung zu. Es handelt sich vielmehr um ein sog. Mischmietverhältnis, bei dem davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien eine rechtliche Einheit des Vertrages herbeiführen wollten. Deshalb stellt das streitgegenständliche Mietverhältnis entweder ein Wohn- oder ein Gewerberaummietverhältnis dar (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 2014 – VIII ZR 376/13, NJW 2014, 2864, beckonline Tz. 23). Welcher Vertragszweck bei Mischmietverhältnissen im Vordergrund steht und damit für die Einordnung des Vertrages das Maß gibt, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, a.a.O., beckonline Tz. 30 f.). Diese fiele unter Zugrundelegung des von der Klägerin bestrittenen Sachvortrags des Beklagten zu dessen Gunsten aus. Denn die von dem Beklagten behaupteten – und von der Klägerin in Abrede gestellten – Begleitumstände des Vertragsschlusses lassen den Schluss zu, dass für die Parteien des Mietvertrages die Wohnraumnutzung der Mietsache im Vordergrund stand. Dann aber handelte es sich bei dem streitgegenständlichen Mietverhältnis um ein solches über Wohnraum.

Ob die von dem Beklagten behaupteten Begleitumstände des Vertragsschlusses tatsächlich gegeben waren, ist jedoch keine Frage der gerichtlichen Zuständigkeit und damit der Zulässigkeit, sondern der vom Amtsgericht zu beurteilenden Begründetheit der Klage. Für die Zuständigkeit des Amtsgerichts reicht es gemäß § 23 Nr. 2a GVG aus, dass zwischen den Parteien Streit über die genannten Umstände besteht.

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