LG Berlin – Az.: 66 S 240/17 – Beschluss vom 08.01.2018
Es wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss der Kammer gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO beabsichtigt ist.
Gründe
1. Die Formalien hat die Kammer nach Maßgabe des § 522 Abs. 1 ZPO geprüft.
Das Rechtsmittel ist zulässig.
2. Die Berufung hat aber keine Aussicht auf Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe abgewiesen, weil es die von der Klägerin als Kündigungsgrund angeführte fortdauernd unpünktliche Mietzahlung nicht feststellen konnte. Zwar habe die Klägerin mit Schreiben vom 04.11.2016 eine Abmahnung ausgesprochen und sich zur Begründung auf die rückständige „Miete November 2016“ berufen, sowie auf frühere Mieten, die in der Zeit seit März 2016 fällig geworden und verspätet gezahlt worden seien. Die Klägerin habe aber die ab Oktober 2016 jeweils gegen Ende eines jeden Monats bei ihr eingegangenen Mieten vom Jobcenter wegen einer damit stillschweigend verbundenen Tilgungsbestimmung nicht auf die jeweils älteste Schuld verrechnen dürfen, und also auch nicht die jeweils zu Beginn des Folgemonats fällige werdende Schuld als offen ansehen dürfen. Die am 28.10.2016 eingegangene Zahlung habe nicht die Miete für Oktober 2016 getilgt, sondern für November. Entsprechend hätten Zahlungseingänge am 24.11., am 22.12., am 24.01.(2017), sowie am 21.02. jeweils vorfristig die Mietzinsforderung für den jeweils folgenden Monat getilgt, so dass eine fortgesetzt verspätete Zahlung nicht vorliege.
Die Einschätzung des Amtsgerichts trifft zu. Die Abweisung der Klage ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht zu beanstanden.
a) Die Berufungsbegründung führt aus, entgegen der Einschätzung des Amtsgericht habe die Klägerin auch früher (namentlich im Jahr 2015) keine „Tilgungsbestimmungen des Schuldners akzeptiert“. Richtig sei allein, dass die Zahlungen des Jobcenters auch 2015 bereits ohne Tilgungsbestimmung zum Monatsende eingegangen seien; die Klägerin habe diese Zahlungen auf die Mieten des folgenden Monats allein deshalb verrechnet, weil andere Forderungen jeweils nicht offen gewesen seien.
Unter Anführung der Fundstelle eines Standardkommentars (Palandt; Rz. 7 zu § 366 BGB) meint die Klägerin im Übrigen, für den Schuldner laufender Zahlungspflichten (wie zum Beispiel Miete) könne nicht ohne weiteres angenommen werden, dass mit einer Zahlung eine „künftig fällig werdende Miete“ bezahlt werden solle. Es gelte stattdessen § 366 BGB; in der Abfolge der Kriterien des Abs. 2 werde die älteste Mietzinsforderung zuerst getilgt, weil diese zuerst verjähre und also dem Gläubiger geringere Sicherheit biete.
b) Diesem Vorbringen ist zunächst in tatsächlicher Hinsicht die unstreitige Verrechnung eingehender Zahlungen im Jahr 2015 entgegen zu halten, wie sie sich aus der von der Klägerin selbst eingereichten und inhaltlich unstreitig gebliebenen Buchungsliste (Anl. K 5) ergibt. Die Liste bildet durchgehend die jeweils vom Jobcenter geleisteten Zahlungseingänge im Zeitraum 01.01.2015 bis 01.02.2017 ab. Sie zeigt, dass zwar (wie von der Klägerin angeführt) zunächst die am Monatsende (nämlich in 2015 etwa am 30.01., 27.02., 31.03. etc.) gutgeschriebenen Beträge als Mietzinszahlung für den jeweiligen Folgemonat aufgefasst worden sind, als tatsächlich keine anderen offenen Positionen vorlagen. Die Klägerin hielt an dieser Handhabung aber auch dann fest, als andere offene Posten gebucht waren. So wurde am 10.07.2015 eine Forderung „HK 2013/2014“ in Höhe von 579,14 € ins Soll gestellt, woraus sich zugleich ein negativer Saldo des Mietkontos ergab. Dies änderte aber nichts daran, dass seitens der Klägerin die zuvor am 30.06. eingegangene Zahlung als Miete für Juli 2015 und die danach am 31.07.2015 eingegangene Zahlung als Miete für August 2015 aufgefasst und verbucht wurde.
Bei dieser Handhabung blieb es auch durchgehend in allen Folgemonaten. Bis zur Zahlung der Miete Februar 2016 am 29.01.2016 behandelte die Klägerin jeden Zahlungseingang als Mietzahlung für den Folgemonat. Den negativen Saldo des Mietkontos (der auf die ältere Forderung wegen Heizkosten 2013/2014 zurückging) ließ sie (daneben) bestehen.
Auch das angeführte Zitat aus der Kommentarliteratur rechtfertigt die von der Berufungsklägerin gezogenen Schlüsse nicht. Die fragliche Passage befasst sich überhaupt nicht mit der Frage, ob und unter welchen Umständen es anzunehmen sein kann, dass eine eingehende Zahlung als für eine „künftig fällig werdende Miete“ zu behandeln ist. Dort heißt es stattdessen lediglich, es könne bei laufenden Zahlungspflichten (Gehalt, Miete, Unterhalt) nicht ohne weiteres angenommen werden, der Schuldner wolle „die zuletzt fällig gewordene Rate bezahlen…“ (Palandt a.a.O. unter Hinweis auf Rspr. des BGH und des OLG Düsseldorf). Um den damit angesprochenen „Tilgungskonflikt“ zwischen mehreren in der Vergangenheit fällig gewordenen Forderungen geht es vorliegend aber nicht.
Auch die Einschätzung, dass die „ältere“ Miete für Oktober 2016 früher verjähre und also der Klägerin geringere Sicherheit biete als die Miete für November 2016, dürfte bei Geltung der §§ 195, 199 BGB so nicht zutreffen. Käme § 366 Abs. 2 BGB zur Anwendung, könnte die Verrechnung des Zahlungseingangs vom 28.10.2016 auf die Oktobermiete allerdings stattdessen wohl darauf gestützt werden, dass bei Eingang der Zahlung die Oktobermiete „fällig“ war (i.S.d. § 366 Abs. 2, 1. Alt. BGB), die Novembermiete dagegen (noch) nicht.
c) Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt erweist sich die Ansicht der Klägerin aber ebenfalls nicht als begründet, denn § 366 Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung. Es liegt stattdessen eine Tilgungsbestimmung dahingehend vor, dass die am 28.10.2016 eingegangene Zahlung als Miete für den Monat November 2016 geleistet ist. Zu diesem Ergebnis führen die folgenden Erwägungen:
(1) Das Vorliegen einer Tilgungsbestimmung ergibt sich in Ermangelung eindeutig abgefasster ausdrücklicher Erklärungen des Leistenden dann, wenn die Auslegung aller zutage getretenen Umstände auch für den Empfänger der Zahlung den Schluss auf einen entsprechenden Willen des Leistenden rechtfertigen. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine Tilgungsbestimmung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auffasst (etwa Palandt/Grüneberg; Rz. 7 zu § 366 BGB), oder sie (lediglich) als rechtsgeschäftsähnliche Handlung einordnet. Auch die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, dass auf eine solche Handlung jedenfalls die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte entsprechend anzuwenden sind (vgl. MünchKomm/Fetzer; Rz. 9 zu § 366 BGB).
(2) Im Rahmen der damit ggf. gebotenen Auslegung müssen zwar unerkennbare „innere Wünsche“ des Zahlenden außer Betracht bleiben, da gemäß den allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte (nur) die für den objektiven Empfänger erkennbare Sicht Berücksichtigung verlangt. Innerhalb der für den Empfänger erkennbaren Umstände kommt dann aber dem Interesse des Leistenden die entscheidende Bedeutung zu.
Die Befugnis zur Tilgungsbestimmung stellt anerkanntermaßen eine Vergünstigung für den Schuldner dar, der sich freiwillig zur Leistung entschließt (auf Einschränkungen, die berechtigt sein können, wenn Zahlungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder der Verwertung von Sicherheiten beim Gläubiger eingehen, kommt es vorliegend nicht an). Die dem Schuldner gesetzlich zugestandene Vergünstigung zieht nach Maßgabe des § 366 Abs. 1 BGB die praktische Konsequenz daraus, dass die Zahlung (freiwillig) vom Schuldner ausgeht, weshalb das Recht zur Bestimmung der Tilgungswirkung auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten angemessen erscheint (vgl. BGH NJW 2015, 162 ff; unter juris Rz. 11). Gerade auch bei der Ermittlung einer (nur) konkludent vorliegenden Tilgungsbestimmung soll sich diese im Rahmen der „…Umstände des Einzelfalles insbesondere aus der Interessenlage…“ ergeben (BGH NJW-RR 1995, 1257 unter weiterem Hinweis auf BGH, NJW-RR 1991, 562 (565); NJW-RR 1991, 169 = WM 1991, 195 (196)).
War der Wille des Leistenden von Irrtum oder Unkenntnis beeinflusst, so kann dem § 366 Abs. 1 BGB vor dessen Abs. 2 auch im Wege ergänzender Auslegung Vorrang zukommen, wenn der mutmaßliche Parteiwille (§§ 133, 157 BGB) im Zeitpunkt der Leistung ermittelbar ist. Hat der Schuldner also z.B. irrtümlich angenommen, seine Leistung reiche zu einer vollständigen Tilgung aller Verbindlichkeiten aus, so sind diejenigen Forderungen als getilgt anzusehen, die der Leistende ohne den Irrtum bzw. die Unkenntnis nach seinem erkennbaren vernünftigen Willen bestimmt hätte (vgl. MünchKomm/Fetzer Rz. 12 zu § 366 BGB m.w.N.).
(3) Sind Dritte (§ 267 BGB) an dem Vorgang der Zahlung und der Schuldtilgung beteiligt, so kommt dem Dritten auch das Bestimmungsrecht zu (MünchKomm/Fetzer; Rz. 5, 8 zu § 366 BGB). Im Falle der Zahlung laufender Mieten durch Sozialbehörden, vorliegend durch das für die Beklagte tätig werdende Jobcenter, ist maßgeblich auf das für den Empfänger der Zahlung erkennbare Interesse dieses „Dritten“ abzustellen. Dieses Interesse kann von Fall zu Fall anders gelagert sein.
Im Wohnraummietrecht ergeben sich die maßgeblichen Umstände erkennbar aus den gesetzlichen Regelungen, die sich mit den Auswirkungen von Zahlungsrückständen. Das Entstehen von Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung kann allerdings sehr unterschiedliche Risiken begründen, indem der Vermieter verschiedene aus einem konkreten Zahlungsverhalten ableitbare Pflichtverstöße und entsprechende Kündigungsgründe anführen kann.
Der für den Mieter drohende Verlust der Wohnung kann sich z.B. daraus ergeben, dass in der kurzen Abfolge zweier aufeinander folgender Monate ein erheblicher Rückstand entstanden ist (§ 543 Abs. 2 Ziff. 3 a BGB). Ein Zahlungseingang am Ende des zweiten Monats mag dann von dem vordringlichen Interesse des Leistenden getragen sein, die zu Beginn eben dieses Monats fällig gewordene „zweite“ Miete zu tilgen, um so zunächst den Kündigungsgrund des Verzugs mit „zwei aufeinander folgenden Mieten“ schnellstmöglich zu beenden. Wenn dabei die kurz darauf fällig werdende Miete für den Folgemonat offen bleibt, mag diese Konsequenz für den Bestand des Vertragsverhältnisses gerade weniger bedrohlich sein.
Ein ganz anderes Interesse des Leistenden kann sich ergeben, wenn im Saldo insgesamt eine Monatsmiete unbezahlt geblieben ist, nach diesem Rückstand aber dieselbe vorfristige Zahlung für alle kommenden Mieten wieder aufgenommen wird, wie sie auch bis zum Ausbleiben der einen Monatsmiete vorgelegen hatte. Beginnt in dieser Konstellation der Vermieter damit, die Zahlungen am Monatsende als (jeweils mehrere Wochen verspätete) Zahlung auf den noch laufenden Monat zu verrechnen, so ist der Mieter dadurch dem Vorwurf ausgesetzt, nunmehr „alle Mieten“ nur noch „fortgesetzt“ mit mehrwöchiger Verspätung gezahlt zu haben. Dies kann nach Maßgabe des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dazu führen, dass der Fortbestand des Mietverhältnisses durch eine Kündigung unmittelbar bedroht ist.
Ein vergleichbares Risiko ergäbe sich demgegenüber (und zwar bei völlig identischem Zahlungsverhalten) nicht, wenn die „eine“ unbezahlt gebliebene Miete dauerhaft als offene Forderung behandelt (und ggf. beigetrieben) würde, während alle späteren an den Monatsenden eingehenden Zahlungen wieder als rechtzeitige und beanstandungsfreie (vorfristige) Zahlungen auf die weiter fällig werdenden Mieten aufgefasst werden. Aus dieser Sicht (und Verbuchung) der insgesamt geleisteten Zahlungen ergäbe sich zunächst kein Kündigungsgrund im laufenden Mietverhältnis.
(4) So liegt es auch in dem hier zu beurteilenden Fall.
Zu einem Rückstand im Ausgleich laufender Mieten kam es erstmals, als eine Änderung der Höhe der monatlichen Zahlung durch das Jobcenter eintrat. Nachdem am 29.01.2016 (wie durch das gesamte Kalenderjahr 2015 hindurch) 444,00 € vom Jobcenter gezahlt und von der Klägerin als Miete Februar 2016 verbucht waren, blieben Folgezahlungen zunächst aus. Erst am 06.05.2016 ging vom Jobcenter die Gutschrift von weiteren 1.498,80 € bei der Klägerin ein. Dieser Betrag entsprach genau dem (mit Blick auf geänderte Vorauszahlungen auf Nebenkosten) erhöhten Monatsbetrag von 499,60 €. Die Klägerin erkannte dies unproblematisch und buchte die Zahlung als (vollständigen) Ausgleich der Mieten für März bis Mai 2016. Der nächste Zahlungseingang am 31.05.2016 wurde ebenso unproblematisch als Miete Juni 2016 behandelt, wie der weitere Eingang vom 30.06.2016 als Miete Juli 2016.
Die letztlich sich bis zur streitgegenständlichen Kündigung auswachsende „Lücke“ in den Mietzahlungen entstand, nachdem durch einen Zahlungseingang in Höhe zweier Mieten (999,20 €) die Forderungen der Klägerin für August und September 2016 ausgeglichen waren. Diesem Geldeingang folgte dann die hier entscheidungserhebliche Zahlung weiterer 499,60 € am 28.10.2016. Die Klägerin möchte diese Zahlung auf ihre „älteste Forderung“ (nämlich Oktober 2016) verrechnen, womit sie genau den soeben beschriebenen Effekt herbeiführen würde, auf den sie auch ihr Kündigungsbegehren stützt: Alle ab Oktober 2016 vom Jobcenter gezahlten Mieten hätten (nach jeweils mehrwöchigem Verzug) verspätet die Miete für den soeben ablaufenden jeweiligen Monat ausgeglichen.
Die so konstruierte „fortgesetzt verspätete Zahlung“ würde schon das für alle Beteiligten erkennbare Interesse auf Seiten des Mieters missachten. Erst recht gilt dies für das Interesse des Jobcenters bei dessen Zahlungen.
Schon in Fällen, in denen der Mieter selbst interpretationsbedürftige Zahlungen leistet, ist es mit Recht als erkennbares und maßgebliches Interesse angesehen worden, dass der Mieter es vor allen Dingen vermeiden möchte, sich wegen Nichtzahlung laufender Mieten der Gefahr einer Kündigung auszusetzen (LG Berlin vom 25.05.2000 (67 S 515/99), GE 2000, 1256). Dieser Entscheidung ist darin zu folgen, dass im Falle solcher Zahlungen davon ausgegangen werden muss, der Leistende bestimme – sei es auch stillschweigend -, dass er zuerst den laufenden Mietzins zahlen und nur etwaige überschießende Beträge auf „älteste Rückstände“ verrechnet wissen will. Das Interesse des Mieters, mit seinen Zahlungen in weitmöglichstem Maße den Erhalt der eigenen Wohnung zu sichern, bzw. diesbezügliche Risiken einer Eskalation im Vertragsverhältnis möglichst gering zu halten, liegt für beide Seiten auf der Hand. Auf die Frage, ob die Vermieterseite dieses Interesse teilt oder ihm gar „freiwillig“ entsprechen möchte, kommt es für die gesetzliche Vergünstigung einer Tilgungsbestimmung von Seiten des Leistenden nicht an.
Dies gilt sogar in gesteigertem Maße dann, wenn die Mieten auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Leistungsanspruchs des Mieters von einer zuständigen und leistungsverpflichteten Behörde – hier dem Jobcenter – getragen werden. In dieser Konstellation steht das Interesse am Erhalt der Wohnung als Ziel der Mietzahlungen besonders deutlich im Vordergrund. Die Leistungen der Ämter sollen bekanntermaßen nicht „allgemein geordnete“ rechtliche Verhältnisse auch für bereits vergangene Zeiträume herbeiführen. Die Sozialbehörden wollen stattdessen strukturell die Deckung des aktuellen laufenden Bedarfs des Berechtigten sichern. Mit den an ihn fließenden Barzahlungen sollen seine allgemeinen Lebenshaltungskosten der Gegenwart bestritten werden; die Leistungen zur Finanzierung der Unterkunft dienen daneben zweckgebunden der entsprechenden Deckung des gegenwärtigen Wohnbedarfs. Was den Wohnraum des Bezugsberechtigten sichert, entspricht dem dringendsten Anliegen der behördlichen Zahlungen und spiegelt damit deren wichtigstes Interesse.
Besonders deutlich wird diese Interessenlage, wo das Gesetz es der Sozialbehörde ausnahmsweise gestattet, sich auch bei den wirtschaftlichen Folgen bereits vergangener Zeiträume zu engagieren. Im Bereich der Leistungen für Unterkunft ist in § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II geregelt, dass „…auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft…“ gerechtfertigt ist. Die dazu ergangene Rechtsprechung hat formuliert, dass „die Übernahme von Mietschulden zur Abwendung einer drohenden Wohnungslosigkeit nicht gerechtfertigt (ist), wenn dadurch der Erhalt der Mietwohnung nicht langfristig gesichert werden kann…“ (so LSG Sachsen-Anhalt vom 16.09.2010 (AZ.: L 5 AS 288/10 B ER); amtlicher Leitsatz zitiert nach juris).
Ein Vermieter, der in diesem Versorgungsbereich seine privatrechtlichen Forderungen aus einem laufenden Mietverhältnis regelmäßig durch den Eingang staatlicher Leistungen bezahlt erhält, die für den Mieter als berechtigten Leistungsbezieher erbracht werden, muss den klar im Gesetz geregelten Auftrag der Sozialbehörden für derartige Leistungen kennen und gegen sich gelten lassen. Er hat deshalb auch das in der behördlichen Leistung zutage tretende Interesse bei der Behandlung solcher Geldeingänge zu berücksichtigen.
Lassen sich also mehrere Interpretation für einen Eingang öffentlicher Geldmittel auf einem Mieterkonto annehmen (nämlich eine mit „eskalierender“ und eine andere mit „schonender“ Wirkung im Mietverhältnis), so entspricht es dem offenkundigen Interesse und dem gesetzlichen Auftrag der leistenden Behörde, die Tilgungswirkung mit den für den Mieter schonenden Folgen auszulösen. Dies hat die Vermieterseite als maßgebliche Tilgungsbestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB zu beachten, und zwar auch dann, wenn nach dem gesamten Zahlungsverhalten der Behörde die Annahme eine Versehens oder Irrtums nahe liegt. Selbst wenn also der Zahlung die (sachlich unzutreffende) Annahme zugrunde läge, der gezahlte Betrag genüge zur Tilgung aller auszugleichenden Mietzinsansprüche des Vermieters, würde der dann maßgebliche mutmaßliche Wille der Behörde, den sie bei fehlerfreier Reaktion auf die tatsächlich vorliegenden Umstände gebildet hätte, auf dasselbe Ergebnis gerichtet sein. Die Sozialbehörden begleichen Außenstände der Leistungsbezieher aus laufenden Mietverhältnissen stets mit dem Interesse, den gegenwärtigen und künftigen Wohnbedarf zu decken und zu sichern. Kann diesem Interesse im Rahmen der Verbuchung der Beträge entsprochen werden, so muss dies in Beachtung einer entsprechenden stillschweigenden Tilgungsbestimmung auch geschehen.
Das Amtsgericht hat deshalb zutreffend angenommen, dass die Zahlung vom 28.10.2016 die Miete November 2016 getilgt hat. Die Miete für Oktober 2016 blieb demgegenüber zunächst offen. Daran änderte sich auch durch die an allen folgenden Monatsenden eingehenden Mietzahlungen nichts, die sämtlich – jeweils rechtzeitig – die neu im Folgemonat fällig werdende Mietzinsforderung tilgten.
3. Dem Rechtsmittel der Klägerin fehlt aus diesen Gründen offensichtlich die Erfolgsaussicht Die Rechtssache ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu entscheiden. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
4. Gelegenheit zur Stellungnahme besteht binnen zwei Wochen. Innerhalb derselben Frist müsste also auch eine etwa aus Kostengründen beabsichtigte Rücknahme der Berufung bei Gericht eingegangen sein.