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Errichtung einer Fahrradanhängerbox im Innenhof eines Mietshauses

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 13 C 61/17, Urteil vom 11.12.2017

1. Das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 27. Juni 2017, Az. 13 C 61/17, wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Haupt- und Hilfsantrag unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt zu.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur Aufstellung einer mobilen Kinderwagenbox auf dem Hof des Grundstücks Solmsstraße 30 in 10961 Berlin (Hauptantrag). Ein solcher Anspruch besteht insbesondere nicht gemäß § 535 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 535 Abs. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch an der Mietsache zu überlassen. Dies umfasst über die Nutzung der Mietsache selbst auch die übliche Nutzung von Gemeinschaftsflächen, sofern dadurch nicht die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers bzw. Vermieters und die Belange anderer Mieter, die ebenfalls ein Interesse an der Nutzung der Gemeinschaftsflächen haben, unangemessen beeinträchtigt würden. (Vgl. BGH, Az V ZR 46/06). Dabei hat der Vermieter dem Mieter – soweit nicht unzumutbar – ggf. auch die Möglichkeit einzuräumen, einen Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator oder ein Fahrrad im Hausflur unterzubringen. (Vgl. LG Az 63 S 487/08.)

Errichtung einer Fahrradanhängerbox im Innenhof eines Mietshauses
Foto: makam69/Bigstock

Einen generellen Anspruch auf die beliebige Nutzung von Gemeinschaftsflächen hat der Mieter nicht. Ein solcher Anspruch muss den konkreten Umständen des Einzelfalls nach begründet sein. Vermietet ein Eigentümer Wohnungen oder Geschäftsräume in seinem Haus, erstreckt sich das Recht des Mieters zur Benutzung der gemieteten Räume auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Gebäudes. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, umfasst es die übliche Benutzung und deckt alle mit dem Wohnen und der Benutzung von Geschäftsräumen typischerweise verbundenen Umstände. Ein Mieter ist daher berechtigt, einen Kinderwagen, Rollstuhl oder einen Fahrradanhänger im Innenhof abzustellen, wenn er hierauf angewiesen ist und die Größe des Innenhof und die übrige Nutzung des Innenhofs das Abstellen dort zulässt. Das Recht des Mieters zur Benutzung seiner Wohnung hindert den Vermieter daran, dem Mieter die Nutzung der Gemeinschaftsflächen unter Berufung auf sein Eigentum zu untersagen, solange von dem Abstellen bzw. der Nutzung keine Belästigungen oder Gefährdungen ausgehen.

Auf Seiten des Mieters sind die Möglichkeiten einer alternativen Unterbringung, z.B. in der Mietwohnung, und der damit verbundene Aufwand, zu berücksichtigen. Ein in seiner Mobilität eingeschränkter Mieter kann etwa ein größeres Interesse an der Unterbringung eines Rollstuhls oder Rollators im Hausflur geltend machen als ein Mieter, der sein Fahrrad gerne sicher, trocken und ebenerdig im Hausflur parken möchte.

Auf Seiten des Vermieters und Eigentümers sind das Interesse an der praktischen Nutzbarkeit der Gemeinschaftsflächen, Sicherheitsinteressen sowie das Interesse an einer optisch ansprechenden Gestaltung der Gemeinschaftsflächen zu berücksichtigen. Würde z.B. der Hausflur oder der Hof durch die begehrte Nutzung eines Mieters unzumutbar verstellt werden, so dass andere Mieter bzw. der Eigentümer von der Nutzung der Gemeinschaftsflächen ausgeschlossen bzw. in der Nutzung nicht nur unerheblich beeinträchtigt würden, so wiegt dies zu Lasten des einzelnen Mieters in der Interessenabwägung.

Die Belange anderer Mieter korrespondieren oftmals mit dem Interesse des Eigentümers, denn eine “Übernutzung” der Gemeinschaftsflächen durch einen Mieter schließt andere Mieter in vielen Fällen von der gleichen Nutzung aus.

Für einen interessengerechte Entscheidung ist auch zu berücksichtigen, ob der Vermieter alternative Möglichkeiten zur Unterbringung (z.B. in einem Fahrradkeller) bereithält oder ob nicht eine Unterbringung in der Mietsache selbst zumutbar ist, ob diese etwa leicht zugänglich ist (z.B. über einen Fahrstuhl).

Überwiegen die Interessen des Vermieters und die Belange der anderen Mieter, so kann der Vermieter die begehrte Nutzung der Gemeinschaftsflächen zu Recht verweigern. Im Ergebnis kann es Fälle geben, in denen es aufgrund der Beschaffenheit der Gemeinschaftsflächen und der allseitigen Interessen nicht möglich ist, dass dem Mieter überhaupt ein Anspruch darauf zusteht die Sache – z.B. aufgrund ihrer Größe – überhaupt irgendwo auf den Gemeinschaftsflächen (außerhalb der eigenen Wohnung) unterzubringen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe für die Nutzung der Gemeinschaftsflächen ist mietvertraglich die Gebrauchsgewährung des Innenhofs mit dem Inhalt, einen Fahrradanhängerbox aufstellen zu dürfen, nicht geschuldet. Das klägerische Begehren geht weit über die zu duldende übliche Nutzung von Gemeinschaftsflächen hinaus. Der Kläger begehrt hier nicht bloß das Abstellen seiner Fahrradanhängers, sondern der Kläger verlangt hier die Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Box auf dem Hof mit den Massen 110 cm x 133 cm x 148 cm, um hier seinen Kinderwagen und zugleich Fahrradanhänger unterbringen zu können.

Zwar ist auf Seiten des Klägers zu berücksichtigen, dass er sein Kind mit dem Kinderwagen und zugleich Fahrradanhänger nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem Fahrrad gut transportieren kann und dass er seinen Fahrradanhänger vor Witterung (Feuchtigkeit) und Diebstahl geschützt unterbringen will. Auch ist nachvollziehbar, dass das Unterbringen eines 14 kg schweren Anhängers in die Wohnung eine besondere praktische Hürde darstellt.

Auf Seiten des Beklagten überwiegen aber die Interessen, dass der Kläger durch das Aufstellen der Box einen nicht unerheblichen Teil der Gemeinschaftsflächen exklusiv für sich in Beschlag nehmen würde. Für andere Mieter und den Eigentümer wäre die entsprechende Fläche nicht mehr nutzbar. Hier fällt zudem besonders ins Gewicht, dass der Innenhof dem Publikumsverkehr zugänglich ist und dass es deshalb ein gesteigertes Interesse an der attraktiven Gestaltung des Innenhofes gibt. Schließlich hat die beklagte Vermieterin dem Kläger alternative Möglichkeiten der Unterbringung angeboten, die vielleicht nicht genauso angenehm wie eine eigene Box sind, die aber allemal zumutbar sind.

Wenn die von der Beklagten vorgeschlagenen Lösungen dem Kläger im Ergebnis als zu umständlich erscheinen, dann bieten die Gemeinschaftsflächen des Mietobjekts ggf. keine für den Kläger adäquate Möglichkeit, einen Kinderwagen/Fahrradanhänger mit den konkreten Maßen bzw. dem Gewicht des Wagens wie vom Kläger gewünscht unterzubringen.

III.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm eine Möglichkeit zur Verfügung stellt den Kinderwagen/Fahrradanhänger “trocken, ausreichend gegen Diebstahl gesichert und ohne Überwindung von zusätzlichen Hürden nutzbar” unterzubringen (Hilfsantrag). Ein solcher Anspruch besteht ebenfalls nicht aus § 535 Abs. 1 BGB.

Wie bereits unter I. aufgeführt, kommt es bei einer Entscheidung über die begehrten Nutzung der Gemeinschaftsflächen durch einen Mieter auf eine Abwägung der Interessen des Mieter, des Eigentümers und der Belange der übrigen Mieter an. Im hier vorliegenden Fall sind die Gemeinschaftsflächen aus ästhetischen Gründen bzw. Platzgründen nur beschränkt nutzbar. Ein Fahrradanhänger von den Maßen, für die sich der Kläger entschieden hat, kann nicht ohne weiteres ohne die Überwindung zusätzlicher Hürden untergebracht werden. Die Beklagte hat dem Mieter mehrere nach Überzeugung des Gerichts zumutbare und angesichts der begrenzten Möglichkeiten der Unterbringung auch gegenüber anderen Mietern privilegierte Optionen angeboten, den Fahrradanhänger/Kinderwagen unterzubringen. Der Bewag-Keller ist etwa noch eine halbe Treppe über dem Fahrradkeller gelegen und damit besser zu erreichen.

Es ist seitens des Klägers nicht nachvollziehbar dargelegt worden, weshalb dem Kläger über die von der Beklagten bereits angebotenen Möglichkeiten der Unterbringung hinaus eine exklusive “Sondernutzung” bestimmter Gemeinschaftsflächen zustehen sollte, die andere Mieter so schon aus praktischen Gründen (Platzmangel) nicht neben dem Kläger nutzen könnten. Anders als etwa ein Rollstuhlfahrer auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen ist, ist der Kläger nicht auf die Nutzung eines Fahrradanhängers mit genau den bezeichneten Ausmaßen und Gewicht angewiesen. Sollten der Kläger seitens der Beklagten bereits angebotenen Optionen als für ihn bzw. seine Frau mit zu großen Hürden behaftet sehen, dann ergibt sich aus einer Abwägung der allseitigen Interessen daraus auch kein Anspruch auf eine Unterbringung ohne jede Hürden.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

V.

Der Streitwert wird auf 600,00 € festgesetzt.

VI.

Die Berufung wird nicht gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zugelassen, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und es ist zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch keiner Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.

Es geht im Rahmen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO darum, auch für Fälle mit einem geringen Streitwert die Berufung im Interesse der Rechtsfortbildung/einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, damit in der Rechtsprechung (einheitliche) Prinzipien in der Auslegung des Rechts entwickelt werden können, um zukünftige Fälle – im Interesse der Rechtssicherung – (einheitlich) entscheiden zu können. Die Berufung ist nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO nicht allein deshalb schon zuzulassen, weil bisher noch nicht über einen identischen Lebenssachverhalt entschieden wurde. Es gibt bereits eine Auswahl (auch höchstgerichtlicher) Rechtsprechung zu Fragen der Nutzung von Gemeinschaftsflächen im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB. Die im Zuge dieser Rechtsprechung entwickelten Prinzipien konnten auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen. Allein, dass bisher noch nicht über die Unterbringung eines baugleichen/-ähnlichen Fahrradanhänger/Kinderwagens auf ähnlichen Gemeinschaftsflächen entschieden wurde, vermag der Sache selbst keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen bzw. ein Bedürfnis nach Rechtsfortbildung/einheitlicher Rechtsprechung i.S.d. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zu begründen.

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