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Fristlose und ordentliche Mietvertragskündigung wegen Wohnungsvermüllung

LG Karlsruhe – Az.: 9 S 2/19 – Urteil vom 22.05.2019

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom …, Az. 5 C 164/18, abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die 1-Zimmer-Wohnung Nr. 2 im 3. OG des Gebäudes … in … bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad mit WC, Balkon und einem Kellerraum zum 30.06.2019 geräumt an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Klägerin trägt 30 %, der Beklagte trägt 70 % der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Die Klägerin trägt 10 %, der Beklagte trägt 90 % der Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf sofortige, hilfsweise auf künftige Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in Anspruch. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des Hauptantrags auf sofortige Räumung stattgegeben. Die Bausubstanz sei durch die Verwahrlosung der Wohnung in konkret gefährdet. Das Vollstellen mit Plastiktüten dürfte dazu führen, dass es früher oder später zu Substanzschäden kommen werde. Die Gegenstände dürften geeignet sein, vermehrt Feuchtigkeit zu halten. Auch die Lüftung der Wohnung sei nicht möglich. Es bestehe daher die naheliegende Gefahr einer Schimmelbildung und auch die Gefahr des Schädlingsbefalls dürfte deutlich erhöht sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Fristlose und ordentliche Mietvertragskündigung wegen Wohnungsvermüllung
(Symbolfoto: Von Ingrid Balabanova/Shutterstock.com)

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Das Amtsgericht stütze sein Urteil im Wesentlichen auf Vermutungen, nicht auf festgestellte Tatsachen. Auch wenn aus der Aussage des Zeugen … eine als mangelhaft empfundene Sauberkeit des Bades ergebe, könne darin keine Gefährdung der Substanz der Mietsache gesehen werden. Auch eine erhöhte Gefahr von Schädlingsbefall werde vom Amtsgericht lediglich vermutet.

Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten, die sie insbesondere für unzulässig hält, da aus der Bestellung einer Betreuerin für den Beklagten hervorgehe, dass dieser geschäftsunfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere bestehen keine Bedenken an ihrer wirksamen Einlegung, da die Prozessbevollmächtigte des Beklagten für diesen aufgrund der ihr bereits erstinstanzlich erteilten Vollmacht handeln, insbesondere auch Berufung einlegen konnte. Ohnehin ergeben sich aus der bloßen Tatsache einer Betreuerbestellung keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit des Beklagten, dies vorliegend insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht keine Notwendigkeit für die Bestellung eines Verfahrenspflegers gesehen hat.

Die Berufung ist auch begründet, soweit sie sich gegen die erfolgte Verurteilung zur sofortigen Räumung wendet. Der Anspruch der Klägerin auf Räumung zum 30.06.2019 ist indes zu bejahen, so dass die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags keinen Erfolg hat.

1. Die von der Klägerin erklärte außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses hat nicht zu dessen Beendigung geführt, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Hinblick auf den Zustand der Wohnung den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts bzw. bereits dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden können.

Eine erhebliche Gefährdung der Mietsache im Sinne des Gesetzes liegt dann vor, wenn die Mietsache durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist oder wenn der Eintritt eines Schadens nach der Sachlage signifikant höher ist als bei einem vertragsgerechten Verhalten (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage, § 543 Rn. 57). Eine bereits eingetretene Schädigung der Mietsache wurde von der Klägerin in erster Instanz zwar pauschal behauptet, doch ist ihrem Vortrag bereits nicht zu entnehmen, welcher Art diese eingetretene Schädigung sein soll. Auch zur Frage, welche Art an künftigem Schadenseintritt alternativ zu befürchten sein soll, enthält der Vortrag der Klägerin schon keine konkreten Angaben; die vom Amtsgericht angestellten Mutmaßungen zu drohendem Schimmel- und Schädlingsbefall gehen mithin bereits über den erfolgten Parteivortrag hinaus. Hinzu kommt, dass das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft nicht darlegt, aufgrund welcher eigenen Sachkunde es sich zu den angestellten Mutmaßungen befähigt sieht. Tatsächlich stellt sich die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Kündigungsgrundes einer erheblichen Gefährdung der Mietsache bereits als unschlüssig dar.

Der vertragswidrige Gebrauch der Mietsache durch den Beklagten in Gestalt des völligen Zustellens sämtlicher Räume der Wohnung überwiegend mit Kleidungsstücken und mit Kleidungsstücken gefüllten Plastiktüten, so dass lediglich noch 50-60 cm breite Durchgänge bleiben und auch ein Öffnen der zugestellten Fenster und Balkontüre nicht möglich ist, stellt auch keinen Kündigungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB dar. Wie ein Vergleich mit Abs. 2 der Vorschrift zeigt, hat der Gesetzgeber eine Sorgfaltsvernachlässigung durch den Mieter nur dann als eine außerordentliche fristlose Kündigung zu tragen geeignet angesehen, wenn hierdurch eine erhebliche Gefährdung der Mietsache eintritt (so auch Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage, § 543 Rn. 4), die aber – wie vorstehend ausgeführt – von der Klägerin bereits nicht dargelegt ist.

2. Auch im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete Gesundheitsgefährdung und Belästigung anderer Bewohner des Hauses ist die außerordentliche fristlose Kündigung nicht als wirksam anzusehen, da diese nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht bewiesen sind.

3. Allerdings hat die von der Klägerin hilfsweise zum 30.06.2019 ausgesprochene ordentliche Kündigung das Mietverhältnis beendet.

Gem. § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, das gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere dann vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Der durch die vorgelegten Fotos dokumentierte und durch die Zeugenaussagen bestätigte Zustand der bis auf 50-60 cm breite Durchgänge zugestellten streitgegenständlichen Wohnung stellt auch unter Berücksichtigung dessen, dass hinsichtlich des einzuhaltenden Maßes an Ordnung und Sauberkeit einer Wohnung eine erhebliche Bandbreite zuzugestehen ist, keine Wohnnutzung im üblichen Sinne mehr da. Allein zu diesem Zweck wurde die Wohnung dem Beklagten indes überlassen. Der Pflichtverstoß des Beklagten stellt sich jedenfalls im Hinblick darauf, dass er von der Klägerin hinsichtlich des Zustands der Wohnung abgemahnt wurde, auch als erheblich dar.

Soweit der Beklagte geltend macht, er stehe mittlerweile unter Betreuung und es sei zu erwarten, dass sich der Zustand der Wohnung nachhaltig ändern werde, ist dies ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Kündigung, da hierfür einzig auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihres Ausspruches abzustellen ist, ohne dass ein etwaiges nachträgliches Wohlverhalten zu berücksichtigen wäre (Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage, § 569 Rn. 36 mit Rechtsprechungsnachweisen). In Betracht kommt allenfalls, dass das Festhalten des Vermieters am Räumungsanspruch dann als rechtsmissbräuchlich erscheint, wenn tatsächlich eine nachhaltige Verhaltensänderung vorliegt (Blank/Börstinghaus a.a.O. mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Erwägung ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits indes ohne Bedeutung, da auch nach dem Vortrag des Beklagten der derzeitige Zustand der Wohnung unverändert ist und die bereits seit Januar 2019 bestellte Betreuerin erst für die kommende Zeit ein „Aufräumen“ der Wohnung plant.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und trägt dem im Berufungsverfahren geringer gewordenen zeitlichen Abstand zwischen sofortiger Räumung und Räumung zum 30.06.2019 Rechnung. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

2. Anlass für die Gewährung einer Räumungsfrist besteht im Hinblick darauf nicht, dass der Beklagte ohnehin nur zur künftigen Räumung verurteilt wurde und ihm bei der Wohnungssuche zudem seine Betreuerin zur Seite steht. Auch bestand aufgrund des vom Berufungsgericht bereits am 22.03.2019 erteilten Hinweises bezüglich der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung für den Beklagten spätestens seit Kenntniserlangung hiervon Anlass, die Suche nach Ersatzwohnraum aufzunehmen.

3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor und sind von den Parteien auch nicht aufgezeigt. Für die Beurteilung der Frage, wann eine erhebliche Gefährdung der Mietsache aufgrund eines vom Mieter herbeigeführten Zustandes besteht bzw. dargelegt ist, sind stets die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles maßgeblich, so dass es keinen Anhaltspunkt für eine uneinheitliche Rechtsanwendung darstellt, wenn es veröffentlichte Entscheidungen von Instanzgerichten gibt, die einmal einen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung bejahen und ein anderes Mal verneinen. Insbesondere unterscheidet sich die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Amtsgerichts München vom 08.08.2018 vom vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht dadurch ganz wesentlich, dass dort Schimmelbefall und von der Wohnung ausgehende Geruchsbelästigungen nicht nur konkret vorgetragen, sondern auch festgestellt wurden.

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