KG Berlin – Az.: 8 U 169/16 – Urteil vom 15.01.2018
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. Juli 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin – 32 O 238/14 – abgeändert und wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten einerseits und dem Beklagten andererseits über die Geschäftsräume (Restaurant Eis-Cafè “L… …”) in der … am … (214,84 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht.
2. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten einerseits und dem Beklagten andererseits über die Geschäftsräume (Kiosk Eis-Cafè “L… …”) in der … … (15,54 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.480,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2014 zu zahlen.
4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben der Kläger 50 % und der Beklagte 50 % zu tragen.
Von den Kosten des Streithelfers haben der Kläger 50 % und der Streithelfer 50 % zu tragen.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 15. Juli 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor:
1.
Das Landgericht habe zwar in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Kündigung des Streithelfers nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt habe und damit sinngemäß das festgestellt, was der Kläger mit seinen Feststellungsanträgen begehrt habe. Danach hätte das Landgericht mindestens den Hilfsanträgen stattgeben müssen. Überraschenderweise habe das Landgericht die Klage dennoch abgewiesen. Das Landgericht habe offenbar rechtsfehlerhaft unterstellt, dass durch den Kläger Herausgabe- bzw. Erfüllungsansprüche geltend gemacht würden. Das Landgericht sei an die gestellten Anträge gebunden gewesen und habe gegen § 308 ZPO verstoßen.
2.
Das Feststellungsinteresse sei gegeben. Der Beklagte und der Streithelfer berühmten sich, dass das Mietverhältnis infolge der Kündigung beendet sei, der Kläger jedenfalls nicht mehr Mieter der streitgegenständlichen Räume sei. Erst nach dieser Feststellung könne sich der Kläger entscheiden, ob er Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten und den Streithelfer geltend mache.
3.
Das Landgericht habe die Vorschrift des § 535 BGB verkannt. Das Landgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden sei, aber dann unzutreffend ausgeführt, dass keine Ansprüche mehr aus dem Mietverhältnis bestünden. Selbst wenn es eine wirksame Neuvermietung gegeben habe, würde dies aber nicht bedeuten, dass dem Kläger keine Ansprüche mehr aus dem Mietverhältnis zustünden. Der Kläger hätte dann jedenfalls Ansprüche auf Rückgewährung der Kaution oder auch Schadensersatzansprüche.
4.
Der Beklagte und der Streithelfer hätten das ursprüngliche Mietverhältnis nicht unter Ausschluss des Klägers fortsetzen und auch kein neues begründen wollen. Eine Doppelvermietung liege daher nicht vor.
Der Streithelfer sei nicht mehr Partei des Mietverhältnisses gewesen. Denn er habe aus dem ursprünglichen Mietverhältnis ausscheiden wollen. So habe der Beklagte selbst vorgetragen, dass der Streithelfer ausgeführt habe, dass es “ihm allein aufgrund unüberwindlicher geschäftlicher Differenzen” nicht mehr möglich sei, den Mietvertrag mit dem Kläger weiterzuführen. Auch im 8. Nachtrag wird auf das durch den Mieter C… “gekündigte Mietverhältnis” verwiesen. Der Streithelfer habe aus dem ursprünglichen Mietverhältnis ausscheiden wollen und habe es für sich beendet.
Durch den 8.Nachtrag sei kein neues Mietverhältnis begründet worden. Dies ergebe sich bereits aus der mehrfachen Inbezugnahme auf den Bestandsvertrag von 1985. Diese Vereinbarung sei hinter dem Rücken des Klägers getroffen worden. Eine Änderung des bestehenden Mietvertrages ohne den Kläger sei nicht möglich gewesen.
5.
Auch eine Neuvermietung im Sinne eines neuen, zusätzlichen Mietverhältnisses im Sinne von § 535 BGB hätte zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer nicht wirksam begründet werden können. Der Beklagte und der Streithelfer hätten durch den 8. Nachtrag nicht etwas Neues begründen wollen. Es sei nie um eine Neuvermietung gegangen. Für ein zusätzliches Mietverhältnis habe dem Beklagten und dem Streithelfer jeglicher Rechtsbindungswille gefehlt.
6.
Sowohl der Versuch, den Kläger mittels des 8. Nachtrags heimlich auszuschließen und das Mietverhältnis ohne ihn fortzusetzen, als auch der Versuch einer etwaigen Begründung eines neuen Mietverhältnisses seien sittenwidrig. Wegen der Einzelheiten des Vortrags zur Sittenwidrigkeit wird auf die Berufungsbegründung Seite 11 – 13 (Bd. III, Bl. 29 – 31) Bezug genommen.
7.
Das Landgericht habe überdies die rechtsfehlerfreie Anwendung der § 164 BGB, § 286 ZPO verkannt. Der Kläger habe bestritten, dass der 8. Nachtrag überhaupt von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnet worden sei. Der Beklagte habe hierzu nur unsubstantiiert vorgetragen und sei daher insoweit beweisfällig geblieben. Dennoch habe das Landgericht eine entsprechende Bevollmächtigung unterstellt und eine Doppelvermietung bejaht.
8.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergebe sich aus § 280 BGB oder auch aus unerlaubter Handlung.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 15. Juli 2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin – 32 O 238/14 – wie folgt zu erkennen:
I.
1. festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Geschäftsräume (Restaurant Eis-Cafè “L… …”) in der … am … (214,84 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht;
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu I. Ziffer 1:
2. festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten einerseits und dem Beklagten andererseits über die Geschäftsräume (Restaurant Eis-Cafè “L… …”) in der … am … (214,84 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht;
II.
1. festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Geschäftsräume (Kiosk Eis-Cafè “L… … ”) in der … am … (15,54 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht;
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu II. Ziffer 1
2. festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten einerseits und dem Beklagten andererseits über die Geschäftsräume (Restaurant Eis-Cafè “L… … ”) in der … am … (15,54 m²) nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 oder 05. Dezember 2013 beendet wurde, sondern über den 31. März 2014 fortbesteht;
III. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.480,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte erwidert:
1.
Die Hauptanträge seien schon deshalb nicht begründet, weil eine Fortsetzung des Mietverhältnisses allein mit dem Kläger nicht in Betracht komme.
2.
Ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben. Die Kündigungserklärung des Streithelfers könne nicht dazu führen, dass nur der Streithelfer aus dem Mietverhältnis entlassen werde und nicht der Kläger. Dazu hätte es einer dreiseitigen Vereinbarung bedurft. Sowohl der Kläger als auch der Streithelfer seien davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis beendet sei. Den “Zuschlag” für den neuen Mietvertrag habe der Streithelfer erhalten.
Im Übrigen tritt der Beklagte den Berufungsgründen entgegen.
Der Streithelfer trägt vor:
Der streitgegenständliche Mietvertrag sei durch ihn, den Streithelfer, auf Grundlage von § 12 Ziffer 2 und 3 des Mietvertrages mit Wirkung für den Kläger beendet worden. Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die sogenannte Abgabevollmacht unwirksam sei. Der Kläger habe die Kündigungserklärung des Streithelfers jedenfalls durch sein nachfolgendes Verhalten konkludent genehmigt. Mit dem Schreiben vom 15.01.2014 (Anlage B 2) habe sich der Kläger als Bewerber für einen – rechtlich gesondert zu betrachtenden – Folgemietvertrag als Einzelmieter unter Ausschluss des Streithelfers positioniert. Die vorbehaltlose Bewerbung sei als Genehmigung der Kündigungserklärung zu werten.
Mit dem 8. Nachtrag sei ein rechtlich selbständiger Folgemietvertrag nur mit dem Streithelfer geschlossen worden. Selbst bei fehlender Vertretungsmacht auf Seiten des Beklagten habe der Beklagte diesen Vertrag durch Erbringung und Entgegennahme der vertraglichen Leistungen jedenfalls genehmigt.
Ein kollusives Zusammenwirken des Streithelfers mit dem Beklagten habe es nicht gegeben.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Klage ist nach den Hilfsanträgen begründet und in Bezug auf die Hauptanträge abzuweisen.
Der Kläger kann gegen den Beklagten die Feststellung verlangen, dass die Mietverhältnisse zwischen dem Beklagten auf Vermieterseite und dem Kläger sowie Herrn S… auf Mieterseite über die Geschäftsräume in der … am … nicht durch die Kündigungen des Herrn S… vom 07. November 2013 und 05. Dezember 2013 beendet worden sind.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger zur Prozessführung – auch in Bezug auf den (hier nur begründeten) Hilfsantrag – befugt. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 181/08 – NJW 2010,3033; BGH Urteil vom 25.01.2011 – II ZR 122/09 – NJW 2011,1667, Tz. 9 m.w.N.).
1.
(a)
Aus der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses folgt, dass der Kreis der Rechte und Pflichten auch bei einer Mehrheit von Vermietern und Mietern unteilbar ist. Jeder der einzelnen Mieter bzw. Vermieter ist bezüglich der mietvertraglichen Rechte und Pflichten Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB und Mitgläubiger gemäß § 432 BGB (Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, II, Rdnr. 526 ff.). Beim Bestehen einer Personenmehrheit auf Vermieter- oder Mieterseite müssen alle Mitglieder (grundsätzlich) gemeinsam klagen oder verklagt werden, wenn eine gesamthänderische Bindung vorliegt (siehe auch Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 7. Auflage, Teil II Mietprozess, Rdnr. 32 mNW: Senatsbeschluss vom 02.02.2012 – 8 U 193/11, Grundeigentum 2012,688, Tz. 25 für Rückforderung Kaution; so auch OLG Düsseldorf Grundeigentum 2002,183)
Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Streitgegenstand auf den Bestand oder den Inhalt des Mietverhältnisses bezieht oder eine Forderungsgemeinschaft im Sinne von § 432 BGB gegeben ist. So besteht für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Mietvertrages eine notwendige Streitgenossenschaft, so dass bei Personenmehrheit auf Mieter- oder Vermieterseite der Rechtsstreit von allen gegen alle Vertragsparteien geführt werden muss (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage, Rdnr. XIV, 35; Bub/Treier/Emmerich, a.a.O., II, Rdnr. 530). Beim Streit über die Wirksamkeit eines Mietvertrages mit einer Mehrheit von Mietern müssen entweder sämtliche Vermieter Kläger sein (so OLG Celle Urteil vom 12.01.1994 – NJW- RR 1994, 854, Tz. 16 m.w.N.) oder bei Widerspruch eines Vermieters – der widersprechende Vermieter neben dem Mieter verklagt werden (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 32. Auflage, § 62 ZPO, Rdnr. 21; dagegen a.A. OLG Oldenburg vom 25.03.2014 – 12 U 160/13, wonach ein Pächter als GbR- Innengesellschafter klagebefugt ist, wenn es nur um die Klärung gegenüber dem außen stehenden Vertragspartner geht; letztlich aber offen gelassen, siehe Tz. 15 ff.).
(b)
Nach den vorgenannten Grundsätzen (insbesondere wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses und der notwendigen Feststellung ihres Bestandes für und gegen alle) müssen zwar grundsätzlich alle Vertragsparteien beteiligt sein. Gegenstand einer Feststellungsklage können aber auch Drittrechtsverhältnisse sein, wenn sie für die Rechtsbeziehungen der Parteien zumindest mittelbar von Bedeutung sind und ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Klärung besteht (vgl. BGH Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 181/98, a.a.O., Tz. 11 m.w.N.). Ein entgegenstehender Wille des Streithelfers ist in entsprechender Anwendung von § 744 Abs. 2 BGB unbeachtlich. Die Feststellungsklage ist zur Erhaltung des gemeinsamen Vertragsverhältnisses mit der Beklagten gerade auch im Hinblick auf Rechtshandlungen des Streithelfers notwendig, die den gemeinsamen Mietvertrag in Frage stellen (vgl. BGH Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 181/98 – a.a.O., Tz. 12 m.w.N.).
Im Übrigen ist durch den Beitritt des Streithelfers zum vorliegenden Prozess auch die Bindungswirkung des Urteils für alle Vertragsparteien gewährleistet (§ 68 ZPO). Die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Vorprozesses beschränkt sich nicht nur auf den Entscheidungssatz, d.h. den Bestand der im Tenor der Entscheidung ausgesprochenen Rechtsfolge, sondern erstreckt sich auch auf den beurteilten Tatsachenkomplex und die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung und damit auf deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen. Insoweit werden auch die tragenden Feststellungen des Ersturteils, die sogenannten “Entscheidungselemente” einbezogen (BGZ 100,262; Zöller/Althammer, a.a.O., § 68 ZPO, Rdnr. 9).
2.
In Bezug auf den (nicht begründeten) Hauptantrag ist die Einzelklage des Klägers ohnehin zulässig.
Denn der Kläger macht geltend, dass der Streithelfer nicht mehr Mieter ist und aus dem auf Mieterseite zunächst aus dem Kläger und dem Streithelfer bestehenden Mietverhältnis ausgeschieden ist. Der Kläger ist damit der Ansicht, dass ihm das materielle Recht allein zusteht, aus dem sich seine Prozessführungsbefugnis ergibt (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Auflage, § 62 ZPO, Rdnr. 28).
B.
1.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellung, dass das Mietverhältnis zwischen den Vertragsparteien fortbesteht, ist ein nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässiges Klageziel, da die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses dieses Inhalts begehrt wird. Bei einem Streit wegen der Kündigung eines Mietverhältnisses kann im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO der Fortbestand des Mietverhältnisses zum Gegenstand der begehrten Feststellung gemacht werden (BGH Urteil vom 29.09.1999 – XII ZR 313/98 – NZM 2000,36, Tz. 44; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 13. Auflage, § 542 BGB, Rdnr. 97; Bub/Treier/Fischer, a.a.O., IX, Rdnr. 254; Sternel, a.a.O., XIV, Rdnr. 106 f.). Das erforderliche Feststellungsinteresse steht schon deshalb außer Zweifel, weil der Kläger an den Mietverträgen weiter festhalten möchte, jedoch der Beklagte wegen der Kündigungen des Streithelfers von einer Beendigung der beiden Mietverträge mit dem Kläger ausgeht. Vorliegend besteht zwischen den Parteien darüber Streit, ob aufgrund der Kündigungen des Streithelfers vom 07.11.2013 und 05.12.2013 die Mietverhältnisse wirksam beendet worden ist. Wenn die Parteien (nur) darüber streiten, ob eine bestimmte Kündigung das Mietverhältnis beendet hat, begründet dies ein ausreichendes Interesse an der (umfassenderen) Feststellung, dass das Mietverhältnis noch bestehe (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 44).
2.
Die Feststellungsklage ist nach dem Hilfsantrag begründet.
(a)
Zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer sowie Herrn U… wurde unter dem 22.03./11.04.1985 ein Mietvertrag über die Räume im Erdgeschoss geschlossen. Unstreitig ist der Kläger mit Wirkung vom 03. Februar 1995 in den Mietvertrag eingetreten und Herr U… aus dem Mietverhältnis ausgeschieden.
Darüber hinaus haben der Kläger und der Streithelfer am 30. April 1992 mit dem Beklagten einen weiteren Mietvertrag über den Kiosk im gleichen Objekt angemietet.
Die Mietverhältnisse sind – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht durch die Kündigungen des Streithelfers vom 07.11.2013 und 05.12.2013 wirksam gekündigt worden.
(aa)
Bestehen Vermieter oder Mieter aus einer Personenmehrheit, muss die Kündigung von allen gegenüber allen Parteien erklärt werden. Auch bei einer Personenmehrheit besteht ein einheitliches, auf eine unteilbare Leistung gerichtetes Mietverhältnis, das nur durch Kündigung aller Parteien beendet werden kann. Eine nur von einem von mehreren Mietern – wie hier – erklärte Kündigung ist unwirksam (Lindner-Figuta/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Auflage, Kap. 15. Rdnr. 69; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Auflage, § 542 BGB, Rdnr. 18 m.w.N.; s. BGH NJW 2015,473).
bb)
Der Streithelfer ist nicht wirksam bevollmächtigt worden, auch für den Kläger Erklärungen abzugeben.
Die Klausel in § 12 des Mietvertrages über das Cafè/Restaurant vom 22. März/11. April 1985 ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Die Klausel lautet wie folgt:
“1. …
2. Für die Rechtswirksamkeit einer Erklärung … genügt es, wenn sie gegenüber einem der Mieter abgegeben wird. Willenserklärungen eines Mieters sind auch für die anderen Mieter verbindlich. Die Mieter gelten zur Vornahme und Entgegennahme solcher Erklärungen als gegenseitig bevollmächtigt.
3…..
Die Kündigung eines Mieters bewirkt die Kündigung des gesamten Mietverhältnisses.”
Bei dem Mietvertrag handelt es sich um eine vom Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegt. Der Mietvertrag ist vom Beklagten gestellt und erweckt dem äußeren Anschein nach den Eindruck einer allgemeinen Geschäftsbedingung. Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist prima facie anzunehmen, wenn ein gedruckter oder sonst vervielfältigter Text des anderen Teils verwandt worden ist (Palandt/Grüneberg, a.a. O., § 305 BGB, Rdnr. 23; BGHZ 118,238). Dies ist der Fall, wenn der Vertrag zahlreiche formularmäßige Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist (BGH NJW 2009,3717), wobei sich die Vermutung auf vorformulierte Vertragsklausel bezieht (BGH NJW 2000,1110).
Der Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrages wird auch nicht dadurch widerlegt, dass er in Teilen individuelle Vereinbarungen enthält (BGH Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157,102, Tz. 25 m.w.N.).
Die vorliegenden Klauseln enthalten nicht nur eine Empfangsvollmacht der anderen Mieter, sondern zugleich auch eine Abgabevollmacht, nämlich eine Bevollmächtigung der Mieter untereinander für den anderen Mieter Erklärungen uneingeschränkt für den anderen abzugeben. Klauseln, durch die sich Mieter gegenseitig zur Abgabe von Willenserklärungen bevollmächtigen, ohne den Kreis der in Betracht kommenden Erklärungen einzugrenzen, sind auch in Mietverträgen über Geschäftsräume unwirksam, es sei denn sie nehmen auf Beendigung des Mietverhältnisses gerichtete Erklärungen wie die Kündigung und das Angebot eines Mietaufhebungsvertrages ausdrücklich aus (vgl. Kammergericht Urteil vom 05.01.2004 – 12 U 122/02 – Grundeigentum 2004,753, Tz. 38; vgl. auch OLG Düsseldorf Urteil vom 17.10.2006 – I- 24 U 7/06, ZMR 2008,44, Tz. 73 m.w.N.; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, a.a.O., Kap. 7, Rdnr. 161; Bub/Treier/Bub, a.a.O., II, Rdnr. 1785 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Auflage, § 542 BGB, Rdnr. 58). Durch diese Klausel wird jedem Mitmieter die Möglichkeit eröffnet, ohne Rücksicht auf die Belange der anderen Mitmieter den Mietvertrag in seinem Bestand selbst oder in elementaren Bestandteilen zu verändern. Eine solche umfassende Regelung, die insbesondere den Missbrauch und die Verletzung von Interessen des vertretenen Mitmieters eröffnet, widerspricht eklatant den Belangen der Mieter (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Tz. 73). Sie ist zur Wahrung anerkennenswerter Interessen des Vermieters auch nicht gerechtfertigt (OLG Celle WuM 1990, 103f.).
Dasselbe gilt für die Klausel, wonach Willenserklärungen eines Mieters auch für die anderen Mieter verbindlich sind (Schmidt- Futterer/Blank, a.a.O., § 542 BGB, Rdnr. 60 mH.a. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Soweit der Streithelfer auf die Entscheidung des BGH vom 10.09.1997 – VIII ARZ 1/97 – (NJW 1997, 3437) verweist, ergibt sich hieraus nichts Abweichendes. Der BGH hat für den Bereich des Wohnraummietrechts eine Empfangsvollmacht, wonach die Mieter sich zum Empfang von Willenserklärungen ermächtigen, als zulässig erachtet (vgl. hierzu im Einzelnen BGH, a.a.O., Tz. 35 ff.). Für die hier vorliegende Abgabevollmacht hat der BGH ausdrücklich offen gelassen, ob eine solche wirksam wäre (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 28).
Soweit der Beklagte und der Streithelfer sich auf die Vollmacht vom 02. April 2011 (Anlage B 1, Bd. I, Bl. 58) berufen, erfasst diese ihrem Wortlaut nach keine Erklärungen bezogen auf das Mietverhältnis. Die Vollmacht ist erteilt für die Vertretung “in allen Angelegenheiten betr. die C… & C… GbR”. Mieter des Mietvertrages ist aber nicht die GbR, sondern sind die beiden Privatpersonen, der Kläger und der Streithelfer.
cc)
Ohne Erfolg macht der Streithelfer geltend, dass der Kläger der Kündigung zugestimmt hat und sie deshalb wirksam sei.
Wird die Kündigung durch einen Nichtbevollmächtigten erklärt, so ist sie unwirksam (§ 180 Abs. 1 BGB). Eine Genehmigung (nachträgliche Zustimmung, § 184 BGB) führt grundsätzlich nicht zur Wirksamkeit der Kündigung, weil § 185 BGB bei einseitigen Rechtsgeschäften nicht gilt (Bub/Treier/Grapentin, a.a.O., IV, Rdnr. 7 m.H. auf OLG Celle NZM 1998, 265; ZMR 2002, 187, Tz. 6; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 BGB, Rdnr. 56 mHa. OLG Celle ZMR 1999, 237).
Ungeachtet dessen lässt sich – entgegen der Ansicht des Streithelfers – aus dem Schreiben des Klägers vom 15.01.2014 (Anlage B 2; Bd. I, Bl. 59) nicht entnehmen, dass der Kläger der Kündigung des Streithelfers zugestimmt hätte. Vielmehr hat der Kläger hier unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er in diesem Räumen seine Tätigkeit fortsetzen will, und sogar eine moderate Mieterhöhung und Erhöhung der Kaution angeboten.
(b)
Den Kündigungserklärungen des Streithelfers kann – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass der Streithelfer allein aus dem Mietvertrag hätte ausscheiden wollen und eine Entlassung des Streithelfers aus dem bisherigen Mietverhältnis erfolgt wäre.
Zum einen kommt den Kündigungserklärungen ihrem Wortlaut nach ein solcher Erklärungsinhalt nicht zu. Vielmehr ergibt sich aus der Gesamtheit der Erklärungen des Streithelfers, insbesondere auch aus dem Kündigungsschreiben vom 05.12.2013 (B 4, Bd. I, Bl. 194), dass er allein das Mietverhältnis hätte fortsetzen wollen. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass einer Entlassung aus dem Mietverhältnis Vermieter und Mitmieter zustimmen müssen (OLG Koblenz NJW 1984, 244; offen gelassen für die Zustimmung des Mitmieters BGH NZM 2005, 452; s. Bub/Treier/Emmerich, a.a.O., II, Rdnr. 534). Jedenfalls eine Zustimmung des Vermieters ist hier nicht feststellbar. Denn der Beklagte hat mit dem Streithelfer den 8. Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, wonach der bestehende Mietvertrag geändert werden sollte und das Mietverhältnis nur noch mit dem Streithelfer als alleinigen Mieter fortgeführt werden soll (siehe Anlage K 8, Bd. II, Bl. 34).
Der Hauptantrag auf Feststellung, dass die Mietverhältnisse zwischen den Parteien (also ohne den Streithelfer) fortbestehen, ist daher unbegründet.
(c)
Der Kläger macht mit der Berufung zur Recht geltend, dass eine Doppelvermietung nicht vorliegt.
Nach dem Wortlaut des 8. Nachtrags zum Mietvertrag vom 22.03./11.04.1985 sollte der bestehende Mietvertrag über das Mietobjekt Cafè/Restaurant geändert werden und das zum 31.03.2014 gekündigte Mietverhältnis ab dem 01.04.2014 mit Herrn S… als alleiniger Mieter fortgeführt werden. Ferner ist geregelt, dass die Vereinbarungen und Bestimmungen des Mietvertrages vom 22.03/11.04.1985 mit den Nachträgen 1 bis 7 bestehen bleiben sollen. Nach der insoweit eindeutigen Erklärung sollte kein neues weiteres Mietverhältnis begründet werden. Dem Wortlaut des 8. Nachtrags, der sich im Übrigen nur auf den Mietvertrag über das Café/Restaurant und nicht auch auf den Mietvertrag über den Kiosk bezieht, lässt sich nicht der Erklärungswert bemessen, dass ein neuer Mietvertrag nur zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer geschlossen werden sollte. Diese Annahme des Landgerichts steht in direktem Widerspruch zum Wortlaut des 8. Nachtrags und wird vom Landgericht auch in keiner Weise näher begründet.
Letztlich kommt es für die Entscheidung hierauf nicht maßgeblich an. Denn die vom Kläger begehrte Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die Kündigungen des Streithelfers nicht beendet worden ist, sondern über dem 31.03.2014 fortbesteht, wäre auch dann zu treffen. Insoweit ist nicht nachvollziehbar begründet, warum das Landgericht, welches nach den Urteilsgründen auch von unwirksamen Kündigungen ausgegangen ist, die Klage dennoch abgewiesen hat.
3.
Der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten ergibt sich dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt des Verzuges oder einer Nebenpflichtverletzung (§§ 280,286 BGB). Der Kläger hat in der Klageschrift vorgetragen, dass er in einem persönlichen Gespräch am 12.12.2013 mit der zuständigen Sachbearbeiterin die Fragen erörtert habe, die aber mitgeteilt habe, dass die Kündigung als wirksam angesehen würde. Seine Auffassung habe der Beklagte mit Schreiben vom 07.03.2014 nochmals dargelegt ( Vortrag Bd. I, Bl. 8). Erst nach diesem Gespräch sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers beauftragt worden, so dass der Beklagte in Verzug gesetzt worden ist und daher ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gegeben ist. Soweit der Beklagte die Höhe der Kosten bestritten hat, ist dies unerheblich. Die geltend gemachte Rechtsanwaltskosten sind korrekt mit dem ausgeurteilten Betrag ermittelt (vgl. Berechnung in der Klageschrift auf Seite 6 unter Angabe der zutreffenden Gebührenvorschriften).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, § 101 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 707 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).