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Gilt die Hausordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft für den Mieter?

LG Hamburg, Az.: 317 S 55/11, Urteil vom 25.11.2011

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 02.05.2011, Az. 531 C 82/10, die Nr. 2 des amtsgerichtlichen Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, eine teilgewerbliche Nutzung der ihr überlassenen Wohnung zur Erteilung von Musikunterricht zu unterlassen.

2. Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Nr. 1 oder die – wie vorstehend abgeänderte – Nr. 2 des amtsgerichtlichen Urteils ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu € 10.000,00 ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Gilt die Hausordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft für den Mieter?
Foto: NiroDesign/Bigstock

Die auf Klagabweisung zielende Anschlussberufung bleibt erfolglos, die Berufung der Kläger führt zu einer umfassenden antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

1. Die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, ruhestörenden Lärm außerhalb der Ruhezeiten, die in der Hausordnung vom 29.8.2006 niedergelegt sind, zu unterlassen.

Die Kammer folgt – wie das Amtsgericht – der herrschenden Auffassung, dass einem Wohnungseigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB direkte Unterlassungsansprüche zustehen, wenn der Mieter eines anderen Wohnungseigentümers sich nicht an die Gebrauchsbeschränkungen hält, die sich aus der Teilungserklärung oder einem Beschluss der Eigentümergemeinschaft zur Gemeinschaftsordnung ergeben. Auf die Ausführungen des Amtsgerichts und die im Urteil zitierten Fundstellen wird Bezug genommen; ergänzend wird auf das Urteil des BGH vom 29.11.1995, Az. XII ZR 230/94, hingewiesen.

Es kommt für diesen Anspruch in keiner Weise darauf an, welche Regelungen im Mietvertrag der Beklagten mit dem betroffenen Wohnungseigentümer bzw. dem eingeschalteten gewerblichen Zwischenvermieter getroffen werden.

Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, ob sich aus der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme tatsächliche Verstöße der Beklagten gegen die Ruhezeiten ergeben, denn der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Kläger ist schon dann begründet, wenn die Beklagte ihre Bindung an die Hausordnung ernsthaft in Abrede stellt. Das war jedoch schon erstinstanzlich der Fall und mit ihrer Anschlussberufung lässt die Beklagte erneut dezidiert ausführen, dass die von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Hausordnung ihr gegenüber aus Rechtsgründen keine Wirkung entfalte, sondern sie nur an die in ihrem Mietvertrag getroffenen Regelungen gebunden sei.

2. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Zwar hat das Amtsgericht bei einem Streitwert von € 3.000,00 die Kosten zu 90% der Beklagten auferlegt, die Beschwer der Kläger bezüglich des zurückgewiesenen Teils ihres Klagantrags übersteigt jedoch die Erwachsenheitssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klagabweisung betrifft die Frage, ob die Beklagte Musikunterricht in ihren Räumlichkeiten insgesamt unterlassen muss; der Wert dieses Beschwerdegegenstands übersteigt nach Auffassung der Kammer € 600,00 deutlich.

3. Auf die Berufung der Kläger ist die Beklagte auch bezüglich des vom Amtsgerichts abgewiesenen Teils der Klage antragsgemäß zu verurteilen Die Beklagte ist verpflichtet, Musikunterricht in ihrer Wohnung vollständig zu unterlassen, weil es sich um eine Nutzung handelt, die gegen II § 2 Nr. 3 der Teilungserklärung verstößt.

Die Beklagte selbst betont, dass sie den streitigen Musikunterricht erteilt, um durch die daraus erzielten Einnahmen einen Teil ihres Lebensunterhalt zu bestreiten. Schon deshalb kann es nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei dem erteilten Musikunterricht um eine (teil-) gewerbliche Nutzung im Sinne der Regelung in der Teilungserklärung handelt; jedenfalls handelt es sich nicht um eine Wohnnutzung (vgl. dazu auch das Urteil des BGH v. 5.1.2010, Az. V ZR 72/09, wonach die dort streitige Vermietung an Feriengäste keine Wohnnutzung darstellt, die Wohnung aber gleichwohl zu diesem Zweck genutzt werden darf).

Die Ausführungen der Beklagten dazu, ob diese Nutzung über das Maß hinausgeht, das bei Wohnzwecken üblich ist, sind nicht für die Frage von Bedeutung, ob es sich um eine (teil-) gewerbliche Nutzung handelt, sondern für die davon deutlich zu trennende und nicht streitgegenständliche Frage, ob diese Nutzung gleichwohl nach der Zweckbestimmung der Teilungserklärung zu gestatten ist. Diesbezüglich regelt die Teilungserklärung eindeutig, dass Ausnahmen der Zustimmung des Verwalters bedürfen. Diese Bestimmung stellt sicher, dass ein Verfahren vorgesehen ist, das zu einem alle Eigentümer bindenden formellen Ergebnis führt. Soweit die Beklagte dazu in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausgeführt hat, dass der Verwalterfirma der Musikunterricht bekannt sei und sie von einer konkludenten Genehmigung ausgehe, kann dem nicht gefolgt werden, denn es ist gerade ein förmliches Verfahren vorgesehen. Ohne einen formellen Antrag und dessen Bescheidung kann daher eine Entscheidung des Verwalters nicht angenommen werden. Schon wegen der Tatsache, dass bezüglich des Musikunterrichts der Beklagten offenbar eine Vielzahl von Beschwerden verschiedener Wohnungseigentümer vorliegen, kann die Beklagte zudem eine bloße Kenntnis des Verwalters nicht als Zustimmung auslegen.

4. Die Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall des Verstoßes gegen das Unterlassungsurteil nach § 890 Abs. 2 ZPO kann im Urteil oder durch späteren Beschluss erfolgen (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 890 Rdnr. 12a). Ein Antrag ist von den Klägern richtigerweise schon mit der Klage angekündigt und schon in erster Instanz durch Bezugnahme darauf gestellt worden. Die Kammer hält es für zweckmäßig, die Androhung bereits jetzt auszusprechen, weil sonst darüber alsbald auf einen absehbaren Antrag der Kläger durch Beschluss entschieden werden müsste. Die Androhung von Ordnungsgeld bzw. -haft ist daher in den geänderten Tenor aufgenommen worden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 liegen nicht vor. Der Beschwerdewert für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO wird nicht erreicht.

6. Der am Tag der Verkündung vorgelegte Schriftsatz vom 24.11.2011 ist gem. § 296a ZPO bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Es besteht auch kein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, denn eine mögliche Genehmigung durch den Vermieter der Beklagten ist für die Entscheidung irrelevant.

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