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Heiz- und Warmwasserkosten – Kürzungsrecht des Mieters

LG Stralsund – Az.: 1 S 94/20 – Urteil vom 01.09.2021

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 28.05.2020, Az. 11 C 187/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 459,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 282,83 € seit dem 12.11.2017 und aus weiteren 176,37 € seit dem 23.04.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 36,7 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 63,3 %, von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 38,4 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 61,6 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 560,90 € festgesetzt.

Gründe

I.

Heiz- und Warmwasserkosten - Kürzungsrecht des Mieters
(Symbolfoto: gck71/Shutterstock.com)

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.

II.

Die gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil war im Umfang der eingelegten Berufung abzuändern.

1.

Der der Klägerin zustehende Anspruch auf Nachzahlung der Betriebskosten ist auch in den Jahren 2016 und 2017 zu kürzen. Das Kürzungsrecht gem. § 12 HeizkostenV besteht.

a)

§ 12 HeizkostenV findet Anwendung. Es kann dahinstehen, ob ein Ausnahmetatbestand des § 11 HeizkostenV vorliegt. Haben die Parteien die Anwendung der Vorschriften der HeizkostenV vereinbart, obwohl diese aufgrund eines vorliegenden Ausnahmetatbestands nicht Anwendung finden muss, gilt grundsätzlich auch die Regelung des § 12 und das darin enthaltene Kürzungsrecht als rechtsgeschäftlicher Bestandteil der Vereinbarung zwischen Gebäudeeigentümer und Nutzer (BeckOGK/Drager, 1.4.2021, HeizkostenV § 12 Rn. 6). Im Streitfall wird unter § 10 Ziff. 1 Abs. 3 des Mietvertrages ausdrücklich auf §§ 7 bis 10 HeizkostenV Bezug genommen, sodass auch § 12 HeizkostenV Anwendung findet. Dies folgt auch aus § 2 HeizkostenV, wonach die Vorschriften der HeizkostenV rechtsgeschäftlichen Bestimmungen vorgehen.

b)

Die Voraussetzungen des § 12 HeizkostenV liegen vor. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften dieser Verordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, hat der Nutzer das Recht, bei der nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten den auf ihn entfallenden Anteil um 15 vom Hundert zu kürzen.“

Nach dem Sinn und Zweck der Regelung müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen, um ein Kürzungsrecht auszuschließen. Nur wenn die Abrechnung den Vorschriften der HeizkostenV entspricht und verbrauchsabhängig ist, besteht kein Kürzungsrecht nach § 12 HeizkostenV.

Hierzu hat der Bundesgerichtshof, dessen Entscheidung die Kammer sich zu eigen macht, ausgeführt (Urteil v. 20. Januar 2016 – VIII ZR 329/14 -):

„Zweck der Heizkostenverordnung ist es, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (BR-Drucks. 570/08, S. 7; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Juli 2006 – VIII ZR 212/05, NZM 2006, 652 Rn. 14). Dem jeweiligen Nutzer soll durch die verbrauchsabhängige Abrechnung der Zusammenhang zwischen dem individuellen Verbrauch und den daraus resultierenden Kosten bewusst gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 9/14, NJW-RR 2015, 457 Rn. 21; siehe auch Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 12. Aufl., § 1 HeizkostenV Rn. 1).

Den individuellen Energieverbrauch zu erfassen, ist mithin die Kernforderung der Heizkostenverordnung. Deshalb ist grundsätzlich jede den Verbrauch des Nutzers einbeziehende Abrechnung, mag diese auch nicht in jedem Punkt den Vorschriften der Heizkostenverordnung entsprechen, einer ausschließlichen Abrechnung nach Wohnflächen vorzuziehen, da letztere den individuellen Verbrauch völlig unbeachtet lässt.“

Danach besteht aus vorgenannten Gründen selbst dann ein Kürzungsrecht gem. § 12 Abs. 1 HeizkostenV, wenn der Vermieter verbrauchsabhängig abgerechnet hat, indes ein Verstoß gegen § 5 HeizkostenV anzunehmen ist.

Die streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen gründen zwar auf einer verbrauchsabhängigen Abrechnung. Indes ist ein das Kürzungsrecht auslösender Verstoß gegen § 9 HeizkostenV anzunehmen.

(1)

Die den Abrechnungen zu Grunde liegenden Berechnungsmethoden entsprechen weder § 9 Abs. 1 S. 4 noch Abs. 2 oder Abs. 3 HeizkostenV.

Nach § 9 Abs. 1 S. 4 HeizkostenV können die Heizkosten wie folgt berechnet werden, wobei die Gesamtenergie und die Warmwasserenergie gemessen werden:

Heizenergie = Gesamtenergie – Warmwasserenergie

Bei dem im vorliegenden Fall betriebenen Blockheizkraftwerk werden hingegen die Gesamtenergie und die Heizenergie gemessen und die Warmwasserenergie wie folgt berechnet:

Warmwasserenergie = Gesamtenergie – Heizenergie

Somit divergieren beide Berechnungsmethoden, auch wenn bei beiden Methoden ein mathematischer Zwischenschritt erforderlich ist. Die angewandte Berechnungsmethode des hier gegenständlichen Blockheizkraftwerkes ist somit nicht normiert, obwohl auch Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerk) zu den zentralen Anlagen gehören (BeckOGK/Drager, 1.4.2021, HeizkostenV § 1 Rn. 6).

Eine Abrechnung nach § 9 Abs. 2 oder 3 HeizkostenV liegt ebenfalls nicht vor. Hierzu wäre die Klägerin auch nicht berechtigt. Eine solche Berechnung kann lediglich erfolgen, wenn die Wärmemenge nur mit einem unzumutbaren hohen Aufwand gemessen werden kann. Dies ist nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichtes nicht der Fall. Dies wird auch im Rahmen der Berufung nicht von den Parteien angegriffen.

(2)

Die Voraussetzungen einer Analogie zu § 9 Abs. 1 HeizkostenV liegen nicht vor. Voraussetzung für die Bildung einer Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke sowie die Vergleichbarkeit der Interessenlage.

Es besteht keine Regelungslücke. Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerk) zählen zu den zentralen Anlagen (BeckOGK/Drager, 1.4.2021, HeizkostenV § 1 Rn. 6). Verbundene Anlagen sind zentrale Anlagen zur Versorgung mit Wärme und Warmwasser. Das zentrale Blockheizkraftwerk versorgt die Wohnungen sowohl mit Wärme als auch mit Warmwasser. Für diese verbundenen Anlagen bestehen die in § 9 Abs. 1 HeizkostenV normierten Berechnungsmethoden. Grundsätzlich ist auch eine Messung der Warmwasserenergie, wie in § 9 Abs. 1 S. 4 HeizkostenV vorgesehen, nach den zutreffenden und unangegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts möglich.

Eine solche wäre auch nicht planwidrig. Der Verordnungsgeber hat sehenden Auges keine eigenständige Regelung für die Abrechnung im Blockheizkraftwerk geschaffen. Bereits vor der Änderung der HeizkostenV im Jahr 2009 war die Technologie des Blockheizkraftwerkes dem Verordnungsgeber bekannt, da Blockheizkraftwerke seit dem 01.01.2009 durch das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, kurz Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, gefördert werden. Dennoch wurde lediglich die in § 9 Abs. 1 S. 4 HeizkostenV niedergelegte Berechnungsmethode normiert. Die Möglichkeit, die Heizenergie zu messen und somit eine abweichende Berechnungsmethode zu verwenden, wurde auch im Zuge der Änderung der HeizkostenV nicht umgesetzt.

Es besteht auch keine vergleichbare Interessenlage. Es ist zwar richtig, dass bei mathematischer Umstellung der Formel sich die von der Klägerin angewandte Berechnungsmethode ergibt. Diese durch den Gesetzgeber nicht vorgesehene Umstellung widerspricht indes Sinn und Zweck der HeizkostenV. Hiernach soll der Nutzer nachhaltig beeinflusst werden, das Verbrauchsverhalten anzupassen, um Energieeinspareffekte zu erzielen. Dies zielt nicht nur auf die Einsparung damit verbundener Kosten hin, sondern ist auch unter Umwelt- und Naturschutzgesichtspunkten zu betrachten. Dies macht der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 14.09.2005, VIII ZR 195/04, deutlich, indem nicht nur die individuellen Kosten des Verbrauchers, sondern auch die Sparsamkeit der Volkswirtschaft in Bezug genommen wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei der Messung der Heizenergie der Nutzer lediglich in der Heizperiode anhand des Zählers nachvollziehen kann, wie viel Energie verbraucht wird. Außerhalb der Heizperiode ist eine Nachvollziehbarkeit und somit eine nachhaltige Beeinflussung des Verbrauchers dann auch hinsichtlich der Warmwasserkosten nicht möglich.

(3)

Das Kürzungsrecht umfasst nur die Warmwasserkosten.

Die Kürzung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV erfasst jedoch nicht die Kosten der Wärmeversorgung, wenn die für deren Verteilung erforderlichen Messgeräte – wie hier in den Jahren 2016 und 2017 – vorhanden sind und genutzt werden. Diese Auffassung entspricht dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV. Dieser regelt ein Kürzungsrecht „soweit“ die Kosten der Versorgung mit Wärme „oder“ Warmwasser nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden und lässt so eine Trennung der Kosten der Versorgung mit Wärme einerseits und Warmwasser andererseits zu (BGH, Urteil vom 14.09.2005, VIII ZR 195/04, Rn. 8, juris, mwN). Auch das mit dem Erlass der Heizkostenverordnung verfolgte Ziel stützt dieses Ergebnis. Mit dem Erlass der Heizkostenverordnung war bezweckt, Heizenergie dadurch einzusparen, dass dem jeweiligen Verbraucher mit der Abrechnung nicht nur sein Energieverbrauch, sondern auch die von seinem Verbrauch verursachten Kosten vor Augen geführt werden. Diese individuelle Verbrauchs-Kosten-Beziehung soll den einzelnen Verbraucher anregen und es ihm in die Hand geben, seinen Verbrauch individuell so zu gestalten, dass er für sich Kosten und für die Volkswirtschaft Energie sparen kann und den Gebäudeeigentümer oder Vermieter einen Anreiz geben, zumindest für die Wärmeversorgung Messgeräte vorzusehen (BGH aaO). Hier wird den Beklagten als Verbraucher der sparsame Umgang mit Heizenergie ermöglicht, da diese unstreitig seit 2016 gemessen und somit verbrauchsabhängig berechnet wird.

Das Kürzungsrecht besteht daher in folgendem Umfang:

  • 2016: 15 % v. 222,46 € = 33,37 €
  • 2017: 15 % v. 247,03 € = 37,05 €

2.

Für das Jahr 2015 besteht ein Kürzungsrecht iHv 195,88 €, welches nicht im Rahmen der Berufung angegriffen wurde. Die Überzahlung der Beklagten iHv 144,88 € begründet die erklärte Aufrechnung.

In einer vorbehaltlosen Zahlung einer sich aus einer Betriebskostenabrechnung ergebenden Nachforderung allein ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis nicht zu sehen (BGH, Urteil vom 12.01.2011, VIII ZR 296/09, Rn. 18, juris). Nach dem Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung wurde über die Betriebskostenabrechnung 2015 umfangreicher außergerichtlicher Schriftverkehr geführt, welcher jedoch dem Gericht nicht vorliegt. Insoweit brachte der Deutsche Mieterbund (DMB) wohl zum Ausdruck, dass er von einer Kürzung der anteiligen Wasserkosten, nämlich um 51,00 € ausgeht.

Allein in der Zahlung und dieser Aussage kann kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen werden. Die Zahlung allein genügt nicht (BGH aaO), da der Mieter, der eine Betriebskostennachforderung begleicht, eine reine Erfüllungshandlung erbringt. Zudem machte der DMB augenscheinlich das Kürzungsrecht gem. § 12 HeizkostenV geltend, sodass die Zahlung nicht vorbehaltlos erfolgte. Es kann nicht allein darauf abgestellt werden, dass der DMB zusätzlich noch die Kürzung bezifferte. Allein in der Bezifferung ist kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen. Etwas Anderes könnte sich zwar aus den konkreten Schreiben des DMB ergeben, soweit die Beklagten den übrigen Abrechnungssaldo als endgültig verbindlich anerkannt haben. Diese Schreiben liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin wäre hierfür darlegungs- und beweisbelastet, da sie sich auf ein Schuldanerkenntnis beruft. Allein aus dem Vortrag ergibt sich ein solches nicht.

3.

  • Somit ergibt sich für das Jahr 2015 eine Überzahlung von 144,88 €.
  • Für das Jahr 2016 hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagten iHv 461,08 € abzgl. des Kürzungsrechtes iHv 33,37 €, mithin 427,71 €. Insoweit ist die Aufrechnung iHv 144,88 € zu berücksichtigen.
  • Für das Jahr 2017 hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagten iHv 213,42 € abzgl. des Kürzungsrechtes iHv 37,05 €, mithin 176,37 €.
  • Somit ergibt sich ein Saldo von 459,20 € zugunsten der Klägerin.

4.

Die Zinsentscheidung des Amtsgerichtes war aufgrund des Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 abzuändern. Die Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB iVm § 11 des Mietvertrages bzw. § 291 BGB. Die Rechtshängigkeit der Klageerweiterung kann mangels förmlicher Zustellung der Klageerweiterung nicht hinreichend konkretisiert werden, ist jedoch spätestens mit Erwiderung auf die Klageerweiterung am 23.04.2019 den Beklagten zugegangen, §§ 253, 261 189 ZPO.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass sich der Streitwert um 113,60 € aufgrund der beschränkt eingelegten Berufung in der zweiten Instanz reduziert hat.

Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

 

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