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Mieterhöhung – Widerrufsrecht für eine Zustimmung

AG Pankow-Weißensee, Az.: 6 C 64/16, Urteil vom 05.08.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Vertrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mieterhöhung - Widerrufsrecht für eine Zustimmung
Symbolfoto: Von Doubletree Studio /Shutterstock.com

Der Kläger ist Mieter der Wohnung …. Er übernahm im Sinne des § 563 BGB die Wohnung von seinen verstorbenen Eltern. Die Beklagte wurde durch rechtsgeschäftlichen Erwerb Vermieter der Wohnung. Am 17.07.2015 erhielt der Kläger von der Beklagten ein Schreiben, in dem diese die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 807,87 € auf 929,05 € mit Wirkung zum 01.10.2015 verlangte. Der Kläger stimmte diesem Verlangen zunächst zu. Mit einem Schreiben vom 27.08.2015 widerrief er diese Zustimmung. Die Vermieterin erwiderte darauf mit einem Schreiben vom 31.08.2015, dass sie dem Widerruf des Klägers nicht zustimmen könne. Der Kläger zahlte den Erhöhungsbetrag nicht. Er erhielt daraufhin Mahnungen von der Beklagten und zahlte schließlich die streitigen rückständigen Monatsbeträge von 121,18 € für die Zeit seit dem 01.10.2015 sowie den laufenden Erhöhungsbetrag ab 01.03.2016 unter Vorbehalt der Rückzahlung. Die anteiligen Zahlungen des Klägers für die Zeit ab einschließlich Oktober 2015 bis einschließlich Juli 2016 bilden den Gegenstand des Klageantrags zu 1.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.211, 80 € zu zahlen,

2. festzustellen, dass die vom Kläger für die Wohnung … geschuldete Nettokaltmiete seit dem 01.08.2016 unverändert 807,87 € monatlich beträgt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die nach der mit Zustimmung der Beklagten erfolgten Änderung auf ein Leitungsbegehren für die bereits gezahlten Raten jedenfalls zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Widerrufsrecht für die von ihm zuvor erklärte Zustimmung zu der Mieterhöhung nicht zu.

Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus § 355 BGB in Verbindung mit den §§ 312 c, 312 g BGB, § 312 IV BGB. Dabei liegt zunächst ein Vertragsabschluss zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer im Sinne der vorgenannten Vorschriften vor, denn bei der Zustimmung zu einer Mieterhöhung handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarung zum bestehenden Dauerschuldverhältnis. Die im Einzelfall unter Umständen problematische Unternehmereigenschaft des Vermieters hat dieser hier nicht in Abrede gestellt.

Gem. § 312 I IV BGB fallen Verträge über die Vermietung von Wohnraum in den Anwendungsbereich der Regelungen über Verbraucherverträge. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist zunächst schon fraglich, ob Zustimmungsverlangen nach den §§ 558 ff. BGB überhaupt in den durch § 312 BGB eröffneten Anwendungsbereich fallen, denn es handelt sich – wie oben ausgeführt – um eine Änderungsvereinbarung über bereits vermietete Räume, nicht einen Vertrag über die erstmalige Vermietung der Räume überhaupt.

Allerdings erscheint es dem Gericht methodisch zweifelhaft, die in § 312 Abs. IV S. 2 BGB enthaltene Ausnahmeregelung als analogiefähig anzusehen, denn auch wenn in Fällen wie hier der Mieter die Wohnung regelmäßig bei Abgabe der relevanten Willenserklärung kennt und somit eine grundsätzlich vergleichbare Tatsachensituation besteht, sind Ausnahmebestimmungen als solche eben nicht analogiefähig.

Ein Widerrufsrecht des Klägers besteht jedenfalls deswegen nicht, weil hier kein Fernabsatzvertrag nach § 312 c BGB gegeben ist. Zwar wurde die Zustimmung des Mieters nach § 558 b I BGB von der Beklagten in einem Schreiben erbeten, dies führt jedoch nicht dazu, dass darin auch ein Fernabsatzgeschäft zu sehen ist. Denn es ist für den Vermieter nach § 558 a BGB die ausdrückliche gesetzliche Vorgabe, dass Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in Textform, d. h. auf einem Datenträger im Sinne des § 126 b BGB zur erklären und zu begründen sind. Am 17.07.2015 ging dem Kläger ein Schreiben der Beklagten zu, in dem sie eine Erhöhung der Nettokaltmiete um 121,18 € unter Bezugnahme auf den beigefügten Berliner Mietspiegel, forderte. Ein Briefwechsel alleine stellt noch kein Fernabsatzgeschäft dar (Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 558 b Rn. 35 b). Zwar stellt auch der Brief gem. § 312 c II BGB ein, einen Fernabsatz begründendes, Fernkommunikationsmittel dar, allerdings fehlt es an einem gem. § 312 c I BGB für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystem. Der Begriff des Fernabsatzvertrages impliziert durch den Begriff des Absetzens, dass eine Leistung erbracht wird (Medinger, NZM 2015, S. 185 (190); AG Spandau, Urteil v. 27.10.2015, Az. 5 C 267/15). Dies ließe sich für das Begründen eines Mietverhältnisses bejahen, nicht jedoch bei der bloßen Erhöhung der Miete. Dabei handelt es sich lediglich um eine systematische Realisierung nachträglicher Vertragsänderungen. Die Vorschrift ist jedoch nur anwendbar, wenn der Hauptgegenstand des Vertriebs oder der Dienstleistung im Fernabsatz organisiert ist. Die Leistung des Vermieters, nämlich die Vermietung der Wohnung, bleibt jedoch gleich, lediglich fordert er dafür eine höhere Gegenleistung (AG Spandau, Urteil v. 27.10.2015, Az. 5 C 267/15).

Noch gewichtiger und für das Gericht entscheidend ist aber, dass die ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben für den tatsächlichen Ablauf im Falle eines Zustimmungsbegehrens eines Vermieters bei Annahme eines Widerrufsrechts des Mieters zu einem gesetzlich gewollten Fall eines venire contra factum proprium führen würden, was weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem Zweck des Gesetzes selbst entsprechen kann. Denn nach § 558 b Abs. II BGB, der zudem nach Absatz vier der genannten Norm unabdingbar ist, ist jedem Mieter ein Zeitraum von minimal zwei Monaten eröffnet, innerhalb dessen er sich über die Berechtigung des an ihn gerichteten Verlangens Klarheit verschaffen kann. Die Begründungspflicht für den Vermieter nach § 558 a BGB schafft jedenfalls vom theoretischen Ansatz her – sehr gut begründbare Bedenken gegen die Berliner Mietspiegel haben als grundsätzlich behebbar hier unberücksichtigt zu bleiben – für einen Mieter eine zusätzliche Erleichterung, die Begründetheit eines Zustimmungsverlangens an sich und gegebenenfalls wegen seines nur eingeschränkten Umfangs beurteilen zu können. Einem Mieter nach Abschluss eines zumindest achtwöchigen Entscheidungsfindungsprozesses und einer in der Konsequenz dessen bewusst abgegebenen Willenserklärung die Möglichkeit zu eröffnen, vollständig begründungslos diese Erklärung wieder ungeschehen machen zu können, hält das Gericht für komplett widersinnig und nicht begründbar.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. I, 708 Nr. 11, § 711 ZPO, § 709 S. 2.

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