Heizkosten und Ermessensspielraum: Wie weit darf der Vermieter gehen?
Die Heizkostenabrechnung ist ein wiederkehrendes Streitthema zwischen Mietern und Vermietern. Im Fokus steht oft die Frage, inwieweit der Vermieter verpflichtet ist, eine verbrauchsabhängige Abrechnung vorzunehmen. Ein Urteil des Landgerichts Leipzig (Az.: 2 S 66/13) vom 7. Oktober 2013 hat sich intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Im Kern ging es darum, ob der Vermieter im Rahmen seines Ermessens eine andere als die verbrauchsabhängige Abrechnungsmethode wählen darf, insbesondere wenn die Erfassungsraten des individuellen Wärmeverbrauchs unter bestimmten Grenzwerten liegen.
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Übersicht
Ermessensspielraum des Vermieters
Der Fall drehte sich um die Klägerin, die gegen ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig Berufung eingelegt hatte. Die Berufung wurde jedoch zurückgewiesen. Ein zentraler Punkt war der Ermessensspielraum des Vermieters bei der Wahl der Abrechnungsmethode. Laut § 7 Abs. 1 3 der Heizkostenverordnung (HeizkostenV) handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Das bedeutet, der Vermieter hat grundsätzlich einen gewissen Spielraum bei der Entscheidung, wie er die Heizkosten abrechnet.
Kritische Grenzwerte und ihre Bedeutung
Die Heizkostenverordnung sieht vor, dass eine verbrauchsabhängige Abrechnung dann „angezeigt“ ist, wenn mindestens 20% des Wärmeverbrauchs nicht verursachergerecht erfasst werden können. In diesem Fall lagen die Erfassungsraten jedoch bei nur 26,1% bzw. 20,3%. Das Gericht stellte fest, dass diese Werte deutlich unter dem kritischen Grenzwert von 34% liegen, der als Richtlinie für eine verbrauchsabhängige Abrechnung gilt.
Leerstand als zusätzlicher Faktor
Ein weiteres Argument, das der Vermieter hätte ins Feld führen können, ist der Leerstand im Gebäude. Bei hohen Leerstandsraten könnte die Erfassung des individuellen Wärmeverbrauchs ungenau sein. Doch selbst hier sah das Gericht keinen ausreichenden Grund für den Vermieter, von der verbrauchsabhängigen Abrechnung abzuweichen. Ein Leerstand von lediglich 8% reichte nicht aus, um das Ermessen des Vermieters so weit aufzuweichen, dass er nicht mehr an die gesetzlichen Vorgaben gebunden wäre.
Energiesparziel des Gesetzgebers
Das Gericht betonte auch die Intention des Gesetzgebers, den Energieverbrauch aus volkswirtschaftlichen Gründen zu reduzieren. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vermieter entweder eine moderne Heizanlage einbaut oder zumindest eine verbrauchsabhängige Abrechnung durchführt, die den Mieter zum Energiesparen anregt. In diesem Fall sah das Gericht keinen Anlass, eine verbrauchsabhängige Abrechnung auch nur in Erwägung zu ziehen, da die Erfassungsraten deutlich unter den kritischen Grenzwerten lagen.
Das Urteil macht deutlich, dass der Ermessensspielraum des Vermieters bei der Heizkostenabrechnung nicht grenzenlos ist. Insbesondere wenn die Erfassungsraten des individuellen Wärmeverbrauchs unter bestimmten Grenzwerten liegen, ist eine verbrauchsabhängige Abrechnung nicht nur „angezeigt“, sondern sogar geboten.
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Das vorliegende Urteil
LG Leipzig – Az.: 2 S 66/13 – Beschluss vom 07.10.2013
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichtes Leipzig vom 28.01.2013 – Aktenzeichen: 162 C 5761/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 987,52 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Insoweit wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf das Urteil des Amtsgerichtes Leipzig vom 28.01.2013 sowie den Hinweis der Kammer vom 17.06.2013 Bezug genommen.
Auch das Schreiben der Klägerseite vom 12.07.2013 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Nach Lage der Akten ist eine Entscheidung im Beschlussweg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eröffnet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es bedarf nicht für jede entscheidungserhebliche Tatbestandsvoraussetzung einer höchstgerichtlichen Entscheidung.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Nicht jede Auswechselung der Begründung zwingt zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung. So kommt eine Zurückweisung durch Beschluss mangels Erfolgsaussicht in Betracht, wenn sich aus der Berufungsbegründung keine Gesichtspunkte ergeben, die eine Abänderung des Ersturteils aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen rechtfertigen, dabei darf die Begründung auch ausgewechselt und materiell oder prozessual von einer anderen Begründung ausgegangen werden (Zoller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 522, Rd. 36, 40; OLG Rostock, MDR 2003, 828; KG, MDR 2008, 712).
Zu den materiell-rechtlichen Einwendungen im Schreiben vom 12.07.2013 ist auszuführen, dass eine Pflicht des Vermieters zur verbrauchsabhängigen Abrechnung bestanden hat.
Zwar ist es richtig, dass § 7 Abs. 1 3 HeizkostenV eine Ermessensvorschrift darstellt (Schmid in Münchener Kommentar, Heizkostenverordnung, § 7 Rn. 6), der nicht ohne weiteres eine Ermessensreduzierung auf Null für jede Fallkonstellation entnommen werden kann. Allerdings ist mit Blick auf die Motive des Gesetzgebers eines verbrauchsunabhängige Bestimmung des Wärmeverbrauchs dann „angezeigt“, wenn ein Anteil von mindestens 20 % nicht verursachergerecht erfasst werden kann (Bundesratsdrucksache 570-08 Anlage Seite 2). Da eine Heizanlage eine Erfassungsrate von mindestens 43 % erreichen soll (Wall in WuM 2009, Seite 9), ist die Erfassungsrate, welche der Gesetzgeber zur verbrauchsabhängigen Abrechnung vor Augen hatte, selbst bei einem weiteren Abschlag aufgrund der Rohrabwärme bei mindestens 34 % anzusiedeln. Ob und inwieweit der Vermieter im Einzelfall bei Erfassungsraten im Bereich des kritischen Grenzwertes von 34 % ein Ermessen in Bezug auf die Abrechnungsmethode hat, kann an dieser Stelle aber offen bleiben. Die hier relevanten Erfassungsraten befinden sich nämlich nicht im Bereich der kritischen 34 %, sondern liegen mit Werten von 26,1 % bzw. 20,3 % deutlich darunter, womit nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die Entscheidung des Vermieters der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Bedenkt man, dass das VDI-Verfahren ohnehin nur für gravierende Fälle vorgesehen ist, müsste der Vermieter darlegen, warum er sich im Rahmen seines Ermessens gegen die angezeigte Berechnung nach den Allgemeinen Regeln der Technik entschieden hat (Schmid in Münchener Kommentar, Heizkostenverordnung, § 7 Rn. 6). Es ist jedenfalls nicht Sache des Mieters zu beweisen, dass der Vermieter nicht zur Vornahme einer komplizierten, aber gesetzlich vorgesehenen Berechnung verpflichtet war.
Es ist ebenfalls zutreffend, dass die Erfassung des individuellen Wärmeverbrauchs bei einem hohen Leerstand oft ungenauer als bei geringen Leerstands raten ist. Dennoch können diese Faktoren das Ermessen des Vermieters allenfalls beeinflussen. Bei Erfassungsraten von 26,1 bzw. 20,3 % vermag auch ein Leerstand von lediglich 8 % das Ermessen des Vermieters nicht so weit aufzuweichen, dass dieser nicht mehr an die gesetzlichen Vorgaben des § 7 Abs. 1 3 HeizkostenV gebunden ist.
Vielmehr ist es so, dass sowohl mit Blick auf die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze als auch auf die Intention des Gesetzgebers eine verbrauchsunabhängige Abrechnung angezeigt gewesen wäre. Der Mieter hat ein Recht auf eine nachvollziehbare Ermessensausübung, die in diesem Fall bei Erfassungsraten von 26,1 oder 20,3 % aber ohne nähere Begründung nicht gegeben ist.
Der Gesetzgeber hat mit der Novellierung der Heizkostenverordnung das Motiv verfolgt, den Energieverbrauch aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu reduzieren und sich damit ein Ziel gesetzt, das sich nur verwirklichen lässt, wenn der Vermieter entweder eine moderne Heizanlage einbaut oder aber zumindest die Abrechnung so durchführt, dass der individuelle Verbrauch nachvollziehbar und der Mieter zum Energiesparen animiert wird. Beides lässt sich nur dann erreichen, wenn das Ermessen aus § 7 Abs. 3 HeizkostenV nicht grenzenlos ausgelegt wird. Die hier streitgegenständlichen Erfassungsraten geben jedenfalls keinen Anlass, eine verbrauchsabhängige Berechnung in Erwägung zu ziehen.
Aus alledem folgt, dass die Berufung zurückzuweisen war.
Der Beschluss wurde einstimmig gefasst.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Berufungsstreitwertes erfolgte gemäß § 47 Abs. 1 GKG.