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Kündigung Mietvertrag wegen massiver wiederholter Beleidigungen des Vermieters

AG Wedding – Az.: 19b C 19/17 – Urteil vom 07.09.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt es jedoch nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 11.1.2016 einen Mietvertrag über die Wohnung … . In dem schriftlichen Mietvertrag war ein Keller für die Beklagte nicht erwähnt. Die Klägerin überließ der Beklagten dennoch einen Kellerraum. Trotz Aufforderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2016 gab sie diesen Raum jedoch nicht zurück. Mit Schreiben vom 31.10.2016 teilte sie einen Widerspruch gegen den “Entzug der Kellernutzung” mit. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 18 und 19 der Akte Bezug genommen. Ein ähnliches Schreiben erfolgte unter dem 16.11.2016 (Bl. 20 der Akte). Mit Schreiben vom 23.11.2016 forderte die Klägerin erneut zur Herausgabe des Kellers auf (Bl. 21 und 22). Hierauf antwortete Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2016, in dem sie “Widerspruch gegen den verleumderischen Brief ihrer verbrecherischen vorgeblichen ´Rechtsvertreter´, mit dem […] die mit der Wohnung angemieteten Keller” gestohlen werden sollten, einlegte (Bl. 23). Mit Schreiben vom 28.11.2016 bezeichnete sie die von der Klägerin in einer anderen Sache beauftragten Handwerker als “Verbrecher vom Antennendienst” und vom “verleumderischen und diebischen Ansinnen der rachsüchtigen Eigentümerin”. Auch in der Folge verfasste die Beklagte weitere Schreiben, die in einem vergleichbaren Sprachduktus gehalten waren.

Mit Schreiben vom 7.2.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der weitergehenden Kellernutzung und der fortdauernden Beleidigungen ab (Bl. 26 bis 28 der Akte). Mit Schreiben vom 23.3.2017 setzte die Klägerin der Beklagten eine letzte Frist zur Herausgabe des Kellers (Bl. 30f. der Akte). Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 27.3.2017 (Bl. 32 bis 39). Hier sprach sie von “grenzenlosen ´Strunzdoofheit´ und ´Saublödheit´” der “´Schwerstverbrecher´ der vorgeblich rechtsfreien ´Rechtsvertreter´” sowie der “´Terroristen´ von ´Polizei´ und ´Justiz´”. Vorherige Schreiben der Rechtsanwälte werden als “Verbrecherpamphlete” bezeichnet. Das in kleiner Schrift, engzeilig verfasste und mehr als 10 Seiten lange Schreiben enthielt darüber hinaus weitschweifige und nicht nachvollziehbare Ausführungen zu allen möglichen Bereichen geschichtlicher und politischer Art. Beispielsweise spricht sie neben Schimpftiraden auf “terroristische Amerikaner”, die diesem Land “jeglichen Abschaum der Erde” aufgezwungen haben, und “illegalen türkischen Freimaurern” von einem “Fränkisch-Thüringisch-Japanischen Weltreich der Würzburger” und dem “satanisch freimaurerischen Euro”.

Mit Schreiben vom 13.6.2017 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten außerordentlich fristlos und vorsorglich fristgemäß. Die Klägerin begründete dies zum Einen damit, dass sie den Kellerraum nicht herausgegeben habe, und zum Anderen damit, dass sie sowohl von der Klägerin beauftragte Handwerker als auch von der Klägerin beauftragte Rechtsanwälte als Verbrecher bezeichnet habe. Trotz Abmahnung habe sie die Beleidigungen fortgesetzt.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 13.6.2017 die Beklagte auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen und vorsorglich das Mietverhältnis erneut gekündigt.

Die Klägerin ist der Meinung, dass sowohl die beharrliche Weigerung, den Keller an die Klägerin herauszugeben, als auch die unzähligen Beleidigungen wichtige Gründe zur Beendigung des Mietverhältnisses darstellen würden. Die Beklagte habe die Klägerin und ihre Bevollmächtigen dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass sie diese in strafrechtlich relevanter Weise gem. § 185 StGB beleidigt habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr im Hause … gelegene Wohnung, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad sowie Diele in geräumten Zustand an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 15.6.2017 hat die Klägerin erneut mit einem 15-seitigen, eng verfassten Schreiben Widerspruch gegen die “´Verbrecher´ und deren fristlose Kündigung vom 13. Juni 2017” erhoben. Dort spricht sie hinsichtlich der Kellerherausgabe von “´Lieblingslügen´ der ´Schwerstverbrecher´”. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.7.2017 erneut die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.

Die Beklagte hat weitere Schriftsätze vom 18.7.2017, 24.7.2017 und 29.8.2017 an das Gericht gesendet, die äußerlich vergleichbar aufgebaut und inhaltlich ähnlich strukturiert wie die außergerichtlichen Schreiben der Beklagten sind.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I)

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückgabe der Mietwohnung gegen die Beklagte. Gem. § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Hier ist das Mietverhältnis aber noch nicht beendet. Zwar hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.6.2017 sowie vorsorglich mit Klageschrift vom gleichen Tag und mit Schriftsatz vom 11.7.2017 die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Es lag jedoch kein ausreichender Grund vor, der diese Kündigung begründen könnte.

Die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses war nicht berechtigt. Gem. § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Beide von der Klägerin angeführten Begründungen – die Nichtherausgabe des Kellerraums und die Beleidigungen von Mitarbeitern, Handwerkern und Rechtsvertretern – wiegen aber jedenfalls nicht so schwer, dass der Vermieterin nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden konnte und die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich gewesen wäre.

Aber auch die vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigungen des Mietverhältnisses waren nicht berechtigt. Gem. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Eine solche erhebliche Verletzung liegt hier nicht in der Nichtherausgabe des Kellerraums. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagten ein Anspruch auf einen Kellerraum zugestanden hat oder nicht. Auch wenn man unterstellt, dass ihr ein solcher Anspruch nicht zugestanden hat, würde es sich insoweit um eine Pflichtverletzung handeln, die die Klägerin nicht in erheblichem Maße verletzen würde. Die Gebrauchsüberschreitung der Mieterin erreichte nämlich nicht das erforderliche, gewisse Gewicht (vgl. hierzu Schmidt-Futterer-Blank, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 573, Rn. 21). Denn beim zurückgehaltenen Kellerraum handelt es sich um einen abgegrenzten Teil der Mietsache. Insofern würde es die Klägerin nicht unzumutbar belasten, wenn sie den Streit um den Kellerraum gerichtlich durchsetzen würde. Es ist vorliegend auch nicht so, dass sich die Beklagte den Besitz am Kellerraum offensichtlich rechtswidrig angeeignet hätte. Vielmehr ist der Keller ihr zunächst einvernehmlich von der Vermieterin überlassen worden. Der Streit geht vorliegend vielmehr darum, ob die Überlassung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung der Klägerin erfolgt ist oder auf freiwilliger Basis.

Auch hinsichtlich der von der Beklagten schriftlich ausgesprochenen Beleidigungen bzgl. der Mitarbeiterin der Vermieterin und der von der Klägerin eingeschalteten Handwerker und Rechtsvertreter geht das Gericht – zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt – noch nicht von einer erheblichen Pflichtverletzung aus. Hinsichtlich der Frage, ob durch eine Pflichtverletzung die Frage der Erheblichkeit überschritten wird, ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen (Blank, a.a.O.). Für die Frage, ob der Pflichtenverstoß als nicht unerheblich zu bewerten ist, muss es in erster Linie darauf ankommen, welche Auswirkungen das Verhalten des Mieters auf die Mietsache, die übrigen Hausbewohner und den Vermieter hat (Blank, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Mietsache und die übrigen Hausbewohner durch die Beleidigungen der Beklagten nicht betroffen sind, sie richten sich alleine gegen die für die Klägerin handelnden Personen. Zwar handelt es sich dabei jeweils um massive verbale Angriffe, die in den Schreiben der Beklagten enthalten sind, die sich auf eine vulgäre Art und Weise gegen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Klägerin und die fachliche Kompetenz der handelnden Personen richten. Die von der Beklagten gewählten Formulierungen – u.a. ´Verbrecher´ und ´Schwerstverbrecher´ der vorgeblich rechtsfreien ´Rechtsvertreter´ – sind insoweit grundsätzlich geeignet, den Mitarbeitern der Klägerin und ihren Beauftragten “die moralische Integrität generell oder in einer bestimmten Richtung” abzusprechen (vgl. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, StGB, 29. Auflage 2014, § 185, Rn. 2, mit weiteren Nachweisen). Hieran ändert auch nichts, dass die Beklagte bestimmte Ausdrücke in Anführungszeichen setzt.

Jedoch beschränken sich die Ausfälligkeiten der Beklagten auf Verbalattacken, ohne dass von der Beklagten in irgendeiner Form Gewalt angedroht werden würde. Vor allem aber muss – aus Sicht des Gerichts – berücksichtigt werden, dass durch die Schreiben der Beklagten die Ehre der betroffenen Personen nicht in erheblichem Umfang tangiert worden ist. Der jedem Menschen berechtigterweise zustehende Geltungswert wird durch die Schreiben der Beklagten nicht in besonderer Weise beschnitten (vgl. ausführlich: Lenckner/Eisele, a.a.O., Vorbem. zu §§ 185ff, Rn. 1, mit weiteren Nachweisen). Denn unabhängig von der Frage, ob insoweit die Schwelle der Schuldfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit i.S. des Strafgesetzbuches überschritten worden ist, leidet die Beklagte erkennbar an einem erheblich gestörten Weltbild, das es ihr deutlich erschwert, sich entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation zu verhalten. Dies manifestiert sich ohne weiteres in den Schreiben, in deren Rahmen die Beleidigungen erfolgt sind und die bei Gericht eingereicht worden sind. Erkennbar ist dies bereits an der Form der Schreiben. Sie sind sehr lang, einzeilig und in kleiner Schritt gedruckt. Sie erhalten auch allgemeine Ausführungen zu Geschichte und Politik, die erkennbar mit dem Problem der Kellernutzung nichts zu tun haben. Insgesamt ergibt sich aus den Schreiben auch eine Weltsicht der Beklagten, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten nur noch wenig zu tun hat. Dementsprechend stößt die Beklagte auch nicht nur Beleidigungen gegen die Klägerin und ihre Vertreter aus, sondern in der Tat gegen die halbe Welt: gegen “terroristische” Amerikaner, gegen die “Terroristen von Polizei und Justiz”, gegen die “illegalen türkischen Freimaurer”, gegen den “gesamten Abschaum der Welt”, gegen die “weltweiten Völkermörder”, gegen die “Mörder der Medizin und Pharmaindustrie”, etc. Gegründet wird dies auf eine nicht mehr nachvollziehbare historische Betrachtung, deren Angelpunkt wohl ein Fränkisch-Thüringisch-Japanisches Weltreich der Würzburger sein soll.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nicht erkennbar ist, dass es sich bei der Klägerin, bei der es sich um eine GmbH & Co. KG handelt, um eine Kleinvermieterin handeln würde, oder dass eine der betroffenen Personen ihren Lebensschwerpunkt im Umfeld der Beklagten haben würde und insoweit von den Anwürfen der Beklagten besonders betroffen wäre.

II)

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

 

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