Skip to content
Menü

Kündigung einer Wohnung zwecks Unterbringung einer Pflegeperson

Komplexer Mietrechtsfall: Kündigung für Pflegepersonal-Unterbringung

Stellen Sie sich vor, Sie müssen Ihre Wohnung für eine Pflegekraft aufgeben. Würden Sie das freiwillig tun? In einem komplizierten Rechtsfall, der hier zur Diskussion steht, wurde genau dies von einem Mieter verlangt. Die Problematik ist eindeutig: Die Notwendigkeit, Pflegepersonal unterzubringen, gegen das Recht eines Mieters, in seiner Wohnung zu bleiben. Der Mieter versuchte, die Situation zu bekämpfen und brachte den Fall vor Gericht.

Direkt zum Urteil Az.: 13 S 125/20 springen.

Detailanalyse des Falls

In diesem Fall befand sich das Landgericht Stuttgart in der schwierigen Position, die Rechte des Mieters gegen den Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für Pflegepersonal abzuwägen. Der Mieter, unser Kläger, war dagegen, seine Wohnung für Pflegepersonal freizugeben. Seine Argumentation war, dass er nicht gezwungen werden sollte, eine Pflegeperson gegen seinen Willen in seiner eigenen Wohnung aufzunehmen.

Gerichtliche Untersuchung und Bewertung

Das Gericht, in seiner Untersuchung, stellte fest, dass es sich bei der betreffenden Wohnung und der des Mieters um zwei getrennte Wohnungen handelt. Es wurde daher festgestellt, dass der Mieter keine unangemessenen Störungen durch das Pflegepersonal zu erwarten hat. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass der Lärm, der durch die Unterbringung des Pflegepersonals in der Wohnung über dem Mieter verursacht werden könnte, nicht so gravierend ist, dass dies einen gültigen Grund darstellt, die Wohnung nicht zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger und seine Rechte

Trotz der Argumente des Klägers hielt das Gericht den Wunsch des Klägers, die Wohnung nicht zur Verfügung zu stellen, für missbräuchlich. Es wurde argumentiert, dass der Kläger seinen Bedarf decken kann, ohne wesentliche Abstriche hinnehmen zu müssen. Auch der Einwand des Klägers bezüglich der Hellhörigkeit des Hauses wurde vom Gericht nicht als gültig erachtet. Es wurde festgestellt, dass der Kläger in gewissem Rahmen Einschränkungen hinnehmen muss.

Ausblick und Konsequenzen

Insgesamt stellte das Gericht fest, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und dass der Fall keine grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Beurteilung beruht auf der Annahme, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können. Damit bleibt die Frage der Unterbringung von Pflegepersonal in Wohnungen weiterhin ein heiß diskutiertes Thema.

[…]


Das vorliegende Urteil

LG Stuttgart – Az.: 13 S 125/20 – Beschluss vom 07.12.2020

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 18.09.2020, Az. 36 C 495/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren festzusetzen auf € 9.240,00.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat nach vorläufiger Einschätzung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die weiteren für die Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren erforderlichen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor.

Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, zu einem abweichenden Ergebnis zu gelangen.

Das Amtsgericht hat nachvollziehbar und zutreffend festgestellt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger die gekündigte Wohnung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB „benötigt“, weil er den Wohnbedarf seiner Pflegeperson in einem Alternativobjekt – der Wohnung über der klägerischen Wohnung – befriedigen kann und die Kündigung deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

a) Dabei hat das Amtsgericht richtig gesehen, dass grundsätzlich ein Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Amtsgericht hat aber zutreffend aufgrund der Nähe zur Fallgruppe des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Prüfung des klägerischen Bedarfs an den Maßstäben einer Eigenbedarfskündigung vorgenommen.

b) Selbst im Fall des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlt es aber am Eigenbedarf, wenn dem Vermieter eine andere freistehende Wohnung zur Verfügung steht, durch die der Bedarf gedeckt werden kann, und die Kündigung deshalb als rechtsmissbräuchlich erscheint.

Ein rechtsmissbräuchlicher Erlangungswunsch wird zwar in der Rechtsprechung nur ausnahmsweise angenommen. Grundsätzlich ist dem Eigentümer mit Blick auf die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgewährleistung ein weiter Ermessensspielraum bei der Einschätzung seines Bedarfs einzuräumen (BGH, Urteil vom 04.03.2015, VIII ZR 166/14). Es reicht, wenn der Nutzungswunsch auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe zurückgeht (BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988, VIII ARZ 4/87). Die Gerichte sind dabei nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen (BGH, Beschluss vom 21.08.2018, VIII ZR 186/17). Der Vermieter handelt allerdings rechtsmissbräuchlich, wenn ihm eine vergleichbare andere Wohnung zur Verfügung steht, in der er seinen Wohnbedarf ohne wesentliche Abstriche befriedigen kann (BGH, Beschluss vom 23.08.2016, VIII ZR 178/15 m. w. N.). Ob der Erlangungswunsch im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist, muss anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände bestimmt werden (BGH, Urteil vom 04.03.2015, VIII ZR 166/14).

Vorliegend ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger durch Inanspruchnahme der über seiner Wohnung liegenden Wohnung für die Pflegekraft seinen Nutzungsbedarf befriedigen kann, ohne dabei wesentliche Abstriche hinnehmen zu müssen. Den Erlangungswunsch des Klägers hält die Kammer wie das Amtsgericht deshalb für rechtsmissbräuchlich.

aa) Der Kläger ist zwar zu Recht der Auffassung, dass ihm nicht zugemutet werden könnte, eine Pflegeperson gegen seinen Willen in seine eigene Wohnung aufzunehmen.

So wie die konkrete örtliche Situation vom Amtsgericht im Ortstermin festgestellt wurde, kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich um zwei getrennte Wohnungen handelt und der Kläger nicht damit rechnen muss, in der von ihm bewohnten Wohnung mit der Pflegeperson außerhalb deren Pflegeeinsatzes zusammenzutreffen. Das Amtsgericht hat sich nach Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins eine Überzeugung dahingehend gebildet, dass es sich bei der Wohnung über dem Kläger faktisch um eine abgetrennte Wohnung handelt. Zwar hätten die Wohnung des Klägers und die über ihm liegende Wohnung die gleiche Wohnungstüre, doch seien die Wohnungen im Flur jeweils durch eigene Türen abgetrennt.

Zu seinen tatsächlichen Feststellungen ist das Amtsgericht nach dem Ergebnis des durchgeführten Ortstermins aufgrund freier Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO rechtsfehlerfrei gelangt. Das Berufungsgericht ist aber gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urteil vom 29.06.2016, Az. VIII ZR 191/15). Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO können auch schon dann vorliegen, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt, weil die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Wertung besteht (BGH, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 21.03.2018, Az. VII ZR 170/17). Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen jedoch nicht. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich vorliegend aber weder aus der Akte noch aus der Berufungsbegründung.

bb) Die Nutzung der Wohnung über der des Klägers für die Pflegeperson ist auch nicht mit Blick auf die Hellhörigkeit des fraglichen Hauses für den Kläger unzumutbar. Eine von der Oberwohnung durch die Nutzung der Pflegeperson ausgehende Lärmbeeinträchtigung erscheint nicht derart gravierend, dass insoweit von einem vernünftigen Grund, die Wohnung nicht zur Verfügung zu stellen, ausgegangen werden könnte.

Zwar wird man einem Vermieter den Verweis auf eine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer freistehenden Alternativwohnung wegen des Lärms der dortigen Wohnnutzung nicht grundsätzlich absprechen können. Bei Berücksichtigung und Würdigung der objektiven Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist aber davon auszugehen, dass der Erlangungswunsch des Klägers nicht vernünftig und nachvollziehbar und ihm die Nutzung der über seiner Wohnung liegenden Wohnung für eine Pflegekraft trotz der Hellhörigkeit des Hauses zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Unterbringung einer Einzelperson im Raum steht und nicht etwa der Einzug einer Familie mit Kindern, bei denen naturgemäß mit einer deutlich höheren Lärmentwicklung zu rechnen wäre. Zudem handelt es sich bei der in der Wohnung unterzubringenden Person um die Pflegekraft des Klägers, also um einen Menschen, der dem Kläger nahe und mit dem er ohnehin in einem intensiven Austausch steht. Nach dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ist zudem davon auszugehen, dass aufgrund des Gewerbebetriebs im Erdgeschoss ohnehin häufig erhebliche Lärmbelästigungen bestehen, weshalb der von der Wohnnutzung einer Pflegekraft ausgehende Lärm überhaupt nur zu bestimmten Zeiten wahrnehmbar sein und schon deshalb nicht allzu erheblich ins Gewicht fallen dürfte. Dazu kommt, dass die Wohnung über der des Klägers von ihrer örtlichen Lage her als zur Unterbringung einer Pflegekraft, auf deren Hilfe der Kläger ständig angewiesen ist, besonders gut geeignet erscheint, weshalb es berechtigt ist, dem Kläger in gewissem Rahmen Einschränkungen mit Blick auf die Hellhörigkeit zuzumuten. Schließlich spricht gegen eine zu befürchtende unzumutbare Belastung der Vortrag des Klägers, er habe die Wohnung der Schwiegermutter seines Sohnes versprochen. Auch diese Nutzung würde zu Beeinträchtigungen wegen der Hellhörigkeit führen.

Die Kammer ist aus den dargelegten Gründen einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Berufung ist offensichtlich aussichtslos, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können. Entscheidend ist, dass die Kammer die durch die Berufung aufgeworfenen Tatfragen nicht nur einstimmig, sondern auch zweifelsfrei beantworten kann und sich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse verspricht. Das ist aus den dargelegten Gründen der Fall.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung der Kammer ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO). Die Kammer hält eine mündliche Verhandlung auch nicht für geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Die Kammer rät deshalb, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!