Geschäftsunfähigkeit und Zahlungsverzug: Kündigung des Mietverhältnisses bestätigt
In einem Urteil vom 14. Oktober 2020 (Az.: 50 C 69/19) hat das Amtsgericht Paderborn die Kündigung eines geschäftsunfähigen Mieters wegen Zahlungsverzugs bestätigt. Grundlegend geht es in diesem Fall um die rechtliche Frage, ob ein Mietverhältnis aufgrund eines Zahlungsverzugs trotz Geschäftsunfähigkeit des Mieters gekündigt werden kann.
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Übersicht
Stellungnahme der Mieterin und gerichtliche Entscheidung
Die Mieterin argumentierte, dass sie aufgrund ihrer diagnostizierten Krankheiten bereits seit Februar 2018 geschäftsunfähig und daher nicht verantwortlich für den Zahlungsverzug sei. Das Gericht lehnte diese Argumentation jedoch ab. Es stellte klar, dass selbst wenn eine Geschäftsunfähigkeit vorläge, diese den Verzug nur bis zur Bestellung einer Betreuerin gehemmt hätte, jedoch nicht dauerhaft aufgehoben hätte.
Wichtige Rolle der Betreuerin und Rechtsfolgen
Auch das Argument, dass die Mieterin die fälligen Mieten innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten ab Rechtshängigkeit des Urteils geleistet hatte oder eine öffentliche Stelle sich zur Leistung bereit erklärt hätte, konnte die Kündigung nicht unwirksam machen. Im Fall der rechtsgeschäftlichen Betreuung der Mieterin wurde betont, dass es in den Aufgabenbereich der Betreuerin fällt, für Ersatzwohnraum zu sorgen.
Abschließende Aspekte und Festsetzung des Streitwerts
Schließlich bezifferte das Gericht den Streitwert gemäß § 3 ZPO. Im Kern dieses Falles wurde also deutlich, dass auch bei Geschäftsunfähigkeit des Mieters das Mietverhältnis aufgrund eines Zahlungsverzugs gekündigt werden kann. Die primäre Leistungspflicht des Mieters wird durch die Geschäftsunfähigkeit nicht aufgehoben und die Aufgabe der Bereitstellung von Ersatzwohnraum fällt in den Zuständigkeitsbereich der Betreuerin. Diese Aspekte haben maßgeblich zur Entscheidung des Gerichts beigetragen.
Das vorliegende Urteil
AG Paderborn – Az.: 50 C 69/19 – Urteil vom 14.10.2020
Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung G, Wohnung Nr. 5, OG links zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 710,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.05.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.06.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 05.07.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.08.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.09.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.10.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.11.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.12.2019
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.01.2020
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.02.2020
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 05.03.2020
- aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 04.04.2020
zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 820,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab November 2020, jeweils zahlbar bis zum 3. Werktag eines Monats eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 205,00 Euro bis zur Räumung und Herausgabe der Wohnung G, Wohnung Nr. 5, OG links, zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Räumungstitels wird der Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 3.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.01.2021 bewilligt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung sowie auf Ausgleich rückständiger Mietforderungen in Anspruch.
Am 15.08.2013 schlossen die Parteien einen formularmäßigen Mietvertrag (im Folgenden: Vertrag) über die Wohnung G, Obergeschoss links (Nr. 5), wobei das Mietverhältnis am 01.09.2013 begann. Ausweislich § 1 des Vertrages beträgt der monatlich zu entrichtende Mietzins 155,00 Euro netto; die Betriebskosten belaufen sich auf weitere 50,00 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Zwischenzeitlich geriet die Beklagte mit den Mietzahlungen in Rückstand. So wurde die Miete im Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 nicht geleistet. Unter dem 15.10.2019 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Der Zahlungsrückstand belief sich zu diesem Zeitpunkt auf (6 × 205,00 Euro =) 1.230,00 Euro brutto.
Im Zeitraum von November 2019 bis Februar 2020 erfolgten ebenfalls keine Zahlungen. Aus diesem Grund erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 07.02.2020 gegenüber der Betreuerin der Beklagten erneut die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung. Zugleich forderte sie die Beklagte auf, die Wohnung bis zum 15.02.2020 zu räumen und den ausstehenden Zahlungsrückstand von zu diesem Zeitpunkt (10 × 205,00 Euro =) 2.050,00 Euro bis zum 20.02.2020 auszugleichen.
Am 11.02.2020 wurde Frau M durch das Amtsgericht Paderborn (Az. 10 XVII 44/20 G) zur vorläufigen Betreuerin der Beklagten bestellt. Aus dem zuvor eingeholten nervenfachärztlichen Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, etc. – L – vom 29.01.2020 geht hervor, dass die Beklagte unter einer symptomatischen chronifizierten paranoiden Schizophrenie leidet, deren Zustand eine weitere Behandlung erforderlich mache und eine Besserung nicht erwarten lasse. Aufgrund ihres Zustandes sei sie insbesondere nicht in der Lage, ihre persönlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Ergebnis der Begutachtung wird auf das Gutachten von L (Bl. 25 ff. d. Akten) Bezug genommen.
In den Monaten März und April 2020 erfolgten weiterhin keine Zahlungen. Daher erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2020 gegenüber der Betreuerin der Beklagten einmal mehr die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung.
Unter dem 31.03.2020 leistete die Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 724,33 Euro an die Klägerin. Ausweislich des Verwendungszwecks sollte dieser Teilbetrag als „Miete“ vereinnahmt werden. Am 06.05.2020, am 14.05.2020, am 29.05.2020 sowie am 02.06.2020 leistete die Diakonie Teilbeträge in Höhe von jeweils 205,00 Euro, am 10.07.2020 gar einen solchen in Höhe von 500,00 Euro. Die Zahlungen sollten dem Verwendungszweck zufolge auf die Mietforderungen der Monate Februar bis Juni 2020 angerechnet werden.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr sowohl ein Anspruch auf Ausgleich der nach wie vor offenen Beträge als auch ein solcher auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung zustehe. Hierzu behauptet sie, dass die aufgelaufenen Mietforderungen den gesetzlich vorgesehenen Mindestbetrag erheblich überschreiten würden. Die Rückstände habe sie auch zu vertreten. Insofern könne sie sich nicht darauf berufen, dass sie aus Gründen einer psychiatrischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, ihren Zahlungspflichten nachzukommen. Vielmehr sei der hiermit verbundene Einwendungsausschluss im Augenblick der Betreuerbestellung fortgefallen. Ab diesem Zeitpunkt sei – ohne dass es einer weiteren Mahnung bedurft habe – Verzug eingetreten. Des ungeachtet sei ein vollständiger Ausgleich der Forderungen bis heute nicht erfolgt. Von der Möglichkeit des § 569 Abs. 3 BGB sei offenbar kein Gebrauch gemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die von ihr genutzte Wohnung im Hause G, Wohnung Nr. 5, OG links, zu räumen und an sie herauszugeben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.460,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.05.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.06.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 05.07.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.08.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.09.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.10.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 08.11.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.12.2019
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 07.01.2020
abzüglich am 21.08.2020 gezahlter 205,00 Euro für den Monat Januar 2020
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 06.02.2020
abzüglich am 10.07.2020 gezahlter 205,00 Euro für den Monat Februar 2020
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 05.03.2020
abzüglich am 10.07.2020 gezahlter 205,00 Euro für den Monat März 2020
– aus einem Betrag in Höhe von 205,00 Euro seit dem 04.04.2020
abzüglich am 14.05.2020 gezahlter 205,00 Euro für den Monat April 2020
abzüglich am 31.03.2020 gezahlter 724,33 Euro
abzüglich am 29.05.2020 gezahlter 205,00 Euro
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte räumt dem Grunde nach, dass die behaupteten Zahlungsrückstände bestehen. Diese seien ihr indes nicht zuzurechnen, da sie in dem fraglichen Zeitraum bedingt durch eine Schizophrenie geschäftsunfähig gewesen sei. Daher habe sie den Zahlungsverzug bis zur Betreuerbestellung nicht zu vertreten. Ein rückwirkendes Verschulden komme nicht in Betracht. Vielmehr sei der Betreuerin ein großzügig bemessener Zeitraum zu gewähren, um die Geschäfte der Beklagten adäquat regeln zu können. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigung vom 12.05.2020 als verfrüht anzusehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten Bezug genommen. Die Klage ist der Betreuerin der Beklagten am 10.06.2020 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I)
Die Klage ist zulässig. Im gerichtlichen Verfahren wird die geschäftsunfähige oder einer geschäftsunfähigen Person gleichstehende Beklagte durch ihre Betreuerin vertreten (§§ 1896, 1902 BGB).
II)
Die Klage ist auch begründet.
1)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 12.05.2020 wirksam beendet worden ist.
a)
Die Kündigung ist formell wirksam. Sie ist in schriftlicher Form ergangen (§ 568 Abs. 1 BGB) und weist eine hinreichende Begründung auf (§ 569 Abs. 4 BGB). Stützt der Vermieter seine Kündigung auf einen (vermeintlichen) Zahlungsverzug des Mieters, so genügt es, wenn dieser den Verzug benennt und den (angeblichen) Gesamtbetrag der rückständigen Miete beziffert. Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die Klägerin hat in ihrem Kündigungsschreiben ausdrücklich erklärt, dass die Beklagte am 12.05.2020 mit einem Betrag von 1.735,67 Euro in Verzug gewesen sei. Schließlich ist die Kündigung auch der Betreuerin der Beklagten zugegangen (§§ 568 Abs. 1, 131 Abs. 1, 1896 BGB).
b)
Die Kündigung ist auch materiell wirksam, da sich der Kläger auf einen wichtigen Grund im Sinne der §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a), 569 Abs. 3 BGB berufen kann.
(1)
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu einer sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug befindet, der die Miete für zwei Monate (mindestens) erreicht (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a)).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die Beklagte befand sich zur Zeit der Kündigungserklärung am 12.05.2020 mit der Zahlung von insgesamt neun Monatsmieten in Höhe von insgesamt 1.735,67 Euro in Verzug, wobei die Mieten für den Zeitraum von September 2019 bis April 2020 vollständig, jene für den Monat August 2019 anteilig nicht geleistet worden waren. Einer verzugsbegründenden Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) bedurfte es insofern nicht, als die Leistungszeit der zu entrichtenden Mieten nach § 556b Abs. 1 BGB auf den jeweils dritten Werktag eines Monats und daher nach dem Kalender bestimmt war (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Zwar erkennt die Beklagte zutreffend, dass sie mit den einzelnen Raten nur dann hätte in Verzug gelangen können, wenn sie die verspäteten oder gar unterlassenen Leistungen auch zu vertreten hätte (§ 286 Abs. 4 BGB). Ein solches Vertretenmüssen weist die Beklagte unter Berufung auf die mit ihrer psychischen Erkrankung (mutmaßlich) einhergehende Geschäftsunfähigkeit zurück. Dabei verkennt sie jedoch, dass ihr unter dem 11.02.2020 eine Betreuerin zur Seite gestellt worden ist, weshalb ihr die Mietrückstände im Zeitraum von März bis Mai 2020 in jedem Fall zuzurechnen sind (§§ 1896, 1902 BGB). Darüber hinaus hätte das fehlende Vertretenmüssen ab August 2019 nicht etwa zur Folge, dass die Beklagte faktisch von ihrer Mietzahlungspflicht befreit worden wäre.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte – wie sie selbst anführt – bereits seit Februar 2018 an den diagnostizierten Erkrankungen leidet, hätte dies den Verzug allenfalls bis zur Bestellung der Betreuerin gehemmt, jedoch nicht dauerhaft aufgehoben. Denn der Verzug knüpft letztlich an einer bereits entstandenen und fälligen Forderung an. Allein der Umstand, dass diese aus Gründen einer wie auch immer gearteten Unpässlichkeit des Schuldners nicht erfüllt werden kann, führt nicht zu deren faktischem Erlöschen. Vielmehr schließt das fehlende Vertretenmüssen lediglich das im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden aus, hat aber auf die primäre Leistungspflicht keinen Einfluss (siehe Palandt/Grüneberg, 78. Auflage, § 286, Rdnr. 32 m. w. N.). Hieraus folgt, dass der Verzug jedenfalls dann eintritt, sobald der Entschuldigungsgrund entfällt. Einer verzugsbegründenden Mahnung bedarf es insoweit nicht (siehe LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2003, Az. 2/11 S 326/02 m. w. N.).
Vor diesem Hintergrund brauchte das Gericht der durch die Beklagte aufgeworfenen Frage, ob ihr gesundheitlicher Zustand bereits im August 2019 auf eine Geschäftsunfähigkeit hätte schließen, nicht nachzugehen. Eine dahingehende Beweisaufnahme – etwa durch Einholung eines (weiteren) medizinischen Sachverständigengutachtens – war deshalb nicht veranlasst.
(2)
Die Kündigung ist auch nicht dadurch unwirksam geworden, dass die Beklagte die fälligen Mieten innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten ab Rechtshängigkeit des Urteils geleistet oder eine öffentliche Stelle sich zur Leistung bereit erklärt hätte (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Vielmehr hat sich die Beklagte auch am 28.08.2020 und damit über zwei Monate nach der Zustellung der Klage (10.06.2020) noch mit einem Betrag in Höhe von 710,67 Euro in Rückstand befunden, nachdem die letzte Zahlung vom 21.08.2020 auf den ausstehenden Mietzins für Januar 2020 zu verrechnen war (§ 366 Abs. 2 BGB).
Zwar sind die Mietrückstände seit dem Zugang der Kündigungserklärung in erheblichem Umfang zurückgeführt worden. Hierbei ist unerheblich, dass die Zahlungen nicht durch die Beklagte, sondern durch den Betreuungsverein bzw. das Jobcenter geleistet worden sind, da die vom Mieter geschuldete Zahlung gemäß § 267 Abs. 1 BGB auch durch einen Dritten bewirkt werden kann, sofern dieser durch eine entsprechende Leistungsbestimmung dokumentiert, dass er eine Schuld des Mieters tilgen will.
Gleichwohl überschreitet das vorhandene Defizit nach wie vor den Betrag zweier Monatsmieten. Anders als die Beklagte meint, sind die im Zeitraum von August 2019 bis Januar 2020 aufgelaufenen Rückstände auch bei der Bezifferung des Gesamtrückstandes zu berücksichtigen. Denn selbst wenn die Beklagte im fraglichen Zeitraum geschäftsunfähig gewesen wäre, wäre der Verzug spätestens mit der Bestellung ihrer (vorläufigen) Betreuerin eingetreten. Soweit die Betreuerin versäumt hat, bei einer öffentlichen Stelle um Abgabe einer Übernahmeerklärung zu ersuchen, ginge dies zu Lasten der Beklagten. Das Gericht hat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass eine entsprechende Erklärung, die ausdrücklich auf den Zeitraum von August 2019 bis Januar 2020 rekurriert, abgegeben worden wäre.
2)
Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Zahlung von 710,67 Euro aus § 1 des Mietvertrages i. V. m. § 535 Abs. 2 BGB für die bis zur Kündigung des Mietverhältnisses fällig gewordenen Raten zu.
3)
Der Klägerin steht zudem ein Anspruch auf Zahlung von 820,00 Euro aus § 546a Abs. 1 BGB für die im Zeitraum von Juli 2020 bis Oktober 2020 fällig gewordenen Nutzungsentschädigungen zu, nachdem das Mietverhältnis mit Wirkung zum 12.05.2020 wirksam beendet worden ist.
4)
Der Klägerin steht darüber hinaus ein Anspruch auf künftige Nutzungsentschädigung ab November 2020 bis zur Räumung und Übergabe der Wohnung aus § 546a Abs. 1 BGB zu.
5)
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 187 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.
II)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, jene zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO (Kosten) bzw. auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO (Räumungstitel).
III)
Der Beklagten war schließlich von Amts wegen eine Räumungsfrist (§ 721 ZPO) bis zum Ablauf des 31.01.2021 zu bewilligen. Bei der Bewilligung einer Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO sind die Interessen des Mieters und des Vermieters gegeneinander abzuwägen. Bei der Abwägung sind insbesondere Faktoren wie die Dauer des Mietverhältnisses, die Verfügbarkeit etwaigen Ersatzwohnraums, die Art und Weise der Pflichtverletzung und das Verschulden der Parteien zu berücksichtigen. Dies zugrunde gelegt, hat das Gericht zugunsten der Beklagten berücksichtigt, dass das Mietverhältnis bereits seit etwa sieben Jahren besteht und dass der Wohnungsmarkt im Raum Q – was gerichtsbekannt ist (§ 291 ZPO) – angespannt ist, wenn auch nicht in einer den Ballungsräumen vergleichbaren Form. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte jedoch zugleich unter rechtsgeschäftlicher Betreuung steht und es in den Aufgabenbereich der Betreuerin fällt, für Ersatzwohnraum zu sorgen, erscheint dem Gericht die hiermit verbundene Belastung jedoch beherrschbar. Unter Berücksichtigung der wiederkehrenden Verletzungen der Zahlungspflicht und der gesundheitlichen Situation der Beklagten erscheint eine Räumungsfrist von etwa vier Monaten (31.01.2021) erforderlich, aber auch ausreichend.
IV)
Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO i. V. m. § 41 Abs. 2 GKG auf 3.500,00 Euro festgesetzt.