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Pauschalierter Mietausfallschaden in Mietvertrag zulässig?

AG Waiblingen, Az.: 13 C 1234/16, Urteil vom 26.01.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 895,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2016 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 895,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten restliche Kautionsrückzahlung.

Zwischen dem Beklagten als Vermieter und der Klägerin als Mieterin wurde am 27.02.2014 ein Mietvertrag über eine Wohnung im Gebäude … geschlossen (Anlage K 1). Das Mietverhältnis begann am 01.04.2014 und wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 28.05.2015 (Anlage K 5) mit Wirkung zum 31.08.2015 gekündigt. Die vom Beklagten beauftragte Hausverwaltung bestätigte mit Schreiben vom 02.06.2015 (Anlage K 4) die Kündigung der Klägerin als fristgerecht.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten mit Schreiben vom 24.11.2015 (Anlage K 6) und 15.02.2016 (Anlage K 8) die Rückzahlung der vertragsgemäß geleisteten Kaution. Der Beklagte rechnete mit Schreiben vom 18.05.2016 (Anlage K 2) und 04.07.2016 (Anlage K 3) über die geleistete Kaution ab und zahlte den dort genannten Rückzahlungsbetrag an die Klägerin aus.

Der Beklagte nahm hierbei zwei Einbehalte bzw. Abzüge vor, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.

Pauschalierter Mietausfallschaden in Mietvertrag zulässig?
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Zum einen erhob der Beklagte entsprechend einer Regelung in Anlage II zum Mietvertrag (Ergänzungen zu den Sonstigen Vereinbarungen gemäß § 24 des Mietvertrags) eine Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale von 350,00 € mit der Begründung, dass die Klägerin das streitgegenständliche Mietverhältnis trotz eines vereinbarten Verzichts auf das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von 2 Jahren bereits nach 17 Monaten gekündigt habe. Zum anderen berechnete der Beklagte der Klägerin einen Mietausfall für die vermietete Wohnung nebst Tiefgaragenstellplatz in Höhe von insgesamt 545,00 € für den Monat September 2015.

Die Klägerin macht im Rahmen ihrer Klagebegründung im Wesentlichen geltend, dass sie die vom Beklagten vorgenommenen Abzüge nicht akzeptiere.

Die Klausel über die Erhebung einer Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale von 350,00 € sei nicht individuell vereinbart worden; vielmehr handele es sich hier um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Es handele sich insoweit bereits um eine überraschende Klausel nach § 305c BGB. Darüber hinaus verstoße die Klausel auch gegen § 307 BGB und § 309 BGB, da sie von der gesetzlichen Regelung deutlich zu Lasten der Mieterin abweiche und überdies eine unzulässige Vertragsstrafe bzw. Schadenspauschalierung darstelle.

Für den geltend gemachten Mietausfall in Höhe von insgesamt 545,00 € für den Monat September 2015 gebe es keine Grundlage. Insoweit bestreite die Klägerin die vom Beklagten vorgebrachten angeblichen Verzögerungen im Zusammenhang mit der Nachvermietung der Wohnung durch die Klägerin. Die Klägerin sei für Besichtigungstermine jederzeit erreichbar gewesen. Im Übrigen verweist die Klägerin insoweit auf § 10 des Mietvertrages, wo geregelt sei, wie mit Besichtigungsterminen zu verfahren sei.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 895,00 € nebst Verzugszins hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.06.2016 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt im Rahmen seiner Klageerwiderung die Auffassung, die von ihm vorgenommenen Einbehalte in Höhe von 350,00 € und (495,00 € + 50,00 € =) 545,00 € seien berechtigt.

Die Parteien hätten im Mietvertrag in einer Individualvereinbarung festgelegt, dass der Vermieter eine zusätzliche Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 350,00 € verlangen könne. Hintergrund sei die Regelung, wonach beide Parteien für die Dauer von 2 Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet hätten, was als Vereinbarung rechtlich möglich sei. Im Mietvertrag sei wirksam festgelegt, dass bei vorzeitiger Kündigung durch den Mieter eine Zahlung von 350,00 € zu entrichten sei. Im Übrigen hätten die Klägerin und der Beklagte zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung den gleichen Kenntnisstand gehabt und sich über die maßgeblichen Vertragspunkte geeinigt, weshalb die Klausel für die Klägerin auch nicht überraschend sei.

Den weiteren Einbehalt in Höhe von 545,00 € begründet der Beklagte mit einem Mietausfall für den Monat September 2015. Er habe aufgrund der von der Klägerin zu vertretenden Verzögerungen zwischen dem Ende des Mietverhältnisses mit der Klägerin und dem Beginn des Nachfolgemietverhältnisses für die Wohnung und den Tiefgaragenstellplatz einen Leerstand von zumindest einem Monat hinnehmen müssen. Dieser Leerstand sei ursächlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin ihrer Mitwirkungsverpflichtung bei der Nachvermietung nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Der Beklagte verweist hierzu insbesondere auf den Schriftverkehr zwischen ihm, der Hausverwaltung und der Klägerin (Anlagen B 1 bis B 6), aus dem sich ergebe, dass die Klägerin bis zum 17.08.2015 eine Besichtigung der Wohnung nicht ermöglicht habe. Dadurch sei ihm, dem Beklagten, ein Mietausfall zumindest für den Monat September 2015 entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin kann vom Beklagten die Rückzahlung der restlichen Kaution in Höhe von 895,00 € verlangen. Denn die beiden vom Beklagten vorgenommenen Einbehalte bzw. Abzüge sind nicht berechtigt.

1.

Die Erhebung einer zusätzlichen Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 350,00 € entsprechend der Regelung in der Anlage II zum Mietvertrag (Ergänzungen zu den Sonstigen Vereinbarungen gemäß § 24 des Mietvertrags) ist nicht berechtigt.

Entgegen der Darstellung des Beklagten handelt es sich bei dieser Klausel nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen zwar nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. „Aushandeln“ im Sinne dieser Vorschrift bedeutet nach der Rechtsprechung des BGH jedoch mehr als bloßes Verhandeln. Der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen; die andere Vertragspartei muss die reale Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln von Klauseln in Änderungen des vorformulierten Textes nieder (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13). Macht der Verwender geltend, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien im konkreten Fall nicht bloß einbezogen, sondern ausgehandelt worden, so trifft ihn die Beweislast hierfür (BGH, a.a.O.), wobei an diesen Beweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Dies zugrunde gelegt, hat der Beklagte weder hinreichend dargetan noch unter Beweis gestellt, dass die streitgegenständliche Klausel über die Erhebung einer Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale von 350,00 € zwischen den Parteien „ausgehandelt“ wurde. Insoweit hat der Beklagte die Aussage der Klägerin nicht zu widerlegen vermocht, wonach ein Aushandeln der betreffenden Klausel nach Grund und Höhe nicht stattgefunden habe. Somit ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

Soweit der Beklagte weiter die Auffassung vertritt, dass eine Regelung, wonach beide Parteien für die Dauer von 2 Jahren bzw. bis zu 4 Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrages verzichten, rechtlich möglich sei, ist dies grundsätzlich zutreffend. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kann ein beiderseitiger Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung im Wege einer Formularklausel für die Dauer von bis zu 4 Jahren vereinbart werden (BGH, Urteil vom 06.04.2005 – VIII ZR 27/04; Urteil vom 08.12.2010 – VIII ZR 86/10).

Ob dieser Kündigungsausschluss auch vorliegend wirksam ist, erscheint allerdings deshalb zweifelhaft, weil es sich hier um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB handeln könnte. Denn eine Einschränkung des Kündigungsrechts hätte möglicherweise im Bereich von § 2 Ziff. 1. b) des Mietvertrags geregelt bzw. jedenfalls durch einen dortigen Hinweis kenntlich gemacht werden müssen. Mit einer Einschränkung des Kündigungsrechts mitten im Fließtext der Anlage II zum Mietvertrag bei den Ergänzungen zu § 24 des Mietvertrags (Sonstige Vereinbarungen) musste die Klägerin nicht unbedingt rechnen. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben.

Denn jedenfalls unwirksam ist die streitgegenständliche Klausel, wonach der Vermieter im Falle einer vorzeitigen Kündigung seitens des Mieters eine zusätzliche Unkosten- und Verwaltungskostenpauschale von 350,00 € erheben kann.

Eine Vereinbarung, wonach der Mieter für den Fall der vorzeitigen Kündigung zum Ausgleich dadurch entstehender Unkosten oder Verwaltungskosten eine Pauschale in Höhe von 350,00 € zu zahlen hat, stellt inhaltlich eine Schadenspauschalierung dar. Insoweit muss ein Mieter schon nicht damit rechnen, dass eine derartige Rechtsfolge einer vorzeitigen Kündigung lediglich in einer Anlage zum Mietvertrag geregelt wird; eine solche Klausel ist daher überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Darüber hinaus verstößt diese Klausel auch gegen § 307 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 5 BGB, weil sie die Klägerin als Mieterin unangemessen benachteiligt und ihr überdies den Nachweis abschneidet, dass dem Beklagten als Vermieter infolge der vorzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses ein Schaden überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe entstanden ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000 – 3 REMiet 1/99).

Soweit der Beklagte vorgebracht hat, dass eine vorzeitige Kündigung durch den Mieter entgegen dem vereinbarten Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von 2 Jahren einer bestimmten Sanktion unterworfen werden können müsse, ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte als Alternative zur Geltendmachung der Schadenspauschale auch auf dem beiderseitigen Verzicht auf eine ordentliche Kündigung hätte bestehen und die vorzeitige Kündigung der Klägerin als vertragswidrig hätte zurückweisen können.

2.

Dem Beklagten steht darüber hinaus auch der von ihm geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen des vermeintlich von der Klägerin verschuldeten Mietausfalles für den Monat September 2015 in Höhe von insgesamt 545,00 € nicht zu.

Der Beklagte hat insoweit weder hinreichend dargetan noch unter Beweis gestellt, dass der zwischen dem Ende des Mietverhältnisses mit der Klägerin und dem Beginn des Nachfolgemietverhältnisses entstandene Leerstand der Wohnung von zumindest einem Monat ursächlich auf ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin zurückzuführen ist.

Richtig ist im Ausgangspunkt zwar, dass der Klägerin als Mieterin eine Mitwirkungsverpflichtung im Rahmen der vorzunehmenden Nachvermietung der Mietwohnung obliegt. Die Klägerin war daher gehalten, zeitnah Wohnungsbesichtigungen durch den Beklagten bzw. durch die von ihm beauftragte Hausverwaltung sowie durch Mietinteressenten zu ermöglichen. Insoweit handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters.

Zutreffend ist ferner, dass auf der Grundlage des vom Beklagten vorgelegten Schriftverkehrs zwischen ihm, der Klägerin und der beauftragten Hausverwaltung zwischen dem 15.06.2015 und dem 22.07.2015 (Anlagen B 1 bis B 6) der Eindruck entsteht, dass es im Rahmen der Besichtigung der Mietwohnung zu Verzögerungen durch die Klägerin gekommen ist und eine Besichtigung der Wohnung erst ab dem 17.08.2015 möglich war.

Gleichwohl besteht der vom Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Mietausfalles nicht.

Denn der Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ein ganz konkret von ihm zu benennender Mietinteressent bereit gewesen wäre, die Mietwohnung ab dem 01.09.2015 anzumieten, und dass eine schuldhafte Vertragsverletzung der Klägerin dafür ursächlich geworden ist, dass dies gescheitert ist.

Im Übrigen verweist die Klägerin zu Recht auf die Regelung in § 10 des Mietvertrags der Parteien, in der im Einzelnen beschrieben ist, wie der Beklagte bzw. die von ihm beauftragte Hausverwaltung nach der Kündigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin hinsichtlich des Betretens der Mietsache zum Zwecke der Besichtigung mit Mietinteressenten hätte verfahren können bzw. müssen (§ 10 Ziff. 3., 4. und 6.). Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er bzw. die Hausverwaltung in der dort geregelten Art und Weise verfahren ist. Von daher bleibt letztlich auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage offen, welche Nachvermietungsbemühungen der Beklagte bzw. die Hausverwaltung nach dem Zugang der Kündigung der Klägerin konkret unternommen hat.

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befindet sich aufgrund des Schreibens des DMB-Mietervereins vom 21.06.2016 (Anlage K 9) seit dem 22.06.2016 in Verzug.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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