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Kündigung Mietvertrag – Beweis für die Wahrung der Schriftform

AG Schöneberg – Az.: 109 C 223/11 – Urteil vom 20.12.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil von vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe hinsichtlich des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten Räumung und Herausgabe der Wohnung nach einer ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung.

Kündigung Mietvertrag - Beweis für die Wahrung der Schriftform
Symbolfoto: Von Leonardo da /Shutterstock.com

Die Kläger sind Eigentümer und Vermieter der im Hause B.straße in B., 4. Obergeschoss, Vorderhaus Mitte gelegenen Wohnung. Der Beklagte ist nach dem Tod seiner Eltern in den Mietvertrag vom 18.08.1949 (Bl. 10 d.A.) eingetreten und Mieter der Wohnung. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt 308,50 EUR.

Am 17.03.2010 erhielt der Beklagte ein Schreiben vom 15.03.2010 (Bl. 18 d.A.; im Original Bl. 82 d.A.), das die Kläger als Absender ausweist und in dem eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zum 31.10.2011 ausgesprochen wird. Das Schreiben trägt über dem gedruckten Namen der Kläger zwei Unterschriften. Die rechte Unterschrift stammt von der Klägerin zu 1).

Die Kläger behaupten, die auf dem Kündigungsschreiben befindliche zweite (linke) Unterschrift stamme vom Kläger zu 2).

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Anwesen B.straße in B., 4. OG, Vorderhaus Mitte, bestehend aus 2 Zimmern, Bad, Küche, Kammer und einem Kellerabteil zu räumen und die Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Echtheit der linken Unterschrift  und trägt hierzu vor, dass diese keine Ähnlichkeiten mit den Unterschriften des Klägers zu 2) in den an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 22.03.1996 (Bl. 40 d.A.) und 06.05.2008 (Bl. 41 d.A.) aufweise.

Das Gericht hat den Kläger zu 2) persönlich angehört und gemäß Beschluss vom 15.02.2012 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Krim. Dr. jur. J.S.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 11.07.2012 (Bl. 84 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Sachverständige hat sein Gutachten im Termin vom 22.11.2012 erläutert, weswegen auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird (Bl. 145 d. A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.  Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten innegehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 oder § 985 BGB, da das Mietverhältnis nicht aufgrund der Eigenbedarfskündigung beendet worden ist.

Die Kündigung ist formell unwirksam. Nach § 568 Abs. 1 BGB bedarf die Kündigung eines Mietverhältnisses der schriftlichen Form. Diese ist gemäß § 126 Abs. 1 BGB gewahrt, wenn die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels eines notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet ist. Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gelang es den Klägern nicht den Beweis zu führen, dass die linke Unterschrift auf dem Kündigungsschreiben vom Kläger zu 2) stammt.

Das Gericht vermochte auf Grundlage des Sachverständigengutachtens, der ergänzenden Erläuterungen des Sachverständigen, der persönlichen Anhörung des Klägers zu 2) und des schriftlichen Vorbringens der Parteien nicht die nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderliche Überzeugung zu gewinnen, dass das Kündigungsschreiben tatsächlich vom Kläger zu 2) unterzeichnet worden ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH, Urteil vom 28.01.2003,  VI ZR 139/02, Rn. 5 m.w.N.). An einer solchen Gewissheit fehlt es.

Der Sachverständige hat sowohl in seinem Gutachten als auch bei der mündlichen Erörterung seines Gutachtens überzeugend dargelegt, dass und weshalb er insgesamt zu der Schlussfolgerung kommt, dass die fragliche Unterschrift nur mit hoher Wahrscheinlichkeit authentisch ist. Trotz Vorbehalten hat er auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eine hohe Wahrscheinlichkeit zwischen 70 und 80 Prozent verortet. Dabei stützt sich der Sachverständige methodisch überzeugend und inhaltlich nachvollziehbar einerseits auf die von ihm vorgenommenen physikalisch-technischen Untersuchungen und andererseits auf die durchgeführte grafische Analyse der streitbefangenen Unterschrift sowie der Vergleichsunterschriften. Während die physikalisch-technischen Untersuchungen keine Anhaltspunkte für eine Fälschung ergeben haben, bedarf das Ergebnis der grafischen Analyse einer differenzierten Betrachtung. Zwar weisen sechs vom Sachverständigen ermittelte grafische Besonderheiten der zu vergleichenden Unterschriften (S. 11 d. GA) sowie die zügige, strichsichere und druckrhythmische Ausführung der fraglichen Unterschrift auf ihre Authentizität hin (S. 11 d. GA), der Beweiswert der graphischen Übereinstimmungen ist jedoch nicht ausreichend, um eine sichere Aussage zu begründen (S. 11 d. GA). Wie der Sachverständige im Gutachten und auch mündlich nochmals erläutert hat, leidet die Aussagekraft der graphischen Analyse an zwei Einschränkungen, die letztlich dazu führen, dass auch beim Gericht noch Zweifel an der Authentizität bleiben. Zum einen ist die Aussagekraft dadurch eingeschränkt, dass Unterschrift des Beklagten nur wenige Individualisierungsmerkmale aufweist (Bl. 146 d. A). Die Unterschrift ist nämlich einfach gestaltet, weil sie im Wesentlichen nur aus Auf- und Abwärtsbewegungen und nicht etwa auch aus Vor- und Rückwärtsbewegungen besteht. Zum anderen wird die Aussagekraft dadurch eingeschränkt, dass die vom Beklagten zur Verfügung gestellten Vergleichsunterschriften selbst nur bedingt aussagekräftig waren. Aus dem fraglichen Zeitraum lag dem Sachverständigen statt der erbetenen 5 bis 10 Unterschriften nur eine einzige Unterschrift und diese auch nur als Farbkopie vor, so dass sich die Individualisierungsmerkmale Schreibdruck und graphische Feinmotorik nicht feststellen ließen (Bl.  146 d.A.). Soweit der Sachverständige erklärt hat, der vergleichsweise geringe Grad an Übereinstimmung bei den Individualisierungsmerkmale sei im Normalfall nicht auf eine Fälschung zurückzuführen (Bl. 146 d.A.), vermag dies für sich genommen verbleibende Restzweifel nicht auszuräumen.

Es anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass vorliegend ein Fälschungsmotiv nicht erkennbar ist. Eine Fälschung ist deswegen zwar weniger wahrscheinlich, jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Ungereimtheiten bestehen nämlich auch im Hinblick darauf, dass die Unterschriften des Klägers zu 2) in den vom Beklagten vorgelegten Schreiben vom 22.03.1996 (Bl. 40 d.A.) und 06.05.2008 (Bl. 41 d.A.) schon für einen Laien erkennbar nicht mit der hier fraglichen Unterschrift übereinstimmen. Auch die persönliche Anhörung des Kläger zu 2) und der dabei gewonnene Eindruck vermochten die richterliche Überzeugung von Authentizität der Unterschrift nicht herbeiführen. Zwar hat der Kläger zu 2) erklärt, das Kündigungsschreiben persönlich unterschrieben zu haben, zugleich hat er jedoch auch eingeräumt an die damalige Zeit keine genauen Erinnerungen zu haben. Auch vermochte er nicht nachvollziehbar zu erläutern, weshalb die Unterschriften  in den Schreiben vom 22.03.1996 (Bl. 40 d.A.) und 06.05.2008 (Bl. 41 d.A.) anders aussehen. Die nur halb ernst gemeinte Angabe, da ziemlich betrunken gewesen zu sein, war wenig erhellend.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Gebührenstreitwert wird auf EUR 3.702,00 (12 x 308,50 EUR) festgesetzt.

 

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