LG München I – Az.: 1 S 11509/19 WEG – Urteil vom 11.12.2019
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 22.07.2019, Az. 80 C 106/19 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den gemauerten Aufbau auf dem Mäuerchen der Terrasse, welche sich zwischen den beiden Parteien befindet, oberhalb von 88 cm zu entfernen und den ursprünglichen Zustand des Mäuerchens wieder herzustellen wie folgt:
Länge der Mauer: 2,56 m
Höhe der Mauer: 0,88 m
Dicke der Mauer. 0,18 m
Rundherum weißer Anstrich und verputzt.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner 53 % zu tragen, die Kläger als Gesamtschuldner 47 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Beseitigung der Erhöhung einer Mauer zwischen den Sondernutzungsflächen der aus ihnen gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft sowie um Forderungen.
Zwischen den Sondernutzungsflächen der Parteien erhöhten die Beklagten durch Ziegelwerk eine zuvor etwa 0,88 m hohe Mauer auf eine Höhe von 1,80 m über der Terrassenhöhe. Diese Mauer befindet sich zu 4-5 cm auf der Sondernutzungsfläche der Kläger.
Nach einem Umbau des Daches durch die Kläger wurde das Regenwasser, das auf dem Dach ihrer Doppelhaushälfte in die dort befindliche Regenrinne ablief, weiter über die Regenrinne der Beklagten abgeleitet. Im Zuge von Arbeiten der Beklagten an ihren Regenrinnen wurde die Entwässerung abgetrennt, so dass die Kläger diese selbst wieder ordnungsgemäß anschließen mussten, wofür ihnen Kosten entstanden sind.
Im Rahmen von Dacharbeiten am Dach der Beklagten kam es zum Eindringen von Wasser in das Dach der Kläger, wobei die Verursachung streitig ist.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO.
Mit Endurteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 22.07.2019 wurde die Klage abgewiesen. Gegen das Ihnen am 25.07.2019 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagte mit ihrer am 16.08.2019 eingegangenen Berufung, welche mit Schriftsatz vom 25.09.2019 begründet wurde. Die Berufungsbegründung enthält keine Anträge. Hinsichtlich ihres Inhalts wird auf diese Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019 stellte die Klägervertreterin den Antrag, das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 22.07.2009 aufzuheben und die Beklagten gemäß dem Antrag aus der Klageschrift vom 24.01.2019 zu verurteilen.
Die Beklagten beantragten die Zurückweisung der Berufung.
Ferner Bezug genommen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019 sowie auf die weiteren im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den gesamten sonstigen Akteninhalt.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, soweit sie sich gegen die Klageabweisung hinsichtlich des Rückbaus der Terrassenmauer und der Forderung hinsichtlich der Abtrennung der Regenrinnen wendet. Hinsichtlich des weiteren Klageantrags bezuglich der Forderung wegen des Wasserschadens ist sie unzulässig.
1. Berufung und Berufungsbegründung sind fristgerecht eingegangen.
1.1 Allerdings fehlt der Berufungsbegründung ein ausdrücklich gestellter Antrag, § 520 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 ZPO. An einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag fehlt es, wenn offen bleibt, ob Berufung in vollem oder beschränktem Umfang erhoben wird. Ist nur unklar, ob das Ersturteil über einen bestimmten Mindestumfang hinaus angefochten sein soll, so ist die Berufung in jenem Mindestumfang erhoben (MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 520 Rn 28). Auf Seite 3 der Berufungsbegründung wird allerdings erklärt, dass das angegriffene Urteil in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird. Daraus ist für die Gegenseite und das Gericht hinreichend bestimmt erkennbar, dass der ursprüngliche Klageantrag weiter verfolgt werden soll, weshalb das Fehlen noch nicht zur Unzulässigkeit der Berufung insgesamt führt.
1.2 Die ursprüngliche Klage bestand aus drei abgrenzbaren Klagegegenständen, nämlich unter Ziffer 1 die Verurteilung zur Entfernung der Mauer sowie unter Ziffer 2 zusammengefasst zwei Forderungen, zum einen wegen der Dachentwässerung, zum anderen wegen des Wasserschadens. Bei einem teilbaren Streitgegenstand müssen die Berufungsgründe sich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig. Werden mehrere selbständige prozessuale Ansprüche zu- oder aberkannt, so muss das Rechtsmittel grundsätzlich hinsichtlich jedes Anspruchs, über den zu Lasten des Rechtsmittelführers entschieden worden ist, begründet werden (Musielak/Voit/Ball, 16. Aufl. 2019, ZPO § 520 Rn. 38). Hinsichtlich des Wasserschadens finden sich entgegen § 520 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2, Nummer 3 ZPO keinerlei Ausführungen. Die Berufung ist daher insoweit unzulässig.
2. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie teilweise begründet. Ein Schlichtungsverfahren war nicht Voraussetzung für die Klageerhebung, der geltend gemachte Beseitigungsanspruch besteht aber. Dagegen konnte auch die Berufung nicht aufzeigen, worin hinsichtlich der Dachentwässerung eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung der Beklagten bestehen sollte.
2.1 Vor Erhebung der Klage eines Wohnungseigentüemrs auf Beseitigung ist die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gem. § 15a I Nr. 2 EGZPO i.V. mit Art. 1 Nr. 1 e) BaySchIG nicht erforderlich.
Allerdings gilt § 15a EGZPO grundsätzlich auch für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten, da das Gesetz insoweit keine generelle Ausnahme vorsieht. Sofern, wie in Bayern, der Landesgesetzgeber von der in § 15a I Satz 1 EGZPO eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, ist daher zu klären, ob die Streitigkeit von dem Katalog jener Vorschrift erfasst ist (vgl. Muller in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 76 Rn 65; Roth in Bärmann, 14. Aufl., Rn 9 vor §§ 43 ff WEG) Das ist bei dem vorliegend im Streit stehenden Beseitigungsanspruch indessen nicht der Fall.
Unter die Vorschrift des § 15a I Nr. 2 EGZPO fallen Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach §§ 910, 911, 923 und 906 BGB sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften i.S. des Art. 124 EGBGB. Es handelt sich hierbei sämtlich um Ansprüche zwischen Eigentümern benachbarter Grundstücke, die auf das Verhältnis von Wohnungseigentümern jedenfalls nicht direkt anwendbar sind. Zwar können etwa bei Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern über die Bepflanzung unmittelbar benachbarter Gartenteile, an denen jeweils einem der Eigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, nachbarrechtliche Vorschriften entsprechende Anwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2007, Az: V ZR 276/06, NJW 2007, 3636; BGH, Beschluss vom 04.03.2010, Az V ZB 130/09, Rn 20 ff). Das gilt aber nicht in jedem Fall Denn der Inhalt und Umfang eines – dinglichen – Sondernutzungsrechtes richten sich nach der im Grundbuch in Bezug genommenen Vereinbarung. Ob und in welchem Umfang ein Sondernutzungsrecht an einer Grundstücksfläche zu baulichen Veränderungen oder Anpflanzungen berechtigt, ist daher im Wege der Auslegung des im Grundbuch in Bezug genommenen Teilungsvertrags zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2014, Az V ZR 25/13, Rn 7; BGH, Urteil vom 28.10.2016, Az: V ZR 91/16, Rn 7; Suilmann in Barmann, 14 Aufl., Rn 78 zu § 13 WEG).
Schon wegen der damit verbundenen, im Einzelfall nicht einfach zu beurteilenden, Auslegungsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten, scheidet eine analoge Anwendung des § 15a I Nr. 2 EGZPO i.V. mit Art. 1 Nr. 1 e) BaySchlG auf Fälle, in denen auf das Verhältnis von Wohnungseigentümern untereinander die nachbarrechtlichen Vorschriften entsprechende Anwendung finden, aus Sicht der Kammer aus. Es dürfte insoweit schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Streitigkeiten zwischen den Eigentümern untereinander, wie die vorliegende, häufig auch weitere Wohnungseigentümer betreffen. Deshalb sieht § 48 I Satz 1 WEG vor, dass die übrigen Wohnungseigentümern zu solchen Streitigkeiten grundsätzlich beizuladen sind, ausgenommen ihre rechtlichen Interessen sind erkennbar nicht betroffen, mit der Folge, dass gem. § 48 III WEG das rechtskräftige Urteil über die in § 325 ZPO angeordneten Wirkungen hinaus auch für und gegen alle beigeladenen Wohnungseigentümer und ihre Rechtsnachfolger gilt. Hierdurch soll möglichst rasch und prozessökonomisch Rechtssicherheit und Rechtsfrieden innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft hergestellt werden (vgl. Roth in Bärmann, 14. Aufl., Rn 1 und 2 zu § 48 WEG) Das kann im Rahmen einer Streitschlichtung gem. § 15a I EGZPO i V. mit Art. 1 BaySchlG, an der lediglich die an dem Rechtsstreit unmittelbar beteiligten Wohnungseigentümer teilnehmen würden und deren Vereinbarungen keine Bindungswirkung für die übrigen Eigentümer oder etwaige Rechtsnachfolger hätte, nicht gewährleistet werden. Dadurch ist aber auch in Frage gestellt, ob durch eine obligatorische Streitschlichtung bei Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern i.S. des § 43 I Nr. 1 WEG, die Zielsetzung der der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2009, Az: VI ZR 278/08), effektiver und besser erreicht werden kann als bei Durchführung eines streitigen Verfahrens vor dem Wohnungseigentumsgericht. Auch dies spricht gegen einen mit den in § 15a I Nr. 2 EGZPO geregelten Fällen vergleichbaren Sachverhalt und gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke.
Schließlich bestehen auch Bedenken, ob im Hinblick auf die durch die Verfassung vorgegebene Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für die Gesetzgebung und weil klar sein muss, wer für die Gesetzgebung zuständig ist, eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 15a I EGZPO auf vergleichbare Sachverhalte überhaupt zulässig ist.
2.2 Der mit der Klage geltend gemachte Beseitigungsanspruch ergibt sich aus §§ 15abs. 3, 1004 BGB. Dabei kam es nach Auffassung der Kammer nicht darauf an, ob aus den diskutierten Bestimmungen der Teilungserklärung, namentlich §§ 9, 4 TE ein Recht der Beklagten vorliegt, auf ihrer Sondernutzungsfläche eine entsprechende bauliche Veränderung vorzunehmen. Unstreitig ragt die Mauer etwa 5 cm auf die Sondernutzungsfläche der Kläger. Die diskutierten Bestimmungen der Teilungserklärung geben dem Beklagten jedenfalls nicht das Recht, dort Veränderungen vorzunehmen. Bei der Mauer handelt es sich um eine, wie aus den Anlagen ersichtlich, massive, einreihige Ziegelwand. Bei deren Errichtung wurden auch die auf der ursprünglichen Mauer befindlichen Fliesen, welche sich zumindest teilweise auf der Sondernutzungsfläche der Kläger befanden, zerstört und wurde die oberste Schicht des Mäuerchens abgetragen. Dass dies berechtigt geschehen wäre, tragen auch die Beklagte nicht vor. Eine Berechtigung zur Errichtung der Mauer und zur Zerstörung des Mäuerchens auch nur teilweise auf der Sondernutzungsfläche der Kläger kann aus den von dem Beklagten herangezogenen Bestimmungen der Teilungserklärung nicht bestehen. Es ist den Klägern aus Sicht der Kammer auch unzumutbar, auf das rechtswidrige Verhalten der Beklagten dergestalt zu reagieren, nur die Entfernung des überstehenden Teils der Mauer zu verlangen. Hiermit ware auch bereits die oberste Lage des zuvor bestehenden, wohl im Gemeinschaftseigentum stehenden, Mäuerchens nicht wieder hergestellt. Bei der Erhöhung der Mauer handelt es sich um eine einheitliche Anlage, welche jedenfalls nicht ohne weiteres rückbaubar ist. Die Beklagten schulden daher ihre Beseitigung im Ganzen.
2.3 Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Aufwendungen der Kläger für den Wiederanschluss ihrer Dachentwässerung besitzen diese nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob durch den Überweisungsträger die Zahlung der Rechnung nachgewiesen ist. Ein von den Klägern geltend gemachter Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB würde eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten voraussetzen. Dies wäre nur dann denkbar, wenn die Beklagten eine Verpflichtung hätten, die Entwässerung über ihre Dachrinne fortzuführen. Das Entstehen einer solchen Pflicht wird durch die Klage aber nicht dargelegt. Sie kann auch nicht alleine durch den von der Berufung in Betracht gezogenen Vertrauenstatbestand geschehen, zumal die Berufung keine Umstände darlegt, aus denen das Vertrauen erwachsen könnte. Im Übrigen kann auf die insoweit zutreffende Begründung der Ausgangsentscheidung unter Ziffer 2 a Bezug genommen werden.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht. Insbesondere besteht keine Divergenz in der Rechtsprechung, nachdem es bei der Frage des Schlichtungsverfahrens um die Anwendung bayerischen Landesrechts geht. Entscheidungen der Landgerichte Dortmund und Frankfürt beruhen aber auf dem dort jeweils geltenden Landesrecht.
IV.
Die Kostenentscheidung wurde auf § 97 I ZPO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 711 ZPO.