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Kündigungszugang bei Betreuung des Mieters

AG Idar-Oberstein – Az.: 303 C 784/17 – Urteil vom 21.06.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung von Wohnraum nach Kündigung des zugrundeliegenden Mietvertrages.

Die Klägerin ist Vermieterin und die Beklagte Mieterin der Wohnung im 1. Obergeschoss links im Hause …. Die Beklagte mietete die Wohnung mit Mietvertrag vom 07.04.2008 an.

Die Beklagte steht seit dem 28.05.2008 unter Betreuung. Als Betreuerin wurde Frau …. bestellt. Die Betreuung umfasst unter anderem den Bereich Wohnungsangelegenheiten. Auf die Bestellungsurkunde wird Bezug genommen (Bl. 12 d.A.).

Unter anderem im Juli 2017 hielten sich Tochter und Enkelkinder der Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung auf. Von welcher Dauer dieser Aufenthalt war, ist zwischen den Parteien streitig, insbesondere auch, ob es sich hierbei lediglich um Besuche handelte.

Mit Schreiben vom 31.08.2017 wurde die Betreuerin der Beklagten seitens der Klägerin darüber informiert, dass die Beklagte wegen vertragswidriger Nutzung der Wohnung und unzumutbarer Lärmbelästigung abgemahnt worden sei, da diese ihre Tochter und Enkelkinder unberechtigt in der Wohnung wohnen lasse. Auf das Schreiben vom 31.08.2017 wird Bezug genommen (Bl. 13 ff. d.A.).

Daraufhin bestellte sich der Beklagtenvertreter für die Beklagte. Mit Schreiben vom 08.09.2017 wies dieser die Abmahnung mit der Begründung zurück, dass die Tochter und die Enkelkinder der Beklagten diese lediglich besuchen würden. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 18.09.2017 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2017, wegen behaupteter unbefugter Überlassung der Wohnung an Dritte.

Mit Schreiben vom 30.10.2017 kündigte die Klägerin erneut das Vertragsverhältnis fristlos. Auf das Schreiben vom 30.10.2017 wird Bezug genommen (Bl. 22 d.A.).

Mit Schreiben vom 08.11.2017 wies die Beklagte vertreten durch den Beklagtenvertreter die Kündigung zurück (Bl. 23 d.A.).

Dass die Beklagte unter Betreuung steht, war der Klägerin – auch zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigungen – bekannt.

Die Klägerin trägt vor: Die Beklagte habe ihrer Tochter und ihren Enkeln das Wohnen in ihrer Wohnung im Zeitraum vom 16.07.2017 bis Mitte/Ende September und sodann – nach zwischenzeitlichem Auszug – ab dem 21.10.2017 gestattet. Von diesen seien unzumutbare Lärmbelästigungen ausgegangen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Hause ….., im 1. Obergeschoss links, Wohnfläche 62,08 m², bestehend aus 3 Zimmern Küche, 1 Küche, 1 Bad, 1 Flur sowie 1 Kellerraum zu räumen und in geräumten Zustand an sie herauszugeben.

2. Die Beklagte zu verurteilen, die außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten nach Maßgabe einer 1,3-fachen Gebühr zzgl. Entgeltkosten für Kommunikationsleistungen und MwSt. in Höhe von insgesamt 334,75 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Ihre Tochter und ihre Enkelkinder seien lediglich bei ihr zu Besuch. Die behauptete Lärmbelästigung gehe von dem Bewegungsdrang der Kinder aus, was als sozial-adäquates Verhalten zu qualifizieren sei.

Die Kündigung sei formell unwirksam, da sie der Betreuerin der Beklagten nicht zugegangen sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Weder die fristlose Kündigung vom 18.09.2017 noch die vom 30.10.2017 konnte mangels wirksamen Zugangs Wirkung entfalten. Da die Beklagte unstreitig auch für den Bereich Wohnungsangelegenheiten mit Einwilligungsvorbehalt unter Betreuung steht, hätte die Kündigung gemäß § 131 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1903 Abs. 1 S. 2 BGB ihrer Betreuerin zugestellt werden müssen. Dies war jedoch nicht der Fall; ihr wurde lediglich die Abmahnung zugestellt.

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung geht dem gesetzlichen Vertreter eines Geschäftsunfähigen nach § 131 Abs.1 BGB nur zu, wenn sie nicht lediglich (zufällig) in dessen Herrschaftsbereich gelangt ist, sondern darüber hinaus auch an ihn gerichtet oder zumindest für ihn bestimmt ist (vgl. BGH, Beschluss v. 13.04.1989- V ZR 145/99). Die Kündigungserklärung der Klägerin hätte direkt an die Betreuerin gerichtet sein müssen, so dass es also nicht ausreicht, dass die Betreuerin auf anderem Wege – wie etwa durch eine Abschrift – von der Kündigungserklärung erfährt. Nach § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 131 Abs. 2 Satz 1 BGB werden nämlich Willenserklärungen, die einer unter Einwilligungsvorbehalt stehenden betreuten Person gegenüber abzugeben sind, nicht wirksam, bevor sie nicht dem Betreuer selbst zugehen (BAG, DB 2008, Seiten 1920 ff. = NZA 2008, Seiten 1055 ff = MDR 2008, Seiten 1167 f. = Behindertenrecht 2008, Seiten 176 ff.).

Erforderlich ist also, dass die Abgabe der Erklärung mit dem Ziel erfolgt, den Wirksamkeitseintritt beim gesetzlichen Vertreter herbeizuführen. Der Erklärende muss bei der Abgabe der Willenserklärung an den Geschäftsunfähigen also zugleich den Willen haben, die Erklärung auch an dessen gesetzlichen Vertreter zu richten.

Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht erfüllt, da weder das Schreiben vom 18.09.2017 noch das vom 30.10.2017 an die Betreuerin der Beklagten, gerichtet war. Dies ergibt sich aus dem jeweiligen Briefkopf der Schreiben. Auch aus dem Inhalt der beiden Kündigungen ergibt sich gerade nicht, dass diese an die Betreuerin gerichtet waren; eher im Gegenteil, da diese lediglich eine „Durchschrift“ erhalten hat. Dies war für die Annahme des Zugangs der Kündigungserklärung gegenüber der gerichtlich bestellten Betreuerin der Beklagten unzureichend.

Auch nicht ausreichend ist insofern, dass die Betreuerin – wie sich aus der Kündigung vom 18.09.2017 ergibt – jeweils eine Durchschrift der Kündigung erhalten haben. Durch § 131 BGB sollen Geschäftsunfähige geschützt werden. Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn es ausreichend wäre, dass der Vertretungsberechtigte eine Abschrift erhält. Überdies ist eine „Durchschrift“ in aller Regel nicht unterschrieben und genügt deshalb nicht der erforderlichen Schriftform nach §§ 568 BGB i.V.m. § 126 BGB.

Da die Kündigung bereits mangels wirksamen Zugangs nicht wirksam ist, kommt es nicht darauf an, ob die Gründe, auf welche die Kündigung gestützt wurde, tatsächlich vorliegen. Einer Beweisaufnahme hat es insofern nicht bedurft, weshalb den angebotenen Beweismitteln nicht nachzugehen war.

Das Verhalten der Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten war auch nicht treuwidrig i.S.d. 242 BGB. Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass die jeweiligen Parteivertreter bereits außergerichtlich korrespondiert hatten und ausweislich des vorgelegten Schriftverkehrs die Beklagtenseite vorgerichtlich zu keinem Zeitpunkt den ordnungsgemäßen Zugang gerügt hat. Jedoch kann dies nicht den ordnungsgemäßen Zugang fingieren. Hierdurch würde der Schutzzweck des § 131 BGB unterlaufen, wonach der Geschäftsunfähige geschützt werden soll. Dieser darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Zugang wegen eines behaupteten treuwidrigen Verhaltens seines Prozessbevollmächtigten gegeben ist. Die Beklagtenseite hat überdies bereits mit Schriftsatz vom 19.12.2017 auf die bestehende Betreuung und mit Schriftsatz vom 02.02.2018 auf die nicht ordnungsgemäß erfolgte Kündigung hingewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.972,40 € festgesetzt.

 

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