LG Freiburg – Az.: 3 S 10/18 – Beschluss vom 02.05.2019
1. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen mit Ausnahme der anwaltlichen Vergleichsgebühren, diese hat die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte Ziff.1 zu 1/3 zu tragen; die Beklagte Ziff. 2 behält die bei ihr entstandene anwaltliche Vergleichsgebühr auf sich.
2. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Vorab hat die Klägerin die Kosten zu tragen, die durch ihre Säumnis im Termin vom 08.05.2017 entstanden sind. Von den weiteren Kosten trägt die Klägerin ¾ der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1. Dieser und die Beklagte Ziff. 2 tragen als Gesamtschuldner ¼ der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.540,00 € festgesetzt.
4. Für die anwaltlichen Vergleichsgebühren der Klägerin und des Beklagten Ziff. 1 gilt ein Vergleichsmehrwert von 60.398,79 €.
Gründe
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1 ZPO und -bezüglich eines Teils der erstinstanzlichen Kosten- auf §§ 269 Abs. 3, 344 ZPO.
Die Parteien haben sich geeinigt und eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO beantragt. Die Kammer hatte deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann. Nach diesen Grundsätzen gilt im Einzelnen Folgendes:
1. Im vorliegenden Berufungsverfahren wären die Beklagten bei streitigem Fortgang unterlegen:
1.1. Spätestens die Kündigung vom 12.09.2017 war wirksam: Auch bei Unterstellung aller geltend gemachter Mängel bestand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB mehr, denn selbst wenn die Klägerin eine Mangelbeseitigung nicht ernsthaft und endgültig verweigert hatte, war jedenfalls aufgrund des erheblichen Zeitablaufs klar, dass sie sich durch den Mieteinbehalt als solchen nicht zur Mangelbehebung bringen lassen werde. Dass in einem solchen Fall das mangelbedingte Leistungsverweigerungsrecht des Mieters erlischt, entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17. Juni 2015, VIII ZR 19/14 und Beschluss vom 27. Oktober 2015 – VIII ZR 288/14 –, juris; dem folgend z.B. LG Düsseldorf, BeckRS 2017, 143221 Rn. 17), der die Kammer trotz der Kritik des Schrifttums (Schwab NZM 2019, 36 unter III. 2. a m.N.; MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, BGB § 320 Rn. 9) folgt, denn § 320 BGB soll nicht die Äquivalenz der wechselseitigen Leistungen sicherstellen (dafür gibt es die Minderung), sondern dem Schuldner ein Druckmittel geben. Versagt dieses, muss der Mieter den Vermieter folgerichtig auf Mangelbehebung in Anspruch nehmen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2015, VIII ZR 19/14, Rn 66 nach juris), anstatt dauerhaft nach dem Grundsatz „dulde und liquidiere“ zu verfahren. Dabei handelt es sich nicht um einen Fall der Verwirkung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB, sondern um eine Überschreitung der zeitlichen und teleologischen Grenzen des Leistungsverweigerungsrechts. Die gegen Verwirkung gerichteten Einwendungen der Beklagten, wonach sie keinen Vertrauenstatbestand begründet und stets erneut auf ihr Leistungsverweigerungsrecht hingewiesen hätten, gehen deshalb fehl. Fehl geht auch das Argument der Beklagten, der Mieteinbehalt liege betragsmäßig unterhalb der von der Rechtsprechung gezogenen Grenze. Vorliegend geht es um die vom Bundesgerichtshof a.a.O. zusätzlich gezogene zeitliche Grenze des Leistungsverweigerungsrechts.
1.2. Die reine Mietminderung geht jedenfalls nicht so weit, dass der am 12.09.2017 bestehende Rückstand unter der zur Kündigung berechtigenden Grenze lag. Rechnet man bis zum Wasserschaden (Juni 2015) mit den vom Amtsgericht angesetzten Minderungsquoten und im Anschlusszeitraum mit der von den Beklagten geltend gemachten Minderung von 80 %, so gelangt man am 12.09.2017 gleichwohl zu einem Mietrückstand von ca. 13.000,00 €. Dass für die Zeit bis zum Wasserschaden (12/13 – 6/15) keine höhere Minderung in Frage kommt, hat das Amtsgericht in tatsächlicher Hinsicht bindend (§ 529 ZPO) und rechtlich zutreffend festgestellt; die diesbezüglichen Angriffe der Berufungserwiderung gegen die Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts dringen nicht durch; angesichts dessen, dass zunächst unstreitig die ungeminderte Miete gezahlt wurde, bezweifelt das Amtsgericht vielmehr zu Recht, dass § 536b BGB abbedungen bzw. die Beseitigung der vorbekannten Mängel zugesagt wurde. Darüber hinaus hält die Kammer für den Zeitraum ab Juli 2015 jedenfalls eine Minderung von 80 % für überhöht. Insoweit wird auf den heutigen Beschluss im Verfahren 3 S 168/18 verwiesen. Rechnet man ab Juli 2015 z.B. mit einer Minderung von 60 % (für alle geltend gemachten Mängel), so ergibt sich ein Rückstand von über 20.000,00 €.
1.3. Den Beklagten kommt auch kein Irrtumsprivileg zugute, zumal die o.g. Rückstände die kündigungsrelevante Grenze mit großem Abstand übersteigen. Ohnehin liegt ein zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigender Zahlungsverzug auch dann vor, wenn der Mieter sich bei einer Minderungsquote verschätzt und über eine längere Zeit eine geringere als die geschuldete Miete zahlt; ein schuldloser Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Mieter sich mit Sorgfalt um die Klärung der zweifelhaften Fragen bemüht und nicht das Risiko, dass seine eigene Beurteilung unzutreffend ist, dem Gläubiger zugeschoben hat; ihm bleibt anheimgestellt, den Minderungsbetrag, den er für angemessen hält, unter einem (einfachen, lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließenden) Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter zahlen (Münch in: jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 543 BGB, Rn. 130/131 m.N.; ebenso Blank, WuM 2012, 501 (502); jeweils unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 138/11 –, juris ähnlich Hinz NJW 2013, 337 ff.). Im Übrigen liegt der Umstand, dass die für den Zeitraum bis Juni 2015 geltend gemachte Minderung deutlich zu hoch ist, nicht an einem -nach teils vertretener Ansicht ggfs. milder zu behandelnden- „Schätzirrtum“ über die bloße Bewertung eines gegebenen Mangels und die aus ihm folgende Minderungsquote (vgl. dazu Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 18/2012 Anm. 4), sondern vor allem daran, dass die eingewandten Mängel als solche vom Amtsgericht (zu Recht) nicht festgestellt wurden. In einer solchen Konstellation lässt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 138/11 –, juris) keinen Raum für ein Irrtumsprivileg des Mieters.
1.4. Zwar hätte die Kammer den Beklagten voraussichtlich eine deutliche Räumungsfrist bewilligt, jedoch hätte dies nicht zu einer anteiligen Kostenbelastung der Klägerin geführt.
2. Die Verteilung der Vergleichsmehrkosten beruht auf folgenden Erwägungen:
2.1. Für die Gerichtsgebühren war ein Vergleichsmehrwert im Hinblick auf die miterledigten Verfahren 3 S 168/18 und 3 S 266/18 schon deshalb nicht festzusetzen, weil er nur anfällt, wenn der mitverglichene Anspruch nicht rechtshängig, also auch nicht Gegenstand eines anderen Gerichtsverfahrens ist (1900 KV GKG, vgl. z.B. Norbert Schneider NZM 2018, 716). Die Kammer versteht den Antrag der Klägerin vom 04.03.2019 auf Festsetzung eines Mehrwertes von 60.398,79 € aber als einen solchen (auch) nach § 33 RVG. Diesem war stattzugeben, denn bezüglich der anwaltlichen Vergleichsgebühren ist ein miterledigtes Parallelverfahren grundsätzlich -anders als bzgl. der Gerichtsgebühren- mehrwertbegründend (OLG Thüringen MDR 2013, 944; OVG Lüneburg AGS 2016, 572; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG VV 1003 Rn. 71-73). Für die auf Seiten der Klägerin und des Beklagten Ziff. 1 -die Beklagte Ziff. 2 war am Verfahren 3 S 168/18 nicht beteiligt- angefallenen Vergleichsgebühren war deshalb ein Vergleichsmehrwert von 60.398,79 € festzusetzen. Dieser war der Klägerin bei der Quotelung der Vergleichsgebühren im Verhältnis zum Beklagten Ziff. 1 zu 3/4 ins Soll zu stellen gem. der Quote von 1/4 zu 3/4, die die Kammer im Verfahren 3 S 168/18 gem. § 91a ZPO beschlossen hat.
2.2. Ein Vergleichsmehrwert im Hinblick auf das mitverglichene Räumungsverfahren 3 S 266/18 besteht hingegen nicht, da insoweit wirtschaftliche Identität der beiden Klageansprüche vorliegt (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. Oktober 2007 – 3 U 64/07 –, Rn. 18, juris); insoweit ist auch kein Antrag auf Festsetzung eines Mehrwerts nach § 33 RVG gestellt. Auch wenn das parallele Räumungsverfahren 3 S 266/18 somit vergleichsgebührenneutral ist, war jedoch im Rahmen des § 91a ZPO zu berücksichtigen, dass die Klägerin dort voraussichtlich unterlegen wäre (insoweit wird auf den dort nach § 91a ZPO ergangenen Beschluss verwiesen). Es wäre nicht „billig“ im Sinne von § 91a ZPO, die Auferlegung der Vergleichskosten von dem formalen Umstand abhängig zu machen, in welchem der beiden Verfahren der Vergleich protokolliert wurde.
2.3. Im Verhältnis der Klägerin und der am Verfahren 3 S 168/18 nicht beteiligten Beklagten Ziff. 2 waren die anwaltlichen Vergleichsgebühren somit im Wege der fiktiven Addition beider Räumungsstreitwerte von jeweils 21.540,00 € gegeneinander aufzuheben, da beide Seiten je ein Verfahren mutmaßlich gewonnen und eines verloren hätten. Im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten Ziff. 1 gelangt man zu einem fiktiven Gesamtvergleichswert von 103.478,79 € (zweimal 21.540,00 + 60.398,79) und einem Unterliegensanteil der Klägerin von 66.839,09 € (21.540,00 + ¾ von 60.398,79), was einer Quote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin entspricht.
3. Für die erstinstanzlichen Kosten gilt, dass die Beklagten bei streitigem Fortgang aus o.g. Gründen unterlegen wären. Insoweit hatte die Klägerin erstinstanzlich gegen den Beklagten Ziff. 1 aber noch auf Zahlung von 61.669,84 € und weiterer 1.239,40 € geklagt und die Klage insoweit vor dem Amtsgericht zurückgenommen. Insoweit bleibt es bei § 269 Abs. 3 ZPO.
Für die Beklagten hätte im Fall eines Räumungsurteils § 100 Abs. 4 ZPO gegolten; dementsprechend ist auch ihre Kostenentscheidung nach § 91a ZPO grds. gesamtschuldnerisch (OLG Düsseldorf Urt. v. 11.12.2001 – 24 U 17/01, BeckRS 2001, 30226005; LG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2010 – 2-11 T 127/10 –, Rn. 4, juris).