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Mieter – Zumutbarkeit mehrfachen täglichen Stoßlüftens zur Verhinderung von Feuchtigkeitsbildung

AG Bad Homburg – Az.: 2 C 240/10 (23) – Urteil vom .09.2011

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 449,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 272,44 seit dem 5.6.2009, aus € 295,91 vom 4.7.2009 bis 14.7.2009, aus € 54,61 seit dem 15.7.2009, aus € 295,91 vom 5.8.2009 bis 27.8.2009 und aus € 122,88 seit dem 4.9.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 74 % und der Beklagte 26 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung des jeweiligen Gegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem Mietverhältnis.

Mit Dauernutzungsvertrag vom 31.10.2006 mietete der Beklagte die Dreizimmerwohnung im ersten Obergeschoss links … von der Klägerin. Die Miete beträgt seit 1. Januar 2009 € 596,90 und setzt sich aus einer Kaltmiete von € 426,90, einer Nebenkostenvorauszahlung von € 97,00 sowie einer Heizkostenvorauszahlung von € 73,00 zusammen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Dauernutzungsvertrages wird auf Bl. 19 f. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben des Mieterschutzvereins vom 4.3.2009 (Bl. 68 ff. d.A.) teilte der Beklagte der Klägerin Mängel mit, insbesondere Schimmel und beschlagene Fensterscheiben.

Mit Schreiben vom 6.3.2009 wies die Klägerin Minderungsansprüche zurück, da Feuchtigkeit und Schimmel auf nicht durchgeführtes Lüften und zu geringe Beheizung zurückzuführen seien. Daraufhin beauftragte der Beklagte den Sachverständigen … mit der Erstellung eines Gutachtens (Bl. 72 ff. d.A.), wofür Kosten in Höhe von Euro 631,06 entstanden, die der Beklagte von den Mieten einbehielt. Wegen der Einzelheiten der Verrechnung wird auf den Schriftsatz vom 1.3.2010 (Bl. 64 f. d.A.) Bezug genommen.

Auch die Klägerin ließ die Wohnung begutachten durch den Sachverständigen…. Dieser berechnete für das Gutachten Euro 816,04. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 33 ff. der Akte verwiesen.

Seit Mai 2009 überwies der Beklagte nicht mehr die volle Miete. Für Mai 2009 zahlte er lediglich € 441,30, für Juni 2009 € 482,60, für Juli und August 2009 € 241,30. Im August 2009 zahlte er weitere € 410,24. Im September 2009 ging eine Zahlung von € 300,00 ein. Für die Monate Oktober bis Dezember 2009 zahlte er jeweils € 591,30. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zahlungen wird auf die Aufstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 27.7.2010 (Bl. 105 d.A.) Bezug genommen.

Mit der Klage verlangt die Klägerin Zahlung der restlichen Mieten und der Gutachterkosten für das Sachverständigengutachten … . Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Klageforderung wird auf ihren Schriftsatz vom 23.7.2010 (Bl. 105 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, Ursache des Schimmels sei das unzureichende Heiz- und Lüftungsverhalten des Beklagten bzw. seiner Familie.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen Euro 1700,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 155,60 seit dem 6.5.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 355,60 seit dem 5.6.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 355,60 vom 4.7.2009 bis 14.7.2009, sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 114,30 seit dem 15.7.2009, sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 355,60 seit dem 5.8.2009 bis 27.8.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 242,26 seit dem 4.9.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 5,60 seit dem 4.10.2009, 5.11.2009 sowie 4.12.2009 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 816,04 seit dem 23.9.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Schimmelpilzbefall sei durch Eindringen von Feuchtigkeit von außen durch Risse und Undichtigkeiten im Mauerwerk verursacht worden.

Der Beklagte ist der Ansicht, er sei zu einer Mietminderung von 150 € monatlich rückwirkend berechtigt gewesen. Die Mängel seien der Klägerin spätestens seit Oktober 2007 bekannt gewesen.

Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, der Vortrag des Beklagten zu einer früheren Mängelanzeige sei unsubstantiiert.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.11.2010 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 26.5.2011 (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mietsache teilweise mangelbehaftet war, so dass der Beklagte zur Minderung der Miete berechtigt war.

Der Sachverständige hat in der Wohnung zahlreiche Schimmelflecken, Spakflecken Schimmelpilzbefall in dauerelastischen Dichtungen und Verfärbungen festgestellt, die auf den dem Gutachten beigefügten Fotos festgehalten sind. Aus den in der Wohnung gemessenen Temperaturen hat der Sachverständige geschlossen, dass der Beklagte und seine Familie die Wohnung ausreichend beheizen. Als unzureichend hat er jedoch die Belüftung der Wohnung eingestuft, da die relative Luftfeuchte lediglich durch Querlüftung sämtlicher Zimmer im Rahmen einer Stoßlüftung vermindert werden kann. Diese Lüftung muss nach den Angaben des Sachverständigen drei- bis viermal täglich alle 3-4 h für jeweils 5-10 min durchgeführt werden. Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen kann diese turnusmäßige Stoßlüftung nur dann entfallen, wenn der Einbau einer Wärmedämmung im Bereich der Kältebrücke vorgenommen wird. Denn die Bausubstanz der Wohnung entspricht zwar den Mindestanforderungen des Baujahres des Hauses 1954, aber nicht mehr den heutigen Anforderungen, die seit August 1977 gefordert werden.

Nach Auffassung des Gerichts kann vom Mieter nicht verlangt werden, seine Wohnung alle 3-4 h täglich stoßzulüften, um Dampfdiffusion zu verhindern und ein mangelfreies Raumklima herzustellen. Dies ist insbesondere einem berufstätigen Mieter nicht zumutbar, der zwangsläufig über einen längeren Zeitraum abwesend ist. Das Stoßlüften kann lediglich zu den Anwesenheitszeiten des Mieters verlangt werden. Im Übrigen ist das Bauwerk gegebenenfalls an die heutigen Anforderungen anzupassen.

Mieter - Zumutbarkeit mehrfachen täglichen Stoßlüftens zur Verhinderung von Feuchtigkeitsbildung
Symbolfoto: Von r.classen/Shutterstock.com

Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht einen Mangel als gegeben an und erachtet eine Minderung in Höhe von 10 % der Bruttomiete, mithin € 59,69 pro Monat für angemessen und ausreichend. Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin der Schimmelbefall jedenfalls seit März 2009 durch das Schreiben des Mieterschutzvereins bekannt war. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, er habe den Mangel bereits im Oktober 2007 einem hierfür zuständigen Sachbearbeiter telefonisch angezeigt, der dann auch in der Wohnung gewesen sei, ist dieser Vortrag ohne nähere Bezeichnung des Sachbearbeiters nicht ausreichend substantiiert. Die Vernehmung der dafür benannten Zeugin würde sich als unzulässiger Ausforschungsbeweis darstellen.

Der Beklagte ist daher berechtigt, die Miete seit März 2009 in Höhe von 10 % zu mindern. Soweit in diesem Zeitraum die Auswirkungen des Schimmelbefalls unterschiedlich stark waren und inzwischen geringer geworden sind, hängt dies nach den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen offensichtlich mit dem verbesserten Heinz- und Lüftungsverhalten des Beklagten zusammen, das er positiv beeinflussen kann. Für die Bemessung der Minderung kann entsprechend lediglich die unzureichende Bausubstanz herangezogen werden, die während der Mietzeit gleich geblieben ist. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist offensichtlich der Mangel auch zwischenzeitlich nicht beseitigt worden. Denn der gerichtliche Gutachter hat Schimmel nach wie vor in der Wohnung festgestellt.

Der Einbehalt der Miete für Mai 2009 in Höhe von € 155,60 war daher berechtigt, da davon auch die rückwirkende Minderung für März und April umfasst ist. Für 3 Monate errechnet sich eine Minderung in Höhe von € 179,07, so dass noch ein Rest von € 23,47 verbleibt, der von der Juni-Miete zusätzlich zu den € 59,69 einbehalten werden konnte. Für Juni sind daher lediglich € 272,44 (€ 355,60 – € 59,69 – € 23,47) offen. Für Juli wurden € 482,60 gezahlt, so dass abzüglich der berechtigten Minderung von € 59,69 noch € 54,61 offen sind. Für August und September wurden € 951,54 gezahlt, so dass für beide Monate € 122,88 offen sind.

Die Mieten ab Oktober 2009 wurden um Euro 5,60 gemindert, so dass keine weiteren Ansprüche offen sind.

Die Klägerin kann auch keinen Ersatz für ihr entstandene Gutachterkosten des Sachverständigen … verlangen. Wie oben gesehen, hat es der Beklagte nicht zu vertreten, dass das Bauwerk nicht den heutigen Ansprüchen an Wärmedämmung gerecht wird und dadurch eine häufige Stoßlüftung erforderlich ist. Eine Pflichtverletzung, die einen Schadensersatzanspruch auslösen konnte könnte, liegt daher nicht vor.

Aber auch der Beklagte war nicht berechtigt, die Kosten für das Gutachten … von der Miete einzubehalten. Ein Anspruch des Mieters auf Schadensersatz gemäß § 536 a BGB hinsichtlich der Gutachterkosten kommt nur dann in Betracht, wenn die Vermieterin mit der Beseitigung des Mangels in Verzug war. Zwar hat die Klägerin die vom Beklagten verlangte Mängelbeseitigung unter Hinweis auf sein unzureichendes Lüftungsverhalten abgelehnt. Der Schuldner kommt aber gemäß § 286 Abs. 4 BGB nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. So liegt der Fall hier. Aufgrund der nicht eindeutigen Gutachtenergebnisse war es für die Klägerin nicht offensichtlich, dass die unzureichende Wärmedämmung eine Rolle spielen würde. Der von ihr beauftragte Gutachter vermutete vielmehr falsches Lüftungsverhalten. Ein Verschulden der Klägerin ist daher nicht ersichtlich.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

 

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