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Mieterhöhungsverlangen bei Modernisierungsmaßnahme

AG Neukölln, Az.: 11 C 314/15, Urteil vom 07.06.2016

1. Es wird festgestellt, dass sich die von der Klägerin an die Beklagte zu zahlende monatlich Miete nicht aufgrund der Mieterhöhung nach § 559 BGB wegen der von der Beklagten vorgenommenen Erweiterung der Müllplätze, Errichtung von Recylingsammelstellen, Schließung der Müllabwurfanlagen und Schließung der Müllhebenschächte im … Berlin um 4,70 € erhöht hat.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin hat nach Modernisierungsankündigung vom 26. März 2015, auf deren Ablichtung wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Anlage K2, Bl. 12f d.A.), zunächst gegen ihre vormalige Vermieterin und vormalige Eigentümerin unter anderem des im Tenor zu 1. bezeichneten Grundstücks (teils) hinsichtlich derer beantragt, festzustellen, dass sie keine Mieterhöhung an die Beklagte zu entrichten hat wegen der auf Veranlassung der Beklagten vorgenommenen Erweiterung der Müllplätze, Schließung der Müllabwurfanlagen und Schließung der Müllhebeschächte in der Mieteinheit der Klägerin im … Berlin, …; im übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten auf die Ablichtung des Mietvertrages vom 13. Juni 1995 ohne Anlagen (Anlage K1, Bl. 9 – 11d.A.) verwiesen.

Nach Zugang einer Mieterhöhung gemäß § 559 BGB vom 15. Januar 2016 zum 01.04.2016 bei der Klägerin, auf deren Kopie ebenfalls wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Anlage K18, Bl. 137 – 142 d.A.) beantragt sie nunmehr hinsichtlich ihrer jetzigen Vermieterin und Eigentümerin unter anderem des im Tenor zu 1. bezeichneten Grundstück(teils),

festzustellen, dass sich die von der Klägerin an die Beklagte zu zahlende monatliche Miete nicht aufgrund der Mieterhöhung nach § 559 BGB wegen der von der Beklagten vorgenommenen Erweiterung der Müllplätze, Errichtung von Recylingsammelstellen, Schließung der Müllabwurfanlagen und Schließung der Müllhebenschächte im … Berlin um 4,70 € erhöht hat.

Die im Rubrum bezeichnete Beklagte beantragt vorsorglich, die Klage abzuweisen.

Sie hat einem Parteiwechsel zugestimmt und rügt, dass bislang eine förmliche Zustellung der Klage nicht erfolgt sei.

Wegen der weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt nach dem Parteiwechsel eine Heilung eines eventuellen Zustellungsmangels nach § 189 ZPO gegenüber der jetzigen Beklagten vor, nachdem deren Prozessbevollmächtigte, die auch die vormalige Beklagte vertreten haben, die jetzige Beklagte vertreten und sämtliche Schriftsätze einschließlich der Klageschrift in Händen haben (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Auflage 2016, § 189 Rn 5 m.w.N.); des weiteren liegt spätestens mit dem Mieterhöhungsschreiben der (jetzigen) Beklagten vom 15. Januar 2016 das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO vor.

Des weiteren ist der Klageantrag auch noch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, auch wenn das Datum des Mieterhöhungsschreibens der Beklagten vom 15. Januar 2016 dort nicht angegeben ist, weil offensichtlich ist, dass es um diese Mieterhöhung um 4,70 € monatlich ab 1. April 2016 geht.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob es sich um keine Klageänderung, vgl. § 264 Nr. 3 ZPO, oder um eine Klageänderung nach § 263 ZPO handelt, weil sich die (jetzige) Beklagte zum einen nach § 267 ZPO hierauf eingelassen hat, zum anderen eine Klageänderung auch sachdienlich wäre.

Die Klage ist auch begründet.

Die Miete konnte durch die Beklagte nicht zum 1 April 2016 nach § 559 Abs. 1 BGB gegenüber der Klägerin erhöht werden, weil es sich bei den Maßnahmen nicht um eine Modernisierung nach § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 BGB handelt.

Es handelt sich nicht um eine Maßnahme zur nachhaltigen Einsparung von Endenergie (energetische Modernisierung) nach Nummer 1, vgl. auch Blank/Börstinghaus-Blank, Miete, 4. Auflage 2014, § 555b Rn 19:

Stilllegung verbrauchsintensiver Einrichtungen/Rückbau. Nach dem Wortlaut der Nr. 1 wird von der Vorschrift auch die Stilllegung energieabhängiger Einrichtungen erfasst (Stilllegung eines Müllschluckers, eines Aufzugs, eines Schwimmbads etc.). Solche Maßnahmen erfolgen im Wege der baulichen Veränderung. Sie haben zur Folge, dass die zum Betrieb der Einrichtung erforderliche Energie eingespart wird. Die Maßnahmen führen dazu, dass die vom Vermieter geschuldete vertragsgemäße Leistung verringert wird. Dies setzt eine Vereinbarung mit dem Mieter über die Änderung der nach § 535 Abs. 1 geschuldeten Vermieterpflichten voraus. Die Regelung in § 555b. Nr. 1 wird hier durch § 535 Abs. 1 verdrängt. Ob der Mieter einer solchen Vertragsänderung zustimmen muss, ist nach § 242 zu beurteilen. In diesem Rahmen ist auch über eine Reduzierung der Miete zu entscheiden. Die Anwendung der Modernisierungsregeln kommt nicht in Betracht. Der Rückbau eines Gebäudes, der insbesondere in Gebieten mit großem Wohnungsangebot aber geringer Nachfrage in Erwägung gezogen wird, führt ebenfalls zu einer Einsparung von Energie; gleichwohl fällt eine solche Maßnahme nicht unter die Nr. 1.

Das Gericht folgt der dargestellten Ansicht, weshalb auch nicht ersichtlich ist, dass es sich etwa um eine Modernisierung nach § 555b Nr. 3 ( nachhaltige Reduzierung von Wasserverbrauch, was ohnehin fernliegend ist), Nr. 4 (nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache), Nr. 5 (Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer) oder Nr. 6 BGB ( Modernisierungsmaßnahmen aufgrund von Umständen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a BGB sind) handelt; auch die Vergrößerung des vorhandenen Müllplatzes in der Außenanlage stellt insoweit nur einen Ausgleich für die Schließung der Müllabwurfanlage dar und führt im übrigen auch nach Ansicht des Gerichts weder zu einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache noch zu einer Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnis auf Dauer, wenn der Mieter nun seinen (Rest-)müll selbst zu den Müllbehältern nach unten bringen muss.

Dies zeigt im übrigen auch die Regelung in § 46 Abs. 3 Satz 4 BauO Bln, die wie folgt lautet:

(3) Abfallschächte dürfen nicht errichtet werden. Bestehende Abfallschächte sind spätestens bis zum 31. Dezember 2013 außer Betrieb zu nehmen. Die zu ihrem Befüllen vorgesehenen Öffnungen sind bis zu diesem Zeitpunkt dauerhaft zu verschließen. Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn die Einhaltung der abfallrechtlichen Trennpflichten und die brandschutzrechtlichen Belange gewährleistet sind.

Ob derartige eventuelle Änderungen beim Weiterbetrieb der vorhandenen Abfallschächte eine Mieterhöhung nach § 559 BGB rechtfertigen, bedarf keiner Entscheidung, zeigt aber, dass auch § 555b Nr. 6 BGB nicht anwendbar wäre, wenn man nicht – wie das Gericht mit Blank, a.a.O – der Auffassung ist, dass es sich insoweit ohnehin um eine Vertragsänderung wegen der Änderung der gemieteten Sache und nicht um eine Modernisierung handelt.

Schließlich wird auch vom Amtsgericht Köpenick (BeckRS 2011, 15004; auch GE 2006, 917) bei der Prüfung eines Duldungsanspruches des Vermieters gegen Mieter im Rahmen einer Unterlassungsklage von Mietparteien gegen den Vermieter aufgeführt, dass es sich bei der Stilllegung einer Müllabwurfanlage nicht um eine Modernisierung nach § 554 Abs. 2 BGB a.F. handelt, sondern derartige Ansprüche im Rahmen der bestehenden vertraglichen Regelungen auch unter Berücksichtigung des KrW/MfG zu prüfen sind. Nach § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung zuzulassen, nachdem die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert sowie der die Beklagte durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist; soweit ersichtlich, ist obergerichtlich nicht geklärt, ob die – nach dem Akteninhalt wohl häufiger vorkommende – Frage, ob die Schließung einer Müllabwurfanlage und die damit einhergehende Vergrößerung von sonstigen Müllentsorgungsmöglichkeiten vermieterseits eine Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann; soweit ersichtlich, werden zumindest zu Rückbaumaßnahmen des Vermieters auch andere Auffassungen vertreten (vgl. Schmidt/Futterer-Eisenschmid, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 555b Rn 80f. mit Verweis auf Both in Herrlein-Kandelhard § 554 Rn 42).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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