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Mietminderung bei erkennbar bevorstehender Baustelle in der Nachbarschaft

LG Frankfurt, Az.: 2/11 S 240/14

Urteil vom 23.12.2014

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Außenstelle Höchst vom 30.05.2014, Az. 386 C 640/13 (80), abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.166,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 263,03 € seit 06.03.2013 und 05.04.2013 sowie aus 640,36 € seit dem 13.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.166,44 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mietminderung bei erkennbar bevorstehender Baustelle in der Nachbarschaft
Foto: koun/Bigstock

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Von der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Absatz 2, 313 a ZPO).

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete in Höhe von insgesamt 1.166,44 € gemäß § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag vom 13.10.2008. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit nach Verrechnung der für Oktober 2012 erfolgten Gutschrift in Höhe von 84,15 € mit rückständiger Miete für November 2012 sowie nach Zahlung der rückständigen Miete für Dezember 2012 in Höhe von 263,03 € im März 2013 insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, steht der Klägerin noch ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für November 2012 in Höhe von 114,32 € sowie für die Monate Januar bis einschließlich April 2013 in Höhe von je 263,03 € zu.

Die von den Parteien vertraglich vereinbarte Miete war während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht wegen der von den Beklagen geltend gemachten Lärm- und Staubbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit der in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Großbaustelle gemäß § 536 BGB gemindert.

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, WuM 2013, 154). Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. BGH aaO).

Vorliegend steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass die Beklagten vor Abschluss des Mietvertrages auf die bevorstehenden Baumaßnahmen hingewiesen und sich durch den Abschluss des Mietvertrags mit den damit üblicherweise einhergehenden Beeinträchtigungen einverstanden erklärt haben. Diese Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wurden von der Klägerin mit der Berufung nicht angegriffen. Damit fehlt es an einer ausdrücklichen Parteiabrede dazu, dass die durch die Baumaßnahmen verursachten Immissionen als vertragsgemäß anzusehen sind.

Es kann jedoch auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrags hinsichtlich zukünftiger, durch eine Großbaustelle verursachter Lärm- und Staubbeeinträchtigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des Mietvertrags als unverändert bestehen bleibend stillschweigend vereinbart haben. Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einseitig davon ausgeht, dass auch zukünftig keine Umstände auftreten, die von außen negativ auf die Mietsache einwirken. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird diese Vorstellung vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer der bei Vertragsschluss bestehenden Umstände über die Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Diese Voraussetzungen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung ergeben sich vorliegend weder aus dem Parteivortrag noch aus sonstigen Umständen.

Auch die Bestimmung des zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) führt nicht dazu, dass in den durch die Großbaustelle in unmittelbarer Nachbarschaft verursachten Lärm- und Staubbeeinträchtigungen ein Mangel zu sehen wäre, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum zur Minderung berechtigte.

Nach dem Vortrag der Parteien sowie den von ihnen vorgelegten Lichtbildern mussten die Beklagten mit erheblichen Baumaßnahmen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft rechnen. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass vor Abschluss des Mietvertrags bereits die Häuser … sowie … und … abgerissen und der Neubau … fertiggestellt war. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Lichtbild vom 21.12.2007, das die gegenüber der Tiefgarageneinfahrt des Hauses … befindliche Brachfläche zeigt, sowie den von den Beklagten vorgelegten Lichtbildern, die die Umgebung der Mietsache bei Vertragsbeginn abbilden, ergibt sich, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zu der von den Beklagten angemieteten Wohnung im … große Brachflächen vorhanden waren, mit deren Bebauung insbesondere aufgrund der schon erfolgten Baumaßnahmen im … und … zu rechnen war. Ob die Beklagten einen Abriss der noch verbliebenen Siedlungshäuser … bis … aufgrund deren Zustands und Leerstands vorhersehen mussten, ist letztlich unerheblich, da die Beklagten aufgrund der äußeren Gegebenheiten jedenfalls mit erheblichen Baumaßnahmen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft rechnen mussten. Da die Beklagte zu 2 bereits vor Abschluss des Mietvertrags im … gewohnt hatte und sie – wie sie mit E-Mail vom 10.07.2013 an ihren Prozessbevollmächtigten bestätigt hat – natürlich wusste, dass viel in … gebaut wird und sie auch die Bebauung im … wahrgenommen hatte, können die Beklagten nicht einwenden, dass die Großbaustelle gegenüber nicht vorhersehbar gewesen sei. Eine konkrete Kenntnis, wie die zu errichtenden Häuser baulich ausgestaltet werden und wie viele Einheiten entstehen werden, ist nicht erforderlich. Aufgrund der Gesamtumstände war daher bei Abschluss des Mietvertrags mit größeren Bauarbeiten in unmittelbarer Nachbarschaft zu rechnen, so dass die Beklagten die von der Großbaustelle ausgehenden Lärm- und Staubbeeinträchtigungen als vertragsgemäß hinzunehmen hatten.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht maßgeblich auf den Umständen des Einzelfalls; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.

Die Streitwertfestsetzung folgt sich aus § 47 Abs. 1 GKG.

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