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Mietrückstand – Vermieter muss Zahlung eines Dritten annehmen

LG Bielefeld – Az.: 22 S 140/20 – Urteil vom 10.02.2021

In dem Rechtsstreit hat die 22. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2021 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.06.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld teilweise – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 492,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2020 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 87 % und die Beklagte 13 %.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf die nicht ergänzungsbedürftigen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs.1 Nr.1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie hinsichtlich des Räumungsanspruchs unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs.1, 2; 286 BGB in geltend gemachter Höhe von 492,54 Euro.

Mietrückstand - Vermieter muss Zahlung eines Dritten annehmen
(Symbolfoto: ADragan/Shutterstock.com)

Rechtsanwaltskosten für die Abfassung des Kündigungsschreibens kann der Kläger nicht beanspruchen. Der Geschädigte kann nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, ansonsten verstößt er bei Beauftragung eines Rechtsanwalts gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs.2 BGB. Maßgeblich ist insoweit nur, ob der Vermieter anwaltlicher Hilfe bei der Abfassung des Kündigungsschreibens bedarf. Dies ist für jeden Vermieter objektiv zu bestimmen. Bei einem gewerblichen Großvermieter wie dem Kläger bedarf es keiner anwaltlichen Hilfe bei der Abfassung eines auf Zahlungsverzug gestützten Kündigungsschreibens, da dieses ohne weiteres durch das kaufmännische Personal eines gewerblichen Großvermieters gefertigt werden kann (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09).

Hier wird jedoch unstreitig eine Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts des Klägers nach Abfassung der Kündigung begehrt. Diese ist zu ersetzen. Der Klägervertreter hat hierzu unstreitig jedenfalls ein Telefonat mit dem Beklagtenvertreter geführt, in dem auch eine Gesamtlösung erörtert wurde. Damit ist eine Geschäftsgebühr nach W RVG 2300 in Höhe einer 1,3 fachen Gebühr zuzüglich Auslagen nach W RVG 7002 und Umsatzsteuer nach W RVG 7008 entstanden. Die Höhe wird auch nicht angegriffen. Der Anspruch ist nach §§ 291,288 Abs.1 BGB ab dem 12.03.2020 wie beantragt zu verzinsen.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung aus § 546 Abs.1 BGB, denn das Mietverhältnis ist nicht wirksam durch die außerordentliche Kündigung vom 17.01.2020 beendet worden, und der Kläger kann sich nach § 242 BGB nicht auf die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung berufen.

a) Die außerordentliche Kündigung ist nach § 569 Abs.3 Nr.2 BGB unwirksam geworden. Die Räumungsklage ist am 06.02.2020 eingereicht und am 11.03.2020 zugestellt worden. Am 13.02.2020 zahlte Herr ###, der Vater der Beklagten, die Mietrückstände für die Beklagte, diese zahlte später auch die aufgelaufenen Zinsen selbst. Insoweit wurde der Rechtsstreit hinsichtlich des Zahlungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt.

Dass eine Schonfristzahlung vorliegt, greift der Kläger auch mit der Berufung nicht an, er weist nur darauf hin, dass das Amtsgericht übersehen habe, dass die Zahlung nicht durch die Beklagte, sondern durch einen Herrn ### erfolgt sei.

Dies ändert jedoch nichts an der rechtlichen Beurteilung, dass die außerordentliche Kündigung durch Schonfristzahlung unwirksam wurde. Der Vermieter ist auch verpflichtet, Leistungen eines Dritten anzunehmen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14, Auflage, § 569 BGB, Rn. 39). Nach § 267 Abs. 1 BGB kann die vom Mieter geschuldete Leistung auch von einem Dritten bewirkt werden. Erforderlich ist, dass der Dritte durch eine Leistungsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass er die Schuld des Mieters tilgen möchte, maßgeblich ist die Sicht des Leistungsempfängers, also des Vermieters (Schmidt-Futterer, aaO, § 543 BGB, Rn. 98 a).

Zu den Umständen der Überweisung ist nichts bekannt (Verwendungszweck etc.). Es war für den Kläger aber offensichtlich, dass es sich bei der Zahlung um die Tilgung der Miete der Beklagten handelt. Schließlich hat er auch unter Bezugnahme auf diese Zahlung den Rechtsstreit teilweise hinsichtlich der Mietrückstände für erledigt erklärt.

b) Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist zwar wirksam, der Kläger kann sich hierauf aber nach § 242 BGB nicht berufen.

Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum auch dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt gemäß § 573Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Der Zahlungsrückstand wegen Nichtleistung der monatlichen Miete begründet vor dem Hintergrund der gesetzlichen Wertung aus § 543 Abs. 2 Nr.3 BGB eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dann, wenn der Mieter mit seinen diesbezüglichen Zahlungen in Höhe eines Betrages, der die Bruttomiete von 2 Monaten überschreitet, über einen Zeitraum von mehr als 2 Zahlungsterminen hinweg in Verzug ist oder mit 2 aufeinanderfolgenden Terminen mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils, weil dann sogar das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund besteht.

Ein derartiger Rückstand lag hier zweifelsfrei und unstreitig vor.

Diese nicht unerhebliche Pflichtverletzung war entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch von der Beklagten verschuldet.

Auch im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat der Mieter die Nichtzahlung der Miete zu vertreten, wenn, ihm entsprechend dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt. Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird ein entsprechendes Verschulden auch vermutet.

Die Berufung rügt mit Recht, dass die Beklagte zur Exkulpation nichts Substantiiertes vorgetragen hat.

Bis November 2019 war die Miete jeweils vom Jobcenter geleistet worden, wie sie im Übrigen auch seit Februar 2020 wieder vom Jobcenter unmittelbar geleistet wird. Das ist unstreitig.

Sofern die Nichtleistung auf einem Fehlverhalten des Jobcenters beruht, ist die Nichtleistung der Miete aus diesem Grund unverschuldet. Denn das Jobcenter ist hinsichtlich der Mietzahlung an den Vermieter nicht als Erfüllungsgehilfe des auf Transferleistung angewiesenen Mieters anzusehen mit der Folge, dass der Mieterin das Versäumnis des Jobcenters nicht gemäß § 278 S. 1 BGB zugerechnet werden kann (BGH, Urteil vom 21.10.2009, VI ZR 64/09; BGH, Beschluss vom 17.02,2015, VI ZR 236/14).

Dass die Nichtzahlung auf einem Fehler des Jobcenters beruhte, steht aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts gerade nicht fest. So übersieht das Amtsgericht, dass der Kläger ein Direktzahlungsverhältnis zum Jobcenter sicherlich nicht mit Nichtwissen bestreiten konnte (§ 138 Abs.4 ZPO), da er ja selbst die Zahlungen vom Jobcenter bis zum Entstehen des Zahlungsverzugs erhalten hat und auch danach, wohl aber durfte der der Kläger mit Nichtwissen bestreiten, dass die Beklagte auch in den Monaten November 2019 bis Januar 2020 eine Zahlungsanweisung an das Jobcenter gegeben hat. Zudem hat der Kläger auch Indizien vorgetragen, die dafür sprechen, dass die Nichtzahlung auf einer mangelnden Mitwirkungspflicht der Beklagten beruht. Dem ist die Beklagte erstinstanzlich nicht substantiiert entgegengetreten und hat für eine Zahlungsanweisung und dafür, dass die Nichtzahlung nicht auf ihrem Fehlverhalten, sondern dem des Jobcenters beruht, auch keinen Beweis angeboten.

Auch in der Berufungsinstanz wird hierfür kein Beweis angeboten. Der Zeuge wird nur zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Beklagte nicht über die Nichtleistung des Jobcenters informiert wurde.

Unabhängig von der Frage, ob der Beweisantritt verspätet ist, ist das Vorbringen auch unerheblich. Zwar kann ein unverschuldeter Zahlungsverzug dann vorliegen, wenn der Mieter auf eine Zahlung des Jobcenters vertrauen durfte (Schmidt- Futterer, aaO, § 543 BGB, Rn. 96), indes hätte die Beklagte hier auf den Vortrag des Klägers zu einem Verstoß gegen Mitwirkungspflichten und das Bestreiten eines Zahlungsauftrags auch für die Rückstandsmonate mit eigenem substantiierten Vortrag und ggf. Beweisantritt reagieren müssen, was unterblieb.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht angab, die Miete sei drei Monate auf ihr Konto geflossen und hierzu vorgetragen wird, wegen verschiedener Neuberechnungen von Unterhaltsansprüchen hätte sie nicht erkennen können, dass es sich um Mietzahlungen handelt, hat sie dies auch in der persönlichen Anhörung durch die Kammer nach § 141 ZPO wiederholt. Dies vermag die Beklagte jedoch nicht zu entlasten. Grundsätzlich ist es ihre Pflicht, die Mietzahlungen und auch ungewöhnliche Zahlungen auf ihr Konto zu überwachen. Insgesamt hat sich die Beklagte daher nicht exkulpiert.

Allerdings kann sich der Kläger im Hinblick auf § 242 BGB nach Überzeugung der Kammer nicht auf die zunächst wirksame ordentliche Kündigung berufen.

Die Frage, ob dem Vermieter die Berufung auf eine zunächst wirksame ordentliche Kündigung wegen nachträglich eingetretener Umstände mit Rücksicht auf Treu und Glauben verwehrt ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung. Sie ist vielmehr vom Tatrichter aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 06. Oktober 2015 – VIII ZR 321/14).

Der BGH bejaht den Einwand aus § 242 BGB etwa dann, wenn der Mieter sich jedenfalls unmittelbar nach Erhalt der ersten Kündigung um eine Rückführung der Mietrückstände bemüht und erreicht hat, dass die Rückstände innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums und noch vor Zustellung der Räumungsklage vom Jobcenter beglichen wurden und festgestellt werden kann, dass es in der Vergangenheit keine Zahlungsrückstände gegeben hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es in der Zukunft noch einmal zu Zahlungsrückständen kommen wird. Zudem soll es hierzu erforderlich sein, dass die Mieter in der Vergangenheit keine sonstigen mietvertraglichen Pflichten verletzt haben und keine Anhaltspunkte für künftige Verhaltensweisen der Mieter vorliegen, die das Vertrauen des Vermieters in eine gedeihliche Fortsetzung des Mietverhältnisses in Frage stellen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 06. Oktober 2015 – VIII ZR 321/14).

In diesem Rechtsstreit ist unstreitig, dass vor November 2019 und nach Januar 2020 die Miete durchgängig vom Jobcenter gezahlt wurde. Vor November 2019 hat es keine Zahlungsrückstände gegeben. Da das Jobcenter die Zahlungen seit Februar 2020 wieder durchgängig erbringt, bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es erneut zu Zahlungsrückständen kommen wird. Auch hat die Beklagte keine sonstigen mietvertraglichen Pflichten in der Vergangenheit verletzt und es bestehen keine Anhaltspunkte für künftige Verhaltensweisen, die das Vertrauen des Klägers in eine gedeihliche Fortführung des Mietverhältnisses in Frage stellen könnten. Auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung haben die Mitarbeiterin des Klägers, Frau ### auch der Klägervertreter bestätigt, dass das Mietverhältnis unbelastet ist und es sonst keine Probleme mit der Beklagten gab. Unstreitig hat sich die Beklagte auch erfolgreich darum bemüht, dass die Mietrückstände durch ihren Vater noch vor Rechtshängigkeit der Räumungsklage ausgeglichen wurden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a Abs.1 ZPO.

Die Kosten des erledigten Teils hat entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die Beklagte zu tragen (§ 91 a Abs.1 ZPO).

Der Zahlungsantrag wurde nach vollständigem Ausgleich der Mietforderung als Schonfristzahlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Es entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, dass die Beklagte insoweit die Kosten zu tragen hat. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war der Vermieter nicht verpflichtet, die Beklagte über das Ausbleiben der Mietzahlung zu informieren. Vielmehr hat die Beklagte durch ihren Vater die Rückstände vorbehaltlos und ohne anderweitige Erklärung ausgeglichen und damit die Forderung anerkannt. Zudem stand der Mietrückstand auch nie im Streit. Daher sind die Kosten des erledigten Teils nicht dem Kläger, sondern der Beklagten aufzuerlegen.

Im Übrigen hat der Kläger als insoweit unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs.2 ZPO.

 

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