Mietsache: Schlechter Übergabezustand nicht immer Mangel
In der Welt des Mietrechts stellt sich oft die Frage, unter welchen Umständen der Zustand einer Mietsache als mangelhaft zu bewerten ist. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Beurteilung des Übergabezustands einer Wohnung. Rechtlich gesehen geht es um die Interpretation und Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere um die Auslegung von § 536 BGB, der sich mit der Mangelhaftigkeit einer Mietsache befasst.
In diesem Kontext wird diskutiert, inwieweit der Zustand einer Wohnung zum Zeitpunkt der Übergabe an den Mieter dessen Rechte beeinflusst und welche Verpflichtungen für den Vermieter daraus resultieren. Eine Schlüsselfrage ist, ob und inwiefern der Zustand der Wohnung bei Mietbeginn die Rechte des Mieters auf Mängelbeseitigung oder Mietminderung beeinflusst und welche Rolle Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter spielen.
Diese Überlegungen sind nicht nur für die direkt beteiligten Parteien eines Mietvertrags von Bedeutung, sondern haben weitreichende Implikationen für das Mietrecht im Allgemeinen. Sie berühren grundlegende Prinzipien des Vertragsrechts und werfen Fragen zur Vertragsfreiheit und zur Auslegung vertraglicher Vereinbarungen auf. Dadurch werden sie zu einem wichtigen Thema für Juristen, Vermieter, Mieter und alle, die sich mit dem Mietrecht beschäftigen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Urteil des Landgerichts Hanau stellt klar, dass der schlechte Übergabezustand einer Wohnung nicht automatisch als Mangel im Sinne des Mietrechts angesehen wird, besonders wenn dieser Zustand bei Vertragsabschluss bekannt war und keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden.
Zentrale Punkte aus dem Urteil:
- Zurückweisung der Berufung: Das LG Hanau wies die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hanau zurück, da keine Aussicht auf Erfolg bestand.
- Bedeutung des Übergabezustands: Der Zustand der Mietsache bei der Anmietung ist entscheidend. War dieser Zustand bereits bei Vertragsbeginn bekannt und akzeptiert, gilt er nicht als Mangel.
- Keine nachträglichen Ansprüche auf Mängelbeseitigung: Mieter können keine Ansprüche auf Mängelbeseitigung geltend machen, wenn sie die Wohnung in dem Zustand angemietet haben, den sie später als mangelhaft bezeichnen.
- Vertragsgemäßheit des Zustands: Ein objektiv schlechter Zustand der Wohnung bei Mietbeginn kann vertragsgemäß sein.
- Rückgabe in ursprünglichem Zustand: Mieter sind verpflichtet, die Wohnung im Zustand der Anmietung zurückzugeben, auch wenn sie Verbesserungen vorgenommen haben.
- Keine eigenmächtigen Änderungen durch Mieter: Mieter dürfen den Zustand der Wohnung nicht eigenmächtig verändern oder bei Mietende Umbauten belassen.
- Kosten des Berufungsverfahrens: Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits: Das Gericht bewertete den Rechtsstreit als ohne grundsätzliche Bedeutung für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Übersicht
Der Rechtsstreit um den Zustand der Mietsache: Kernpunkte des Falls
Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Landgericht Hanau stand die Frage, ob der schlechte Übergabezustand einer Wohnung einen Mangel im Sinne des Mietrechts darstellt. Die Kläger und Berufungskläger hatten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hanau Berufung eingelegt, in der Hoffnung, eine andere rechtliche Beurteilung ihrer Situation zu erreichen. Der Fall betrifft die grundlegende Interpretation von Mietverträgen und die Pflichten von Mietern und Vermietern hinsichtlich des Zustands der Mietsache bei Übergabe und Rückgabe.
Einblick in die Entscheidungsfindung des Gerichts
Das Landgericht Hanau wies die Berufung der Kläger zurück, basierend auf mehreren rechtlichen Erwägungen. Zentral war dabei die Auslegung des § 546 Abs. 1 BGB, der die Rückgabe der Mietsache in dem Zustand regelt, in dem sie übernommen wurde. Das Gericht stellte fest, dass die Wohnung bereits bei Anmietung in dem Zustand war, den die Kläger als mangelhaft bezeichneten. Entscheidend war hier, dass keine abweichenden Vereinbarungen vorlagen und der Vermieter somit nur die Überlassung in eben diesem Zustand schuldete. Diese Auslegung spiegelt die gängige Rechtsprechung wider und bekräftigt die Verantwortung der Mieter, sich vor Vertragsabschluss über den Zustand der Wohnung zu informieren und entsprechende Vereinbarungen zu treffen.
Argumente der Kläger und rechtliche Erwägungen
Die Kläger argumentierten, dass der Zustand der Wohnung bei Mietende nicht als „mangelhaft“ hergestellt werden sollte, da sie diesen Zustand bereits bei Mietbeginn vorfanden. Das Gericht entgegnete, dass auch ein objektiv schlechter Zustand vertragsgemäß sein kann, wenn die Mietsache in diesem Zustand angemietet wurde. Dies unterstreicht die Bedeutung klarer Absprachen und Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter bei Vertragsbeginn. Es wurde auch hervorgehoben, dass es üblich ist, Wohnungen in objektiv schlechtem Zustand zu vermieten, insbesondere wenn der Mieter nach Absprache mit dem Vermieter Renovierungsarbeiten übernimmt, was sich gegebenenfalls auf die Miete auswirken kann.
Konsequenzen und Bedeutung des Urteils
Das Urteil des Landgerichts Hanau hat wichtige Implikationen für das Mietrecht und die Praxis der Mietverhältnisse. Es betont die Notwendigkeit klarer Kommunikation und Vereinbarungen zwischen Mietern und Vermietern bezüglich des Zustandes der Mietsache. Dieser Fall zeigt auch, dass die Gerichte geneigt sind, die Vertragsfreiheit und die Vereinbarungen der Parteien zu respektieren, solange diese nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Für Mieter und Vermieter ist es daher unerlässlich, sich über ihre Rechte und Pflichten klar zu sein und im Vorfeld detaillierte Vereinbarungen zu treffen, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
In welchem Zustand muss der Mieter die Mietsache bei Vertragsende zurückgeben, wenn bei Vertragsabschluss keine besonderen Vereinbarungen dazu getroffen wurden?
Wenn bei Vertragsabschluss keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden, muss der Mieter die Mietsache bei Vertragsende in einem vertragsgemäßen Zustand zurückgeben. Dieser Zustand ist definiert als ein Zustand, der einen vertragsgemäßen Gebrauch ermöglicht. Wenn die Mietsache einen hiervon zum Nachteil des Mieters abweichenden Zustand aufweist, kann der Mieter die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verlangen.
Gewöhnliche Abnutzung der Wohnung ist dabei zu erwarten und wird vom Vermieter in der Regel akzeptiert. Dies betrifft den Zustand der Mietsache, wenn keine großen vom Mieter verursachten Schäden vorhanden sind, sondern lediglich gebrauchstypische Spuren vom Wohnen.
Die Renovierungspflicht des Mieters hängt von den spezifischen Klauseln im Mietvertrag ab. Wenn der Mieter eine unrenovierte Wohnung zu Mietbeginn übernommen hat, kann ihn trotzdem die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen treffen, wenn sie wirksam im Vertrag vereinbart wurde. Klauseln mit der Verpflichtung zu einer Anfangsrenovierung sind jedoch unwirksam, da dem Mieter nicht die Lasten des Vormieters aufgebürdet werden sollen.
Es sollte jedoch beachtet werden, dass der Mieter bis zum letzten Tag die vollständige Miete bezahlen muss. Die Kaution dient dem Vermieter als Sicherheit für alle Ansprüche gegenüber dem Mieter, zum Beispiel aufgrund von rückständiger Miete oder nicht durchgeführten Schönheitsreparaturen.
Das vorliegende Urteil
LG Hanau – Az.: 2 S 94/22 – Beschluss vom 28.09.2023
Die Berufung der Kläger und Berufungskläger vom 31.08.2022 gegen das am 12.08.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hanau, Aktenzeichen: 32 C 155/21 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger und Berufungskläger.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hanau sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Diese Entscheidung ergeht einstimmig.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.004,47 € festgesetzt.
Gründe:
Die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Berufung hat aus den Gründen des Hinweisbeschlusses, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus besitzt der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung. Schließlich ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten; gegenteilige Gesichtspunkte enthält auch der Vortrag der Berufung nicht. Weiter wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Die Stellungnahme der Kläger und Berufungskläger vom 25.09.2023 rechtfertigt keine vom Hinweisbeschluss abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage. Neue, für die Entscheidungsfindung relevante Aspekte werden nicht vorgetragen.
Die Kläger übersehen nach wie vor, dass es vorliegend nicht um die Mangelhaftigkeit der Mietsache geht, weder hinsichtlich des Mietvertrags selbst noch in Bezug auf den bei Rückgabe im Rahmen des Räumungsanspruchs gem. § 546 Abs. 1 BGB herzustellenden Zustand.
Die Kammer hatte bereits im Hinweisbeschluss vom 11.09.2023 umfassend ausgeführt, dass sich die Mietsache bereits bei Anmietung in dem Zustand befand, den die Kläger als mangelhaft bezeichnen. Der Vertrag wird aber, wenn keine abweichenden Vereinbarungen vorliegen, über eben diesen Zustand geschlossen und der Vermieter schuldet die Überlassung der Mietsache in diesem Zustand. Auch dann, wenn es sich um einen objektiv schlechten Zustand handelt, ist dieser vertragsgemäß und somit derjenige, den der Mieter zur Überlassung fordern kann. Es wird insoweit auf die Ausführungen und in Bezug genommenen Fundstellen des Hinweisbeschlusses verwiesen. Damit korrespondiert der von dem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses herzustellende Zustand, weil dieser keinen objektiven Vorgaben unterliegt, sondern schlicht derjenige ist, in dem sich das Mietobjekt bei Vertragsbeginn befand (laufende Rechtsprechung, vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 5. April 2006 – VIII ZR 152/05 -, Rn 18).
Diese Grundsätze kann der Mieter nicht umgehen, indem er bestimmte Zustände des Mietobjekts schlicht als Mangel betitelt und sodann hieraus den Schluss zieht, er habe durch eigene Arbeiten und Veränderungen in der Mietsache einen solchen lediglich behoben bzw. könne nicht verpflichtet werden, einen mangelhaften Zustand bei Mietende herzustellen. Dem Mieter ist die Disposition über das Eigentum des Vermieters, das er in einem bestimmten Zustand anmietet und daher auch entsprechend zurückzugeben hat, schlichtweg entzogen, so dass ihm keine Befugnis zusteht, als negativ anzusehende Zustände eigenmächtig abzuändern oder auch bei Zustimmung des Vermieters seine Umbauten bei Rückgabe in der Mietsache zu belassen.
Die nunmehrige Behauptung, die Kläger hätten nichts beschädigt, was nicht bei Mietbeginn defekt war und auf Kosten des Beklagten zu reparieren gewesen wäre, geht daher nach wie vor an der Thematik vorbei. Denn auch ein „defekter“ Zustand ist, zumal das Mietrecht einen solchen Begriff überhaupt nicht kennt, sondern allein den der Mangelhaftigkeit im Sinne des § 536 BGB, vertragsgemäß, wenn die Mietsache in diesem angemietet wurde, es sei denn, die Parteien haben es anders vereinbart, was hier nicht der Fall ist. Insofern war der Beklagte auch nicht zur Behebung verpflichtet. Es ist auch absolut üblich, dass Mietwohnungen in objektiv schlechtem Zustand angemietet werden, weil der Mieter nach Absprache entsprechende Arbeiten selbst durchführt, was sich häufig, aber rechtlich nicht zwingend, auf die Höhe der Miete auswirkt. Die Wohnung ist rechtlich nach der Parteivereinbarung nicht mangelhaft.
Entgegen der Auffassung der Kläger, auch hierzu hatte die Kammer in dem vorhergehenden Beschluss bereits Stellung genommen, war erstinstanzlich auch nicht unstreitig, dass die Wohnung bei Anmietung „mangelhaft“ war, sondern lediglich, dass sich diese bereits zu diesem Zeitpunkt in dem beschriebenen Zustand befand und daher nach klägereigenem Vortrag so angemietet wurde. Die Mangeleigenschaft des § 536 BGB kann hingegen nicht unstreitig gestellt werden, da sie keine Tatsache im Sinne des § 138 ZPO, sondern die rechtliche Folge in Bezug auf die vereinbarte und geschuldete Leistung darstellt, die allein gerichtlich festgestellt wird. Zutreffend ist, dass die Durchführung der Arbeiten mit dem Beklagten unstreitig abgesprochen war, das ändert aber nichts daran, dass der Mieter nach Mietende den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, jedenfalls seine Änderung rückbauen muss. Insoweit wird auf die Ausführungen des Hinweisbeschlusses verwiesen.
Hinsichtlich der Einwände gegen die Kostenhöhe wird vollumfänglich auf die Ausführungen des Hinweisbeschlusses verwiesen, weil die Kläger ihre bereits vorgebrachte Auffassung lediglich wiederholen. Das Begleichen der Rechnung ist für die gerichtliche Schätzung gemäß § 287 ZPO keine Voraussetzung, wenn sich der Geschädigte dieser Verpflichtung nicht sogleich durch Anspruchsabtretung entledigt und die Kosten nicht offensichtlich für den Geschädigten erkennbar überhöht sind. In diesem Fall kann der Schädiger der Erforderlichkeit der Aufwendungen nicht durch einfach bestreiten oder – wie die Kläger aber unzutreffender Weise meinen -schlichtes Behaupten mangelnder Erforderlichkeit der Aufwendungen entgegentreten (BGH, Urteil vom 7. Februar 2023 – VI ZR 137/22; BeckOK ZPO/Bacher, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 287 Rn 20.4). Für beide Ausschlusstatbestände sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich und wie dargelegt klägerseits auch nicht konkret vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 2, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt gemäß §§ 47, 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.