AG Wedding – Az.: 7 C 92/22 – Urteil vom 22.06.2022
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 613,46 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 88 % und der Beklagte 12 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Räumung von Wohnraum und Zahlung aus dem Mietverhältnis.
Der Beklagte bewohnt die Wohnung …. Die Kläger sind Vermieter dieser Wohnung. In dem Haus … wohnen ungefähr 80 bis 100 Mietparteien und das Haus verfügt über mehrere Eingänge. Der rückwärtige Bereich des Hausgrundstücks ist allgemein zugänglich.
Am 10.02.2022 ist der Beklagte in der Zeit von 7:36:40 Uhr bis 7:36:50 Uhr die Treppe in dem Treppenhaus …, heruntergelaufen, an der Eingangstür vorbei ins Kellergeschoss. Dieser Bereich wird durch eine Kamera viedeoüberwacht. Wegen der vorgenommenen Aufzeichnungen wird auf die Anlage K5, Bl. 29-34 d.A., verwiesen. Auf diesen Bildern ist der Beklagte zu erkennen, der die Treppe herunterläuft.
Auf weiteren Bildern, aufgenommen um 07:37 Uhr (Anlage K6, Bl. 35 f. d.A.) geht eine Person an der Müllstandsfläche vorbei und überquert den Hof. Die Videoüberwachung auf dem Hof erfasst nur einen Teil der Hoffläche.
Die Bilder Nr. 005, 006, 007 und das Bild auf Bl. 34 d.A., aufgenommen im Zeitraum von 07:39:52 Uhr bis 07:42:32 Uhr, zeigen eine Rauchentwicklung, die sich vom Keller aus ins Treppenhaus ausbreitet. Auf einem weiteren Foto (Anlage K7, Bl. 37 d.A.) sind verbrannte Materialien neben der Ausgangstür zum Hof zu erkennen. Neben diesem verbrannten Müllhaufen befindet sich eine Tür, die bis zu diesem Zeitpunkt nie abgeschlossen war.
Der Beklagte betrieb ein Notstromaggregat auf seinem Balkon, wobei der genaue Umfang der Nutzung zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 3.3.2022 (Anlage K3, Bl. 27 f. d.A.) sicherte der Beklagte zu, dass eine Nutzung des Notstromaggregats in Zukunft unterbliebe. Seit dem Zugang der Kündigung wurde das Notstromaggregat von dem Beklagten nicht weiter betrieben.
Mit Schreiben vom 23.02.2022 (Anlage K2, Bl. 24 d.A.) kündigten die Kläger das Mietverhältnis mit dem Beklagten fristlos, hilfsweise fristgemäß. Zur Begründung führten sie aus, dass der Beklagte am 10.02.2022 gegen 07:40 Uhr Feuer im Treppenhaus des Hauses …, gelegt habe. Der Beklagte hätte zu diesem Zeitpunkt eine größere Menge Müll in einer Ecke des Treppenhauses entzündet. Zudem wird die Kündigung auf das unzulässige Betreiben eines Notstromaggregats auf dem Balkon der streitgegenständlichen Wohnung gestützt.
Die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 (Anlage K8, Bl. 38-46 d.A.) weist einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.226,91 Euro aus, von denen der Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 613,45 Euro zahlte.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den im Kellergeschoss liegenden Müll im Vorbeigehen angezündet und habe anschließend das Haus durch den Kellerausgang verlassen und den Hof überquert. Während des Zeitraums, für den die Bilddokumentation vorgelegt wurde, habe kein anderer Mieter oder Dritter das Treppenhaus und den Kellereingang zur Müllstandsfläche passiert oder betreten. Es sei ein Feuer entstanden, das dann jedoch erloschen sei, ohne dass es sich weiter ausgebreitet hätte.
Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, die 1-Zimmer-Wohnung in der … (Wohnfläche ca. 31,88 m2) zu räumen und geräumt einschließlich sämtlicher Schlüssel an die Kläger herauszugeben, den Beklagten weiter zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 613,45 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise dem Beklagten eine Räumungsfrist zu gewähren.
Der Beklagte behauptete, dass er beim Verlassen des Treppenhauses einen Brandgeruch wahrgenommen habe und den Müll daraufhin untersucht habe, ob der Brandgeruch daher stamme. Da er keinen Brandherd habe feststellen können, habe er sodann das Hausgrundstück verlassen. Als er ca. 10 Minuten später vom Bäcker zurückgekommen sei, habe er mit dem Hausmeister, Herr …, gesprochen und ihn auf den immer noch wahrnehmbaren Brandgeruch hingewiesen.
Er meint, die Videoüberwachung und anschließende Aufzeichnung seien rechtswidrig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Zahlungsantrags begründet, hinsichtlich des Räumungsantrags ist sie unbegründet.
1. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 613;45 Euro gemäß §§ 535, 556 Abs. 3 BGB. Die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 (Anlage K8, Bl. 38-46 d.A.) vom 24.06.2021 weist eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 1.226,91 Euro auf. Nach dem unbestrittenen klägerischen Vortrag hat der Beklagte bisher lediglich 613,45 Euro davon bezahlt, sodass eine Restforderung in Höhe von 613,46 Euro besteht. Einwendungen gegen diese Forderung hat der Beklagte nicht vorgebracht. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 BGB.
Danach ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.
Das Mietverhältnis wurde vorliegend jedoch nicht wirksam beendet. Die Kündigung vom 23.02.2022 konnte das Mietverhältnis nicht beenden, da kein Kündigungsgrund vorlag.
a) Das Mietverhältnis konnte zunächst nicht außerordentlich fristlos gemäß § 543 Abs. 1 BGB beendet werden.
Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 543 Abs. 1 S. 2 BGB.
aa) Dem Beklagten wird vorliegend vorgeworfen, dass er einen Müllhaufen im Treppenhaus angezündet hätte. Dies hat der Beklagte jedoch erheblich bestritten. Allein die Aufzeichnungen der Videoüberwachung stellen keinen geeigneten Beweis dafür dar, dass der Beklagte den Müllhaufen tatsächlich in Brand gesetzt hat.
Dafür muss die Frage, ob die Videoüberwachung des Hauses und des Müllstandplatzes rechtswidrig erfolgte und damit als Beweismittel nicht verwertet werden darf, nicht entschieden werden. Denn selbst bei einer Verwertbarkeit dieser Aufnahmen kann die Tat durch diese Aufnahmen nicht nachgewiesen werden. Die Bilder Nr. 001-004 zeigen lediglich, dass der Beklagte die Treppe herunter in den Keller läuft. Die Bilder Nr. 012-014 zeigen sodann eine Person, die über die Müllstandsflächen läuft und das Gelände des Hauses verlässt. Selbst wenn man davon ausginge, dass diese Person der Beklagte ist, was beklagtenseits bestritten wird, ist damit die Tat, die dem Beklagten vorgeworfen wird, nicht hinreichend dargelegt. Denn keine der Aufnahmen zeigt, dass der Beklagte den Müllhaufen in Brand gesetzt hat. Auch unter Inbezugnahme der Bilder Nr. 005-007, die eine Rauchentwicklung im Treppenhaus zeigen, ca. drei Minuten, nachdem der Beklagte das Treppenhaus passiert hat, legen nicht dar, dass der Müllhaufen vom Beklagten angezündet wurde und es deshalb zu der Rauchentwicklung im Treppenhaus kam.
Auch bei der Anwendung des Instituts der Verdachtskündigung konnte ein wichtiger Grund, der zur Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigen würde, nicht dargelegt werden. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB kann unter Umständen auch der durch objektive Umstände begründete dringende Verdacht einer Straftat sein (vgl. LG Itzehoe, ZMR 2019, 829, Rn. 23; Blank/Börstinghaus, in: dies., Miete, 6. Auflage 2020, § 573, Rn. 10; Tiedemann, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 569 BGB, Stand: 25.05.2022, Rn. 102). Das für das Arbeitsrecht entwickelte Institut der Verdachtskündigung, ist damit in bestimmten Fällen auch auf das Mietrecht übertragbar (vgl. LG Itzehoe, ZMR 2019, 829, Rn. 23). Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Kündigende die Kündigung damit begründet, dass gerade der Verdacht eines von ihm nicht für sicher gehaltenen und erwiesenen strafbaren Verhaltens das für die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nötige Vertrauen zerstört hat (LG Itzehoe, a.a.O.). Voraussetzungen für eine solche Verdachtskündigung sind (1) das Vorliegen einer Straftat, (2) der Verdacht muss durch objektive Umstände belegt sein, (3) der Verdacht muss dringend und die Verdachtsmomente müssen geeignet sein, das für die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören (vgl. LG Itzehoe, a.a.O.).
Vorliegend fehlt es jedoch an einem dringenden Tatverdacht. Dringender Tatverdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat (vgl. Krauß, in: BeckOK StPO, § 112 Rn. 9). Eine solch große Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer Brandstiftung besteht vorliegend nicht. Vorliegend besteht lediglich ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Passieren des Treppenhauses durch den Beklagten und der Rauchentwicklung. Dies reicht für die Annahme einer großen Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Rauchentwicklung auf ein Verhalten des Beklagten zurückgeht, nicht aus. Dies folgt insbesondere aus der Tatsache, dass diverse andere Kausalverläufe möglich sind, die zu der Rauchentwicklung im Treppenhaus geführt haben könnten.
So gibt es unstreitig mehrere Eingänge zum Haus und die Tür, neben dem der verbrannte Müllhaufen aufgefunden wurde (Anlage K7, Bl. 37 d.A.), war in dem streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend unverschlossen. Insofern wäre es durchaus möglich gewesen, dass andere Person nach dem Beklagten durch diese Kellertür in das Haus gelangt sind und den Müllhaufen in Brand setzten. Auch ist es möglich, dass jemand eine Zigarette oder ähnliches in den Bereich hinter der Tür warf, sodass es dort zu einer Rauchbildung kam. Insofern besteht nicht schon deshalb ein dringender Tatverdacht, weil niemand sonst das Treppenhaus passierte, wie von den Klägern vorgetragen. Zum einen bezog sich der Vortrag nur darauf, dass in dem Zeitraum, zu dem die Videoaufnahmen eingereicht wurden, kein weiterer Mieter oder ein Dritter das Treppenhaus passierte. Es ist jedoch auch möglich, dass die Rauchentwicklung auf eine Handlung einer anderen Person, die früher als der Beklagte das Treppenhaus passierte, zurückgeht. Insofern ist es denkbar, dass bereits seit längerer Zeit ein schwelender Brandherd gegeben war, der erst deutlich später zu der auf den Bildern dargestellten Rauchentwicklung führte. Zum anderen ist es gerade möglich, dass in dem durch die Aufnahmen begrenzten Zeitraum eine andere Person die Rauchentwicklung durch eine Handlung durch die offene Kellertür verursacht hat. Zwar wurde von der Klägerseite eingewandt, dass auch niemand den Kellereingang im dargestellten Zeitraum zur Müllstandsfläche passiert hat, jedoch wurde vom Beklagten unbestritten vorgetragen, dass gerade nicht der gesamte Hofbereich videoüberwacht ist, sondern nur ein Teil. Der Bereich der Kellertür als solcher ist ebenfalls nicht videoüberwacht, sodass es möglich ist, dass andere Personen Zugang zu dem Müllhaufen hatten und die Rauchentwicklung verursacht haben: Insbesondere ist der rückwärtige Bereich des Hausgrundstücks allgemein zugänglich, sodass es möglich ist, dass auch andere Personen von dieser Seite Zugang zu der Kellertür und dem dahinter liegenden Müllhaufen hatten. Der Bereich, der videoüberwacht ist, wird auf den Bildern der Anlage K6 deutlich. Auf diesen ist die Kellertür als solche nicht zu sehen und der Bereich weitere rechts neben den Mülltonnen wird von der Kamera ebenfalls nicht erfasst.
Darüber hinaus ist eine große Wahrscheinlichkeit auch deshalb nicht anzunehmen, da ein weiterer möglicher Kausalverlauf derjenige ist, dass sich ein bereits bestehender Schwelbrand durch die Öffnung der Kellertür durch den Beklagten erst entfacht hat. Insofern wäre es grundsätzlich gar nicht erforderlich, dass eine andere Person im dargestellten Zeitraum an der Fläche mit dem Müll vorbeigelaufen ist, da eine Rauchentwicklung auch ohne aktives Zutun einer Person allein durch den Luftzug, der bei Öffnen und Schließen der Tür entsteht, entfacht sein könnte.
Insofern bedurfte es einer Vernehmung des Zeugen … aus zwei Gründen nicht. Zum einen wurde nicht vorgetragen, dass der Zeuge Wahrnehmungen hinsichtlich eines örtlichen und zeitlichen Bereichs machen könnte, die über diejenigen hinausgehen, die die Videoaufnahmen festgehalten haben. Zum anderen hätte die Rauchentwicklung seine Ursache schon zu einem viel früheren Zeitpunkt als zwischen 7:36 Uhr und 7:45 Uhr nehmen können, da die Rauchentwicklung erst viel später hätte eintreten können. Zum anderen kann die Rauchentwicklung auch ohne (weiteres) menschliches Zutun an dem Müllhaufen durch Luftzüge oder ähnliches entstanden sein, sodass auch, wenn in dem Zeitraum niemand – auch durch andere Zugänge – in die Nähe des Müllhaufens gelangt wäre, die Rauchentwicklung hätte stattfinden können.
Eine große Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft des Beklagten kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil er unterschiedliche Angaben hinsichtlich des Verhaltens in Bezug auf den Müllhaufen machte. In dem Widerspruchsschreiben gegen die Kündigung wurde ausgeführt, dass der Beklagte seinem Prozessbevollmächtigten erklärt habe, dass er den Müll durchsucht habe aufgrund des wahrnehmbaren Brandgeruchs und ihn dann bekämpft hätte. Dieser Vortrag wurde in der Klageerwiderung dahingehend berichtigt, dass er den Brand nicht bekämpft hätte, sondern sich nur um den Brandgeruch gekümmert habe. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat insofern ausgeführt, dass die vorherige Aussage auf die fehlenden Sprachkenntnisse des Beklagten zurückgingen und erst bei der Klageerwiderung ein Dolmetscher hinzugezogen worden sei. Dieser Vortrag ist angesichts der Tatsache, dass in der Klageerwiderung ausgeführt wird, dass der Beklagte damit ausdrücken wollte, dass er sich um den Brandgeruch „gekümmert“ habe, plausibel. Zudem ist in dem Schreiben vom 3.3.2022 lediglich ausgeführt, dass er nach der Ursache des Brandgeruchs gesucht habe, „um gegebenenfalls den Brandherd ausfindig zu machen und ihn sodann zu bekämpfen“. Aus dieser Formulierung lässt sich nicht schließen, dass er damals aussagte, dass er ein Feuer tatsächlich gefunden hat und es sodann bekämpft hat. Vielmehr ergibt sich daraus nur, dass er die Suche nach dem Brandherd aufnahm, um diesen zu bekämpfen, wenn er ihn gefunden hat.
Aber selbst wenn man davon ausginge, dass der Beklagte divergierende Aussagen zu dem Verhalten an dem gesammelten Müll an der Kellertür und der Handlungen nach Vernehmung eines Brandgeruchs gemacht hätte, würde daraus noch keine große Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft hinsichtlich der Brandstiftung folgen. In beiden Erklärungen hat der Beklagte zum Ausdruck gemacht, dass er Brandgeruch wahrgenommen habe und daraufhin die Müllfläche untersucht hat. Allein aus verschiedenen Aussagen, die nach dem plausiblen Vortrag des Beklagtenvertreters zudem auch auf sprachliche Schwierigkeiten zurückzuführen sein können, ergibt sich keine große Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft. Gleiches gilt für den Einwand der Kläger, dass ein Gespräch mit dem Hausmeister … nicht, wie vom Beklagten behauptet, stattgefunden hat, als dieser 10 Minuten später vom Bäcker kam. Denn selbst wenn es sich bei diesem Vortrag um eine bloße Schutzbehauptung handeln würde, so begründet dies keinen dringenden Tatverdacht. Einer Vernehmung des Zeugen … bedürfte es somit nicht. Denn selbst wenn der Beklagte diesbezüglich die Unwahrheit gesagt hätte, könnte daraus nicht geschlossen werden, dass sein Bestreiten hinsichtlich der Verursachung des Brandes ebenfalls unglaubwürdig ist bzw. darüber hinausgehend ein dringender Tatverdacht anzunehmen wäre. Der dringende Tatverdacht müsste sich vielmehr aus den Aufnahmen bzw. anderen vorliegenden Tatsachen ergeben. Ein Rückschluss von einer Lüge hinsichtlich eines anderen Verhaltens auf die Vornahme einer Straftat kann nicht erfolgen.
bb) Ein Grund zur fristlosen Kündigung bestand auch nicht aufgrund des unbefugten Betreibens des Notstromaggregats auf dem Balkon. Da es sich bei dem vorgeworfenen Verhalten um die Verletzung einer Pflicht aus dem Mietverhältnis handelt, hätte es diesbezüglich einer Abmahnung gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB bedurft. Eine solche ist unstreitig nicht erfolgt. Eine Ausnahme von der Erforderlichkeit einer Abmahnung gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 BGB ist nicht ersichtlich.
b) Durch die Kündigung vom 23.02.2022 wurde das Mietverhältnis auch nicht fristgemäß gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB beendet.
Danach kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Eine Abmahnung ist dabei keine Voraussetzung für eine solche ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses (BGH, NJW-RR 2020, 1275, 1276, Rn. 11). Die Beurteilung, ob eine „nicht unerhebliche“ Pflichtverletzung vorliegt, erfolgt aufgrund einer Einzelfallabwägung. Dabei kann sich die Erheblichkeit einer Pflichtverletzung aus der Dauer und der Schwere der Pflichtverletzung ableiten. Die Vertragsverletzung muss die Belange des Vermieters in einer Weise beeinträchtigen, dass die Kündigung als angemessene Reaktion erscheint (vgl. dazu Hannappel, in: BeckOK BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 573, Rn. 22).
Die Darlegungslast für das Vorliegen der Kündigungsvoraussetzungen trägt grundsätzlich der Vermieter. Die Darlegungen der Kläger reichen im vorliegenden Fall nicht aus, um eine derart erhebliche Pflichtverletzung zu begründen, die die Kündigung als angemessen Reaktion erscheinen lässt.
aa) Hinsichtlich des Vorwurfs der Brandstiftung und einer diesbezüglichen Verdachtskündigung wird auf die oben unter a) aa) gemachten Ausführungen verwiesen. Hinsichtlich einer Verdachtskündigung gelten dieselben Maßstäbe wie für die ordentliche Kündigung (vgl. die Kommentierung zu § 573 BGB von Blank/Börstinghaus, in: dies., Miete, 6. Auflage 2020, Rn. 10).
bb) Auch das zeitweise Betreiben des Notstromaggregats auf dem Balkon kann einen Kündigungsgrund nicht begründen. So wird lediglich vorgetragen, dass der Beklagte ein Notstromaggregat auf seinem Balkon betrieb. Dabei werden zum einen hinsichtlich der Dauer seitens der Kläger keine Angaben gemacht, sodass sich unter diesem Gesichtspunkt keine Erheblichkeit ableiten lässt. Der Beklagte hatte vorgetragen, dass er das Notstromaggregat lediglich zwei Stunden nutzte, was seitens der Kläger zwar bestritten wurde, eine genaue Angabe hinsichtlich des Zeitraums, in dem das Notstromaggregat betrieben wurde, erfolgte seitens der Kläger jedoch nicht. Auch unter dem Aspekt der Schwere der Pflichtverletzung kann eine Erheblichkeit nicht angenommen werden. So werden die konkreten Auswirkungen des Betriebs des Notstromaggregats auf die anderen Mieter bzw. den Vermieter nicht dargelegt. Unstreitig handelt es sich zwar um eine Pflichtverletzung, eine Darlegung der besonderen Schwere erfolgte jedoch durch die Kläger nicht.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.