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Mietvertragskündigung bei Nichtzahlung der Miete bei Erkrankung des Mieters

LG Hannover, Az.: 4 T 20/16, Beschluss vom 17.08.2016

Der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20.05.2016 – Aktenzeichen 434 C 2600/16 – (91-a-Beschluss) wird abgeändert:

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beschwerdewert wird auf 5.093,28 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hat vor Eintritt des erledigenden Ereignisses gegenüber dem Beklagten einen Räumungsanspruch geltend gemacht. Die Klägerin stützte ihren Räumungsanspruch auf die fristlose Kündigung vom 07.10.2015. Zu diesem Zeitpunkt waren folgende Mieten offen:

Miete 5/2011 204,01 EUR

Miete 10/2014 85,62 EUR

Miete 11/2014 85,62 EUR

Miete 12/2014 85,62 EUR

Miete 1/2015 85,62 EUR

Miete 2/2015 56,81 EUR

Miete 7/2015 0,01 EUR

Miete 8/2015 0,01 EUR

Miete 9/2015 0,01 EUR

Miete 10/2015 560,06 EUR.

Mietvertragskündigung bei Nichtzahlung der Miete bei Erkrankung des Mieters
Symbolfoto: Phongphan/Bigstock

Die Miete für den Monat 10/2015 wurde am 08.10.2015 gezahlt. Der Beklagte hatte am 09.09.2015 einen Hirninfarkt erlitten und lag zunächst für 3 Wochen im Koma. Insgesamt befand er sich vom 09.09.2015 bis zum 04.02.2016 in stationärer Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte nicht in der Lage, seine finanziellen Angelegenheiten selbstständig zu regeln.

Mit Klage vom 07.03.2016, welche dem Beklagten am 18.03.2016 zugestellt worden ist, hatte die Klägerin zunächst Räumung und Herausgabe der von dem Beklagten bewohnten Wohnung verlangt.

Nach Zustellung der Klage hat der Beklagte sämtliche zu diesem Zeitpunkt rückständige Mieten ausgeglichen, weshalb beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20.05.2016 die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB begründet gewesen sei zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung, und zwar selbst dann, wenn man die rückständige Oktobermiete nicht mit berücksichtigt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 10.06.2016.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Zwar ist die Beschwerde nicht begründet worden, dies ist gemäß § 571 ZPO jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde; dies ergibt sich daraus, dass nach § 571 Abs. 1 ZPO die Beschwerde begründet werden soll. Als Mindestvoraussetzung an die Form der Beschwerdeeinlegung reicht nach § 569 Abs. 2 ZPO, dass eine Beschwerdeschrift eingelegt wird, welche die angefochtene Entscheidung bezeichnet und eine Erklärung dahingehend enthält, dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Diesen Mindestvoraussetzungen genügt die Beschwerdeschrift des Beklagten vom 10.06.2016.

Die Beschwerde hat in der Sache ebenfalls Erfolg.

Denn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung seitens der Klägerin vom 07.10.2015 hatte diese kein Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsrückstandes ergibt sich vorliegend nicht aus § 543 Abs. 2 Nr. 3 a oder b BGB. Voraussetzung für ein Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB wäre, dass entweder der Mieter mit der Entrichtung der Miete für zwei aufeinander folgende Termine im Verzug ist oder er zumindest mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug ist. Für Wohnraummietverhältnisse gilt darüber hinaus der speziellere § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB. In dieser Vorschrift wird spezifiziert, dass erst dann ein nicht unerheblicher Mietrückstand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB vorliegt, wenn der rückständige Teil der Mieten mindestens eine Monatsmiete übersteigt.

Zum Zeitpunkt der Kündigung am 07.10.2015 lag allerdings kein Mietrückstand vor, welcher aus zwei aufeinander folgenden Terminen einen Mietrückstand in Höhe einer Monatsmiete erreicht hätte.

Mit der Miete für Oktober 2015 befand sich der Beklagte zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung nämlich nicht in Verzug. Denn gemäß § 286 Abs. 4 BGB setzt Verzug immer voraus, dass der Schuldner die Nichtleistung zu vertreten hat. Vorliegend liegt allerdings aufseiten des Beklagten ein Entschuldigungsgrund dafür vor, warum er die Miete für Oktober 2015 nicht rechtzeitig gezahlt hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte schwer erkrankt und aufgrund dieser Erkrankung nicht selbst in der Lage, seine Mietschulden rechtzeitig zu bezahlen. Dass eine schwere Erkrankung ein unverschuldetes tatsächliches Leistungshindernis vorübergehender Natur darstellt, ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl., 2016, § 286 Rdnr. 33). Wenn man diesen Mietrückstand allerdings nicht mitberücksichtigt, so erreichen die weiteren rückständigen Mieten zwar insgesamt einen Betrag, welcher eine Monatsmiete übersteigt, sie sind allerdings nicht in lediglich zwei aufeinander folgenden Terminen angefallen. Dies ist jedoch Voraussetzung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB. Wenn der Mietrückstand nämlich nicht in lediglich zwei aufeinander folgenden Terminen sondern in mehr Terminen erreicht wird, so besteht ein Kündigungsgrund nur nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB. Nach dieser Vorschrift ist es allerdings erforderlich, dass, wenn der Rückstand sich über mehr als zwei Termine erstreckt, ein Rückstand in Höhe von insgesamt zwei Monatsmieten erreicht ist. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. In den Monaten 5/2011 bis 9/2015 hatte sich ein Rückstand von lediglich 606,30 EUR aufgebaut, welcher nicht zwei Monatsmieten übersteigt.

Da demnach zum Zeitpunkt der ausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 07.10.2015 kein Kündigungsrecht aufseiten der Klägerin vorlag, wäre sie in dem Räumungsrechtsstreit ohne das erledigende Ereignis unterlegen gewesen, weshalb sie nach § 91 a ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

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