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Mietvertragskündigung bei offenen Betriebskostennachzahlungen

Mietstreitigkeiten in Frankfurt: Mieterhöhung und Kündigungsrecht

Die vorliegende Rechtsstreitigkeit zwischen einem Vermieter und seinen Mietern in Frankfurt am Main dreht sich um die Frage der Wirksamkeit einer Mieterhöhung und die daraus resultierenden Konsequenzen für das Mietverhältnis.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2-11 S 13/23 >>>

Hintergrund des Falles

Mietvertragskündigung bei offenen Betriebskostennachzahlungen
In Frankfurt eskaliert ein langjähriger Mietstreit: Nach mehreren gescheiterten Mieterhöhungsversuchen kündigt der Vermieter fristlos wegen Mietrückständen. Das Amtsgericht entscheidet teilweise zugunsten des Vermieters, doch die Mieter legen Berufung ein. (Symbolfoto: Grusho Anna /Shutterstock.com)

Die Beklagten wohnten seit vielen Jahren in einer Wohnung in der A.straße in Frankfurt, die ursprünglich von einem Vormieter gemietet wurde. Dieser Mietvertrag unterlag bis Ende 2020 einer Sozialbindung. Nach dem Erwerb der Wohnung durch den Kläger im Jahr 2018, versuchte dieser, die Miete zu erhöhen. Trotz mehrerer Versuche des Klägers, die Miete zu erhöhen, blieben die Mieter bei ihrer ursprünglichen Zahlung. Nach dem Tod des Vormieters eskalierte der Streit, als der Kläger die Mieter wegen angeblicher Mietrückstände fristloskündigte.

Hauptargumente beider Parteien

Der Kläger argumentierte, dass die Mieterhöhung rechtens war und die Mieter somit Mietrückstände angehäuft hätten. Dies berechtige ihn zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses. Die Beklagten hingegen waren der Ansicht, dass die Mieterhöhung unwirksam war. Sie argumentierten, dass bei der Berechnung der neuen Miete Erträge aus dem Jahr 2014 mit Kosten aus dem Jahr 2020 verrechnet wurden, was ihrer Meinung nach unzulässig sei.

Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht Frankfurt gab dem Kläger teilweise Recht. Es entschied, dass die Mieterhöhung wirksam war und die Beklagten somit Mietrückstände hatten. Dies berechtigte den Kläger zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Die Beklagten wurden zur Räumung der Wohnung bis Ende Februar 2023 verurteilt. Das Gericht wies jedoch den Antrag der Beklagten auf Gewährung einer Räumungsfrist zurück.

Berufung der Beklagten

Unzufrieden mit der Entscheidung des Amtsgerichts, legten die Beklagten Berufung ein. Sie forderten die Abänderung des Urteils und die Abweisung der Klage. Hilfsweise baten sie um eine angemessene Räumungsfrist. Sie argumentierten weiterhin, dass die Mieterhöhung unwirksam sei und die Verzugsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger verteidigte das Urteil des Amtsgerichts und forderte die Zurückweisung der Berufung.

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Das vorliegende Urteil

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-11 S 13/23 – Urteil vom 09.06.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.01.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, 33 C 2335/22 (29), wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird es nachgelassen, die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen wird es den Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.634,48 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die wirksame Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum.

Am 01.10.1984 schloss der Vormieter M. S. mit den vormaligen Eigentümern der verfahrensgegenständlichen Wohnung in der A.straße ## in Fr. am M. einen Mietvertrag, wobei die Wohnung bis zum 31.12.2020 der Sozialbindung unterlag. Die Beklagten lebten bis zum Ableben des Vormieters und auch darüber hinaus in dieser Wohnung.

Am 08.05.2018 erwarb der Kläger von der Voreigentümerin das Eigentum an der Wohnung.

Mit Schreiben vom 04.02.2020 (Anlage B 3, Bl. 26 ff. d.A.) ließ der Kläger dem Vormieter eine Mieterhöhung nach § 10 WoBindG auf eine Nettomonatsmiete von 719,54 EUR ab dem 01.03.2020 erklären. Die Gesamtmiete sollte bei einem Betrag in Höhe von 1.157,54 EUR liegen.

Die Mieterseite leistete der Mieterhöhung keine Folge und zahlte auch ab März 2020 stets den alten Mietbetrag.

Der Vormieter verstarb am … 2021.

Mit Schreiben vom 24.02.2022 (Anlage B 1, Bl. 23 ff. d.A.) ließ der Kläger den Beklagten zu 1) zur Zustimmung zu einer weiteren Mieterhöhung der Nettomiete auf 827,41 EUR auffordern, die die Beklagtenseite zurückwies. Stattdessen erteilte der Beklagte zu 1) eine Teilzustimmungserklärung auf 693,87 EUR. Eine Zustimmungsklage wurde nicht erhoben.

Der Kläger ließ dem Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 30.03.2022 (Anlage B 7, Bl. 31 ff. d.A.) durch die Immobilienverwaltung F… wegen behaupteter Mietrückstände in Höhe von 3.022,90 EUR die fristlose außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung erklären. Mit einem an alle Beklagten gerichteten anwaltlichem Schreiben vom 23.05.2022 (Anlage K 2, Bl. 5 ff. d.A.) ließ er den Beklagten erneut die fristlose außerordentliche Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 28.02.2023 erklärt. Den Beklagten wurde eine Räumungsfrist bis zum 20.06.2022 gewährt. Im gleichen Schreiben ließ der Kläger entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR geltend machen.

Der Kläger hat erstinstanzlich unter anderem die Auffassung vertreten, die Mieterhöhung vom 04.02.2020 auf 719,54 EUR netto im Monat sei wirksam gewesen, so dass sich ein wegen der allmonatlichen Minderzahlung von 116,17 EUR von März 2020 bis Mai 2022 zuzüglich der offenen Nebenkostenabrechnungen ein Zahlungsrückstand von 3.255,24 EUR ergeben habe und der Kläger zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen sei.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagten zu 1), 2) und 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen innengehaltene Wohnung im Anwesen A.straße ##, … F. am M., drittes Obergeschoss rechts, Wohnungsnummer 3-301, bestehenden aus viereinhalb Zimmern, ein Bad/WC, eine Küche/Wohnküche, eine Diele, einem separaten WC, einem Abstellraum, einem Waschraum, einer Loggia und einem Speicherraum im Dachgeschoss mit der Nummer 301, zu räumen und an ihn herauszugeben,

2. hilfsweise die Beklagten zu 1), 2) und 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen innengehaltene Wohnung im Anwesen A.straße ##, … F. am M., drittes Obergeschoss rechts, Wohnungsnummer 3-301, bestehenden aus viereinhalb Zimmern, ein Bad/WC, eine Küche/Wohnküche, eine Diele, einem separaten WC, einem Abstellraum, einem Waschraum, einer Loggia und einem Speicherraum im Dachgeschoss mit der Nummer 301, bis zum 28. Februar 2023 zu räumen und an ihn herauszugeben,

3. die Beklagten zu 1), 2) und 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 887,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. August 2022 zu zahlen.

Die Beklagten haben in erster Instanz beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise den Beklagten zu 1), 2) und 4) eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Sie haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Miterhöhung vom 04.02.2020 sei unwirksam, da die Kosten des Jahres 2020 unzulässiger Weise den Mieterträgen aus dem Jahr 2014 entgegengehalten worden seien. Nach Berechnung der Beklagten hätte der Mietertrag 2020 bei 5,67 EUR liegen müssen.

Das Amtsgericht hat die Beklagten auf den hilfsweise gestellten Klageantrag zu 2) gesamtschuldnerisch zur Räumung und Herausgabe der Wohnung zum 28.02.2023 sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verurteilt. Den Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist hat das Amtsgericht zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht unter anderem ausgeführt, die hilfsweise in dem anwaltlichen Kündigungsschreiben vom 23.05.2022 erklärte ordentliche Kündigung zum 28.02.2023 greife durch. Die Beklagtenseite habe sich mit Mietzinsverbindlichkeiten von 2.092,60 EUR in Schuldnerverzug befunden, was den Kläger zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt habe. Der Mietrückstand ergebe sich aus den nach der wirksamen Mieterhöhung erfolgten Minderzahlungen der Beklagten. Die Erklärung vom 04.02.2020 erfülle die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 WoBindG. Der Einwand, die Klägerseite habe in unzulässiger Weise Mietererträge aus 2014 mit Kosten aus 2020 entgegengestellt, greife nicht durch. In der Berechnung habe die Hausverwalterin die sich aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung ergebende Kostenmiete für 2014 der ab 2020 entgegengestellt und den Differenzbetrag für die Berechnung der neuen Monatsmiete angegeben. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die Nachzahlungsforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen dem Grunde und der Höhe nach bestanden haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie Abänderung des angefochtenen Urteils, Klageabweisung und hilfsweise die Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist begehren. Das Amtsgericht habe zu Unrecht die ordentliche Kündigung des Klägers als wirksam erachtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) seien die Verzugsvoraussetzungen nicht gewahrt. Zudem erscheine es wenig folgerichtig, dass – wie vom Amtsgericht angenommen – einer Wirtschaftlichkeitsberechnung Stand 2020 Erträge aus 2014 gegenübergestellt werden dürften. Die Meinung des Amtsgerichts verletze § 36 I II. BV, wonach nur laufende Aufwendungen und Erträge in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzustellen seien. Die Kostenmiete errechne sich aus der Subtraktion der aktuellen Erträge von den aktualisierten Aufwendungen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers müssten im Zeitraum von 2014 bis 2020 Mietsteigerungen stattgefunden haben, die in der Berechnung Berücksichtigung finden müssten.

Die Beklagten beantragen,

1. das Urteil vom 05.01.2023 abzuändern und die Klage abzuweisen.

2. hilfsweise den Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, wegen des Parteivorbringens im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aufgrund der mit anwaltlichem Schreiben vom 23.05.2022 hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Mietwohnung zusteht.

a) Dass zum Zeitpunkt der maßgeblichen Kündigungserklärung vom 23.05.2022 das Mietvertragsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten bestand, hat das Amtsgericht mit überzeugender Begründung gewürdigt.

Wie das Amtsgericht zurecht ausführt, sind die Beklagten nach dem Tod des Vormieters gemäß § 563 Abs. 2 BGB in das Mietverhältnis eingetreten. Hiernach treten Kinder des Mieters, die in dem gemeinsamen Haushalt leben, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. Andere Familienangehörige, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führen, treten mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder der Lebenspartner eintritt. Der Begriff andere Familienangehörige ist weit auszulegen und umfasst Verwandte und Verschwägerte, ohne dass es auf einen bestimmten Grad ankommt (vgl. MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 563 Rn. 13 m.w.N.). Hiervon werden neben dem Beklagten zu 1) auch die Beklagte zu 2), die Tochter des Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 3), die Ehefrau des Beklagten zu 1) erfasst. Sie werden auch – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – nicht von dem Eintritt des Beklagten zu 1) in das Mietverhältnis ausgeschlossen.

b) Die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses liegen vor.

Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter eine ordentliche Kündigung nur wirksam aussprechen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dabei insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Wird die ordentliche Kündigung auf einen Zahlungsverzug gestützt, gilt, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung möglich ist. Allerdings ist bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als „nicht unerheblich“ die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs zu berücksichtigen. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung aufgrund von Zahlungsrückständen kann dabei bereits in Betracht kommen, wenn sich der Mieter mit einem Betrag von mehr als einer Monatsmiete mindestens einen Monat lang im Verzug befindet (vgl. BGH Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, NJW 2013, 159, Rn. 20). Insoweit kommen auch nicht gezahlte abgerechnete Betriebskosten, auf die eine fristlose Kündigung nicht gestützt werden kann, als Grundlage einer auf Zahlungsverzug gestützten ordentlichen Kündigung in Betracht (vgl. etwa: BeckOGK/Geib, 1.4.2023, BGB § 573 Rn. 49).

aa) Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, ob – wie vom Amtsgericht angenommen – die Kläger aufgrund der aus der Mieterhöhungserklärung resultierenden (angeblich) rückständigen Mietzinsverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 2.091,06 EUR zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB berechtigt war.

(1) Zwar dürfte die Mieterhöhungserklärung des Klägers vom 04.02.2020 (Anlage B 3, Bl. 26 f. d.A.) in formeller Hinsicht als wirksam zu beurteilen sein.

Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1, 2 WoBindG kann der Vermieter die Miete durch schriftliche Erklärung erhöhen, wenn der Mieter nur zur Entrichtung eines geringeren als des nach dem Gesetz zulässigen Entgelts verpflichtet ist. Die Erklärung ist nur wirksam, wenn in ihr die Erhöhung berechnet und erläutert wird. Zusätzlich verlangt § 10 Abs. 1 S. 3 WoBindG, dass der Berechnung der Kostenmiete eine Wirtschaftlichkeitsberechnung oder ein Auszug daraus beigefügt wird, der die Höhe der laufenden Aufwendungen erkennen lässt. Die Erhöhung muss dabei für einen durchschnittlichen, juristisch und wohnungswirtschaftlich nicht vorgebildeten Mieter verständlich und nachvollziehbar sein (vgl. LG Halle Urt. v. 08.08.2002 – 2 S 42/01, BeckRS 2002, 31157990; Bub/Treier, MietR-HdB/Schultz, Kap. III Rn. 1888 m.w.N.). Zur Berechnung ist in der Regel darzulegen, welche laufenden Aufwendungen sich in welchem Umfang erhöht haben, sofern dies nicht aus den Anlagen in allgemein verständlicher Weise ersichtlich ist (vgl. LG Köln Urt. v. 20.02.1992 – 6 S 138/91; Bub/Treier, MietR-HdB/Schultz Kap. III Rn. 1888).

Beruht die Mieterhöhung – wie vorliegend – auf einer Steigerung der Verwaltungskosten- und Instandhaltungskostenpauschalen, so ist ausreichend, wenn hierauf lediglich kurz hingewiesen wird, soweit sich die Erhöhung deutlich aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung oder gleichgestellten Unterlagen ergibt (vgl. Bub/Treier, MietR-HdB/Schultz, Kap. III Rn. 1898). Dass die Indexierung der Verwaltungskosten- und Instandhaltungskostenpauschalen Ursache der Mieterhöhung war, lässt sich dem Schreiben vom 04.02.2020, in dem knapp auf deren Indexierung Bezug genommen wird, sowie der beigefügten Wirtschaftlichkeitsberechnung gerade noch verständlich entnehmen.

(2) Allerdings dürften entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Zweifel daran bestehen, ob die Mieterhöhung durch den Kläger in materieller Hinsicht zutreffend berechnet worden ist.

Inhaltliche Fehler der Berechnung der Mieterhöhung haben nicht deren Unwirksamkeit zur Folge. Vielmehr hat das mit der Sache befasste Gericht alle Kostenansätze selbstständig zu überprüfen, selbst zu berichtigen und die Kostenmiete nachzurechnen. Nur wenn die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung schwere Fehler hat, kann ein formeller Mangel angenommen werden (vgl. Hannemann/Wiegner/Bister, Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2019, § 25, Rn. 170 f.).

Bedenken begegnet die Berechnung des Klägers insbesondere insoweit, als in der Neuberechnung der Kostenmiete (Bl. 28 d.A.) als Kostenmiete gemäß Wirtschaftlichkeitsberechnung Stand 2014 ein Betrag von 5,09 EUR/m² zugrunde gelegt wurde.

Wie sich aus der vorgelegten Übersicht zu der Mietenentwicklung (Bl. 151 d.A.) ergibt, wies die durchschnittliche Kostenmiete im Jahr 2014 eine Höhe von 5,66 EUR/m² auf und hatte sich um einen Betrag von 0,11 EUR gegenüber dem Jahr 2011 erhöht. Für große Wohneinheiten erhöhte sich die Miete laut dieser Übersicht dementsprechend um den Betrag von 0,11 EUR von 4,98 EUR/m² auf 5,09 EUR/m². Unter Anwendung dieser (niedrigeren) Kostenmiete von 5,09 EUR/m² ergab sich für die Wohnung der Beklagten die bisherige Kaltmiete von 603,37 EUR. Weshalb bei der Neuberechnung der Kostenmiete nicht die Differenz aus der Durchschnittskostenmiete aus dem Jahr 2014 und der erhöhten Durchschnittskostenmiete aus dem Jahr 2020 zur Berechnung der Mieterhöhung herangezogen wurde, erscheint nicht nachvollziehbar.

Letztlich kann die materielle Ordnungsgemäßheit der von dem Kläger durchgeführten Mieterhöhungsberechnung allerdings dahinstehen.

bb) Bereits die Höhe und Dauer des Zahlungsverzugs hinsichtlich der nicht gezahlten Betriebskostennachzahlungen für die Jahre 2019 und 2020 in Höhe von 1.162,64 EUR genügte, um eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB und mithin ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu begründen.

Wie bereits ausgeführt, kann eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch auf Mietrückstände, die aus nicht periodisch wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen gestützt werden. Dies gilt insbesondere für Nachzahlungsansprüche des Vermieters aus Betriebskostenabrechnungen (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 31 m.w.N.).

(1) Insofern hat die Beklagtenseite schon keine substantiierten Einwände gegen die Abrechnung vorgetragen, so dass das Bestehen der vom Kläger vorgetragenen Nachzahlungsansprüche in Höhe eines Betrages von insgesamt 1.162,64 EUR gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln ist.

Grundsätzlich trifft den Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der erhobenen Forderung, also für die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen Betriebskosten auf die einzelnen Mieter (vgl. BGH Urt. v. 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599 Rn. 12 m.w.N.). Der Mieter kann die erfolgte Abrechnung des Vermieters nicht einfach bestreiten. Vielmehr kann er die Zahlen in der Abrechnung prozessrechtlich nur beachtlich bestreiten, wenn er vorher von seinem Recht auf Belegeinsicht Gebrauch gemacht hat und konkrete Einwände gegen die Berechnung erhebt (vgl. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 15. Aufl. 2021, BGB § 556 Rn. 584 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers gelten diese Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung nicht nur im Nachzahlungsprozess, sondern sind auch auf die inzidente Prüfung im Rahmen des Räumungsverfahren zu übertragen.

Dass der Kläger den Beklagten in seinen Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2019 und 2020 ein Negativsaldo von 371,67 EUR und 790,97 EUR berechnet hat, ist ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils (S. 2, Bl. 36R d.A.) zwischen den Parteien unstreitig. Dies ist gemäß §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht bindend (vgl. BGH Urt. v. 17.1.2012 – XI ZR 457/10, NJW-RR 2012, 622 Rn. 18). Insofern ist für die Frage der Darlegungs- und Beweislast ohne Bedeutung, ob der Kläger in diesem Verfahren die jeweiligen Abrechnungsschreiben zur Akte gereicht hat.

Konkrete Einwände gegen die Abrechnung des Klägers hat die Beklagtenseite nicht erhoben, sondern sich darauf beschränkt, vorzutragen, es seien außergerichtlich „qualifizierte Einwendungen“ erhoben worden. Nähere Darlegungen dazu, welche Einwände konkret erhoben wurden, lässt das Vorbringen der Beklagten gänzlich vermissen.

(2) Der hinsichtlich der Betriebskostennachzahlungen angelaufene rückständige Betrag in Höhe von 1.162,64 EUR war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung im Mai 2022 bereits mehr als ein Monat fällig und übersteigt eine Monatsmiete, so dass eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung anzunehmen ist (vgl. etwa: LG Berlin Urt. v. 24.11.2015 – 63 S 158/15, BeckRS 2016, 2350).

cc) Es ist auch von einem Vertretenmüssen der Beklagten hinsichtlich des für die Kündigung maßgeblichen Zahlungsverzugs auszugehen.

Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet (vgl. BGH Urt. v. 29.6.2016 – VIII ZR 173/15, NJW 2016, 2805 Rn. 19 m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass der Schuldner sich entlasten und beweisen muss, dass er die Pflichtverletzung nicht im Sinne des § 276 zu vertreten hat (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 280 Rn. 95 m.w.N.). An den Entlastungsbeweis dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. etwa: BGH Urt. v. 14.11.1989 – X ZR 116/88, NJW-RR 1990, [447] 446). Der Entlastungsbeweis ist erbracht, wenn der Schuldner die Ursache des Schadenseintritts nachweist und darlegt, dass er diese nicht zu vertreten hat. Dies erfordert den Nachweis, dass er weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt, also keine Sorgfaltspflicht verletzt hat (vgl. BeckOGK/Riehm, 1.7.2022, BGB § 280 Rn. 365 ff.).

Nähere Darlegungen, die zu einer Entlastung der Beklagten führen könnten, fehlen bereits. Allein der ohne Beweisantritt gehaltene Vortrag, die Zahlungen entsprächen der Verfahrensweise des Vormieters, vermögen die Beklagten nicht zu entlasten. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, welche Maßnahmen die Beklagten nach dem Tod des Vormieters ergriffen haben, um den Stand des Mietverhältnisses – sei es in Bezug auf etwaige Zahlungsrückstände – aufzuklären. Zumal bei einem Eintritt in ein bestehendes Vertragsverhältnis dieses „wie es steht und liegt“ übernommen wird und mithin ein Verschulden der bisherigen Vertragspartei fortwirkt (vgl. BeckOGK/Wendtland, 1.4.2023, BGB § 563 Rn. 29).

2. Zutreffend hat das Amtsgericht auch entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zusteht.

Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Den Beklagten ist keine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO zu gewähren.

Gemäß § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren, wenn auf die Räumung von Wohnraum erkannt wird.

Wie das Amtsgericht bereits zutreffend in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, kann das Gericht zwar eine Räumungsfrist auch ohne Vorliegen eines Antrags von Amts wegen anordnen, wobei dies insbesondere zu erwägen ist, wenn aus dem Prozessstoff für das Gericht ohne Weiteres erkennbar ist, dass der Schuldner mit einer Räumung ohne Räumungsfrist nicht zu rechnen brauchte. Eine Amtsermittlung muss das Gericht diesbezüglich aber nicht betreiben (vgl. nur: BeckOK ZPO/Ulrici, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 721 Rn. 11 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist den Beklagten bei umfassender Abwägung der Interessen der Parteien – wie diese sich aus dem vorliegenden Sachverhalt ergeben – eine Räumungsfrist nicht zu gewähren.

Beruft sich der Mieter – wie dies vorliegend offenbar der Fall ist – darauf, dass es ihm nicht möglich sei, bis zur voraussichtlichen Zwangsräumung durch den Gläubiger eine angemessene Ersatzwohnung zu finden, muss er grundsätzlich substantiiert darlegen, dass er seine Obliegenheiten zur Ersatzwohnraumsuche erfüllt hat (vgl. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 15. Aufl. 2021, ZPO § 721 Rn. 21). Wann der Mieter mit der Suche zu beginnen hat, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, wann ein vernünftiger Mieter im konkreten Fall mit der Suche begonnen hätte (vgl. nur: Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 15. Aufl. 2021, ZPO § 721 Rn. 22).

Ob und in welchem Umfang von den Beklagten Anstrengungen zur Suche von Ersatzwohnraum unternommen wurden, ist nicht vorgetragen worden. Jedenfalls nachdem das Amtsgericht den Beklagten bereits die Gewährung einer Räumungsfrist versagt hatte, hätte – unabhängig von der Rechtskraft der Räumungsentscheidung – vernünftigerweise mit der Suche begonnen werden müssen. Hinzu kommt, dass die Kündigung selbst bereits mehr als ein Jahr zurückliegt.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 7, 10, 711 ZPO. Dabei schätzt die Kammer sowohl das Vollstreckungsinteresse des Klägers als auch das Interesse der Beklagten an der Absicherung von etwaigen Ausgleichsansprüchen auf jeweils 4.000,00 EUR.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 2, 41 Abs. 1 GKG.

 

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