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Abmahnerfordernis vor Mietvertragskündigung nach Zahlungsverzug und Schonfristzahlung

AG Berlin-Mitte – Az.: 6 C 27/16 – Urteil vom 28.10.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger sind Vermieter, die Beklagten seit dem 01.04.2001 Mieter der im Antrag näher bezeichneten Wohnung. Die monatliche Miete beträgt 453,26 € nettokalt. Unter Berücksichtigung einer unstreitigen Mietminderung von 103,71 € schuldeten die Beklagten eine monatliche Bruttomiete von 587,71 €.

Die Beklagten zahlten die Mieten für die Monate Februar bis einschließlich April 2016 nicht. Die Kläger kündigten unter dem 08.04.2016 wegen des Zahlungsverzuges fristlos, hilfsweise fristgerecht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K3 (Bl. 33 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagten zahlten den gesamten fehlenden Betrag im April 2016 nach. Die Kläger halten an der ordentlichen Kündigung zum 31.01.2017 fest.

Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten bereits die Januarmiete 2016 nicht gezahlt. Sie sind der Auffassung, die Beklagten hätten ihre Kontobewegungen überprüfen und dafür Sorge tragen müssen, dass die Zahlungen pünktlich erfolgen.

Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, die in der …, im Vorderhaus, 2. OG links belegene, aus 3 Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, einem Flur sowie einem Abstellraum/Kellerraum bestehende, ca. 86 qm große Wohnung geräumt ab dem 01.02.2017 an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, sie hätten nicht bemerkt, dass die Bank die Überweisungen aufgrund des erteilten Dauerauftrags eingestellt hätte. Die Januarmiete sei dann doppelt überwiesen worden. Sie sind der Auffassung, die Kläger hätten sie auf die fehlenden Zahlungen aufmerksam machen müssen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung …, Vorderhaus, 2. OG links, gegen die Beklagten zu. Denn das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch eine fristlose (a), noch durch eine fristgemäße (b) Kündigung der Kläger vom 08.04.2016 beendet worden.

a) Die von den Klägern mit Schreiben vom 08.04.2015 erklärte fristlose Kündigung ist durch die vollständige Zahlung der rückständigen Mieten innerhalb der Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden. Sie führte mithin nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses.

b) Das Mietverhältnis zwischen den Parteien wurde auch nicht durch die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung vom 08.04.2015 beendet. Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt gemäß § 573 Abs. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist unzweifelhaft jedenfalls dann gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB vorliegen, der Mieter die Miete oder den Betriebskostenvorschuss ständig unpünktlich oder unvollständig zahlt oder wenn der Mieter mit seinen diesbezüglichen Zahlungen in Höhe eines Betrages, der die Bruttomiete von zwei Monaten übersteigt, über einen Zeitraum von mehr als zwei Zahlungsterminen hinweg in Verzug ist, weil dann sogar das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, zitiert nach juris; Urteil vom 11.01.2006 – VIII ZR 364/04, Urteil vom 25.10.2006 – VIII ZR 102/06).

Soweit die Beklagten – wie unter a) ausgeführt – die vollständige Zahlung der Rückstände innerhalb der Schonfrist des § 569 BGB geleistet haben, kommt eine Heilungswirkung für die fristgerechte Kündigung nicht in Betracht. Kündigt der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis wegen Zahlungsverzuges des Mieters fristlos und hilfsweise fristgemäß, lässt der nachträgliche Ausgleich der Rückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 BGB zwar die fristlose Kündigung unwirksam werden, nicht dagegen auch die fristgemäße Kündigung.

Gleichwohl hat auch die hilfsweise fristgemäße Kündigung das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet.

Denn eine wirksame Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt ein Verschulden des Mieters voraus. Im Rahmen der Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, ist auch eine nachträgliche Zahlung zu berücksichtigen. Gegebenenfalls lässt diese ein etwaiges Fehlverhalten des Mieters in einem milderen Licht erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2005, Rn 20, zitiert nach juris).

Zu den zu berücksichtigenden Kriterien führt das LG in der Entscheidung 67 S 125/16 vom 16.06.2016 (zitiert nach juris, Rn 18) wie folgt aus:

„Abzustellen war dabei auf sämtliche für die allgemeine kündigungsrechtliche Beurteilung des rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens eines Vertragspartners heranzuziehenden Umstände (vgl. dazu BAG, Urt. v. 28. Januar 2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461 Tz. 26). Zu berücksichtigen sind deshalb bei einem wegen Zahlungsverzugs gekündigten Mieter – wie bei allen sonstigen verhaltensbedingten Pflichtverletzungen (des Mieters) auch – stets die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2015 – VIII ZR 321/14, WuM 2016, 225 Tz. 9 (zu § 242 BGB)), das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung (vgl. BGH, Urt. v. 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12, NJW 2013, 159 Tz. 20), eine mögliche Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2015 – VIII ZR 321/14, WuM 2016, 225 Tz. 9 (zu § 242 BGB)) und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens (vgl. BGH, Urt. v. 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, NJW 2008, 508 Tz. 22; Urt. v. 15. April 2015- VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Tz. 33; Blank, a.a.O., § 573 Rz. 15, 19; Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 573 Rz. 55; a.A. Rolfs, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 573 Rz. 39). Zu Gunsten des Mieters können dessen besonderen persönlichen Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 21, Oktober 2009 – VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Tz. 26 (zu § 543 Abs. 1 BGB); Urt. v. 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Tz. 21) oder ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Vermieters (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Tz. 23; Urt. v. 15. April 2015 – VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Tz. 33) zusätzliche Berücksichtigung finden.“

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet.

Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 08.04.2016 waren die Beklagten mit einem Betrag von 1.204,82 € in Verzug. Erstmals mit dem Kündigungsschreiben vom 08.04.2016 hat die Hausverwaltung die Beklagten über die Rückstände bis einschließlich April 2016 informiert. Zuvor haben die Kläger zu keinem Zeitpunkt auf die Rückstände hingewiesen oder diese angemahnt. Dazu hätten sie jedoch Veranlassung gehabt. Denn schon im Januar ist es zu Zahlungsverschiebungen gekommen, die – wie sich aus der Übersicht in dem Kündigungsschreiben vom 08.04.2016 ergibt – zu einem Guthaben der Beklagten in Höhe von 558,31 € führte. In den Monaten Februar bis April erfolgte dann keine Zahlung. Bei einem Mietverhältnis, das 15 Jahre währt und das offensichtlich – jedenfalls im Hinblick auf das Zahlungsverhalten der Mieter – bis zu diesem Zeitpunkt problemlos gelaufen ist, kann man erwarten, dass der Vermieter Zahlungsrückstände zumindest zunächst anmahnt und dem Mieter Gelegenheit gibt, die entsprechenden Umstände zu klären und ggf. – wie dann ja auch im vorliegenden Fall geschehen – nachzuzahlen. Dass es hier zu „Ungereimtheiten“ bei den Zahlungen gekommen ist, ergab sich schon im Januar 2016.

Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Beklagten ihrerseits verpflichtet sind, ihre Zahlungen zu überprüfen und es sich bei der fehlenden Abbuchung von Mieten für 3 Monate nicht um einen so unbedeutenden Betrag handelt, dass dies bei der Kontrolle der Konten nicht auffällt. Auch wenn diese Frage zweifellos im Einflussbereich der Beklagten liegt und hier auch kein nachvollziehbares Verschulden der Bank erkennbar ist, bleibt es dabei, dass es sich in der Gesamtheit um einen Betrag handelt, der zwei geminderte Monatsmieten gerade übersteigt und die Kläger ihrerseits auch nicht auf die fehlenden Mieten hingewiesen und diese angemahnt, sondern vielmehr zugewartet haben, bis ein für eine fristlose Kündigung ausreichender Rückstand aufgelaufen war.

Unter diesem Gesichtspunkt und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Rückstände dann sofort beglichen wurden und es weder vorher noch in der Folge nicht mehr zu Rückständen gekommen ist und das Mietverhältnis zuvor 15 Jahre problemlos und ohne Zahlungsverzögerungen abgewickelt wurde führte die fristgemäße Kündigung nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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