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Mietwohnung – Instandsetzungsanspruch gegenüber Vermieter bei Mängeln

LG Berlin – Az.: 65 S 272/20 – Urteil vom 24.06.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 14. September 2020 – 12 C 403/19 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, folgende Mängel in der vom Kläger gemieteten Wohnung im Vorderhaus xxx. OG rechts des Hauses xxxx 39, 12047 Berlin zu beseitigen:

a) Die Wohnzimmertür nebst Rahmen weist einen fleckig-vergilbten Anstrich auf;

b) Das Fensterbrett im hinteren Zimmer weist losen, verbrauchten Farbanstrich auf;

c) Der Farbanstrich der Wände und der Decke der vorderen Kammer der Küche ist unansehnlich-fleckig.

Mietwohnung - Instandsetzungsanspruch gegenüber Vermieter bei Mängeln
(Symbolfoto: Benoit Daoust/Shutterstock.com)

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, wegen der defekten Klingelanlage die Bruttomiete für die Zeit vom 22. Juni 2018 bis zum 20. März 2019 um monatlich 2 % zu mindern.

Im Übrigen wird die Klage angewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger zu 90 % und die Beklagten zu 10 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

a) Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

aa) Zu Recht wenden die Beklagten sich gegen die Verurteilung zum Entfernen der Styropor-

decke, die der Kläger bei Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1993 als vertragsgemäßen Zustand akzeptiert hat. Zutreffend verweisen die Beklagten darauf, dass der vom Amtsgericht herangezogenen Entscheidung ein grundlegend anderer Sachverhalt zugrunde lag, nämlich die Ausstattung der Wohnung durch den Mieter mit einer Styropordeckenverkleidung, die zudem mit einer Kunststofffolie überzogen war.

Die abstrakte Gefahr, die von der Verkleidung – wie im Übrigen auch von anderen in einer Wohnung im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs aufbewahrten Gegenständen – ausgehen kann, führt nicht dazu, dass nach Jahrzehnten unbehelligten Gebrauchs ohne jeden Anlass, insbesondere behördliche Empfehlungen oder ein behördliches Einschreiten ein Instandsetzungsanspruch des Mieters gegen den Vermieter begründet wird, der vertragsgemäße Zustand sich ohne jeden Anlass in einen vertragswidrigen Zustand wandelt.

Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet der Vermieter die Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache, der sich nach dem bestimmt, was die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages und Übergabe der Räumlichkeiten an den Mieter als vertragsgemäß vereinbart bzw. zugrunde gelegt haben. Die Ausstattung eines Zimmers mit einer Styropordecke konnte dem Kläger nicht verborgen geblieben sein, was er im Übrigen auch nicht behauptet. Er hat eben diese Ausstattung als vertragsgemäß akzeptiert. Gegen eine konkrete Gefahr spricht im Übrigen, dass die Styropordecke sich – wie in unzähligen weiteren Wohnungen – hier seit fast drei Jahrzehnten an der Decke befindet.

bb) Ebenfalls zu Recht wenden die Beklagten sich gegen die Verurteilung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen an der Schwelle der Balkontür zum Wohnzimmer, am Schließmechanismus der Oberlichter der Fensteranlage im Wohnzimmer, an der Schwelle zum Wohnzimmer und an der Eingangstür nebst Rahmen zum hinteren Zimmer, im Übrigen gegen die tenorierte Vorgabe der Art und Weise der Ausführung der Schönheitsreparaturen.

Das Amtsgericht hat insoweit übersehen, dass die Art und Weise der Ausführung von Instandsetzungsarbeiten, zu denen die Schönheitsreparaturen gehören, im Entscheidungsbereich des Vermieters liegen. Maßstab ist insoweit allein die fachgerechte Ausführung, die allein das dem Vermieter eingeräumte Ermessen einschränkt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme steht fest, dass Schönheitsreparaturen in den eingangs genannten Bereichen nicht fällig sind. Der Kläger übersieht, dass im Rahmen des Instandsetzungsanspruchs aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB die Erhaltung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes vom Vermieter geschuldet wird. Ein solcher Zustand liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur dann vor, wenn die Wohnung sich stets in einem frisch renovierten Zustand befindet. Einen solchen Zustand schuldet umgekehrt auch nicht der Mieter, auf den die Ausführung von Schönheitsreparaturen wirksam übertragen wurde. Ein zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneter Zustand liegt auch dann vor, wenn Gebrauchsspuren sichtbar sind, die in der Gesamtschau nicht erheblich ins Gewicht fallen.

Typische Gebrauchsspuren, die bereits unmittelbar nach einer erneuten Renovierung auftreten, sind konstruktionsbedingt und vertragsgemäß, da dem ursprünglichen Zustand entsprechend die Farbabriebe im Bereich der Schließmechanismen an der Fensteranlage im Wohnzimmer. Ebenso verhält es sich mit den Schwellen zur Balkontür, der Wohnzimmertür und der Tür zum hinteren Zimmer. Ebenso wie die Schließmechanismen sind Abnutzungen bzw. Farbabriebe im Zuge des vertragsgemäßen Gebrauchs unvermeidbar. Entstehen sie, führen sie in der Gesamtschau nicht zum Eindruck einer Renovierungsbedürftigkeit, sondern werden von jedermann als das wahrgenommen, was sie sind: unvermeidbare Spuren des Gebrauchs einer bewohnten Wohnung.

Soweit der Kläger ungeachtet der aufgrund des hellen, sonnigen Tages außerordentlich guten Lichtverhältnisse mit einer Taschenlampe Vergilbungen an der Tür zum hinteren Zimmer nachweisen wollte, hat die Kammer diese nicht in einem Maße feststellen können, der die eingangs beschriebenen Schwellen zum nicht mehr vertragsgemäßen Zustand überschreitet. Der Kläger verkennt wiederum ganz grundlegend, dass der am Gesamteindruck der Wohnung zu messende Renovierungsbedarf nicht bereits dann festgestellt wird, wenn mit Taschenlampen – die üblicherweise nicht im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung Verwendung finden – Farbunterschiede in geringem Umfang sichtbar gemacht werden können.

b) Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur malermäßigen Instandsetzung der Wohnzimmertür, des Fensterbretts im hinteren Zimmer und der vorderen Kammer der Küche wenden.

Die Wohnzimmertür war nach den Feststellungen im Ortstermins – auch ohne die Taschenlampe des Klägers – in unterschiedlichem Maße vergilbt, diese Vergilbungen vermittelten insgesamt einen unansehnlichen, renovierungsbedürftigen Eindruck. Das Fensterbrett im hinteren Zimmer wies die vom Amtsgericht beschriebenen Risse und die Farbablösungen auf.

Die Kammer ist lediglich fachgerecht malermäßig instandzusetzen; diese Instandsetzung schulden die Beklagten indes nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme. Sie schulden demgegenüber – ohne Kostenbeteiligung des Klägers – keinen besseren Zustand als den bei Übergabe. Es ergibt sich nicht, dass die Tapete keinen weiteren Farbanstrich „verträgt“; etwaige Fehlstellen müssen auf den Gebrauch des Klägers zurückzuführen oder von Anfang an vorhanden gewesen sein. Der Kläger hat selbst – so die insoweit von ihm nicht unangefochtenen Feststellungen des Amtsgerichts – lediglich vorgetragen, dass die Kammer bei Übergabe an ihn frisch gestrichen gewesen sei. Daran müssen die Beklagten sich – wie vom Amtsgericht festgestellt – mangels hinreichenden Bestreitens festhalten lassen, umgekehrt aber auch der Kläger. Die Beklagten schulden keine Komplettrenovierung inklusive Entfernung der Tapete, zumal es sich um einen nicht zum Aufenthalt von Menschen geeigneten und bestimmten Nebenraum zur Aufbewahrung von Gegenständen handelt.

c) Die Feststellung der Mietminderung ist nach den Ausführungen unter a) wegen der nicht geschuldeten Entfernung der Styroporplatten zu korrigieren, aber auch wegen der nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen entsprechend den Feststellungen unter a) und b). Soweit die Verurteilung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen aufrechterhalten wird, überschreiten die davon ausgehenden Beschränkungen der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht die Schwelle des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB.

d) Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage bezüglich der vom Kläger verfolgten Instandsetzungsansprüche die WC-Spülung, den Teppichboden, den Türrahmen der Schlafzimmertür und die Innenflügel der Balkontür betreffend abgewiesen sowie eine weitergehende Mietminderung nicht festgestellt.

aa) Die Feststellungen des Amtsgerichts zur WC-Spülung sind nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat im Einzelnen und unter Darstellung des Zeitraums der Inaugenscheinnahme beschrieben, dass und weshalb es die Behauptungen des Klägers nicht bestätigen konnte. Der Kläger verkennt ganz grundlegend, dass ein minimales Nachlaufen von Wasser keinesfalls die Annahme eines Mangels rechtfertigt, bei dem es sich in rechtlicher Hinsicht um eine Abweichung der vertraglich vorausgesetzten von der tatsächlichen Beschaffenheit handeln muss.

Selbstredend weist die Keramik eines WC-Spülbecken im Laufe der Zeit – eben wegen der bestimmungsgemäßen Wasserzufuhr bei Spülvorgängen – in den betroffenen Bereichen Abnutzungserscheinungen in der vom Amtsgericht beschriebenen Weise auf, dies allerdings, ohne dass bei jeder auch nur – wie hier – geringfügigsten Abnutzung bereits ein Mangel anzunehmen ist und ein Instandsetzungsanspruch ausgelöst würde. Entscheidend ist, dass das Nachlaufen trotz größter Anstrengungen des Amtsgerichts nicht festgestellt werden konnte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens vermag insoweit keine anderen oder weitergehenden Erkenntnisse zu erbringen; die Inaugenscheinnahme ist eines der zulässigen Strengbeweismittel der ZPO.

bb) Hinsichtlich des Teppichbodens übersieht der Kläger wiederum ganz grundlegend, dass die fortlaufende Pflege und Reinigung ihm obliegt. Der Teppichboden wurde von der Beklagtenseite 2015 neu verlegt. Niemand, der selbst für die Kosten aufkommen muss, führt bereits nach 5 Jahren ohne jeden Anlass – so die Feststellungen des Amtsgerichts – eine Grundreinigung durch oder tauscht den Teppichboden gar aus. Der Kläger setzt seine eigenen Wertungen ohne jede Begründung an die Stelle der durch die Feststellungen zum Zustand des in Augenschein genommenen Teppichbodens unterlegten Feststellungen des Amtsgerichts.

cc) Die durch den unstreitigen Defekt der Klingelanlage eingetretene Mietminderung hat das Amtsgericht ermessensfehlerfrei geschätzt und seine Schätzung auch begründet. Soweit der Kläger ohne nähere Ausführungen auf eine Entscheidung des LG Chemnitz zur Mietminderung im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses verweist, verkennt er schon im Ansatz, dass das Maß der eingetretenen Mietminderung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und der Ausfall einer Klingelanlage im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses bereits anderen, vom Amtsgericht berücksichtigten Auswirkungen unterliegt.

dd) Eine weitergehende Mietminderung kommt nicht in Betracht. Die eingetretene Mietminderung ist vielmehr geringer als vom Amtsgericht geschätzt. Auf die Feststellungen unter c) wird Bezug genommen.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Berücksichtigt hat die Kammer, dass die Verurteilung der Beklagten zur Instandsetzung teilweise aufrechterhalten wurde, auch wenn sie aus rechtlichen Gründen keine Herabsetzung der Miete herbeigeführt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage dem Tatrichter unterliegender Feststellungen.

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