Klage wegen Mietzahlungen abgewiesen.
Ein Vermieter hat in Mannheim eine Klage gegen eine ehemalige Mieterin eingereicht, um ausstehende Mietzahlungen zu erhalten. Der Mietvertrag betraf Gewerberäume, die mittlerweile saniert wurden. Die Mieterin hatte das Mietverhältnis gekündigt, nachdem sie von der Ankündigung der umfassenden Sanierung erfahren hatte. Der Vermieter forderte jedoch weitere Zahlungen ein. Das Gericht entschied jedoch, dass die außerordentliche Kündigung der Mieterin aufgrund des Sonderkündigungsrechts nach § 555e BGB rechtmäßig war und das Mietverhältnis zum 31.07.2022 beendet wurde. Die Mieträume seien durch die Sanierung erheblich beeinträchtigt worden, was eine Kündigung rechtfertige. Der Vermieter hat daher keinen Anspruch auf Zahlungen der ausstehenden Mieten. Die Kosten des Verfahrens trägt der Vermieter.
LG Mannheim – Az.: 4 O 109/22 – Urteil vom 15.02.2023
In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat das Landgericht Mannheim – 4. Zivilkammer – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2023 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 19.041,36 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Miete. Die Parteien waren durch einen Mietvertrag vom 17.01.2017 über Gewerberäume in der ### in Mannheim verbunden, da der Kläger nach Eigentumserwerb in das Mietverhältnis als Vermieter eingetreten ist.
Die Gesellschaft der Beklagten ist zwischenzeitlich erloschen. Das Vermögen der ### GmbH & Co KG ist auf die ### Verwaltung GmbH in Liquidation angewachsen.
Zuletzt war eine monatliche Miete von 4.760,34 Euro geschuldet. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis zunächst ordentlich zum 30.04.2023 mit Schreiben vom 07.09.2021. Mit Schreiben vom 13.06.2022 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis dann außerordentlich zum 31.07.2022. Diese Kündigung wies der Kläger zurück, da kein Kündigungsgrund gegeben sei.
Am 31.07.2022 gab die Beklagte die Mietsache an den Kläger zurück. Ab dem Monat August 2022 zahlte die Beklagte keine Miete mehr.
Der Kläger verlangt nun von der Beklagten die Zahlung der Mieten für die Monate August bis November 2022 (4 x 4.760 Euro) von insgesamt 19.041,36 Euro. Mit Schreiben vom 08.08.2022 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung auf.
Der Kläger meint, eine Kündigung sei nicht möglich, wenn der Mieter die Modernisierungsmaßnahme ohnehin dulden müsse oder dulden wolle.
Modernisierungsmaßnahmen müssten grundsätzlich geduldet werden, wenn durch sie der Nutzwert nachhaltig verbessert oder eine nachhaltige Energieeinsparung erreicht werde.
Ein Sonderkündigungsrecht nach § 555e BGB sei nur möglich, wenn die entsprechenden Maßnahmen auf die Miete umgelegt werden würden. Dies sei aber nicht der Fall. Das Mietverhältnis sei daher noch bis zum 30.04.2023 gelaufen.
Soweit die Beklagte geltend mache, es sei zu starken Verschmutzungen gekommen, sei darauf hinzuweisen, dass schon vor Beginn der Arbeiten alles komplett verdreckt und verstaubt gewesen sei. Die ausführende Firma habe vor Beginn der Arbeiten alles abgedeckt und nach den Arbeiten die kompletten Bodenflächen im Büro mit dem Staubsauger gereinigt.
Die ausführende Firma habe die Maßnahmen bei der Fenstersanierung gemeinsam mit der Beklagten geplant und so ausgeführt, dass die Beklagte so wenig wie möglich Einschränkungen gehabt habe. So seien z.B. Arbeiten außerhalb der Geschäftszeiten und auch samstags vorgenommen worden.
Zudem sei in § 6 des Mietvertrages eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahmen getroffen worden. Unter Ziffer 2 sei unter anderem geregelt, dass der Vermieter nach Modernisierungsmaßnahmen zu einer angemessenen Mieterhöhung berechtigt sei. Hätten die Parteien hier gewollt, dass bei einer Modernisierung eine Kündigung zulässig sein soll, wäre diese explizite Regelung hierzu sinnentleert gewesen. Die Mietvertragsparteien hätten daher bei einer Modernisierung keinerlei Kündigungsmöglichkeit nach den gesetzlichen Regelungen zulassen wollen, sofern die Modernisierungsmaßnahmen für den Mieter nicht unzumutbar seien, und dies vor der Unterzeichnung des Mietvertrages auch so abgestimmt.
Hätte die Beklagte – insbesondere vor dem Hintergrund des auslaufenden Mietverhältnisses – die Durchführung der Modernisierung abgelehnt, hätte die Klägerseite hier einfach zugewartet. Da die Beklagte die Modernisierungsmaßnahmen sogar mit der Klägerseite geplant und insbesondere deren Zeitablauf zur Vermeidung eines Eingriffes in die Betriebsabläufe der Beklagten abgestimmt habe, sei nun eine Berufung auf ein entsprechendes Sonderkündigungsrecht wegen der streitgegenständlichen Sanierung nicht zulässig.
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro19.041,36 Euro nebst 10 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 4.760,34 Euro seit dem 04.08.2022, aus 4.760,34 Euro seit dem 05.09.2022, aus 4.760,34 Euro seit dem 07.10.2022, aus 4.760,34 Euro seit dem 04.11.2022.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.088,60 netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Sie macht geltend, mit der außerordentlichen Kündigung habe sie von ihrem Sonderkündigungsrecht nach §§ 578 Abs. 2, 555e BGB Gebrauch gemacht. Der Kläger habe mit Schreiben der ihn vertretenden Hausverwaltung vom 17.05.2022 angekündigt, das Objekt durch Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten auf den neuesten Stand bringen zu wollen. Geplant seien der Einbau neuer Beleuchtungseinrichtungen, der Austausch der Fenster in den rundherum verglasten Räumen und die Sanierung der Fassade gewesen. Dabei handele es sich um erhebliche Sanierungsmaßnahmen. Zunächst habe die Beklagte den Handwerkern wunschgemäß Zutritt gewährt und dabei festgestellt, dass die Beeinträchtigungen so massiv gewesen seien, dass es zwingend erforderlich erschienen sei, von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Es sei zu massiven Verschmutzungen der Arbeitsplätze gekommen, so dass eine sachgerechte Ausübung der üblichen Tätigkeit durch die Mitarbeiter der Beklagten nicht mehr möglich gewesen sei.
Die Beklagte meint, das Sonderkündigungsrecht des § 555e BGB sei nicht davon abhängig, ob der Vermieter eine Mieterhöhung tatsächlich beabsichtige. Dies ergebe sich bereits aus der Regelung des § 561 BGB, welches dem Mieter ohnehin ein Sonderkündigungsrecht einräume, wenn eine Modernisierungsmieterhöhung vorgesehen sei. Das Sonderkündigungsrecht des § 555e BGB beruhe auf der Art der Maßnahme selbst und der daraus resultierende Beeinträchtigung der Nutzung der Räumlichkeiten ähnlich wie bei der Regelung des § 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB.
Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag enthalte auch keinen Ausschluss des diesbezüglichen Sonderkündigungsrechts. Es werde in § 6 Ziffer 2 nur der Gesetzestext des § 559 BGB a.F. wiederholt. Das Sonderkündigungsrecht nach § 555e BGB sei auch anlässlich der Mietvertragsunterzeichnung nicht diskutiert worden. Eine Nebenabrede habe der Schriftform nach § 17 des Mietvertrages bedurft.
Die Mieträume seien vor Beginn der Arbeiten sauber, sehr gut gepflegt und in einwandfreiem vertragsgerechten Zustand gewesen. Die Ausführung der Modernisierungsmaßnahmen sei in keiner Weise mit der Beklagten abgesprochen worden. Zur Zeit der Kündigung seien nur Arbeiten an der Decke vorgenommen worden, die Fenstersanierung habe noch nicht begonnen. Bei einem Austausch der Fensterflächen sei von einer mehrtägigen Geschäftsunterbrechung bei der Beklagten auszugehen gewesen. Die begonnenen Arbeiten hätten werktags und zunächst ohne Schutzmaßnahmen gegen die massive Staubentwicklung stattgefunden. Während der Arbeiten an der Decke sei eine Geschäftsunterbrechung eingetreten. Nach Monierung seitens der Beklagten, dass der aus der Decke rieselnde Staub sich auf die komplette Elektronik lege und in die Lüftungsschlitze eindringe, seien nachträglich Abdeckungsarbeiten vorgenommen worden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 15.02.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß § 535 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte auf Zahlung von Miete für die Monate August bis November 2023 in Höhe von 4 x 4.760,00 Euro, insgesamt 19.041,36 Euro zu.
Das Gericht teilt die Auffassung der Beklagtenseite, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 13.06.2022 zum 31.07.2022 beendet worden ist.
Die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts nach § 555e BGB sind gegeben. § 555e BGB ist nach § 578 Abs. 2 BGB auf das vorliegende Gewerberaummietverhältnis anwendbar. Eine anderslautende Vereinbarung der Parteien findet sich im Mietvertrag gerade nicht.
Nach § 555e Abs. 1 S. 1 und 2 BGB besteht ein Sonderkündigungsrecht des Mieters nach Zugang der Modernisierungsankündigung bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang dieses Schreibens folgt, zum Ablauf des übernächsten Monats. So verhält es sich hier. Nach Ankündigung der Hausverwaltung mit Schreiben vom 17.05.2022 (Anl. B 3) kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 13.06.2022 zum 31.07.2022.
Soweit der Kläger geltend macht, das Sonderkündigungsrecht sei nach § 555e Abs. 2 i.V.m. § 555c Abs. 4 BGB ausgeschlossen, hat er damit keinen Erfolg.
Danach gilt das Sonderkündigungsrecht nicht für Maßnahmen, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden sind und nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führt. Ein solcher Fall ist entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend nicht gegeben. Der Ausbau und die Erneuerung der gesamten Fensterfront sowie der Beleuchtung in der Decke der streitgegenständlichen Mieträume stellt zweifelsohne eine nicht unerhebliche Einwirkung auf die Mietsache dar. Daher kann auch dahinstehen, ob die Mieträume schon vor der Maßnahme verdreckt und verstaubt waren. Unschädlich für das Kündigungsrecht ist auch, dass der Kläger keine (erheblich6) Mieterhöhung aufgrund der Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen hat. Dies ergibt sich aus § 555c Abs. 4 BGB, wonach für einen Kündigungsausschluss beide der dort genannten Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen (vgl. Schmidt/ Futterer – Eisenschmid Komm. zum Mietrecht, 15. Aufl. 2021, Rz.2 zu § 555e BGB; Grüneberg a.a.O. Rz. 9 zu § 555c BGB, Rz. 3 zu § 555e BGB) und auch denklogisch daraus, dass – genügte eine nicht vorgenommene Mieterhöhung für den Ausschluss des Kündigungsrechts – der Vermieter es in der Hand hätte, die Sonderkündigungsmöglichkeit des Mieters zu vereiteln.
Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass die Bauarbeiten mit der Beklagten abgesprochen worden waren, wie der Kläger vorträgt, liegt in der außerordentlichen Kündigung der Beklagten auch kein treuwidriges Verhalten im Sinne des § 242 BGB, wie der Kläger offenbar meint, sondern die Beklagte hat lediglich von einem ihr zustehenden Recht Gebrauch gemacht, nachdem sie das tatsächliche Ausmaß der Modernisierungsmaßnahmen erkannt hatte.
Im Übrigen kommt es für das Sonderkündigungsrecht nach § 555e BGB auch nicht darauf an, ob der Mieter die Modernisierungsmaßnahmen sowieso dulden muss oder nicht (Grüneberg- Weidenkaff, Komm. zum BGB, 82. Aufl. 2023, Rz. 2 zu § 555e BGB).
Nach alledem ist das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 13.06.2022 wirksam zum 31.07.2022 beendet worden, so dass ein Anspruch auf Mietzahlung gegen die Beklagte ab August 2022 nicht mehr bestand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.