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Nutzung WEG-Teileigentum als Ferienwohnung mit einfachen Serviceleistungen

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 72 C 166/18 WEG – Urteil vom 28.11.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, dass Sondereigentum des Teileigentums Nr. 50 (eingetragen im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, Grundbuch von Luisenstadt, Blatt (…)), gelegen in (…), zu Wohnzwecken zu nutzen und Dritten zu Wohnzwecken insbesondere als Ferienwohnung zu überlassen (einschließlich gewerblicher Weitervermietung).

2. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen diesen festgesetzt wird.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 €.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des Teileigentums und Sondereigentums Nr. 50 in der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung vom 14.07.2000 ist für das Teileigentum Nr. 50 bestimmt, dass mit den näher bezeichneten Miteigentumsanteilen das Sondereigentum an einer Gewerbeeinheit (nicht zu Wohnzwecken dienende Räume „Teileigentum“) verbunden ist. In Ziffer 5.2.2. der vorgenannten Teilungserklärung ist bestimmt:

„Die Änderung der bei den einzelnen Sondereigentumsrechten angegebenen Nutzungsarten ist nur mit Zustimmung der WEG zulässig, sofern sie nicht von dem teilenden Eigentümer, der sich beliebige Änderungen bis zur Erstveräußerung der jeweiligen Einheit vorbehält, vorgenommen ist.

Der teilende Eigentümer ist zur Änderung der bei den einzelnen Sondereigentumsrechten angegebenen Nutzungsarten ohne Zustimmung der WEG aufgrund des vorigen Vorbehalts ausdrücklich befugt.“

In dem geänderten Teilungsplan ist bei der Einheit Nr. 50 vermerkt: „Gewerbeeinheit (Laden)“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die vorgenannte Teilungserklärung (Anlage K 2, Bl. 7 ff. der Akte) und die Änderungsurkunde zur Teilungserklärung (Anlage K 3) Bezug genommen.

Der Beklagte erwarb die streitbefangene Einheit von dem teilenden Eigentümer, der ihm die Nutzung als Ferienwohnung im Kaufvertrag gestattete. Er überlässt die streitbefangenen Räume derzeit gegen Entgelt wechselnden Gästen zur tageweisen bzw. wochenweisen Nutzung als Ferienwohnung. Dabei bietet er den Gästen Serviceleistungen in Gestalt eines Wäsche- und Reinigungsservices.

Auf der Eigentümerversammlung vom 14. Juli 2018 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Top 11 mehrheitlich, den Beklagten auf Unterlassung der Nutzung seines Sondereigentums als Ferienwohnung in Anspruch zu nehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Versammlungsprotokoll Bezug genommen (Anlage K1, Bl. 6 der Akte).

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dass Sondereigentum des Teileigentums Nr. 50 (eingetragen im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, Grundbuch von Luisenstadt, Blatt (…)), gelegen in (…), zu Wohnzwecken zu nutzen und Dritten zu Wohnzwecken insbesondere als Ferienwohnung zu überlassen (einschließlich gewerblicher Weitervermietung),

2. dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen diesen festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, infolge der von ihm angebotenen zusätzlichen Serviceleistungen erfolge die Unterbringung von Gästen pensionsartig und zu gewerblichen Zwecken, die von dieser Nutzungsform ausgehenden Störungen seien zudem geringer als bei einem Gastronomiebetrieb. Er behauptet ferner, jedenfalls habe der teilende Eigentümer in Übereinstimmung mit der Teilungserklärung der Nutzungsänderung zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache erfolgreich.

I. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB zu.

1. Gemäß § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

Diesen Anspruch, der jedem Wohnungseigentümer zusteht, haben die Wohnungseigentümer auf ihrer Versammlung vom 02.07.2018 mit dem Beschluss zum Top 11 in rechtlich zulässiger Weise vergemeinschaftet und auf die hier klagende Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen, § 10 Abs. 6 Satz 3 Var. 2 WEG.

2. Die vom Beklagten unstreitig praktizierte Nutzung seines Teileigentums als Ferienwohnung ist unzulässig.

a. Diese Nutzung widerspricht der Teilungserklärung (Zweckbestimmung im weiteren Sinne). Denn hiernach dienen die dem Teileigentum unterfallenden Räumen nicht Wohnzwecken.

Die Nutzung zur Vermietung als Ferienwohnung dient jedoch nicht Wohnzwecken und ist damit im Teileigentum grundsätzlich unzulässig (siehe Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 15 Rn. 43). Denn die Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste ist grundsätzlich als Teil der zulässigen Wohnnutzung anzusehen (siehe BGH, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 72/09 –, Rn. 14, juris). Da das Gesetz nur zwei Nutzungsarten kennt, muss jede legale Art der Nutzung eines Sondereigentums entweder eine Wohn- oder eine Nicht-Wohnnutzung sein (siehe Schmidt-Ränsch, ZWE 2019, 3, 8 beck-online). Die Nutzung als Ferienwohnung dient Wohnzwecken und widerspricht damit der Zweckbestimmung im weiteren Sinne der Teilungserklärung.

Die vom Beklagten angebotenen Zusatzleistungen (Wäsche, Reinigungsservice) sind bei einer Ferienwohnung weithin üblich und erreichen nicht das Maß, dass ein Gast einer Pension erwartet. Aus diesem Grund kann die vom Beklagten durchgeführte Nutzung nicht mit einem Pensionsbetrieb oder gar mit einem Heimbetrieb (siehe hierzu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 – V ZR 193/16 –, BGHZ 216, 333-347, Rn. 10) verglichen werden und ist daher als im Teileigentum Wohnungsnutzung zu qualifizieren.

b. Die Nutzung als Ferienwohnung verstößt auch gegen die Zweckbestimmung im engeren Sinne, wie sie sich aus der Teilungserklärung ergibt, in der der Zweck mit „Gewerbeeinheit (Laden)“ beschrieben wird.

Die zulässige Nutzung kann in der Teilungserklärung durch eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter i.S.v. § 15 Abs. 1 WEG beschränkt werden, wenn dies aus der Teilungserklärung klar und eindeutig hervorgeht (siehe BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 –, Rn. 17 f., juris). Maßgebend bei der Auslegung der Teilungserklärung ist dabei ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. (siehe BGH, a.a.O., Rn. 18).

Die hier in der Teilungserklärung unter Ziffer 5.2.2 gewählte Formulierung „Gewerbeeinheit (Laden)“ ist bei der gebotenen Auslegung inhaltlich zwar recht weit, da keine Vorgaben hinsichtlich der Art des Ladens vorhanden sind, eine Ferienwohnung fällt jedoch nicht mehr unter die Wortbedeutung. Einem Laden ist der Verkauf im weitesten Sinne, von Waren oder Dienstleistungen, immanent, bei einer Ferienwohnung steht die Nutzung der Räume zum vorübergehenden Wohnen im Vordergrund.

c. Die Nutzung als Ferienwohnung ist sodann auch unter Berücksichtigung der hiermit verbundenen Störungen nicht zulässig.

Zwar kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung (siehe BGH, Urteil vom 27. Oktober 2017 – V ZR 193/16, NJW 2018, 41 Rn. 9). Bei der hiernach erforderlichen Vergleichsbetrachtung ist der Gebrauch nach seiner Art und den damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz und Besucherstruktur) zu konkretisieren und zu den örtlichen Gegebenheiten (Umfeld, Lage der Räume im Gebäude, Nutzungszweck der übrigen Einheiten) und den zeitlichen Verhältnissen (z.B. Öffnungszeiten) in Bezug zu setzen, wobei insbesondere von Bedeutung sein kann, in welchem Maße Lärm- oder Geruchsimmissionen sowie sonstige Belästigungen aufgrund einer anderweitigen Nutzung zunehmen (siehe LG Berlin, Urteil vom 28. Mai 2019 – 55 S 95/18 WEG –, Rn. 19, juris).

Die mit der Nutzung als Ferienwohnung verbundenen Störungen übersteigen vorliegend jedoch bei der gebotenen typischerweisen Betrachtung die mit den mit der vorgesehenen Nutzung als Laden verbundenen Störungen. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts einerseits wegen der unterschiedlichen Nutzungszeiträume, die beim Laden üblicherweise auf die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten beschränkt sind, bei einer Ferienwohnung hingegen gerade einer solchen Beschränkung typischerweise nicht unterliegen, die Nutzung vielmehr rund um die Uhr erfolgt. Darüber hinaus übersteigt die Nutzungsintensität bei einer Ferienwohnung der eines Ladens typischerweise ebenfalls. Zwar mag ein Ladengeschäft am Tag mehr Besucher empfangen als eine Ferienwohnung, die Verweildauer der Besucher ist jedoch typischerweise geringer und die Nutzung der Räume weniger intensiv, wodurch typischerweise weniger Störungen zu erwarten sein werden. Insbesondere die Nutzung der Räume zu den Ruhezeiten in der Nacht durch Gäste der Ferienwohnung führt zu einer größeren Gefahr der Beeinträchtigung von Nachbarn und Wohnungseigentümern.

In Abgrenzung zu der Entscheidung des Landgerichts vom 20.05.2019 (LG Berlin, Urteil vom 28. Mai 2019 – 55 S 95/18 WEG), in der die Nutzung als Hostel als eine im Teileigentum zulässige Nutzung angesehen worden ist, ist die in der hier vorliegenden Teilungserklärung gewählte Formulierung („Laden“) deutlich enger gefasst als im dort zu entscheidenden Fall, wodurch der Bezugspunkt für die Vergleichsbetrachtung ebenfalls enger ist und zu der obigen Wertung des erkennenden Gerichts führt. Denn Bezugspunkt muss hier ein Ladengeschäft sein, von dem regelmäßig geringere Störungen als von einem Gastronomiebetrieb ausgehen. Auf etwaige frühere Nutzungsformen der streitbefangenen Räume kommt es dabei ebenso wenig an wie auf das tatsächliche Vorliegen von Störungen, da es auf eine typisierende Betrachtung ankommt.

d. Schließlich liegt auch keine Genehmigung der Nutzungsänderung vor. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten wäre hierzu eine unstreitig nicht vorliegende Zustimmung der WEG erforderlich, auf eine zustimmungslose Änderungsbefugnis des teilenden Eigentümers in Ziffer 5.2.2 der Teilungserklärung kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Denn die Nutzungsänderung ist nicht durch den teilenden Eigentümer erfolgt, sondern erst durch den Beklagten nach Erwerb des Teileigentums von dem teilenden Eigentümer. Eine Übertragung der Änderungsbefugnis auf Erwerber sieht die Teilungserklärung nicht vor und ist auch nicht durch schuldrechtliche Vereinbarung in dem Kaufvertrag zwischen dem teilenden Eigentümer und dem Beklagten mit Wirkung gegenüber den übrigen Eigentümern möglich.

3. Die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der vom Beklagten praktizierten Nutzung seines Eigentums.

II. Die Androhung von Ordnungsmittel erfolgt gemäß § 890 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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