Juristische Klärung: Pächter muss Hotelräumlichkeiten räumen – OLG Rostock Urteilsspruch
Ein brisantes Rechtsurteil, gefällt vom Oberlandesgericht (OLG) Rostock, steht im Fokus dieses Artikels. Im Detail dreht sich die Angelegenheit um einen Pachtvertrag, der einen Gewerbebetrieb, genauer gesagt ein Hotel, betrifft. Dabei muss sich das Gericht mit dem Spannungsfeld zwischen Vermieter- und Pächterrechten auseinandersetzen. Hauptproblem ist die Forderung des Klägers nach Räumung des Pachtobjekts, was von dem Beklagten offenbar nicht akzeptiert wird. Die Entscheidung des Gerichts in dieser Sache wirft wichtige Fragen über die Rechte und Pflichten in einem Pachtverhältnis auf.
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Übersicht
Einblick in die Pachtdetails und Räumungsbegehren
Im Zentrum des Streits steht ein Pachtvertrag, der am 01.01.2014 geschlossen wurde und die Nutzung eines Gewerbeobjekts zum Betrieb eines Hotels beinhaltet. Der Pächter, der Beklagte in diesem Fall, nutzte die Räumlichkeiten am L. B. in S., während der Kläger der Verpächter der Immobilie ist. Die Monatspacht beträgt 2.000 Euro zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 400 Euro. Der Kläger hat nun ein Räumungsbegehren gestellt, was den Pächter dazu verpflichten würde, das Hotel zu räumen.
Gerichtliche Auseinandersetzung und Berufungsverfahren
Nach einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Landgericht Stralsund hat der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wurde daraufhin vor dem OLG Rostock geführt. Im Ergebnis bestätigt das Oberlandesgericht das vorinstanzliche Urteil und wies die Berufung des Beklagten zurück.
Kosten und Vollstreckbarkeit des Urteils
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zu. Darüber hinaus sind das Berufungsurteil und das vorherige Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch eine Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von 350.000 Euro sowie 110% der aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Kosten abgewendet werden. Die gleiche Sicherheitsleistung könnte auch vom Kläger verlangt werden, falls bereits Kosten vollstreckt wurden.
Streitwert und Schlussbemerkungen
Das OLG Rostock setzte den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 34.272 Euro fest. Die Urteilsverkündung zeigt auf, wie komplex und umstritten Pachtfälle sein können, vor allem wenn es um gewerbliche Objekte wie Hotels geht. Im vorliegenden Fall wurde die Räumungsforderung des Klägers bestätigt, was den Beklagten vor erhebliche Herausforderungen stellen dürfte. Die genaue Auswirkung und die nächsten Schritte hängen von den Parteien und ihren jeweiligen Entscheidungen ab.
Das vorliegende Urteil
OLG Rostock – Az.: 3 U 22/21 – Schlussurteil vom 09.02.2023
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 15.02.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,00 Euro sowie 110% der aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 350.000,00 Euro sowie in Höhe von 110% der aus dem jeweiligen Urteil vollstreckten Kosten leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.272,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Räumung eines Pachtobjekts. Er verpachtete dem Beklagten mit Pachtvertrag vom 01.01.2014 ein Gewerbeobjekt am L. B. in S. zum Betrieb eines Hotels. Die Pacht belief sich auf 2.000,00 Euro zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung von 400,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 19%, insgesamt also 2.856,00 Euro.
In § 14 des Pachtvertrages heißt es u.a.:
„1. Die Regelungen dieses Vertrages lassen das Recht der Vertragsparteien unberührt, den vorliegenden Vertrag auf Grundlage der Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.
2. Desweiteren ist der Verpächter berechtigt, das Pachtverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, falls der Pächter die ihm nach diesem Vertrag obliegenden Verpflichtungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt. Hierzu ist der Verpächter insbesondere befugt, wenn der Pächter auch nach schriftlicher Abmahnung und Ablauf einer angemessenen Frist, den vertragswidrigen Zustand bzw. das vertragswidrige Verhalten zu ändern, …
d) der Pächter mit der Zahlung der Pacht, der Nebenkosten oder der Leistung der Kaution mehr als zwei Monate ganz oder teilweise in Rückstand gerät, wobei geringfügige Rückstände außer Betracht bleiben.“
Der Kläger erklärte gegenüber dem Beklagten am 15.10.2019 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges, nachdem ein Mitarbeiter den Beklagten zuvor mit E-Mail vom 09.09.2019 die Rückstände mitteilte und zur Zahlung auffordern ließ.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.09.2020 die offenen Forderungen am 09.09.2019, auf welche er seine Kündigung stütze, spezifiziert. 2014 habe der Beklagte im Juni, April und Dezember keine Zahlungen auf die Miete geleistet. Er meint, dass ergebe einen Rückstand von 7.140,00 Euro. 2015 habe der Beklagte im Februar, März und April nur die hälftige Pacht gezahlt – Rückstand 3.570,00 Euro. 2016 habe er im Mai einen Teilbetrag von 2.380,00 Euro nicht gezahlt. Für Oktober 2017 gelte das Gleiche. 2018 habe der Beklagte in Februar und März jeweils 2.380 Euro nicht gezahlt. Dies ergebe einen Zahlungsrückstand auf Pachtzahlungen von 20.230,00 Euro.
Betriebskostenvorauszahlungen habe er 2014 für 3 Monate jeweils 486,00 Euro – mithin 1.428,00 Euro – nicht gezahlt. 2015 sei auf drei Monate jeweils die hälftige Betriebskostenvorauszahlung geleistet worden – mithin hätten 714,00 Euro ausgestanden. Für 2016 und 2017 fehlten jeweils 486,00 Euro Betriebskostenvorauszahlungen. 2018 sei in zwei Monaten keine Betriebskostenvorauszahlung erfolgt – mithin 912,00 Euro. Die rückständigen Betriebskostenvorauszahlungen hätten sich insgesamt auf 4.044,00 Euro belaufen.
Betriebskostennachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen ergäben sich für 2015 3.332,31 Euro, 2016 6.834,73 Euro, 2017 7.070,29 Euro und 2018 7.156,26 Euro.
Der Beklagte habe folgende Zahlungen geleistet:
– 2.856,00 Euro Mai 2019 mit Verwendungszweck „Pacht Oktober 2017“;
– 5.712,00 Euro im Mai 2019 Verwendungszweck „Pachten März und Mai 2016“;
– 11.424,00 Euro September 2019 Verwendungszweck „Offene Pacht 2014, 2016, 2017, 2018“;
– 5.029,42 Euro September 2019 Verwendungszweck „Nebenkostenabrechnung 2017“;
– 3.000,00 Euro (Badlüfter);
– 3.570,00 Euro Dezember 2019 Verwendungszweck „Pachtnachzahlung 2015“.
Der Beklagte hat behauptet 2014 habe er die Pacht aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem Sohn des Klägers wegen einer nicht funktionierenden Heizung gemindert. Es lägen auch keine formell ordnungsgemäßen Abrechnungen der Betriebskosten vor.
Für die Pachtforderungen 2014 und die Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Urteil vom 15.02.2021 hat das Landgericht Stralsund den Beklagten verurteilt, das Objekt „T. Hotel“ am L. B., L./La., eingetragen im Grundbuch von L. Blatt 275, laufende Nummer 2, Gemarkung La., Flur 1, Flurstück 109/24, Gebäude- und Freifläche mit einer Größe von 7.464 qm, derzeit genutzt als Hotelbetrieb, bestehend aus 35 Gästezimmern, einer Ferienwohnung, einer Rezeption, einer Küche, einem Frühstücksraum, einer Bar, Sanitär sowie Abstellräumen sowie einem Außenbereich, dieser bestehend aus Parkplätzen und Grünflächen, zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, der gestellten Anträge sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Zugunsten des Klägers bestehe kein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 546 BGB. Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung sei unbegründet gewesen.
Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund vermeindlicher Zahlungsrückstände unter Berücksichtigung der Vereinbarungen im Pachtvertrag der Kläger zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen sei. Bei Ausspruch der Kündigung hätten keinerlei offene Forderungen des Klägers bestanden. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, auf welche konkreten offenen Forderungen er seine Kündigung gestützt haben will.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein weitergehender Zahlungsanspruch nicht bestanden habe. Aufgrund der Funktionsunfähigkeit der Heizung sei die Miete 2015 entsprechend der nicht geleisteten Zahlungen um 50% gemindert gewesen. Der Kläger habe dies mit Schreiben vom 14.11.2018 zugestanden. Er räumt zwar ein, dass der Kläger dies in erster Instanz bereits bestritten habe. Dies aber sei wegen der vorgelegten E-Mail-Korrespondenz unerheblich. Das Landgericht habe auch das materielle Recht verletzt, weil es das vorgenannte Schreiben des Klägers nicht als negatives Schuldanerkenntnis gewertet habe.
Wegen der Forderungen betreffend 2014 und 2015 hält der Beklagte an der Verjährungseinrede fest.
Unzutreffend sei, dass sich der Beklagte aufgrund des Ausgleiches der Forderung im Jahr 2019 nicht mehr auf die Verjährung berufen könne. Der Beklagte habe am 02.09.2019 die Pachten und Vorauszahlungen auch für 2014 nachgezahlt. Aus dieser Zahlung könne die Begründetheit der Forderung nicht hergeleitet werden. Mit verjährten oder verwirkten Forderungen könne der Vermieter nicht Kündigungen begründen.
Hätten trotz der Zahlung vom 02.09.2019 in Höhe von 11.424,00 Euro noch Forderungen bestanden, welche bei der Berechnung eines Zahlungsrückstandes im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB heranzuziehen gewesen wären, hätte hierauf der Restbetrag aus der Zahlung des Beklagten vom 02.09.2019 in Höhe von 11.424,00 Euro konkret der nach Verrechnung auf die Pachtforderung für Februar 2018 in Höhe von 2.850,00 Euro noch nicht verbrauchte Betrag in Höhe von 8.574,00 Euro zu Gunsten des Beklagten auf die eine außerordentliche Kündigung begründenden Forderungen verrechnet werden müssen. Diese Forderungen hätten für den Beklagten wegen der drohenden Kündigung die lästigere Forderung im Sinne des § 366 BGB dargestellt. Dem stünde der vom Beklagten mitgeteilte Verwendungszweck „Verbleibende Rückstände 2014, 2016, 2017 und 2018“ nicht entgegen. Die Zahlungsbestimmung sei in Anbetracht der Angabe von vier Kalenderjahren ohne Festlegung einer Reihenfolge nicht so hinreichend bestimmt gewesen, als § 367 BGB nicht mehr anwendbar gewesen wäre.
Unberücksichtigt sei die Verrechnung mit einer unstreitigen Forderung des Beklagten geblieben. Unstreitig sei ein Betrag von 3.000,00 Euro zu Gunsten des Beklagten zu verrechnen gewesen. Hierbei handele es sich um eine Forderung des Beklagten gegenüber dem Kläger. Der Beklagte habe auf eigene Kosten die Badlüfter des Hotels ersetzt. Betreffend der hierfür angefallenen Kosten hätten sich die Parteien auf eine Beteiligung des Klägers von 50% geeinigt. Diesen Teilbetrag habe der Kläger zu Gunsten des Beklagten auf offene Forderungen verrechnet. Diese Verrechnung habe das Landgericht nicht berücksichtigt.
Soweit der Kläger Nachzahlungsbeträge aus Betriebskostenabrechnungen zur Begründung seiner Kündigung herangezogen hat, gehörten diese nicht zu einem nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB bestehenden Zahlungsrückstand. Die Nachzahlungen seien mangels ordnungsgemäßer Rechnungslegung zudem nicht fällig gewesen.
Auch hinsichtlich der Betriebskostennachzahlungen habe der Beklagte den Ausgleich nach ordnungsgemäßer Abrechnung in Aussicht gestellt, was dann auch erfolgt sei. Wenn der Kläger meine, er habe Betriebskostenabrechnungen gelegt, die auch den Anforderungen des § 14 UstG entsprochen hätten, sei dies unzutreffend. Die Abrechnungen hätten zum Zeitpunkt des Ausspruches der außerordentlichen Kündigung nicht den Miet- und steuerrechtlichen Anforderungen entsprochen.
Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.
Dabei vertritt er die Ansicht, dass er zur Begründung der fristlosen Kündigung auch die Nachzahlungsbeträge aus offenen Betriebskostenabrechnungen habe heranziehen können. Die Parteien hätten in § 14 Abs. 2 d) des Pachtvertrages ausdrücklich vereinbart, dass dem Verpächter auch dann ein Kündigungsrecht zustehe, wenn der Pächter mit der Zahlung der Nebenkosten in Rückstand gerate, wobei geringfügige Rückstände haben außer Betracht bleiben sollen. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall.
Bei der Verrechnung von 3.000,00 Euro zu Gunsten des Beklagten habe es sich nicht um eine Verrechnung auf Mieten oder Betriebskosten gehandelt, weil die Parteien sie anders bezeichnet hätten.
Er meint, er habe eine Umsatzsteuer-ID-Nummer nicht in den Betriebskostenabrechnungen angeben müssen, weil er die Immobilie als Privatmann verpachtet habe. Selbst aber wenn er hierzu verpflichtet gewesen wäre, habe der Beklagte von den Betriebskostennachforderungen lediglich einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer zurückbehalten dürfen, den Rest also ausgleichen müssen.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Auf § 14 Abs. 2 Buchst. d) des Mietvertrages kann der Kläger seine Kündigung zwar nicht mit Erfolg stützen. Dieser erfordert eine vorherige Mahnung mit Fristsetzung durch den Kläger. Eine solche hat das Landgericht zutreffend in der E-Mail des Mitarbeiters des Klägers vom 09.09.2019 nicht gesehen. Insoweit nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
2. Die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist jedoch gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b) BGB i. V. m. § 14 Abs. 1 des Mietvertrages wirksam.
In § 14 Abs. 1 des Mietvertrages haben die Parteien die Vorschriften über die fristlose Kündigung auch neben den getroffenen vertraglichen Bestimmungen ausdrücklich für anwendbar erklärt. Somit kann der Kläger die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b) BGB auf einen hinreichenden Zahlungsrückstand stützen, wenn eine entsprechende Mahnung nicht vorliegt (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB).
a) § 14 Abs. 2 d) des Vertrages führt nicht zu einer Modifikation des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB. Zwar können die Kündigungstatbestände des § 543 Abs. 2BGB sowie das Mahnungserfordernis nach § 543 Abs. 3 BGB modifiziert werden (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 Rn. 240). Das haben die Parteien nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 des Vertrages nicht gewollt.
Vielmehr haben sie zwei Kündigungstatbestände neben einander gestellt. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfasst Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen (LG Köln, Urt. v. 11.02.1994, 6 S 211/93, WuM 1994, 207; OLG Koblenz, RE v. 26.07.1984, 4 W-RE 386/84, NJW 1984, 2369; LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 29.12.2016, 5 S 141/16, BeckRS 2016, 113811 = ZMR 2017, 481; Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.o., § 543 Rn. 165; Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 Rn. 44) sowie die Kaution (MünchKomm-BGB/Bieber, 8. Aufl., § 543, Rn. 46; Oprée in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 15 Rn. 220) nicht. Diese Kündigung erfordert eine vorhergehende Mahnung und/oder Nachfristsetzung gemäß § 543 Abs. 3 BGB nicht.
Mit § 14 Abs. 2 d) des Vertrages haben die Parteien geregelt, dass eine fristlose Kündigung auch bei einem Zahlungsrückstand mit Betriebskostennachzahlungen oder der Kaution möglich sein soll, diese aber eine Mahnung mit Fristsetzung voraussetzt.
b) In die Berechnung des der Kündigung zu Grunde gelegten Zahlungsrückstandes werden nicht nur rückständige Nettomieten, sondern auch Betriebskostenvorauszahlungen sowie die zu zahlende Umsatzsteuer einbezogen (BGH, Urt. v. 23.07.2008, XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210; BGH, Urt. v. 10.10.2001, XII ZR 307/98, NZM 2002, 20; Lehmann-Richter, ZMR 2017, 372; Alberts in Guhling/Günter, a.a.O., § 543 Rn. 44).
Im vorliegenden Fall steht dem – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht entgegen, dass für einen Großteil der Vorauszahlungen bereits Abrechnungsreife zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs eingetreten war. Zwar tritt nach Ablauf der Abrechnungsfrist, spätestens aber mit Ablauf des Jahres, welches auf den Abrechnungszeitraum folgt, die Abrechnungsreife ein, so dass Betriebskostenvorauszahlungen nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern sich der Anspruch in den auf Leistung eines Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung (BGH, Urt. v. 26.09.2012, XII ZR 112/10, GE 2012, 1696 = NZM 2013, 85; BGH, Urt. V. 21.03.2018, VIII ZR 84/17, NZM 2018, 454; BGH, Urt. v. 21.03.2018, VIII ZR 68/17, WuM 2018, 373; BGH, Urt. v. 16.06.2010, VIII ZR 258/09, GE 2010 1051 = NZM 2010, 736; Both in Guhling/Günter, a.a.O., § 556 Rn. 63, Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 454, 455). Bei der Bestimmung des die Kündigung begründenen Zahlungsverzuges bleiben sie, waren sie bei Entstehung des Kündigungsbegründenden Zahlungsverzuges vorhanden, zu berücksichtigen. Die aus dem Schuldnerverzug folgenden Rechte bleiben dem Vermieter grundsätzlich auch nach dem Eintritt der Abrechnungsreife erhalten (BGH, Urt. v. 26.09.2012, XII ZR 112/10, NJW 2013, 41; OLG Rostock, Urt. v. 25.06.2001, OLGR 2002, 34; Geldmacher in Guhling/Günter, a.a.O., § 556 Rn. 159; Hinz, WuM 2021, 137). Dies bedeutet, dass die Abrechnungsreife zu dem Zeitpunkt, zu dem der zur Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB berechtigende Zahlungsrückstand erreicht worden ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Verzug sich allein auf Betriebskostenvorauszahlungen stützt, für welche bei Erreichen des erforderlichen Zahlungsrückstandes bereits Abrechnungsreife eingetreten ist. Das aber ist im vorliegenden Rechtstreit nicht der Fall.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der eine Kündigung begründende Zahlungsverzug vollständig beseitigt werden. Es genügt nicht, dass durch entsprechende Zahlungen der Rückstand der Gestalt verkürzt wird, dass nunmehr eine fristlose Kündigung nicht mehr gerechtfertigt wäre. Die einmal zum Zeitpunkt des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen gerechtfertigte Kündigung verliert ihre Wirkung nur in den im Gesetz vorgesehenen Fällen. § 543 Abs. 2 S. 2 BGB verlangt den vollständigen Ausgleich des Rückstandes vor Zugang der Kündigung oder gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB durch eine unverzüglich erklärte Aufrechnung (BGH, Urt. v. 24.08.2016, VIII ZR 261/15, NZM 2016, 765; BGH, Urt. v. 27.09.2017, VIII ZR 193/16, WuM 2017, 644; Hinz, WuM 2021, 137).
c) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich folgende Rückstandsberechnung.
aa) Im Oktober 2017 war der Beklagte mit einer Monatsmiete in Höhe von 2.856,00 Euro im Rückstand. Der Beklagte hat eine Zahlung von 2.856,00 Euro im Mai 2019 mit Verwendungszweck „Pacht Oktober 2017“ geleistet. Diese Zahlung ist mit dem Zahlungsrückstand für Oktober von 2.856,00 Euro zu verrechnen und damit aufgebraucht.
bb) Der Beklagte hat einen weiteren Betrag von 5.712,00 Euro im Mai 2019 mit dem Verwendungszweck „Pachten März und Mai 2016“ gezahlt. Nicht gezahlt hat der Beklagte in 2016 einen Betrag von 2.856,00 Euro, so dass eine Restzahlung von 2.856,00 Euro verbleibt, für welche eine Leistungsbestimmung nicht wirksam getroffen worden ist. Der Betrag von 2.856,00 Euro ist somit nach § 366 BGB zu verrechnen.
cc) Der Beklagte hat 11.424,00 Euro im September 2019 mit dem Verwendungszweck „offene Pacht 2014, 2016, 2017, 2018“ gezahlt und insoweit eine Leistungsbestimmung vorgenommen.
In den Monaten April, Juni und Dezember 2014 hat der Beklagte jeweils 2.856,00 Euro – mithin 8.568,00 Euro – nicht gezahlt. Es verbleibt ein Restbetrag von 2.856 Euro.
Dem steht es nicht entgegen, dass der Beklagte betreffend die Zahlungsrückstände für 2014 im Laufe des Verfahrens die Einrede der Verjährung erhoben hat. Der Beklagte hat für diese Zeiträume Zahlungen mit Tilgungsbestimmung erbracht. Gemäß § 214 Abs. 2 BGB kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Somit kann der Beklagte sich nicht auf die Verjährung bereits verrechneter Forderungen berufen, um eine Verrechnung mit unverjährten Forderungen vorzunehmen.
Aus dieser Zahlung verbleibt ein Restbetrag von 2856,00 Euro. Entsprechend der getroffenen Leistungsbestimmung ist dieser mit Zahlungsrückständen der Jahre 2016, 2017 und 2018 zu verrechnen. Da der Beklagte die Zahlungsrückstände aus 2016 und 2017 bereits im Mai 2019 ausgeglichen hat, ist die Verrechnung mit der offenen Miete für Februar 2018 vorzunehmen.
dd) Der Beklagte hat einen weiteren Betrag von 3.570,00 Euro im Dezember 2019 Verwendungszweck „Pachtnachzahlung 2015“ gezahlt. Diese Zahlung vermag der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen zu stehen, da sie nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 2 BGB vor Zugang der Kündigung erfolgt ist.
ee) Weiterhin hat der Beklagte im September 2019 5.029,42 Euro auf die Betriebskostenabrrechnung für 2017 gezahlt. Der dortige Nachzahlungsbetrag belief sich auf 7.070,29 Euro. Somit ist diese Zahlung durch Verrechnung verbraucht. Der hierauf geleistete Zahlbetrag ist nicht anderweitig zu verrechnen. Zwar hat der Beklagte eingewandt, die Betriebskostenabrechnungen seien formell unwirksam, sie wiesen die Umsatzsteuer nicht aus. Dies aber ist keine Frage der formellen Wirksamkeit, denn anhand des äußeren Erscheinungsbildes der Abrechnung kann nachvollzogen werden, wie der Kläger den Nachzahlungsbetrag ermittelt hat. Es handelt sich bei dem Einwand des Beklagten vielmehr um eine Frage der materiellen Richtigkeit. Folglich lag eine wirksame Betriebskostenabrechnung vor, die allenfalls inhaltlich nicht vollständig war. Das aber hat der Beklagte mit seiner Verrechnung der Prüfung durch den Senat entzogen.
ff) Es verbleibt zur Verrechnung mit dem überschießenden Betrag aus der Zahlung im Mai 2019 mit dem Verwendungszweck „März und Mai 2016“ die offene Miete für März 2018.
Unstreitig hat der Beklagte für die Monate Februar, März und April 2015 die hälftige Miete von 3.570,00 Euro und die hälftigen Betriebskostenvorauszahlungen von 714,00 Euro – mithin 4.284 Euro – nicht gezahlt.
Gegen diese Forderung wendet der Beklagte ein, die Miete sei in dieser Zeit um 50% wegen eines Heizungsdeffekts gemindert gewesen. Auf eine entsprechende Minderung habe er sich auch mit dem Sohn des Klägers geeinigt. Der Kläger hat dies bestritten. Den Mieter trifft für den Einwand der Minderung als behauptete Erfüllung seiner Leistung die Vortrags- und Beweislast (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn.
4) Beweis hat der Beklagte jedoch nicht angetreten. Ein solcher Beweisantritt war auch nicht wegen des E-Mail-Verkehrs zwischen den Parteien entbehrlich. Dieser kann eine Mangelhaftigkeit der Mietsache nicht beweisen, sondern ist im Rahmen der Beweiswürdigung einzubeziehen.
Der Beklagte möchte sich stattdessen auf ein negatives Schuldanerkenntnis des Klägers betreffend die Zahlungen für 2015 berufen. Hiermit kann er aber nicht durchdringen.
Gemäß § 397 Abs. 2 BGB erlischt ein Schuldverhältnis wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht besteht. Der zweiseitige Vertrag erfordert zunächst ein Angebot des Gläubigers – hier des Klägers.
Mit E-Mail vom 08.11.2018 hat ein Mitarbeiter des Klägers eine Forderungszusammenstellung übersandt, in welcher der Fehlbetrag von 4.284,00 Euro für 2015 enthalten war. Hierauf wies der Beklagte nach seinem Vortrag darauf hin, dass er die Pacht wegen der nicht richtig funktionierenden Heizung in den Monaten Februar bis April 2015 gemindert hat. Hierauf übersandte der Kläger eine E-Mail vom 14.11.2018, in der sich der Vermerk findet, „2015 ok“ (für drei Monate wurde die Miete gemindert). Sieht man mit dem Beklagten hierin ein Angebot zum Abschluss eines Anerkenntnisvertrages, bedarf dieses einer Annahme durch den Beklagten als Schuldner.
Der Vertrag kommt gemäß § 151 Satz 1 BGB durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. Nach der Verkehrssitte gilt dies bei allen für den Schuldner vorteilhaften Rechtsgeschäften, zu denen auch ein negatives Schuldanerkenntnis gehören kann. Allerdings bedarf es für das Zustandekommen des Vertrages auch in den Fällen des § 151 Satz 1 BGB der Annahme, d.h. eines als Willensbetätigung zu wertenden nach Außen hervortretenden Verhaltens des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt (BGH, Urt. v. 12.10.1999, XI ZR 24/99, NJW 2000, 276 m.w.N.). Das Angebot erlischt gemäß § 151Satz 2 BGB, nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Die Überweisungen im Mai 2019, welche der Beklagte für Mieten 2016 und 2017 bestimmte, lassen einen Annahmewillen nicht unzweideutig nach Außen treten. Neben den Mieten für 2015 standen auch noch Mieten für 2014 und 2018 aus, so dass aus diesen Teilzahlungen nichts hergeleitet werden kann.
Unter dem 01.09.2019 übersandte der Beklagte eine E-Mail an den Kläger, in welcher er die ausstehende Miete mit 19.992 Euro bezifferte. Zwischen der E-Mail des Klägers und vom 14.11.2018 und der E-Mail des Beklagten vom 01.09.2019 liegen ca. zehn Monate. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger ohne erkennbare Reaktion des Beklagten über einen so langen Zeitraum an dem Erlass einer Teilforderung festhalten wollte. Aus gleichem Grund ist es zu Gunsten des Beklagten nicht dienlich, dass er am 01.09.2019 einen Betrag von 11.424,00 Euro angewiesen hat.
Für ein wirksames negatives Schuldanerkenntnis hätte es somit eines neuen Angebotes des Klägers bedurft, welches der Beklagte sodann innerhalb einer aus Sicht des Klägers zumutbaren Frist hätte annehmen müssen. Die E-Mail des Klägers vom 09.09.2019 ist nicht geeignet ein solches darzustellen. In dieser wird ausstehenden Miete in Höhe von 20.230,00 Euro brutto sowie Nachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen eingestellt. Ob hierin auch die ausstehenden Zahlungen von Grundmiete und Betriebskostenvorauszahlungen für Februar bis April 2015 Berücksichtigung gefunden haben oder nicht, ist nicht ersichtlich. Anzumerken ist, dass der Beklagte offenbar selbst nicht vom Erlass dieser Forderungen ausgegangen ist, da er im Dezember 2019 3.570,00 Euro für die Mieten 2015 überwiesen hat.
Schließlich hat der Beklagte im Prozess auch die Einrede der Verjährung betreffend der Forderungen für 2015 eingewandt und die Ansicht vertreten, dass diese nicht bei der Prüfung der Berechtigung der fristlosen Kündigung berücksichtigt werden können. Verjährte Forderungen können der Bestimmung eines Zahlungsverzuges, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt nur dann nicht zu Grunde gelegt werden, wenn die Forderung bei Entstehung des Kündigungsanspruchs und somit bei Erreichung des hinreichenden Zahlungsverzuges bereits verjährt war. Verjähren diese Forderungen später, steht dies der Wirksamkeit der Kündigung als solches nicht entgegen. Sie können allenfalls dann zu einer Befriedigung führen i. S. d. § 543 Abs. 2 S. 2 BGB, wenn die Verjährungseinrede vor Zugang der Kündigung erklärt wird (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 543 Rn. 183, 203; Hinz, WuM 2021, 137).
gg) Es verbleibt ein noch nicht ausgeglichener Betrag von insgesamt 7.140,00 Euro. Dem steht die noch nicht verrechnete Zahlung von 2.856,00 Euro gegenüber.
Beide Parteien haben bei ihren Berechnungen eines möglichen Zahlungsrückstandes eine Forderung des Beklagten über 3.000,00 Euro für eine Kostenbeteiligung des Klägers an dem Einbau von Lüftern berücksichtigt. Insoweit dürfte eine Verrechnung nicht in Betracht kommen, da es sich nicht um unselbstständige Rechnungsposten eines Anspruches handelt. Vielmehr kommt hier eine Aufrechnung in Betracht (vgl. Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 387 Rn. 2). Für die Aufrechnung bedarf es einer Aufrechnungserklärung. Ob in der jeweiligen Berücksichtigung dieser Forderung bei der Berechnung des Zahlungsrückstandes eine solche Erklärung liegt, kann dahinstehen. Es stünden sich dann offene Forderungen des Klägers in Höhe von 7.140,00 Euro und Leistungen des Beklagten in Höhe von 5.856,00 Euro gegenüber. Somit hätte bis zum Zugang der Kündigung ein vollständiger Ausgleich des Zahlungsverzuges stattgefunden, so dass die Kündigung wirksam ist.
Aus gleichem Grund kann der Senat es auch offenlassen, in welcher Reihenfolge eine Verrechnung zu erfolgen hätte.
3. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2023 beantragt, Vollstreckungsschutz gemäß § 712 ZPO auszusprechen.
Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, hat ihm das Gericht gemäß § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden. In den Fällen des § 708ZPO, zu denen auch die Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 708 Nr. 10 ZPO gehört, kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Ein für den Schuldner unersätzlicher Nachteil bei Durchführung der Vollstreckung kann vorliegen, wenn der Schuldner seinen Betrieb schließen muss oder in seiner gewerblichen Existenz gefährdet ist (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 712 Rn. 1). Liegt ein unersetzlicher Nachteil vor, hat das Gericht in eine Interessenprüfung zwischen interessen von Schuldner und Gläubiger einzutreten wobei in der Vollstreckung grundsätzlich das Gläubigerinteresse überwiegt. Bei Entscheidungen des Oberlandesgerichts haben die Gläubigerinteressen nach der Wertung der §§ 708 Nr. 10, 717 Abs. 3 ZPO größeres Gewicht. Wird das erstinstanzliche Urteil in der Berufungsinstanz bestätigt, spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sachlich richtig entschieden worden ist, weshalb der Anwendungsbereich des § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO noch enger zu ziehen ist (Zöller/Herget, a.a.O., § 712 Rn. 2).
Die Voraussetzungen des § 712 ZPO sind gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Für den in der mündlichen Verhandlung nunmehr für die Entscheidung in zweiter Instanz gestellten Antrag liegt eine Glaubhaftmachung nicht vor.
Dem Senat liegt lediglich eine eidesstattliche Versicherung des Beklagten vom 09.04.2021 vor, welche der Glaubhaftmachung eines Antrags nach § 712 ZPObetreffend das erstinstanzliche Urteil dient. Die dortigen Angaben sind nicht geeignet, einen unersetzlichen Nachteil zu Lasten des Beklagten unter Berücksichtigung der Interessen des Gläubigers zu belegen. So haben Leasingverträge, die bei einer Räumung zu Belastungen des Beklagten führen würden, bereits ihr Ende gefunden. Auch ist nicht ersichtlich welches Einkommen der Beklagte in den Jahren 2019 bis 2022 erzielt hat. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19.01.2023 nicht die Möglichkeit bestand, im Raum S. ein vergleichbares Objekt zu pachten. Dem dürfte mit Blick auf pandemiebedingte Schließungen durchaus Bedeutung zukommen.
Ebenso ist in die Interessenabwägung das bisherige Verhalten der Parteien einzubeziehen. Der Gläubiger hat aus dem erstinstanzlichen Urteil die Räumung nicht vollstreckt. Vielmehr hat er sich um einvernehmliche Lösungen mit dem Beklagten bemüht. Der Beklagte seinerseits hat noch unter dem 05.11.2022 angeboten, das Hotel zum 31.12.2022 zu räumen. Seine Ausführungen zur Existenzgefährdung im Falle einer aufgrund des Berufungsurteils erfolgenden Räumung sind schon daher nur wenig überzeugend. Der Beklagte hatte sich mit diesem Angebot bereit gezeigt, die Folgen einer Beendigung seines Hotelbetriebs kurzfristig in Kauf zu nehmen. Er hat dann, nachdem selbst der Kläger den angebotenen Räumungszeitraum für sehr kurz befunden und ein Alternativangebot unterbreitet hatte, seine Vorstellung wieder gänzlich verändert.
Im Ergebnis dessen und des Umstandes, dass das erstinstanzliche Urteil in dem Berufungsurteil seine Bestätigung findet, ist der Antrag nach § 712 ZPO zurück zu weisen. Es verbleibt vielmehr bei den Vollstreckungsbestimmungen der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Streitwert hat der Senat gemäß §§ 41, 47, 48 ZPO festgesetzt.
Gründe, die Revision gem. § 543 ZPO zuzulassen, sieht der Senat nicht. Insbesondere die Auslegung von Erklärungen der Parteien, die der Beklagte zum Anlass seiner Anregung genommen hat, stellt keinen Revisionsgrund dar, da sie dem Tatrichter obliegt.