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Räumungsklage – Beweiswürdigung – Nullhypothese

OLG Frankfurt – Az.: 2 U 11/19 – Beschluss vom 08.04.2019

Gründe

Der Senat erwägt die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO, da sie nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint. Der Senat tritt der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung durch das Landgericht in vollem Umfang bei. Das mit der Berufung Vorgetragene rechtfertigt keine Abänderung der Entscheidung. Nach vorläufiger Bewertung des Sach- und Streitstandes gilt folgendes:

I.

Das Landgericht hat die Beklagten durch Urteil vom 17.12.2018, ihnen zugestellt am 27.12.2018, antragsgemäß verurteilt, die von ihnen angemieteten Räumlichkeiten im EG und KG des Hauses Straße1 in Stadt1., bestehend aus einer Speise- und Schankwirtschaft, einem Kiosk nebst WC, Theke und Treppenhaus sowie zwei Lager im Keller, wie diese im Einzelnen aus der dem Schriftsatz vom 24.4.2018 als Anlage A1 beigefügten Skizze (Anlagenband) erkennbar sind, zu räumen und an die Klägerin nebst Schlüsseln herauszugeben. Die Anlage A1 hat es dem Urteil mit Berichtigungsbeschluss vom 15.2.2019 beigefügt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf die Gründe des Urteils verwiesen.

Gegen diese Verurteilung wenden sich die Beklagten mit ihrer am Montag, dem 28.1.2019, eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.3.2019 am 26.3.2019 begründeten Berufung. Sie wenden sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Sie sind der Ansicht, das Landgericht habe die Aussage der Zeugin A wegen ihrer äußerst geringen (Detail-)Qualität bei zum Teil fehlenden Realkennzeichen im Hinblick auf die sogenannte „Nullhypothese“ und die Erkenntnisse der Aussagepsychologie nicht ausreichend gewürdigt. Die Zeugin habe keine wirklich tragenden Anhaltspunkt dafür nennen können, warum die Schilderung einer Alltagsroutine im vorliegenden Fall tatsachenfundiert sei. Sie habe unter Zugrundelegung ihrer Angaben im Nachhinein versucht, sich konkrete Kenntnis zu verschaffen, die sie bei der Zustellung der Kündigung hätte dokumentieren müssen, woraus sich ergebe, dass sie sich ihrer Sache im konkreten Fall keinesfalls sicher gewesen sei. Damit bestünden keine Gründe, warum die Aussage der Zeugin überzeugen müsse, so dass der Zugang der Kündigung vom 12.3.2018 nicht nachgewiesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 26.3.2019 (Blatt 128 ff. der Akte) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511 ff., 517, 519 f. ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des im Tenor des Urteils genannten Mietobjekts zu, da das Mietverhältnis durch das Kündigungsschreiben vom 12.3.2018, welches am 13.3.2018 zugegangen ist, wirksam zum 15.9.2018 beendet wurde (§ 546 Abs. 1, § 985 BGB). Dabei kann dahinstehen, ob die seitens der Klägerin mit Schreiben vom 12.3.2018 Anlage K3, Anlagenband) erklärte außerordentliche fristlose Kündigung berechtigt war, da die Klägerin in diesem Schreiben zugleich die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum nächst möglichen Termin erklärte hatte, und der Zugang dieses Schreibens am 13.3.2018 nach den Feststellungen des Landgerichts nachgewiesen ist.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Mietvertrages der Parteien verlängerte sich das zunächst bis zum 15.9.2010 befristete Mietverhältnis mangels Kündigung zunächst um jeweils zwei Jahre, da es nicht sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wurde. Die Klägerin hat das Mietverhältnis sodann rechtzeitig wirksam zum 15.9.2018, also vor dem 15.3.2018 gekündigt, nämlich durch Zugang der Kündigungserklärung gemäß Schreiben vom 12.3.2018 am 13.3.2018. Dies hat das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt.

Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrundezulegen, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen nicht geboten sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Solche konkreten Anhaltspunkte machen die Beklagten in ihrer Berufungsbegründung nicht geltend. Das Landgericht hat die Angaben der Zeugin A für glaubhaft erachtet und dies plausibel begründet. Dabei hat es, nachdem die Zeugin sich an den konkreten Vorgang nicht erinnern konnte, ihre Schilderungen, wie sie derartige Vorgänge üblicherweise handhabt, ausreichen lassen. Das Landgericht hat näher begründet, aus welchen Gründen es die allgemeinen Angaben der Zeugin im konkreten Fall trotz der seitens der Beklagten geäußerten Einwände für ausreichend erachtet hat. Hierbei hat es auch den persönlichen Eindruck, den die Zeugin hervorgerufen hat, berücksichtigt.

Diese Beweiswürdigung durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Gründe, welche für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, sind im Urteil anzugeben (§ 286 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dem ist das Landgericht gerecht geworden. Es kann durchaus plausibel sein, dass die Zeugin, die als Hausmeisterin üblicherweise auch mit der Zustellung von Schriftstücken befasst ist, sich nicht an jeden konkreten Einzelfall erinnert. Wenn sie sich an den Einzelfall nicht erinnert, können von ihr weder eine „Detailqualität“ noch „Realkennzeichen“ noch eine „Tatsachenfundierung“ erwartet werden. Es kann ohne weiteres ausreichend sein, aus einem allgemein geübten Verhalten eines Zeugen auf die gleiche Handhabung im konkreten Fall zu schließen. Der Umstand, dass der Zeugin bekannt ist, dass zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zwei Namen, sondern nur noch ein Name auf dem Briefkasten der Beklagten stand, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben oder gegen ihre Glaubwürdigkeit. Selbst wenn die Zeugin gerade im Nachhinein versucht haben sollte, sich konkrete Kenntnis zu verschaffen, und sie nicht lediglich aufgrund ihrer üblichen Tätigkeit Kenntnis von der Aufschrift auf dem Briefkasten der Beklagten erlangt haben sollte, so folgt hieraus nicht, dass sie sich hierüber bei ihrer Vernehmung nicht sicher gewesen sei. Dies ist lediglich eine nicht auf hinreichende konkrete Umstände gestützte Vermutung der Beklagten. Es ist auch nicht so, dass die Zeugin bei der Zustellung die Aufschrift auf dem Briefkasten hätte dokumentieren müssen, da nach ihren Angaben gerade kein Zweifel an der Zuordnung des Briefkastens bestand.

Die für das Strafrecht entwickelte sogenannte „Nullhypothese“ (vgl. BGH, NJW 1999, 2746 ff.) ist nicht geeignet, die dem Richter in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO übertragene Freiheit der Beweiswürdigung im Sinne von festen Beweisregeln einzuschränken. Ein Richter ist lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden, darf aber ansonsten die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten. Der Vorgang der Überzeugungsbildung ist nicht von objektiven Kriterien oder Wahrscheinlichkeitsberechnungen abhängig, sondern beruht auf Erfahrungswissen und dem Judiz des erkennenden Richters (vgl. im einzelnen Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286, Rdnrn. 1 ff., 12 ff. m.w.N.). Demzufolge begründen auch die Annahmen der Aussagepsychologie keine Anhaltspunkte, welche gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen durch das Landgericht sprechen könnten.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen seit Zustellung, auch dazu, ob das Rechtsmittel trotz der mitgeteilten Bedenken durchgeführt wird.

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