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Räumungsvergleich – Schadensersatzansprüche des Mieters bei Eigenbedarfskündigung

AG Oldenburg – Az.: 7 C 7295/19 – Urteil vom 25.10.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von dem Beklagten gegen den Kläger jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Mietvertrag.

Der Kläger hat von dem Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2012 eine der im 2. Obergeschoss des Mehrfamilienhauses … liegenden Wohnungen gemietet. Der Beklagte erwarb im Jahre 2015 das Hausgrundstück und wurde in das Grundbuch eingetragen. Unter dem vom 20. 8. 2016 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs seiner Ehefrau aus, von der er sich trennte. Die Kündigung wurde wiederholt, letztmals durch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten unter dem 31.10.2016 (Blatt 13 ff. d.A.). Im Anschluss an diese Kündigungen führten die Parteien einen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Oldenburg über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen zum Aktenzeichen 4 C 4056/17. Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akte verwiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.06.2017 schlossen die Parteien zur Erledigung des Räumungsrechtsstreits den nachfolgenden Vergleich:

1. „Der Beklagte zu 1) verpflichtet sich, bis zum 31.12.2017 die vom Kläger angemietete Wohnung, … zu räumen und in vertragsgemäßem Zustand an den Vermieter herauszugeben. Des Weiteren verpflichtet sich der Beklagte zu 1) auch dafür Sorge zu tragen, dass bis zu diesem Termin der Untermieter, … oder ein sonstiger Untermieter, der bei ihm in die Wohnung einzieht, ausziehen wird.

2. Der Kläger verpflichtet sich im Gegenzug für den Auszug, an den Beklagten zu 1) am 31.12.2017 oder gegebenenfalls zu einem früheren Auszugstermin einen Betrag in Höhe von 1500,00 € zu zahlen.

3. Der Beklagte zu 1) ist berechtigt, die Mietwohnung auch zu einem früheren Zeitpunkt zu räumen und herauszugeben. Er wird dieses dann mit einer Frist von 14 Tagen schriftlich dem Vermieter gegenüber anzeigen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass zu diesem Termin das Mietverhältnis dann vorzeitig aufgehoben ist.

4. Der Mieter erklärt, dass er auf Räumungsschutzanträge verzichtet.

5. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegen einander aufgehoben.“

Mit Schreiben vom 18.09.2017 kündigte das Ehepaar …, welches eine andere Wohnung in dem Objekt bewohnte, ihr Mietverhältnis mit dem Beklagten zum Ablauf des 31.12.2017. Die Ehefrau des Beklagten bezog sodann diese Wohnung.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte hätte den durch die Kündigung der Eheleute … bedingten Wegfall seines Nutzung- oder Überlassungswillens an der vom Kläger gemieteten Wohnung dem Kläger mitteilen müssen, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Vereinbarung im Vergleich erst zum 31.12. 2017 endete. Er meint, der Beklagte habe sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB als auch unter dem Gesichtspunkt vergeblicher Aufwendungen gemäß §§ 284,311 Abs. 2 BGB gegenüber dem Kläger schadensersatzpflichtig gemacht, weil er ihm einen Vertrag über die Aufhebung der Wirkungen des geschlossenen Vergleichs nicht angeboten habe. Den Schaden durch die für seine neue Wohnung abgerechnet höhere Miete berechnet der Kläger auf 140,40 € monatlich.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger monatlich 140,40 € ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Monat, jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats, zu zahlen

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger von der Zahlung des Betrages von 255,85 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, der Entschluss des Klägers und seiner Ehefrau, nicht die Wohnung des Klägers für die Ehefrau zu nutzen, sondern die Wohnung der Familie …, sei erst nach dem 31.12.2017 im Zuge der Renovierungsmaßnahmen der Wohnungen getroffen worden. Im Übrigen sei die Intention der Parteien gewesen, dass mit dem Vergleichsschluss jegliche Diskussion über die Beendigung des Mietverhältnisses und der Rückgabepflicht des Klägers beendet werden sollte. Dies bringe auch die vereinbarte Abfindung von 1500 € zum Ausdruck.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die von Ihnen Bereichen Schriftsätze nebst Anlagen, die sämtlich vorgetragen wurden, Bezug genommen.

Die Akte des Amtsgerichts Oldenburg zum Aktenzeichen 4 C 4056/17 war beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Zahlungsanspruch auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Allerdings ist ein solcher Schadensersatzanspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Mietverhältnis der Parteien nicht durch Kündigung des Beklagten endete, sondern aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Räumungsvergleichs. Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall eines vorgetäuschten Eigenbedarfs das Folgende: Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von (Eigen-)Bedarf – wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses – dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteile vom 8. April 2009, VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13. Juni 2012, VIII ZR 356/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 7. September 2011, VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634 Rn. 3). Ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (Fortführung von BGH, Beschluss vom 7. September 2011, VIII ZR 343/10, aaO). An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-) Bedarfs zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21. November 2006, VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009, II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18. September 2012, II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015, IV ZR 504/14, juris Rn. 15). Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen (Fortführung von BGH, Urteile vom 11. Oktober 2000, VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006, VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; Beschluss vom 19. September 2006, X ZR 49/05, juris Rn. 27). Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 -, juris).

Die in diesem Urteil des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung ist zwar dem Grunde nach auf diesen Fall anzuwenden; die in dem Urteil niedergelegten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei vorgetäuschten Eigenbedarfs sind auf den vorliegenden Fall jedoch nicht eins zu eins zu übertragen. Denn anders als in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall geht es vorliegend nicht um eine unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters, sondern um den vermeintlichen Wegfall dieses Eigenbedarfes während der im Räumungsvergleich vereinbarten Räumungsfrist. Es geht daher im vorliegenden Falle daher nicht um die Frage des Vorliegens des Willens des Klägers, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs zu verzichten. Vielmehr ist bei der Auslegung der Räumungsvereinbarung der Parteien darauf abzustellen, ob der Kläger auf etwaige Ansprüche wegen Entfalls des vermeintlichen Eigenbedarfs während der vereinbarten Frist zur Beendigung des Mietverhältnisses verzichten wollte. Dieser Fall ist deshalb anders zu betrachten, weil im Gegensatz zur Vortäuschung eines Eigenbedarfs im Falle seines späteren Wegfalls kein arglistiges Verhalten des Vermieters zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegt. Dieser Umstand muss auf die von dem Bundesgerichtshof für den Fall der Vorspiegelung des Eigenbedarfs geforderten strengen Anforderungen zur Feststellung des Willens des Mieters in dem Sinne durchschlagen, dass die Anforderungen an die Feststellung seines Willens nicht überspannt werden dürfen.

Nach Maßgabe dieser rechtlichen Vorgaben führt die Auslegung des zwischen den Parteien im Bezugsrechtsstreit geschlossenen Vergleichs zu dem Ergebnis, dass die Parteien das Mietverhältnis endgültig beendet wissen wollten und mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines Entfallens des Eigenbedarfs während der vereinbarten Restdauer des Mietverhältnisses abgegolten werden sollten. Die ausführliche Anhörung der Parteien im Termin vermochte die maßgeblichen Gesichtspunkte nicht zu erhellen. Es ist insoweit von einem nun liquet auszugehen. Die Intention der Parteien war daher durch Auslegung des Vergleichstextes an sich zu ermitteln. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Vergleichsschluss der Parteien im vorliegenden Fall ein substanzielles Entgegenkommen des Beklagten in Bezug auf die Beendigung des Mietverhältnisses enthält. Denn die Parteien haben in dem Räumungsvergleich eine Abstandszahlung des Beklagten in Höhe von 1.500,- € an den Kläger vereinbart. Es ist aber in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass im Einzelfall aus der Vereinbarung über die Zahlung einer namhaften Abstandszahlung der Wille der Parteien entnommen werden kann, dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollen (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; OLG Celle, OLGR 1995, 4 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 573 Rn. 57; Gramlich, Mietrecht, 12. Aufl., § 573 BGB unter 8; aA wohl Staudinger/Rolfs, aaO mwN). Dies soll insbesondere dann in Betracht kommen, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 -, Rn. 19, juris). Lässt aber die Vereinbarung einer Abstandszahlung auf den Willen der Parteien schließen, etwaige Ansprüche Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs entfallen zu lassen, muss dies erst recht für ihren Willen gelten, etwaige Ansprüche wegen entfallenden Eigenbedarfs auszuschließen. Ein weiteres Entgegenkommen des Beklagten in dem Vergleichsschluss ist auch in der vereinbarten Kostenaufhebung der Parteien zu erkennen. Darüber hinaus war ferner zu berücksichtigen, dass die Parteien im Vergleich vereinbart hatten, dass es dem Kläger unbenommen blieb, zu einem früheren Zeitpunkt als der vereinbarten Räumungsfrist die Mietwohnung an den Beklagten herauszugeben und dass in diesem Falle zu diesem Termin das Mietverhältnis dann vorzeitig aufgehoben wird. Auch diese Vereinbarung stellte für den Kläger einen geldwerten Vorteil dar, weil ihm so eine etwaige finanzielle Belastung durch doppelte Mietzahlung erspart blieb.

Die Gesamtschau aller Umstände lässt danach kaum einen Zweifel daran zu, dass die Parteien durch den Vergleichsschluss sämtliche mit der Eigenbedarfskündigung verbundenen wechselseitigen Ansprüche -einschließlich etwaiger Entschädigungen wegen zwischenzeitlichen Wegfalls des Eigenbedarfs – erledigt wissen wollten.

II.

Aus denselben Gründen scheiden auch etwaige Ansprüche des Klägers auf Aufwendungsersatz gegen den Beklagten aus.

III.

Mit dem Hauptanspruch fallen auch die Nebenansprüche.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen Folgen aus den Vorschriften der §§ 91, 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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