Skip to content
Menü

Selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung der Mietminderung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 2 W 11/21 – Beschluss vom 05.05.2021

Leitsatz:

Ein Beweisantrag im selbständigen Beweisverfahren kann darauf gerichtet sein, die Höhe der Mietminderung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Februar 2021 – 6 OH 1/21 – teilweise dahingehend abgeändert, dass sich die Beweiserhebung auch auf die Beweisfragen zu 1. c), 2. c) und 3. c) der Antragsschrift vom 25. Januar 2021 erstreckt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt in Neunkirchen eine Gaststätte. Nach ihrer Behauptung hat sich im Getränkekühlhaus an den Wänden Feuchtigkeit angesammelt, die zu Schimmelbildung geführt habe. In den Gasträumen sei wiederholt ein Fäkaliengeruch aufgetreten im Zusammenhang mit einem Ausfall der Belüftungsanlage. Außerdem erreiche die Kühlungsanlage der Kücheninsel nicht durchgehend die notwendige Kühltemperatur. Das Landgericht hat dem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens insoweit entsprochen, als die Antragstellerin das Vorliegen der Mängel und deren Ursache durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wissen will. Soweit durch das Gutachten zusätzlich die Höhe der für die einzelnen Mängel anzusetzenden Mietminderung geklärt werden soll, hat es den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin, die Vermieterin der Gaststätte, entgegengetreten ist und der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht ein rechtliches Interesse (§ 485 Abs. 2 ZPO) der Antragstellerin daran, dass die Höhe der aufgrund der behaupteten Mängel berechtigten Mietminderung außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wird.

a) Zwar wird in der landgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, Feststellungen zur Minderungshöhe könnten nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO sein (LG Berlin, MDR 1991, 444; LG Saarbrücken, WuM 1992, 144, 145; LG Hamburg, Beschluss vom 27. Juli 2011 – 333 T 43/11, BeckRS 2012, 8455). Begründet wird dies damit, dass die Beurteilung, in welchem Umfang die Miete aufgrund eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert sei, eine Rechtsfrage darstelle, deren Beantwortung dem Gericht obliege.

b) Vorherrschend ist dagegen die Auffassung, wonach § 485 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit eröffne, in einem selbständigen Beweisverfahren auch die Höhe der Mietminderung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen (KG, NJW-RR 2000, 513; BeckOK ZPO/Kratz [1.3.2021], § 485 Rn. 37; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rn. 27; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 485 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 485 Rn. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 536 BGB Rn. 520; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 536 BGB Rn. 66d; Bub/Treier/ Fischer/Günter, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. XI Rn. 217; Guhling/Günter/Nober, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Kap. 5 Rn. 14; Scholl, NZM 1999, 108, 109).

c) Der Senat folgt der herrschenden Meinung.

aa) Die Höhe der Mietminderung richtet sich wesentlich nach dem Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung. Dieses festzustellen wird dem Gericht vielfach nur auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen des Mangels auf die Möglichkeit zum Gebrauch der Mietsache möglich sein. Angaben des Sachverständigen dazu, wie die durch den Mangel hervorgerufene Nutzungseinschränkung prozentual zu bewerten ist, sind dabei in der Praxis üblich und können dem Gericht zumindest eine Orientierungshilfe bei der Bestimmung der angemessenen Mietminderung sein (vgl. Scholl, aaO, S. 110). Dementsprechend wird es im Mietprozess ohne weiteres als zulässig und im Einzelfall sogar als geboten erachtet, einen Sachverständigen zur Klärung des Minderungsbetrags heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 – XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779; Beschluss vom 11. Juni 1997 – XII ZR 254/95, NJWE-MietR 1997, 202). Für das selbständige Beweisverfahren gilt insoweit nichts Anderes.

bb) Der Wortlaut des § 485 Abs. 2 ZPO steht einer Beweiserhebung nicht entgegen. Feststellungen zur Höhe der Minderung betreffen den Zustand bzw. den Wert einer Sache im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Höhe der Mietminderung knüpft unmittelbar an den Zustand der Mieträume an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 12 W 34/16, BeckRS 2017, 102285 Rn. 9), auf deren Wert sie sich zudem – jedenfalls mittelbar – auswirkt. Daneben ist die Bestimmung der Mietminderung zumindest im weiteren Sinne dem Bereich der Schadensfeststellung gemäß § 485 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO zuzuordnen (KG, aaO).

cc) Auch der Normzweck spricht für die Zulässigkeit einer Begutachtung der Minderungshöhe. § 485 Abs. 2 ZPO stellt eine Sonderregelung für die Fälle dar, in denen ein selbständiges Beweisverfahren unabhängig vom drohenden Verlust eines Beweismittels zweckmäßig erscheint, weil es eine vorprozessuale Einigung der Parteien erleichtert (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – VI ZB 53/08, NJW-RR 2010, 946 Rn. 6). Voraussetzung für die Beweiserhebung ist, dass einer der in § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO genannten Fälle vorliegt und dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit zu fassen (BGH, Beschluss vom 14. März 2018 – V ZB 131/17, NJW 2018, 1749 Rn. 11; Beschluss vom 20. Oktober 2009 – VI ZB 53/08, aaO; Beschluss vom 16. September 2004 – III ZB 33/04, NJW 2004, 3488 Rn. 2). § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmt ergänzend, dass ein rechtliches Interesse anzunehmen ist, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Dies wird bei gutachterlichen Feststellungen zur Höhe der Mietminderung nicht selten der Fall sein, sofern es den Parteien gelingt, auf der Grundlage des Gutachtens einvernehmlich einen bestimmten Minderungsbetrag festzulegen (vgl. hierzu auch OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1674).

2. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.

a) Die in dem Nichtabhilfebeschluss geäußerten Bedenken gegen die Fassung der Beweisfragen sind unbegründet. Selbst wenn man die Frage nach der Höhe der Mietminderung dem Wortlaut nach als eine der Beurteilung durch einen Sachverständigen entzogene Rechtsfrage ansehen wollte, wäre sie jedenfalls einer Auslegung dahingehend zugänglich, dass nach dem Umfang der mangelbedingten Gebrauchsbeeinträchtigung gefragt wird (vgl. Wieczorek/Schütze/Ahrens, aaO). Zumindest hierzu kann sich ein Sachverständiger äußern.

b) Gemäß § 487 Nr. 2 ZPO muss der Antrag die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, über die Beweis erhoben werden soll. Besondere inhaltliche Anforderungen an die Darlegung der Beweistatsachen bestehen nicht (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – VI ZB 11/15, NJW-RR 2016, 63 Rn. 9). Der Vortrag muss lediglich so substanziiert sein, dass der Verfahrensgegenstand eindeutig abgrenzbar ist und der Sachverständige weiß, zu welchen behaupteten Tatsachen er Antworten geben soll (KG, NJW-RR 2000, 468, 469; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. März 2013 – 1 W 42/12, BeckRS 2013, 9197; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 18. Aufl., § 487 Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift auch, soweit es um die Mietminderung geht. Darin werden die einzelnen Mängel nach Art und Auswirkungen beschrieben und es wird eine Größenordnung angegeben, in der aus der Sicht der Antragstellerin deswegen eine Minderung der Miete gerechtfertigt ist. Weitere Angaben waren nicht erforderlich.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens grundsätzlich zu den Kosten der Hauptsache zählen und kein Ausnahmefall vorliegt, in dem eine isolierte Kostenentscheidung in Betracht kommt (vgl. OLG Celle, NJW 2015, 3174 Rn. 6; BLHAG/Bünnigmann, ZPO, 79. Aufl., § 490 Rn. 10).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die maßgebende Rechtsfrage ist durch die zitierten höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen, die in Übereinstimmung mit der im Schrifttum herrschenden Auffassung stehen, geklärt.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!